Drucksache 17 / 15 151 Schriftliche Anfrage 17. Wahlperiode Schriftliche Anfrage der Abgeordneten Sven Kohlmeier (SPD) und Sven Rissmann (CDU) vom 11. Dezember 2014 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 12. Dezember 2014) und Antwort Wahrnehmung von Verwaltungsaufgaben durch Berufsrichter in Berlin Die Drucksachen des Abgeordnetenhauses sind bei der Kulturbuch-Verlag GmbH zu beziehen. Hausanschrift: Sprosserweg 3, 12351 Berlin-Buckow · Postanschrift: Postfach 47 04 49, 12313 Berlin, Telefon: 6 61 84 84; Telefax: 6 61 78 28. Im Namen des Senats von Berlin beantworte ich Ihre Schriftliche Anfrage wie folgt: 1. Wie viele Berufsrichter waren zum 1. Dezember 2014 an andere Dienststellen des Landes Berlin abgeord- net (bitte mit Nennung der Dienststelle)? Zu 1.: Ausgehend von der Fragestellung sind in den folgenden Übersichten alle abgeordneten Berufsrichterin- nen und Berufsrichter der Berliner Gerichte (ordentliche Gerichtsbarkeit, Arbeits-, Sozial- und Verwaltungsge- richtsbarkeit) an andere Berliner Dienststellen (ohne Ge- richtsbarkeiten) erfasst. Unberücksichtigt bleiben Staats- anwältinnen und Staatsanwälte, ebenso Abordnungen der länderübergreifenden und damit nicht ausschließlich dem Land Berlin zuzuordnenden Fachobergerichte (Oberver- waltungsgericht Berlin-Brandenburg, Landesarbeits- gericht Berlin-Brandenburg, Landessozialgericht Berlin- Brandenburg und Finanzgericht Berlin-Brandenburg). Senatsverwaltung für Inneres und Sport (SenInnSport) Landesamt für Bürger- und Ordnungsangelegenheiten (LABO) Senatskanzlei (Skzl) - Büro Brüssel - Verfassungsgerichtshof des Landes Berlin (VGH) Senatsverwaltung für Justiz und Verbraucherschutz (SenJustV) 1 1 1 3 22 Summe: 28 2. Wie viele Berufsrichter waren vom 1. Januar 2000 bis 30. November 2014 an andere Dienststellen des Lan- des Berlin abgeordnet (bitte nach Jahren und Dienststellen aufgegliedert)? Zu 2.: Ausgehend von der Fragestellung sind in den folgenden Übersichten alle Abordnungen der in der Vor- bemerkung zu Frage 1 definierten Bediensteten aufge- führt. Für die überjährigen Abordnungsfälle gilt: Da die hierzu geführte interne Statistik solche Fälle nur einmalig erfasst und dabei dem Kalenderjahr zuordnet, in das der Beginn der Abordnung fällt, können diese Abordnungen im Fol- genden nur in dem Kalenderjahr aufgeführt werden, in dem sie begonnen haben (Beispiel: Eine zum 1. Juli 2001 begonnene zweijährige Abordnung wird nur in der Über- sicht für das Jahr 2001 ausgewiesen, nicht für die Jahre 2002 und 2003). Die Dauer überjähriger Abordnungen variiert im Einzelfall. Die durchschnittliche Dauer über- jähriger Abordnungen wurde für den Zeitraum von 2000 bis 2013 mit rd. 29 Monaten ermittelt. 2000 2001 1 SenInn 1 SenInn 1 Skzl 2 VGH 6 SenJust 6 SenJust Summe 8 Summe 9 2002 2003 10 SenJust 7 SenJust Summe 10 Summe 7 Abgeordnetenhaus Berlin – 17. Wahlperiode Drucksache 17 / 15 151 2 2004 2005 1 Skzl - Büro Brüssel - 1 SenStadt 3 VGH 9 SenJust 4 SenJust Summe 8 Summe 10 2006 2007 1 SenInn 1 SenBildWissForsch 1 SenWirtArbFrauen 1 VGH 1 VGH 5 SenJust 2 SenBildWissForsch 9 SenJust Summe 14 Summe 7 2008 2009 1 Skzl - Büro Brüssel - 1 SenBildWissForsch 2 VGH 1 SenInnSport 6 SenJust 1 VGH 16 SenJust Summe 9 Summe 19 2010 2011 1 SenInnSport 1 SenBildWissForsch 1 Skzl - Büro Brüssel - 1 SenIntArbSoz 1 LABO 1 LABO 1 VGH 3 VGH 11 SenJust 8 SenJust Summe 15 Summe 14 2012 2013 1 SenInnSport 1 LABO 1 LABO 2 VGH 1 Skzl - Büro Brüssel - 8 SenJustV 2 VGH 9 SenJustV Summe 14 Summe 11 2014 (bis 30.11.2014) 1 Skzl - Büro Brüssel - 1 LABO 1 VGH 11 SenJustV Summe 14 Der Senat weist ausdrücklich darauf hin, dass den für jedes Kalenderjahr ausgewiesenen Übersichten kein „Entwicklungstrend“ entnommen werden kann. Weil pro Kalenderjahr nur die jeweils