Drucksache 17 / 15 132 Schriftliche Anfrage 17. Wahlperiode Schriftliche Anfrage des Abgeordneten Dirk Behrendt (GRÜNE) vom 03. Dezember 2014 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 10. Dezember 2014) und Antwort Juristische Staatsprüfung in Berlin und Brandenburg besonders schwierig? Die Drucksachen des Abgeordnetenhauses sind bei der Kulturbuch-Verlag GmbH zu beziehen. Hausanschrift: Sprosserweg 3, 12351 Berlin-Buckow · Postanschrift: Postfach 47 04 49, 12313 Berlin, Telefon: 6 61 84 84; Telefax: 6 61 78 28. Im Namen des Senats von Berlin beantworte ich Ihre Schriftliche Anfrage wie folgt: Frage 1: Trifft es zu, dass in letzter Zeit die Ergebnisse der juristischen Staatsprüfungen beim Gemeinsamen juristi- schen Prüfungsamt (GJPA) Berlin-Brandenburg deutlich schlechter als im Bundesdurchschnitt ausfallen? Um wie viele Punkte weichen die hiesigen Ergebnisse der ersten und zweiten Staatsprüfungen im Vergleich zu anderen Bundes- ländern durchschnittlich nach unten ab (bitte jeweils für die letzten 5 Jahre darstellen)? Zu 1.: Nein. Die Durchschnittspunktwerte zu den Er- gebnissen der juristischen Staatsprüfungen hat der Ausschuss der Konferenz der Justizministerinnen und Justizminister zur Koordinierung der Juristenausbildung für die Jahre 2010 bis 2012 erhoben. Die Werte sind in den folgenden Abbildungen dargestellt. Der Vergleich ergibt, dass im Bereich des GJPA tendenziell eher überdurchschnittliche Werte erzielt werden. Dies wird besonders deutlich an den Ergebnissen für Berlin in der zweiten Staatsprüfung. Für die übrigen Jahre liegen Durchschnittspunktwerte nicht vor. Die Werte aus der vom Bundesamt für Justiz jährlich veröffentlichten Ausbil- dungsstatistik https://www.bundesjustizamt.de/DE/Themen/Buerger- dienste/Justizstatistik/Juristen/Ausbildung_node.html) bestä- tigen jedoch die Ergebnisse der oben dargestellten Ver- gleichsuntersuchung. Abbildung 1: Durchschnittspunktzahl in der staatlichen Pflichtfachprüfung Abgeordnetenhaus Berlin – 17. Wahlperiode Drucksache 17 / 15 132 2 Abbildung 2: Durchschnittspunktzahl in der Zweiten Ju- ristischen Staatsprüfung Frage 2: Wie viele Widersprüche und Klagen gab es in den letzten 5 Jahren gegen die Berliner Ergebnisse der ersten und zweiten juristischen Staatsprüfungen? Wie hat sich die Erfolgsquote in diesem Zeitraum entwickelt? Zu 2.: Die Zahl der erhobenen sowie die Zahl der er- folgreichen Widersprüche gegen die Ergebnisse der Ersten Juristischen Prüfung und der Zweiten Staatsprüfung ist aus den folgenden Tabellen ersichtlich, jeweils bezogen auf die Berliner Kandidatinnen und Kandidaten. Tabelle 1: Widersprüche gegen das Ergebnis der staatli- chen Pflichtfachprüfung in der Ersten Juristischen Prüfung Jahr Prüfungs- verfahren Widersprüche Erfolgreiche Widersprüche Davon nach bestandener Prüfung Davon nach nicht bestandener Prüfung Quote in % (erfolgreiche Widersprüche/ Prüfungsverfahren) 2010 795 53 4 4 0 0,50 2011 808 71 10 10 0 1,23 2012 835 66 6 6 0 0,71 2013 823 67 9 9 0 1,09 2014 784 54 (bisher*) 2 2 0 0,25 *Für 2014 liegen vollständige Zahlen noch nicht vor. Tabelle 2: Widersprüche gegen das Ergebnis der Zweiten Juristischen Staatsprüfung Jahr Prüfungs- verfahren Widersprüche Erfolgreiche Widersprüche Davon nach bestandener Prüfung Davon nach nicht bestandener Prüfung Quote in % (erfolgreiche Widersprüche/ Prüfungsverfahren) 2010 903 85 8 6 2 0,88 2011 912 85 15 14 1 1,64 2012 919 78 15 14 1 1,63 2013 914 87 11 11 0 1,20 2014 941 93 (bisher*) 1 1 0 0,10 *Für 2014 liegen vollständige Zahlen noch nicht vor. Abgeordnetenhaus Berlin – 17. Wahlperiode Drucksache 17 / 15 132 3 In beiden Prüfungen betreffen die erfolgreichen Wi- dersprüche ganz überwiegend Verfahren, in denen die Kan- didaten bestanden haben und in der Bewertung im Überden- kungsverfahren für einzelne der angegriffenen Klausuren eine höhere Punktzahl erhalten, was dann zu einer (meist geringfügigen) Anhebung des Gesamtergebnisses führt. Die Zahlen der erhobenen Klagen gegen die Ergebnisse der Ersten Juristischen Prüfung und der Zweiten