Drucksache 17 / 15 103 Schriftliche Anfrage 17. Wahlperiode Schriftliche Anfrage der Abgeordneten Katrin Lompscher (LINKE) vom 03. Dezember 2014 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 04. Dezember 2014) und Antwort Bauprojekt der Genossenschaft IDEAL eG an den Mitgliedern vorbei geplant? Die Drucksachen des Abgeordnetenhauses sind bei der Kulturbuch-Verlag GmbH zu beziehen. Hausanschrift: Sprosserweg 3, 12351 Berlin-Buckow · Postanschrift: Postfach 47 04 49, 12313 Berlin, Telefon: 6 61 84 84; Telefax: 6 61 78 28. Im Namen des Senats von Berlin beantworte ich Ihre Schriftliche Anfrage wie folgt: Frage 1: Wie viele Neubauvorhaben von Wohnungs- baugenossenschaften sind dem Senat bekannt? Antwort zu 1: Nach Auskunft des BBU Verband Ber- lin-Brandenburgischer Wohnungsunternehmen befassen sich derzeit weit über 30 seiner genossenschaftlichen Mitgliedsunternehmen mit verschiedenen Neubauvorha- ben. Der BBU geht davon aus, dass bis zum Jahr 2020 mindestens 5.000 Wohnungen durch Genossenschaften fertiggestellt werden. Frage 2: Welche Formen der Information, der Beteili- gung und Mitbestimmung von Mitgliedern einer Woh- nungsbaugenossenschaft sind dem Senat für Bauprojekte von Genossenschaften bekannt? Antwort zu 2: Gemäß § 6 Genossenschaftsgesetz (GenG) muss die Satzung einer eingetragenen Genossen- schaft (eG) u.a. Mindestbestimmungen über die Form der Einberufung der Generalversammlung ihrer Mitglieder sowie für die Form der Beurkundung und Veröffentli- chung ihrer Beschlüsse enthalten. Bei Genossenschaften mit mehr als 1.500 Mitgliedern kann die Satzung auch bestimmen, dass die Generalversammlung aus Vertrete- rinnen und Vertretern der Mitglieder (Vertreterversamm- lung) besteht (siehe § 43a GenG). Eingetragene Genos- senschaften müssen gemäß § 8 GenG einen Vorstand und - sofern sie mehr als 20 Mitglieder haben – einen Aufsichtsrat haben. Die gesetzlichen Anforderungen an Rech- te, Pflichten und Art des Zusammenwirkens von General- versammlung, ggf. Vertreterversammlung, Vorstand und Aufsichtsrat der Genossenschaft ergeben sich insbesonde- re aus Abschnitt 3 (§§ 24 bis 51– Verfassung der Genossenschaft ) Genossenschaftsgesetz. Wie die einzelnen eingetragenen Genossenschaften den durch das Genos- senschaftsgesetz vorgegebenen Rechtsrahmen im Einzel- nen in ihren Satzungen ausgestalten, ist jeweils Angele- genheit ihrer Selbstentscheidung und Selbstverwaltung. Aus der genossenschaftlichen Praxis, welche z.B. auf den websites oder in den laufenden Mitgliederinformatio- nen vieler Genossenschaften auch öffentlich einsehbar ist, sind vielfältige Formen der Information und Beteiligung von Genossenschaftsmitgliedern bei der Planung und Ausgestaltung ihrer Neubauprojekte bekannt. Nach sach- kundiger Einschätzung des BBU wird dies in den einzel- nen Genossenschaften sehr unterschiedlich gehandhabt und hängt sehr stark von der Projektgröße und der Größe und Aufstellung der Genossenschaft ab. Das Spektrum reicht von Bewohner- bzw. Mitgliederversammlungen, Information mittels Schreiben und Mitgliederzeitungen, Begehungen mit Aufsichtsrätinnen und Aufsichtsräten und den gewählten Vertreterinnen und Vertretern bis zu Meinungs- und Interessensumfragen. Frage 3: Wie bewertet der Senat den Sachverhalt, dass der Bau neuer Wohnungen durch die Baugenossenschaft IDEAL eG auf dem