Drucksache 17 / 15 131 Schriftliche Anfrage 17. Wahlperiode Schriftliche Anfrage des Abgeordneten Dirk Behrendt (GRÜNE) vom 09. Dezember 2014 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 10. Dezember 2014) und Antwort Wie tödlich ist der Berliner Knast? Die Drucksachen des Abgeordnetenhauses sind bei der Kulturbuch-Verlag GmbH zu beziehen. Hausanschrift: Sprosserweg 3, 12351 Berlin-Buckow · Postanschrift: Postfach 47 04 49, 12313 Berlin, Telefon: 6 61 84 84; Telefax: 6 61 78 28. Im Namen des Senats von Berlin beantworte ich Ihre Schriftliche Anfrage wie folgt: 1. Welche Erkenntnis hat der Senat über den als „Suizid “ berichteten Tod eines Inhaftierten am 13 Juli 2014, der stranguliert an seinem Haftraumfenster gefunden wurde und dessen Hände mittels eines weiteren Stricks am Körper festgebunden waren? Welchen Stand haben die polizeilichen Ermittlungen? Zu 1.: Der Erkenntnisstand der Senatsverwaltung für Justiz und Verbraucherschutz ergibt sich aus dem Bericht „Suizide und Suizidversuche im Justizvollzug - Berichtszeitraum Juli und August 2014“, der am 8. September 2014 dem Rechtsausschuss des Abgeordnetenhauses zugeleitet wurde. Die Auswertung der polizeilichen Ermittlungsergeb- nisse sowie der aus der Justizvollzugsanstalt beigezoge- nen Unterlagen durch die Staatsanwaltschaft dauert an. 2. Wie bewertet der Senat die ergriffenen Maßnahmen zum Schutz eines Abschiebehäftlings, der zwar aufgrund zuvor geäußerter Suizidabsichten bis zu seiner geplanten Abschiebung am 5. September 2014 in einen besonders gesicherten Haftraum verlegt worden war, nach vorüber- gehendem Scheitern der Abschiebung und Rückkehr in die JVA dann aber ohne besondere Schutzmaßnahmen wieder inhaftiert wurde und sich dort in der folgenden Nacht das Leben genommen hat? Zu 2.: Nachdem der Gefangene am 5. September 2014 um 12:00 Uhr nach dem Abbruch der Abschiebung erneut der Justizvollzugsanstalt (JVA) Moabit zugeführt und aufgenommen worden war, wurde er im Zuge der medizi- nischen Aufnahmeuntersuchung dem diensthabenden Anstaltsarzt vorgestellt. Dort wurden keine Hinweise einer Suizidgefährdung bei dem Gefangenen erkennbar. Auch alle Kontakte mit ihm im Unterbringungsbereich während des regulären Stationsablaufs bis zum Beginn des Nachtverschlusses um 17:00 Uhr verliefen ohne jed- wede Auffälligkeit. Demzufolge bestand keine Indikation, besondere Sicherungsmaßnahmen zu veranlassen. 3. Zu welchem Ergebnis ist die Prüfung gekommen, ob der Inhaftierte, der sich am 7. Oktober 2014 mit Blick auf den anstehenden Sammeltransport in eine andere JVA versucht hat, das Leben zu nehmen, weil er unter Panikat- tacken leide, mittels eines Einzeltransports in die Zielan- stalt verbracht werden kann? Zu 3.: Die Frage der Notwendigkeit eines Einzeltrans- ports aufgrund medizinischer Indikation wurde vom zu- ständigen medizinischen Dienst der JVA Moabit geprüft und im Ergebnis dieser Prüfung nicht angeordnet. Es wurde der Transport in Notgemeinschaft veranlasst, d.h. in einer Kabine für zwei Personen, so dass Kommunikati- onsmöglichkeiten bestanden. Zudem wurde bei dem Ge- fangenen zur Beruhigung eine Bedarfsmedikation ange- setzt. Der Gefangene wurde am 10. Oktober 2014 über diese Maßnahmen informiert. Anzeichen von Suizidalität oder erneuter Selbstbeschädigungsgefahr zeigten sich in der Folge nicht. Der Transport erfolgte unter den vorge- nannten Bedingungen am 14. Oktober 2014 und verlief ohne Auffälligkeiten. 