Staatsprüfung sind aus den folgenden Tabellen ersichtlich. Tabelle 3: Klagen gegen das Ergebnis der Ersten Ju- ristischen Prüfung Jahr Klagen 2010 4 2011 13 2012 13 2013 11 2014 12 Tabelle 4: Klagen gegen das Ergebnis der Zweiten Ju- ristischen Staatsprüfung Jahr Klagen 2010 7 2011 13 2012 12 2013 11 2014 13 Auf eine statistische Erfassung des Erfolgs der Klage- verfahren wurde mit Rücksicht auf die geringen Fallzahlen bisher verzichtet. Zudem lässt sich der Wert „Klage erfolgreich “ kaum sinnhaft erfassen. Selbst wenn das Verwaltungsgericht in seinem Urteil die Korrektur einer Aufsichts- arbeit beanstandet, den Prüfungsbescheid aufhebt und eine Neukorrektur anordnet, gelangen in einer Vielzahl von Fäl- len die dann neu eingesetzten Korrektoren, mit beanstan- dungsfreier Begründung, zu dem gleichen Endergebnis. Frage 3: Trifft es zu, dass derzeit eine interne Unter- suchung durchgeführt wird, um die Ursachen für die schlech- ten Berliner Ergebnisse herauszufinden? Liegen bereits erste Erkenntnisse dazu vor? Wenn ja, welche? Zu 3.: Dies trifft nicht zu. Auf die Antwort zu 1 (erste Frage) wird verwiesen. Frage 4: a) In welcher Weise werden die haupt- und nebenamt- lichen PrüferInnen speziell für die Bewertung von schriftlichen Arbeiten vorbereitet, geschult und su- pervidiert? b) Gibt es (verpflichtende) Fortbildungsseminare, bei denen zu Übungszwecken auch schriftliche Arbeiten bewertet werden? Wenn nein, warum nicht? c) Was waren ggf. die größten Notendifferenzen bei solchen Übungsbewertungen? Zu 4.: Die Bewertung von schriftlichen Arbeiten zu Übungszwecken hat sich als Ausbildungsmodul nicht be- währt. Es gibt allerdings regelmäßige Schulungen und Fort- bildungsveranstaltungen für Prüferinnen und Prüfer, Arbeits- gemeinschaftsleiterinnen und Arbeitsgemeinschaftsleiter, auf denen vor allem auch über die Anforderungen in den Exami- na berichtet wird. Zuletzt ist auf einer derartigen Veranstal- tung ein neu erarbeiteter Leitfaden für die Korrektur von Examensklausuren vorgestellt worden. Frage 5: Wie erfolgt die Auswahl der nebenamtlichen PrüferInnen im Hinblick auf Kenntnisse und Erfahrungen und wie werden diese ggf. regelmäßig überprüft? Wie hat sich die Höhe des Honorars, das nebenamtlichen PrüferInnen für die Bewertung einer Examensklausur gezahlt wird, in den letzten 5 Jahren entwickelt? Zu 5.: Als nebenamtliche Prüferinnen und Prüfer werden Richterinnen und Richter, Staatsanwältinnen und Staatsan- wälte, Beamtinnen und Beamte des höheren Dienstes mit der Befähigung zum Richteramt und Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte bestellt. Bei Bediensteten des öffentlichen Dienstes werden im Auswahlverfahren als Mittel der Quali- tätssicherung die jeweiligen Dienstherren um Stellungnahme ersucht. Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte werden nur auf Empfehlung des Vorstandes der jeweiligen Rechtsan- waltskammer bestellt, der in hohem Maße auf die Qualifika- tion der vorgeschlagenen Mitglieder achtet. Bei den Prüfe- rinnen und Prüfern wird eine Berufserfahrung von mindes- tens drei Jahren vorausgesetzt. Vor der Bestellung wird ein ca. einstündiges Auswahlgespräch mit dem Präsidenten des GJPA bzw. seiner Vertreterin geführt. Nach erfolgter Bestel- lung dient die fachliche Begleitung der Widerspruchs- und Klageverfahren durch die hauptamtlichen Mitglieder des GJPA der kontinuierlichen Überprüfung der Qualität der Tätigkeit der Prüferinnen und Prüfer. In den letzten 5 Jahren wurde die Bewertung einer Examensklausur mit 16 € vergütet . Frage 6: Gibt es vor der Bewertung von Examens- Klausuren jeweils Gesprächsrunden zwischen dem GJPA und den eingesetzten haupt- und nebenamtlichen Prüfe- rInnen, um möglichst gleiche Bewertungsmaßstäbe zu erar- beiten? Zu 6.: Nach den zwingenden prüfungsrechtlichen Vorga- ben entscheiden die Prüfenden eigenverantwortlich über ihre Bewertungsmaßstäbe. Bei der Korrektur der Klausuren wer- den für jede einzelne Klausur besonders erfahrene Prüferin- nen und Prüfer zur Koordinatorin bzw. zum Koordinator bestellt. Deren Aufgabe ist