Tempelhofer Feld vom Vorstand der Genossenschaft zugesagt worden war, ohne die Mitglie- der und Gremien der Genossenschaft an dieser Entschei- dung zu beteiligen? Antwort zu 3: Seitens der IDEAL eG wurde eine Ab- sichtserklärung (sog. „letter of intent“) unterzeichnet, sich im Falle einer Bebauung von Randzonen des Tempelhofer Feldes mit Wohnungen an diesem Bauvorhaben zu betei- ligen. Gemäß Auskunft der IDEAL eG waren an dem beabsichtigten Vorhaben Vorstand und Aufsichtsrat als zuständige Gremien der IDEAL eG gesetzes- und sat- zungsgemäß von Anfang an beteiligt. Die Vertreterinnen und Vertreter wurden bei Bilanzgesprächen und in der Vertreterversammlung stets informiert und hielten derar- tige Aktivitäten für ausgesprochen sinnvoll. Dem Senat steht es nicht zu, die von den Genossen- schaftsorganen gesetzes- und satzungsgemäß in eigener Verantwortung gewählten genossenschaftsinternen Ent- scheidungswege und getroffenen Entscheidungen von außen zu bewerten. Abgeordnetenhaus Berlin – 17. Wahlperiode Drucksache 17 / 15 103 2 Frage 4: Welche Formen der Information, der Beteili- gung und Mitbestimmung der Öffentlichkeit, der Mitglie- der und Bewohner der Genossenschaft und der Bezirks- verordnetenversammlung wurden für das Bauprojekt der Genossenschaft IDEAL eG am Kormoranweg / Kolibri- weg im Bezirk Neukölln angewendet? Antwort zu 4: Die Beteiligung der Öffentlichkeit er- folgte im Rahmen des Bebauungsplanverfahrens. Darüber hinaus wurden die Bewohnerinnen und Be- wohner der Wohnanlage der IDEAL eG am Kormoran- weg durch Publikationen, Informations- und Diskussions- veranstaltungen einbezogen und beteiligt. Diverse Vor- schläge aus der Bewohnerschaft wurden gemäß Auskunft der IDEAL eG planerisch umgesetzt und führten zu Ver- änderungen des Bauvorhabens. Die Bezirksverordnetenversammlung des Bezirks Neukölln wurde im Rahmen ihrer Sitzungen über den Stand des Bebauungsplanverfahrens sowie über die Bür- gereinwendungen informiert. Seitens der Bezirksverord- netenversammlung wurde eine Einwohnerversammlung zum Vorhaben einberufen. Frage 5: Treffen Berichte zu, wonach die Grundstein- legung für das genannte Bauprojekt der IDEAL unter Ausschluss der Nachbarinnen und Nachbarn, die Genos- senschaftsmitglieder sind, jedoch in Anwesenheit des Stadtentwicklungssenators und unter Einsatz einer Si- cherheitsfirma stattfand? Antwort zu 5: Der Vorstand und der Aufsichtsrat der IDEAL eG haben entschieden, die Grundsteinlegung als geschlossene Veranstaltung mit geladenen Gästen durch- zuführen und den Senator für Stadtentwicklung und Um- welt dazu als Gastredner einzuladen. Wie es bei derarti- gen geschlossenen Veranstaltungen der heutigen Praxis entspricht, wurde eine Dienstleistungsfirma mit der Ein- lass- und Sicherheitskontrolle beauftragt. Frage 6: Wenn ja, warum unterstützt der Senat Veran- staltungen unter Ausschluss der Öffentlichkeit und der Nachbarschaft und warum gibt es für ihn keine Mindest- standards der Einbindung der Nachbarschaft bei Grund- steinlegungen, Richtfesten oder feierlichen Einweihun- gen? Antwort zu 6: Wie in der Antwort zu Frage 5 erläutert, handelte es sich bei der Grundsteinlegung nicht um eine „Veranstaltung unter Ausschluss der Öffentlichkeit“, sondern um eine Veranstaltung der IDEAL eG mit gela- denem Teilnehmerkreis. Über diese wurde öffentlich berichtet. Frage 