begonnenen Abordnungen ausgewiesen werden können, die laufenden, bereits in den Vorjahren begonnenen Abordnungen hingegen nicht, sind die Jahresübersichten nicht direkt miteinander vergleich- bar. So kann beispielsweise aus der Tatsache, dass im – von der Fragestellung vorgegebenen – Jahr 2000 weniger Abordnungen begonnen wurden als im Jahr 2014, nicht der Schluss gezogen werden, dass die absolute Anzahl der Abordnungen pro Kalenderjahr seit dem Jahr 2000 ange- stiegen ist. Denn die im Jahr 2000 bereits laufenden Ab- ordnungen sind in der Übersicht zu diesem Kalenderjahr nicht erfasst. Abgeordnetenhaus Berlin – 17. Wahlperiode Drucksache 17 / 15 151 3 3. Wie viele Berufsrichter waren am 01.12.2014 an welche Dienststellen, Behörden, Organisationen außer- halb des Landes Berlin wohin abgeordnet (bitte auf- schlüsseln)? Zu 3.: Die Vorbemerkung zu Frage 1 zum erfassten Personenkreis gilt entsprechend. Bundesarbeitsgericht 1 Bundesgerichtshof 1 EU-Kommission in Brüssel 1 Bundessozialgericht 1 Bundesministerium des Innern 1 Bundesamt für Justiz 2 Bundesverfassungsgericht 4 Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz 8 Summe: 19 4. Welche Aufgaben sind den Berufsrichtern dort zu- geteilt? Zu 4.: Diese Frage wird im Zusammenhang mit den Fragen 1. – 3., getrennt nach der Art der abordnungsempfangenden Dienststellen wie folgt beantwortet: Abgeordnete Berufsrichterinnen und Berufsrichter werden sowohl bei den Bundesministerien als auch bei den genannten Senatsverwaltungen in der Regel als Refe- rentinnen und Referenten eingesetzt. Als solche sind sie zum einen in Fachreferaten (zum Beispiel: Zivilrecht, Strafrecht, öffentliches Recht, Dienstrecht) tätig, die ins- besondere spezifische theoretische und anwendungsprak- tische Rechtskenntnisse und/oder Kenntnisse der Ar- beitsweise bei den Gerichten voraussetzen. Die jeweilige Tätigkeit ist vielgestaltig bis hin zur Erarbeitung von Gesetzesentwürfen („Referentenentwurf“). Zum anderen nehmen sie Tätigkeiten in der Zentralverwaltung wahr, die aufgrund ihres Inhalts ebenfalls den Status und Erfah- rungsschatz einer Berufsrichterin oder eines Berufsrich- ters und einer Staatsanwältin oder eines Staatsanwalts voraussetzen. Beispielhaft ist hier die Tätigkeit der Refe- rentin oder des Referenten für das richterliche Personal des Landes Berlin zu nennen, der oder dem auch der Be- reich der Auswahl und Einstellung neuer Richterinnen und Richter für die Berliner Gerichte und Staatsanwältin- nen und Staatsanwälte für die Staatsanwaltschaft Berlin obliegt. Um einschätzen zu können, welche Bewerberin- nen und Bewerber das Anforderungsprofil einer Berufs- richterin oder eines Berufsrichters erfüllen und darüber hinaus in die Berliner „Justizlandschaft“ passen, muss man diese aus eigener Anschauung kennen. Als weiteres Beispiel dient die Tätigkeit der Referentin oder des Refe- renten für die Organisation der Gerichte und Strafverfol- gungsbehörden und für die Personalbedarfsermittlung. Um etwa Fragen der organisatorischen Optimierung und Steuerung von Verfahrensabläufen einschätzen zu können oder die ermittelten Personalbedarfszahlen einer Plausibilitätskontrolle unterziehen zu können, muss man die Arbeitsabläufe in den Gerichten und der Staatsanwalt schaft aus eigener Anschauung kennen. Überdies gilt für beide vorgenannten Beispiele, dass die Akzeptanz der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in den Gerichten und der Staatsanwaltschaft gegenüber Personalmaßnahmen wie auch organisatorischen Maßnahmen naturgemäß besonders dann erwartet werden kann, wenn die ihnen zugrunde liegenden Einschätzungen von einer Berufs- richterin und einem Berufsrichter oder Staatsanwältin und Staatsanwaltes und damit aus den „eigenen Reihen“ stammen. Auch die Kommunikation