es, bei auftretenden Schwierig- keiten oder sonstigen Auffälligkeiten im Rahmen der prü- fungsrechtlichen Vorgaben auf die Ausbildung vergleichba- rer Bewertungsmaßstäbe unter den Korrektorinnen und Kor- rektoren hinzuwirken. Die Korrektorinnen und Korrektoren werden gebeten, bei Auffälligkeiten bei der Korrektur den Kontakt zu den Koordinatorinnen und Koordinatoren zu suchen. Dieses Verfahren hat sich bewährt. Frage 7: Gibt es innerhalb des letzten Jahres auffällige Notendifferenzen bei der Bewertung von Aufsichtsarbeiten zwischen den verschiedenen PrüferInnen-Paaren, ggf. um wie viele Punkte? Abgeordnetenhaus Berlin – 17. Wahlperiode Drucksache 17 / 15 132 4 Zu 7.: Nein. Frage 8: Teilt der Senat die Auffassung, dass eine deut- lich höhere Objektivität bei der Bewertung zu erreichen wäre, wenn die ZweitgutachterInnen keine Kenntnis von der Erstbewertung hätten? Zu 8.: Diese Vermutung ist dem Senat bekannt, nicht je- doch ist bekannt, dass die verdeckte Zweitkorrektur zwin- gend zu objektiveren Ergebnissen führt. Die offene Zweit- korrektur ist Standard auch in den Juristischen Prüfungen der anderen Bundesländer und vom Bundesverwaltungsgericht ausdrücklich anerkannt worden. Frage 9: Wie bewertet der Senat Überlegungen, die Auf- sichtsarbeiten zukünftig mit einem Computer verfassen zu lassen, um die mühsame Entzifferung von Handschriften zu vermeiden? Zu 9.: Es gibt derzeit ein Pilotprojekt in Nordrhein- Westfalen, bei dem die Möglichkeit geprüft wird, die schrift- lichen Arbeiten an Computern erstellen zu lassen. Dieses Projekt wird mit Interesse verfolgt, ist aber noch nicht abge- schlossen. Bereits jetzt ist aber feststellbar, dass die hierfür erforderlichen Investitionen erheblich sind und die Beherr- schung der technischen Risiken, etwa aus dem Bereich der Datensicherheit, sehr hohe Anforderungen stellt. Frage 10: Gibt es aktuell andere Überlegungen zur Re- form der Staatsprüfungen? Wenn ja, welche? Zu 10.: Die Konferenz der Justizministerinnen und Jus- tizminister hat sich auf ihrer Herbstkonferenz mit der juristi- schen Ausbildung befasst. Gegenstand der Befassung war eine Untersuchung des Ausschusses zur Koordinierung der Juristenausbildung zur Annäherung der Ausbildungs- und Prüfungsbedingungen. Auf der Grundlage dieser Untersu- chung haben der Koordinierungsausschuss und nachfolgend die Konferenz der Justizministerinnen und Justizminister festgestellt, dass die Prüfungsanforderungen und Leistungs- bewertungen in den juristischen Prüfungen den Vorgaben des Deutschen Richtergesetzes entsprechen und in vielen Bereichen der volljuristischen Ausbildung bereits eine weit- gehend bundeseinheitliche Vorgehensweise besteht. Der Koordinierungsausschuss hat allerdings eine weitere Harmonisierung in verschiedenen Bereichen für wünschens- wert erachtet. Auf seine einhellige Empfehlung hat die Kon- ferenz der Justizministerinnen und Justizminister mit Be- schluss vom 6. November 2014 den Koordi- nierungsausschuss beauftragt, die Regelungen zu folgenden Punkten auf ihre Vor- und Nachteile und weitere Anglei- chungsmöglichkeiten zu untersuchen: - Zusammenhang zwischen staatlichem und universi- tärem Prüfungsteil - Freiversuchsregelungen - Abschichtung von Prüfungsteilen - landesweite Querkorrektur - Zulassungsvoraussetzungen zur mündlichen Prüfung - Gewichtung der Prüfungsteile - Verfahren bei Punktedifferenz zwischen Erst- und Zweitkorrektur - Notenverbesserungsversuch - Meldefrist zur staatlichen Pflichtfachprüfung - Schwerpunktbereichsprüfung - zweiter Wiederholungsversuch - Pflichtstoff Hinsichtlich des Pflichtstoffes soll der Vorschlag neben der Harmonisierung vor allem auch Vorschläge für eine sachgerechte Begrenzung des Pflichtstoffes für beide Staats- prüfungen umfassen, damit der Prüfungsstoff ungeachtet der dynamischen Entwicklung der geprüften Rechtsgebiete für die Kandidaten beherrschbar bleibt. Berlin, den 16. Dezember 2014 In Vertretung Straßmeir Senatsverwaltung für Justiz und Verbraucherschutz (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 19. Dez. 2014)