7: Welche Probleme sieht der Senat darin, dass Thomas Blesing als Bezirksstadtrat und Leiter der Abtei- lung Bauen, Natur und Bürgerdienste zugleich seit 2001 Vorstand der Wohnungsbaugenossenschaft IDEAL ist? Antwort zu 7: Keine. Mitglieder der Bezirksämter sind an Recht und Gesetz gebunden. Sämtliche Vorgänge im Zusammenhang mit dem durchgeführten Bebauungsplanverfahren wurden nicht vom Leiter der Abteilung Bauen, Natur und Bürgerdiens- te, sondern von seinem Vertreter im Amt schlussgezeich- net. Frage 8: Wie bewertet der Senat die Tatsache, dass beim Bauvorhaben Kormoranweg eine Grünfläche mit zahlreichen Bäumen bebaut wird und die dafür erforderli- che naturschutzrechtliche Abwägung durch die Abteilung Bauen, Natur und Bürgerdienste erfolgte, die von Thomas Blesing – zugleich als Vorstand in Bauherrnfunktion – geleitet wird? Antwort zu 8: Mit Art. X des Dritten Gesetzes zur Rechtsvereinfachung und Entbürokratisierung vom 11. Juni 2006, das am 22. Juni 2006 in Kraft getreten ist, wurden die Genehmigungen von Ausnahmen im Sinne des § 5 Abs. 1 und 2 Baumschutzverordnung (BaumSch- VO) in das Baugenehmigungsverfahren integriert. Das bedeutet, dass im innerdienstlich herzustellenden Einver- nehmen mit der für den Schutz des Baumbestandes zu- ständigen Stelle eine Entscheidung getroffen wird. Für den Bauherrn soll die Verfahrensbündelung durch die Bauaufsicht Rechtsklarheit vermitteln und eine Beschleu- nigung bewirken. Eines gesonderten Antrags bedarf es nicht. Im amtlichen Lageplan sind geschützte Bäume einzutragen. Die Naturschutzbehörde fertigt eine Stel- lungnahme, die im Rahmen der Baugenehmigung von der Bauaufsichtsbehörde als Entscheidungsgrundlage heran- gezogen wird. Die Entscheidung wird im Einvernehmen mit dem Umwelt- und Naturschutzamt getroffen. Die Ausgleichsmaßnahmen (Ausgleichsabgabe, Ersatzpflan- zungen) sind ebenfalls Bestandteil der Baugenehmigung. In die im Juni 2014 für das Bauvorhaben der IDEAL am Kormoranweg erteilten fünf Baugenehmigungen sind die für die erforderlichen Baumfällungen zustimmenden Stellungnahmen des Umwelt- und Naturschutzamtes eingeflossen. Frage 9: Welche weiteren personellen Doppelfunktio- nen von politischen Ämtern und Vorstandsmitgliedschaf- ten in Wohnungsbaugenossenschaften gibt es in Berlin? Abgeordnetenhaus Berlin – 17. Wahlperiode Drucksache 17 / 15 103 3 Antwort zu 9: Bei der von der Fragestellerin so be- zeichneten „personellen Doppelfunktion“ handelt es sich um die Tätigkeit als ehrenamtlicher Vorstand der IDEAL eG. Diese nimmt Herr Thomas Blesing – seit 2001 Bezirksstadtrat - gemäß den Angaben auf seiner website (http://www.berlin.de/ba-neukoelln/lebenslauf/thomas_bl esing.html) seit Juni 2011 wahr, nachdem er vorher - seit 1980 als Mitglied der Vertreterversammlung und zwi- schen 1996 und 2001 als Mitglied des Aufsichtsrates – Funktionen in den Entscheidungsgremien der IDEAL eG ausgeübt hat. Ob und welche Inhaberinnen und Inhaber politischer Mandate im Rahmen ihres ehrenamtlichen Engagements Vorstandsämter in Wohnungsbaugenossenschaften wahr- nehmen, ist dem Senat nicht bekannt. Berlin, den 15. Dezember 2014 In Vertretung Prof. Dr.- Ing. Engelbert Lütke Daldrup ................................ Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Umwelt (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 18. Dez. 2014)