Drucksache 17 / 15 104 Schriftliche Anfrage 17. Wahlperiode Schriftliche Anfrage der Abgeordneten Katrin Lompscher (LINKE) vom 03. Dezember 2014 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 04. Dezember 2014) und Antwort Wie fördert der Senat den genossenschaftlichen Wohnungssektor in Berlin, dessen Bei- trag für eine soziale Wohnraumversorgung und Demokratisierung? Die Drucksachen des Abgeordnetenhauses sind bei der Kulturbuch-Verlag GmbH zu beziehen. Hausanschrift: Sprosserweg 3, 12351 Berlin-Buckow · Postanschrift: Postfach 47 04 49, 12313 Berlin, Telefon: 6 61 84 84; Telefax: 6 61 78 28. Im Namen des Senats von Berlin beantworte ich Ihre Schriftliche Anfrage wie folgt: Frage 1: Wie hat sich die Zahl der Wohnungsbauge- nossenschaften in den letzten zehn Jahren entwickelt und wie hat sich die Zahl der Wohnungen in Wohnungsbau- genossenschaften seit 2010 (Drs. 17/10321) verändert? Antwort zu 1: Gemäß Auskunft des BBU Verband Berlin-Brandenburgischer Wohnungsunternehmen e.V. waren dort Ende 2013 80 Wohnungsbaugenossenschaften mit einem Bestand von 182.921 Wohnungen Mitglied. Beim Prüfverband der kleinen und mittleren Genossen- schaften hat sich in den letzten zehn Jahren der Mitglie- derbestand um drei Wohnungsbaugenossenschaften in Berlin erhöht. Die hiesigen Verbandsmitglieder hatten 2013 einen Bestand von 5.335 Wohnungen. Zur Anzahl der Wohnungsbaugenossenschaften für Berlin insgesamt liegen weder den genannten Verbänden noch dem Senat eindeutige Zahlenangaben vor. Frage 2: Wie hoch sind die durchschnittlichen Be- stands- und Neuvermietungsmieten in den Wohnungs- baugenossenschaften aktuell? Antwort zu 2: Für seine genossenschaftlichen Mit- gliedsunternehmen hat der BBU zum Stand Ende 2013 ein durchschnittliches Nutzungsentgelt von 4,96 €/m² Wohnfläche (monatlich netto kalt) bei bestehenden Nut- zungsverträgen sowie von 5,68 €/m² Wohnfläche (monatlich netto kalt) für neu abgeschlossene Nutzungsverträge mitgeteilt. Die Nutzungsentgelte der Berliner Mitglieder des Prüfverbandes der kleinen und mittleren Genossen- schaften liegen zurzeit überwiegend in der Größenord- nung zwischen 4,80 und 5,20 €/m² Wohnfläche (monatlich netto kalt). Frage 3: Unterstützen der Senat, die Bezirksämter o- der JobCenter Transferleistungsbeziehende und Haushalte mit niedrigem Einkommen dabei, Geschäftsanteile von Genossenschaft zu kaufen, damit auch diese Perso- nengruppen genossenschaftlichen, bezahlbaren Wohn- raum beziehen können? Frage 4: Wenn nein, welche Schritte plant der Senat, um die soziale Wohnraumversorgung für die genannten Personengruppen im Genossenschaftssektor, der immer- hin rd. 11,5 Prozent des Gesamtbestandes aller Berliner Mietwohnungen abdeckt, z.B. über Kooperationsverträge zu ermöglichen? Frage 5: Welche Bemühungen unternimmt der Senat, den genossenschaftlichen Wohnungssektor trotz niedrigen Leerstands für die Unterbringung von besonderen Be- darfsgruppen, insbesondere Menschen in Notlagen, Flüchtlinge und Asylsuchende sowie Studierende und Auszubildende, zu gewinnen und einzubeziehen? Antwort zu 3 bis 5: Gemäß § 22 Absatz 6 Sozialge- setzbuch II bzw. § 35 Absatz 2 Sozialgesetzbuch XII können Genossenschaftsanteile als sogenannte Woh- nungsbeschaffungskosten bei Vorliegen der sonstigen Voraussetzungen (z.B. Hilfebedürftigkeit, Notwendigkeit eines Umzuges, Angemessenheit des Nutzungsentgelts) und vorheriger Zustimmung der leistungsgewährenden Behörde übernommen