Drucksache 17 / 15 113 Schriftliche Anfrage 17. Wahlperiode Schriftliche Anfrage des Abgeordneten Michael Schäfer (GRÜNE) vom 04. Dezember 2014 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 05. Dezember 2014) und Antwort Quecksilberemissionen aus Berliner Kohlekraftwerken Die Drucksachen des Abgeordnetenhauses sind bei der Kulturbuch-Verlag GmbH zu beziehen. Hausanschrift: Sprosserweg 3, 12351 Berlin-Buckow · Postanschrift: Postfach 47 04 49, 12313 Berlin, Telefon: 6 61 84 84; Telefax: 6 61 78 28. Im Namen des Senats von Berlin beantworte ich Ihre Schriftliche Anfrage wie folgt: 1. In welchen Kohlekraftwerken Berlins besteht nach § 1 und § 20 der 13. BImSchV die Pflicht zu "Kontinuier- liche Messungen" von Quecksilberemissionen (bitte Koh- lekraftwerke einzeln auflisten)? Liegen dem Senat die Daten der kontinuierlich gemessenen Quecksilber- Emissionswerte vor (bitte Informationen nach Kohle- kraftwerken und Zeiträumen einzeln auflisten)? 2. Welche in Betrieb befindlichen Berliner Kohle- kraftwerke nutzen die Ausnahmeregelung des § 21 (5) der 13. BImSchV, um von "Ausnahmen vom Erfordernis kontinuierlicher Messungen" der Quecksilberemissionen Gebrauch zu machen (bitte Informationen nach Kohle- kraftwerken und Zeiträumen einzeln auflisten)? 3. Wenn in Berlin Ausnahmen erteilt wurden, wie wurde der gesetzlich vorgeschriebene Nachweis erbracht, dass die Emissionsgrenzwerte für Quecksilber zu weniger als 50 Prozent in Anspruch genommen werden und sich aus den Einzelmessungen ergibt, dass der Jahresmittel- wert sicher eingehalten wird? Wie wird bei Erteilung von Ausnahmegenehmigungen in Berlin sichergestellt, dass die Quecksilber-Emissionswerte die gesetzlich vorge- schriebenen Grenzwerte nicht überschreiten? Wer führt die Messungen durch und durch wen erfolgt die Überprü- fung, ob diese korrekt durchgeführt und dokumentiert werden? 4. Wie hoch sind die jährlichen Jahresmittel- sowie Maximalwerte für Quecksilber, die in Berliner Kohle- kraftwerken gemessen wurden (bitte für jedes Kohle- kraftwerk beide Werte und die dazugehörigen Zeiträume einzeln auflisten)? Welche Emissions-Grenzwerte sind derzeit von den Kohlekraftwerksbetreibern einzuhalten? Hält der Senat diese Grenzwerte für ausreichend? Hat es in den vergangenen Jahren Grenzwertüberschreitungen gegeben? Wenn ja, wo, wann und in welchem Umfang? 5. Wurden den Kraftwerksbetreibern Auflagen über Regelmäßigkeit der Einzelmessungen sowie zu Doku- mentation und Vorlage der Nachweise an die zuständige Behörde auferlegt? Wenn ja, in welcher Form und durch wen erfolgt die Kontrolle? Zu 1., 2., 3., 4. und 5.: Die Fragen zu 1. und 2. bezie- hen sich auf die neuen §§ 20 und 21 Absatz 5 der Verord- nung über Großfeuerungs-, Gasturbinen- und Verbren- nungsmotoranlagen - 13. Verordnung zur Durchführung des Bundes-Immissionsschutzgesetzes (BImSchV) vom 02.05.2013. Diese Verordnung findet auf bestehende Anlagen erst ab 01.01.2016 Anwendung (§ 30 Abs. 1 Nr. 1 – Übergangsregelungen). Für die Kraftwerke Reuter, Reuter West, Moabit und Klingenberg besteht die gesetzliche Pflicht, kontinuierli- che Messungen der Quecksilberemissionen durchzufüh- ren. Zurzeit werden in den Berliner Kohlekraftwerken keine kontinuierlichen Quecksilbermessungen durchge- führt. Ausnahmeanträge entsprechend des neuen § 21 Abs. 5 der 13. BImSchV liegen bei der Genehmigungsbe- hörde bisher nicht vor. Die Kraftwerke Reuter, Reuter West, Moabit und Klingenberg nutzen bezüglich der Feststellung der Quecksilberemissionen momentan die Ausnahmeregelung des § 15 Abs. 9 der 13. BImSchV in der aktuell für Altan- lagen noch geltenden Fassung von 2004. Hiernach kann auf die kontinuierliche Messung verzichtet werden, wenn durch regelmäßige Kontrollen der Brennstoffe zuverlässig nachgewiesen wird, dass die Emissionsgrenzwerte für Quecksilber nur zu weniger als 50 % in Anspruch ge- nommen werden (die Ausnahmeregelung der aktuellen 13. BImSchV - § 21. Abs. 5 - verlangt hier zusätzliche Einzelmessungen). Der Betreiber der Kraftwerke übermittelt der Geneh- migungsbehörde (Landesamt für Arbeitsschutz, Gesund- heitsschutz und technische Sicherheit – LAGetSi) jährlich zu den oben genannten Kraftwerken Berechnungen, die auf Basis von Brennstoffanalysen und Reststoffanalysen (Aschen und Abwasser) durchgeführt werden. Abgeordnetenhaus Berlin – 17. Wahlperiode Drucksache 17 / 15 113 2 Beispiel Kraftwerk Reuter West Block D 2012: Durch Steinkohle und Kalkstein gelangen 58,06 kg Quecksilber im Jahr in die Feuerung. In den festen und flüssigen Reststoffen sind enthalten: Flugasche 20,69 kg Feuerasche 0,18 kg Gips 4,77 kg Abgasreinigungsschlamm 3,56 kg Abwasser Entschwefelung 0,03 kg. Zusammen 29,23 kg pro Jahr. Die verbleibende Menge Quecksilber (28,83 kg) wird gasförmig über den Schornstein emittiert. Bei einem Rauchgasvolumenstrom von 7.033.211.469,1 m³ pro Jahr ergibt sich eine Quecksilberkonzentration von 0,0041 mg/m³. Der Grenzwert beträgt 0,03 mg/m³ und der 50%- Wert beträgt 0,015 mg/m³, der deutlich unterschritten wird. Die Quecksilberkonzentration im Abgas hängt im We- sentlichen vom Quecksilbergehalt der eingesetzten Kohle ab. Die Quecksilberkonzentrationen betrugen im Mittel: Heizkraftwerk (HKW) Reuter 0,009 mg/m³ (2012) und 0,0009 mg/m³ (2013) HKW Reuter West Block D 0,0041 mg/m³ (2012) und 0,0007 mg/m³ (2013) HKW Reuter West Block E 0,0042 mg/m³ (2012) und 0,0007 mg/m³ (2013) HKW Moabit 0,0068 mg/m³ (2012) und 0,0030 mg/m³ (2013) HKW Klingenberg DE 5 _ 0,0140 mg/m³ (2012) und 0,0142 mg/m³ (2013) HKW Klingenberg DE 6 _ 0,0144 mg/m³ (2012) und 0,0146 mg/m³ (2013). Der Grenzwert für Quecksilber beträgt sowohl in der 13. BImSchV in der Fassung von 2004 als auch in der 13. BImSchV in der Fassung von 2013 0,03 mg/m³ für den Tagesmittelwert. In der 13. BImSchV (Fassung 2013) wurde in § 11 Abs. 2 ein Jahresmittelwert von 0,01 mg/m³ festgelegt. Bestehende Anlagen müssen diesen Wert ab dem 01.01.2019 (§ 30 Abs. 1 Nr. 2) einhalten. Die Grenzwerte der aktuellen 13. BImSchV (2013) sind als Stand der Technik anzusehen. Der rechnerische Nachweis des Kraftwerkbetreibers belegt die Einhaltung des 50%- Grenzwertes. Es sind danach keine Grenzwertüberschrei- tungen aufgetreten. 6. Liegen dem Senat Kenntnisse über den Quecksil- bergehalt der in Berliner Kohlekraftwerken genutzten Kohlen vor? Wenn ja, wie hoch ist der Quecksilbergehalt der in den letzten Jahren eingesetzten Brennstoffe? Wie überprüft der Senat und stellt im Vollzug sicher, dass die Zusammensetzung der Kohle beim Einzelnachweis des Quecksilbergehalts auch der Kohlezusammensetzung im Rest des Jahres entspricht? Zu 6.: Zusammen mit den jährlichen Berechnungen der Quecksilberemissionen übersendet der Betreiber der Genehmigungsbehörde auch die Zusammenstellung der Quecksilberanalysen der eingesetzten Kohle je Kraftwerk über das gesamte Jahr. So liegen z.B. für das Kraftwerk Reuter West 55 Werte für das Jahr 2013 vor. Der Quecksilbergehalt der eingesetzten Steinkohle lag 2013 bei: Polnische Kohle 0,057 – 0,066 mg/kg, USA 0,069 mg/kg, Russland/USA 0,049 mg/kg, Norwegen 0,039 mg/kg, Braunkohle aus Deutschland 0,058 mg/kg. 8. Welche Maßnahmen hat der Senat unternommen, um die Quecksilberemissionen in Berliner Kohlekraft- werken zu reduzieren? Welche Maßnahmen sind geplant? Zu 8.: Die Berliner Kohlekraftwerke werden gesetzes- konform betrieben. Daher liegen bzw. lagen keine Ein- griffsvoraussetzungen für die Anordnung von weiteren emissionsmindernden Maßnahmen vor. Der Senat hat daher keine Maßnahmen zur weitergehenden Reduzierung der Quecksilberemissionen durch Berliner Kraftwerke durchgeführt oder geplant. 9. Welche Auswirkungen auf die Gesundheit können durch das emittierte Quecksilber in Berlin hervorgerufen werden und wie beurteilt der Senat die konkreten Ge- sundheitsgefahren? Welche Studien oder Untersuchungen liegen dem Senat hierzu vor und was sind die wesentli- chen Ergebnisse? Welche weiteren negativen Auswirkun- gen auf die Umwelt können durch Quecksilbereinträge hervorgerufen werden? Zu 9.: Die durch die Kohlekraftwerke in Berlin emit- tierten Quecksilberwerte liegen innerhalb der rechtlichen Vorgaben der derzeit geltenden 13. BImSchV. Der Senat kann keine konkreten Gesundheitsgefahren erkennen. Er stützt sich dabei im Wesentlichen auf Erkenntnisse und Veröffentlichungen des Umweltbundesamtes. Berlin, den 18. Dezember 2014 In Vertretung Boris V e l t e r Senatsverwaltung für Arbeit, Integration und Frauen (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 22. Dez. 2014)