zwischen der jewei- ligen Senatsverwaltung und den Gerichten und der Staats- anwaltschaft läuft erfahrungsgemäß reibungsloser, wenn mit den Gerichtspräsidentinnen und Gerichtspräsidenten oder den Behördenleiterinnen oder den Behördenleitern einerseits und den richterlichen oder staatsanwaltlichen Referentinnen und Referenten andererseits Personen mit demselben beruflichen Hintergrund im Kontakt stehen. Deshalb wird der abordnungsweise Einsatz von Berufs- richterinnen und Berufsrichtern bei den Gerichten oder der Staatsanwaltschaft auch seit jeher erwünscht und ist Standard in allen Landesjustizverwaltungen. Im Falle der Senatskanzlei - Verbindungsbüro des Landes Berlin bei der EU in Brüssel - besteht die Aufgabe von Berufsrichterinnen und Berufsrichtern in der Regel darin, die für Berlin relevanten justizpolitischen Themen und Verbraucherschutzthemen auf EU-Ebene zu beglei- ten, die Ausschüsse des Europäischen Parlaments zu beobachten und die entsprechenden Interessen des Landes Berlin als europäischer Region sowohl gegenüber der EU- Kommission als auch im Ausschuss der Regionen zu vertreten. Soweit Berufsrichterinnen und Berufsrichter als wis- senschaftliche Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter beim Verfassungsgerichtshof des Landes Berlin eingesetzt werden, ist dies aufgrund der Struktur dieses Verfas- sungsorgans alternativlos. Die gewählten Verfassungs- richterinnen und Verfassungsrichter sind ehrenamtlich tätig. Sie verfügen über keinen „Gerichtsunterbau“, so dass die Vorbereitung und Prüfung der einzelnen Fälle Abgeordnetenhaus Berlin – 17. Wahlperiode Drucksache 17 / 15 151 4 durch die abgeordneten Berufsrichterinnen und Berufs- richter geleistet werden muss. Bei den Bundesgerichten sind abgeordnete Berufs- richterinnen und Berufsrichter als wissenschaftliche Mit- arbeiterinnen und Mitarbeiter in einem Senat tätig. Sie stellen sicher, dass die Rechtsprechungspraxis des Landes Berlin auch angemessen in die Entscheidungen der Bun- desgerichte einfließen kann. Derartige Einsätze stellen gleichzeitig eine Personalentwicklungsmaßnahme dar, weil die bei den Bundesgerichten erworbenen Kenntnisse und Fähigkeiten den abgeordneten Berliner Berufsrichte- rinnen und Berufsrichtern für eine mögliche spätere Wahl zu einem Bundesgericht einen Vorteil verschaffen kann. Auch dies begünstigt den Berliner Anteil am Proporz. Die Abordnungen von Berufsrichterinnen und Berufs- richtern an Dienststellen der Berliner Verwaltung im Übrigen, beispielsweise an das Landesamt für Bürger- und Ordnungsangelegenheiten betreffen in der Regel Richterinnen und Richter der Verwaltungsgerichtsbarkeit. Sie dienen der Personalentwicklung, weil die abgeordne- ten Richterinnen und Richter für ihre Tätigkeit in der Rechtsprechung Kenntnisse der dort bearbeiteten Ver- waltungsmaterie sammeln und die Verwaltungsbehörden im Austausch vom spruchrichterlichen Wissen profitieren können. 5. In welchem Umfang nehmen Berufsrichter bei den Berliner Gerichten Verwaltungsaufgaben wahr? Zu 5.: Dem Begriff „Berliner Gerichte“ wird im Folgenden das in Frage 1 dargestellte Verständnis zugrunde gelegt. In den Berliner Gerichten nehmen insgesamt 74,39 Berufsrichterinnen und Berufsrichter Verwaltungsaufga- ben wahr. Die angegebenen Kommastellen folgen aus dem Umstand, dass es sich hier um „echte Arbeitskraftanteile “ handelt, die in Teilzeit tätige Berufsrichterinnen und Berufsrichter erfassen. Darin enthalten sind die Präsidentinnen oder Präsi- denten und Vizepräsidentinnen oder Vizepräsidenten der 13 Gerichte der ordentlichen Gerichtsbarkeit und des Arbeits-, Sozial- und Verwaltungsgerichts Berlin sowie die weiteren aufsichtsführenden Richterinnen und Richter. Sämtliche vorgenannten Bediensteten sind allein aufgrund ihrer