werden. Die näheren Bestimmun- gen dazu regelt Ziffer 8, hier insbesondere Ziffer 8.3 der AV Wohnen (Ausführungsvorschriften zur Gewährung von Leistungen gemäß § 22 SGB II und §§ 35 und 36 SGB XII ). Danach hat der Senat bestimmt, dass unter Berücksichtigung der Berliner Wohnungsmarktsituation im Regelfall eine derartige Zustimmung zu erteilen ist, da davon ausgegangen werden muss, dass ohne die entspre- chende Leistungszusage eine Wohnung in angemessenem Zeitraum nicht gefunden werden kann. Abgeordnetenhaus Berlin – 17. Wahlperiode Drucksache 17 / 15 104 2 Aufgrund der Natur der Leistung, die bei Austritt aus einer Genossenschaft zurückerstattet wird und weil eine Vermögensbildung durch Transferleistungen ausgeschlos- sen sein muss, wird die Leistung als Darlehen erbracht. Der Senat unterstützt auf diese Weise seit Jahren die An- mietung von Genossenschaftswohnungen und bezieht dieses Wohnungsmarktsegment selbstverständlich in die Wohnraumversorgung einkommensschwacher Haushalte ein. Eine darüber hinausgehende Initiative ist wegen der ohnehin starken Nachfrage in diesem Bereich des Woh- nungsmarktes weder notwendig noch wäre sie bei den geringen Leerstandsquoten bei Genossenschaftswohnun- gen erfolgversprechend. Frage 6: Mit welchen Instrumenten und Programmen fördert das Land Berlin derzeit Wohnungsbaugenossen- schaften und deren Neugründung und welche Überlegun- gen bzw. Planungen gibt es für den Zeitraum ab 2016? Antwort zu 6: Im Zusammenhang mit der Altschul- denhilferegelung nach der deutschen Vereinigung hat das Land Berlin Bürgschaften für die Altschulden diverser Wohnungsbaugenossenschaften im Ostteil übernommen, um in der Übergangszeit in das Vergleichsmietensystem deren Handlungsfähigkeit bei der Bestandsbewirtschaf- tung sowie vor allem bei der energetischen Modernisie- rung ihrer Bestände zu gewährleisten. Die Gründung neuer Wohnungsbaugenossenschaften ist in den 90er Jahren des vergangenen und in den ersten Jahren dieses Jahrhunderts sowohl im Zusammenhang mit dem Altschuldenhilfegesetz als auch in Fällen der Veräu- ßerung städtischer Wohnungsbestände an neu gegründete Mietergenossenschaften mit Programmen zum genossen- schaftlichen Bestandserwerb unterstützt worden. Die genannten Programme sind im Zusammenhang mit den Maßnahmen zur Haushaltskonsolidierung des Landes Berlin eingestellt und seither nicht wieder aufgenommen worden. Frage 7: Auf welche Weise möchte der Senat vor dem Hintergrund seiner Neubauziele Wohnungsbaugenossen- schaften stärker als bislang fördern? Antwort zu 7: Mit den von der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Umwelt ausgelobten Genossen- schaftswettbewerben 2012 und 2014 sind vorbildliche Neubauvorhaben Berliner Wohnungsbaugenossenschaften ausgezeichnet worden. Im Bündnis für Wohnungsneubau vom 02. Juli 2014 (siehe im Einzelnen http://www.stadtentwicklung.berlin.de/wohnen/neubaubu endnis/verbaendebuendnis.pdf) hat u.a. der BBU für Mit- gliedsunternehmen mit der Senatsverwaltung für Stadt- entwicklung und Umwelt diverse gemeinsame Schritte zur Stärkung des Wohnungsneubaus in Berlin vereinbart. Wohnungsbaugenossenschaften können sich – ebenso wie andere Gruppen von Investoren - um die Förderung eines Anteils der von ihnen errichteten Wohnungen im Woh- nungsbauförderungsprogramm des Landes (siehe http://www.stadtentwicklung.berlin.de/wohnen/wohnungs bau/de/foerderung/index.shtml) bewerben. Die Prüfung der