4. Welche konkreten Maßnahmen hat der Senat im Jahr 2014 ergriffen, um die Zahl der Suizide im Berliner Justizvollzug zu reduzieren? Wie bewertet er den Erfolg dieser Maßnahmen? Zu 4.: Strategien zur Verhinderung von Suiziden von Gefangenen werden konzipiert auf der Grundlage von Erkenntnissen aus der Suizidforschung. Präventive Maß- nahmen sind eine zentrale Regelaufgabe des Justizvollzu- ges, in die alle Dienstkräfte in den Vollzugsanstalten eingebunden sind. Die Vollzugsanstalten halten verschie- dene und vielfältige Interventionsmaßnahmen vor, die regelmäßig überprüft und aktualisiert werden. Abgeordnetenhaus Berlin – 17. Wahlperiode Drucksache 17 / 15 131 2 In den Aufnahmeanstalten des geschlossenen Vollzu- ges liegt ein besonderer Fokus auf suizidpräventiven Maßnahmen; im Rahmen des Aufnahmeverfahrens wird von besonders geschulten Dienstkräften ein standardisier- tes Verfahren zur Einschätzung der Suizidgefahr durchge- führt. Bei Vorliegen entsprechender Hinweise wird eine Suizidgefährdung aktenkundig gemacht und es kommen Sicherungsmaßnahmen in unterschiedlicher Intensität zur Anwendung, die den Umständen des jeweiligen Einzel- falls angemessen sind. Bei erkannter Suizidalität erfolgt stets eine enge Beobachtung durch den allgemeinen Voll- zugsdienst, flankiert von einer intensiven Betreuung durch die zuständige Dienstkraft des Sozialdienstes. Zu- sätzlich steht zur Krisenintervention der Psychologische Fachdienst zur Verfügung. Suizidprävention ist im an- staltspsychologischen Dienst der JVA Moabit der zentrale Arbeitsschwerpunkt. Die Senatsverwaltung für Justiz und Verbraucher- schutz befindet sich im Hinblick auf das Thema Suizid- prophylaxe in einem regelmäßigen fachlichen Austausch mit allen Vollzugsanstalten. An den Besprechungen neh- men Dienstkräfte der verschiedenen Fachdienste teil. Darüber hinaus ist das Thema regelmäßig Gegenstand von Dienstbesprechungen in den Vollzugsanstalten. In der JVA Moabit besteht seit vielen Jahren eine Arbeitsgruppe „Suizidprophylaxe“ mit Vertreterinnen und Vertretern aus allen Teilanstalten, dem ärztlichen und dem psychologi- schen Dienst sowie den Seelsorgerinnen und Seelsorgern, die regelmäßig zusammentritt. Speziell in der JVA Moab- it werden - auch unter dem Gesichtspunkt der Suizidpro- phylaxe - ein umfangreiches Freizeitangebot bereitgehal- ten und weitgehende Regelungen für die Auf- und Um- schlusszeiten getroffen. In der Aus- und Fortbildung des Personals gibt es re- gelmäßig Seminare zum Thema Suizidprophylaxe. Alle Bediensteten des Allgemeinen Vollzugsdienstes werden im Rahmen ihrer Ausbildung in verschiedenen Unter- richtsfächern diesbezüglich eingehend geschult. Es ist ebenfalls ein Schwerpunkt des Einarbeitungscurriculum für neu eingestellte Fachdienstkräfte. In das Fortbildungs- programm der Bildungsstätte des Justizvollzuges werden seit vielen Jahren regelmäßig einschlägige Seminare auf- genommen, die Dienstkräften aus allen Berufsgruppen offen stehen. Berlin ist Mitglied der Bundesarbeitsgemeinschaft „Suizidprävention im Justizvollzug“ und steht in einem regelmäßigen fachlichen Austausch mit Experten zum Thema Suizidprävention aus anderen Bundesländern. Die Arbeitsgemeinschaft initiierte eine länderübergreifende wissenschaftliche Auswertung von Gefängnis-Suiziden, konzipiert Fortbildungsveranstaltungen und gibt Broschü- ren mit Empfehlungen für den Umgang mit Suizidalität heraus. Der Erfolg der beschriebenen Maßnahmen ist weder direkt messbar noch im Hinblick auf Wirksamkeitsanaly- sen auf empirischem Wege valide zu erfassen. Die vorge- haltenen Präventionsmaßnahmen werden teilweise flä- chendeckend eingesetzt, die Basisrate der Suizidgefährde- ten bleibt daher unbekannt, weshalb die Wirksamkeit von Maßnahmen nur sehr ungenau bestimmt werden kann. Berlin, den 18. Dezember 2014 In Vertretung Straßmeir Senatsverwaltung für Justiz und Verbraucherschutz (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 22. Dez. 2014)