gesetzesmäßigen Funktion - neben ihrer Spruch- richtertätigkeit - vorwiegend in der Gerichtsverwaltung eingesetzt. Hinzu kommen Berufsrichterinnen und Be- rufsrichter, auf die die Präsidentinnen und Präsidenten Verwaltungsaufgaben übertragen haben (vgl. dazu Fragen 6 bis 8). Den 74,39 Berufsrichterinnen und Berufsrichtern ste- hen allein in den Gerichten der ordentlichen Gerichtsbar- keit 1.131,86 Berufsrichterinnen und Berufsrichter ge- genüber, die ausschließlich in der Rechtsprechung tätig sind. 6. Warum können diese Aufgaben nicht von Beamten zum Beispiel des höheren Dienstes erledigt werden? 7. Gibt es sachliche Gründe dafür, dass diese Verwal- tungsaufgaben nur von Berufsrichtern wahrgenommen werden können und nicht durch Beamte des höheren Dienstes? 8. Was ist die sachliche Rechtfertigung, Berufsrichter in diesem Umfang abzuordnen bzw. mit Verwaltungsauf- gaben zu betrauen und damit der Rechtsprechung zu ent- ziehen? Zu 6. - 8.: Diese Fragen werden aufgrund des beste- henden Sachzusammenhangs gemeinsam beantwortet: Grundsätzlich könnten die in der Justiz- und Gerichts- verwaltung anfallenden Aufgaben aus rein dienstrechtli- cher Sicht – jedenfalls überwiegend – sowohl von Berufsrichterinnen und Berufsrichtern als auch von Beamtinnen und Beamten des höheren Dienstes wahrgenommen wer- den. Aus Effizienz- und Qualitätsgründen und aus Grün- den der Personalentwicklung ist der Einsatz von Berufs- richterinnen und Berufsrichtern jedoch eindeutig vor- zugswürdig. Die Justizverwaltung ist – anders als die überwiegende Anzahl der übrigen Verwaltungen inhaltlich in besonderem Maße mit der gelebten Justizpraxis, also der Rechtsprechungstätigkeit verwoben. Die Praxis, Berufs- richterinnen und Berufsrichter auf bestimmte Zeit in die Verwaltung abzuordnen, hat sich bewährt und ist seit Jahrzehnten Standard nicht nur in Berlin, sondern aus- nahmslos in allen Bundesländern wie auch im Bund selbst. So beträgt etwa die Quote im Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz im höheren Dienst aktuell rd. 1/3 verbeamtete Stammkräfte zu 2/3 abgeord- nete Berufsrichterinnen oder Berufsrichter und Staatsan- wältinnen oder Staatsanwälten. Sie liegt damit deutlich höher als in anderen (Bundes-)Ressorts. Dass der laufende Austausch zwischen Theorie und (Rechtsprechungs-)Praxis unabdingbar für die Absiche- rung qualitativer Arbeitsergebnisse ist, erklärt sich vor allem aus den spezifisch in der Justizverwaltung anfallen- den Aufgaben: In den zu den Fragen 1 bis 3 genannten Dienststellen fällt – wie bereits erwähnt - schwerpunktmäßig der Einsatz von Berufsrichterinnen und Berufsrich- tern in reinen Fachreferaten (Zivilrecht, Strafrecht, öffent- liches Recht) an, die unter anderem Gesetzesinitiativen vorbereiten und/oder begleiten. Hier steht in besonderem Maße der praktische Erfahrungsschatz der Berufsrichte- rinnen und Berufsrichter als Rechtsanwenderinnen und Rechtsanwender im Vordergrund, über den Beamtinnen und Beamte des höheren Verwaltungsdienstes naturge- mäß nicht verfügen, der aber notwendig ist, um die Prob- leme der Anwendung von bestehenden Gesetzen im Rechtsalltag bei deren Abänderung oder Neufassung berücksichtigen zu können. Die bestehende Abordnungs- praxis stellt für alle drei Bereiche staatlicher Gewalt einen Mehrwert dar, weshalb Berufsrichterinnen und Berufs- richter an Abordnungen interessiert sind und diese stets Abgeordnetenhaus Berlin – 17. Wahlperiode Drucksache 17 / 15 151 5 freiwillig eingehen: Für die Exekutive und Legislative bringen Berufsrichterinnen und Berufsrichter anders als Beamtinnen und Beamte des höheren Verwaltungsdiens- tes neben ihren Rechtskenntnissen ihre praktische Erfah- rung der Rechtsanwendung ein und tragen so zur praxis- orientierten Rechtsetzung bei. Nach