Möglichkeiten einer stärkeren Bereit- stellung landeseigener Grundstücke für genossenschaftli- che Neubauvorhaben zum Festpreis, mittels Konzeptver- fahren oder im Erbbaurecht ist derzeit im Prüfungsver- fahren. Frage 8: Wie viele landeseigene Grundstücke sind in den letzten drei Jahren in welchem Vergabeverfahren und zu welchen Konditionen an Wohnungsbaugenossen- schaften veräußert worden? Antwort zu 8: In den Jahren 2012 bis 2014 sind gemäß Angaben des Liegenschaftsfonds Berlin von diesem ins- gesamt 19 landeseigene Grundstücke in Direktvergabe an Wohnungsbaugenossenschaften veräußert worden. Die Kaufpreissumme belief sich auf rd. 5,4 Mio. €. Frage 9: Inwieweit unterscheidet sich der genossen- schaftliche Neubauwettbewerb 2014 von dem im Jahre 2012 und von anderen Wettbewerben wie dem des Bun- desverbands deutscher Wohnungs- und Immobilienunter- nehmen (GdW) und welche Rolle spielt dabei die Bezahl- barkeit des Wohnraums für untere und mittlere Einkom- mensgruppen im (modernisierten) Bestand und im Neu- bau? Antwort zu 9: Den Preisträgern des Genossenschafts- wettbewerbs 2012 wurde die Möglichkeit eröffnet, ein zinsloses Darlehen von jeweils maximal 1,5 Mio. € in Anspruch zu nehmen. Beim Genossenschaftswettbewerb 2014 wurden Preisgelder in Höhe von insgesamt 100.000 € ausgelobt. In beiden Wettbewerben war die Bezahlbarkeit des Wohnens ein wichtiges Bewertungskriterium. Zur Art und Weise seiner Bearbeitung durch die Wettbe- werbsteilnehmenden siehe im Einzelnen die Wettbe- werbsdokumentationen unter http://www.stadtentwicklung.berlin.de/wohnen/wohnungs bau/de/strategie/genossenschaften_wettbewerb2014.shtml Im Unterschied zum GdW-Wettbewerb, welcher auch Bestandsobjekte und fertiggestellte Neubauten einbezo- gen hat, wurde der Teilnahmekreis bei den beiden Berli- ner Wettbewerben bewusst auf noch geplante oder erst vor Kurzem begonnene und zum Zeitpunkt der Wettbe- werbsentscheidung noch nicht fertiggestellte Objekte gelegt, um so die Aufmerksamkeit der Entscheidungsträ- ger in den Genossenschaften auf die Erforderlichkeit verstärkter Neubauaktivitäten zu richten. Frage 10: Unterstützt der Senat das Anliegen, das Ge- nossenschaftsgesetz dahingehend zu novellieren, dass die Gremien und Mitglieder einer Genossenschaft gegenüber den Vorständen größere Mitsprache- und Mitwirkungs- rechte erhalten, und wenn nein, warum nicht? Abgeordnetenhaus Berlin – 17. Wahlperiode Drucksache 17 / 15 104 3 Antwort zu 10: Das Genossenschaftsgesetz ist ein über lange Jahrzehnte bewährtes Bundesgesetz, dessen Vorschriften – u.a. aufgrund der Vorarbeiten einer dazu vom Bund einberufenen Expertenkommission – durch Neufassung im Jahre 2006 an die heutigen Anforderungen angepasst worden sind. Das Genossenschaftsgesetz bildet einen verlässlichen Rahmen sowohl für die Verfahren der genossenschaftsin- ternen Willensbildung und Entscheidungsfindung als auch für die Vertretung der Genossenschaften nach außen. Wie die einzelnen Genossenschaften diesen Rechtsrahmen in ihren Satzungen ausgestalten, ist ebenso Angelegenheit der genossenschaftlichen Entscheidungsfreiheit wie die Anwendung und Umsetzung der satzungsgemäßen Auf- gaben und Ziele in der täglichen Praxis der Genossen- schaften. Berlin, den 17. Dezember 2014 In Vertretung Christian Gaebler ................................ Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Umwelt (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 29. Dez. 2014)