beendeter Abordnung bringen die Berufsrichterinnen und Berufsrichter ihre gewonnene Erfahrung aus der Verwaltungstätigkeit (etwa dem Gesetzgebungsprozess) in die Rechtsanwendung, insbesondere Rechtsauslegung, aber auch in die Verhand- lungsleitung, für die Judikative ein und fungieren so als Multiplikatoren in ihren Stammgerichten. Auch bei Abordnungen in Zentralreferate der Justiz- verwaltung (zum Beispiel Personalangelegenheiten, Or- ganisation) besteht ein Mehrwert für alle beteiligten Be- reiche. Die Präsidentinnen oder Präsidenten und Vizeprä- sidentinnen oder Vizepräsidenten sowie die weiteren aufsichtsführenden Richterinnen und Richter der Berliner Gerichte rekrutieren sich nach den rechtlichen Vorgaben des Laufbahnrechts ausschließlich aus dem Kreis derer, die bereits als Berufsrichterinnen oder Berufsrichter tätig waren oder sind. Sie nehmen in diesen Funktionen die Aufgaben der Behördenleitung eines Gerichts wahr und sind damit Dienstvorgesetzte aller gerichtlichen Mitar- beiterinnen oder Mitarbeiter und auch für die Organisa- tion der dortigen Arbeitsabläufe verantwortlich. In diesem Bereich können sie die während ihrer Abordnung in die Verwaltung gewonnenen spezifischen Verwaltungskennt- nisse, etwa bei der Personalbedarfsplanung oder im Haus- haltswesen, einbringen. Das Instrument der abordnungs- weisen Verwaltungstätigkeit stellt somit eine echte Perso- nalentwicklungsmaßnahme dar, die es Berufsrichterinnen und Berufsrichtern erlaubt, sich für künftige Bewerbun- gen auf höherwertige Stellen zu qualifizieren und das dazu erforderliche Fachwissen in der Verwaltung zu sammeln. Gleichzeitig besteht Gewähr für den spruch- richterlichen Bereich, dass die abgeordneten Berufsrichte- rinnen und Berufsrichter in der Zentralverwaltung die im zeitlichen Wandel stehenden dienstlichen Bedürfnisse der Rechtsprechungspraxis in ihre Abordnungstätigkeit ein- fließen lassen und damit als „echte Interessenvertreterinnen und Interessensvertreter“ tätig werden. Auch im Falle der Abordnung an ein Bundesgericht - in der Regel als wissenschaftliche Mitarbeiterin oder wissenschaftlicher Mitarbeiter - ist eine vorherige Tätig- keit als Berufsrichterin bzw. Berufsrichter unverzichtbar. Dortige Aufgabe ist es, für die Bundesrichterinnen und Bundesrichter höchstrichterliche Entscheidungen vorzu- bereiten und dabei gerade auch die vorinstanzliche Sicht- weise einzubringen. Für das Land Berlin wie für die ab- geordneten Berliner Berufsrichterinnen und Berufsrichter sind derartige Abordnungen - wie für die anderen Bun- desländer - auch unter dem Aspekt der Personalentwick- lung von hohem Interesse, weil diese Qualifikation einer Bewerbung für die Bundesrichterwahl dienlich sein kann und damit die Quote der in den Bundesgerichten vertrete- nen Berliner Richterinnen und Richter gesichert wird. Soweit Berufsrichterinnen und Berufsrichter darüber hinaus in den Berliner Gerichten Verwaltungsaufgaben wahrnehmen, ist dies - wie auch in den anderen Bundes- ländern - Ausfluss des Selbstverwaltungsgrundsatzes der Justiz, der sich aus dem verfassungsmäßigen Gebot der Gewaltenteilung (Art. 20 Abs. 3 des Grundgesetzes) ergibt. Gerichte sind nicht nur als Rechtsprechungsorgane tätig. Sie müssen wie andere Behörden auch verwaltet werden. Die Gerichtspräsidentinnen und Gerichtspräsi- denten fungieren demgemäß nicht nur als Spruchrichterin und Spruchrichter, sondern auch als „Behördenleiterin“ und „Behördenleiter“. In dieser Funktion fallen zahlreiche Aufgaben an, wie beispielsweise die Organisation des Dienstbetriebs einschließlich der Erarbeitung der Vor- schläge für die in richterlicher Unabhängigkeit zu vertei- lenden richterlichen Geschäfte (durch das Präsidium als Selbstverwaltungsorgan) und die Dienstaufsicht über die richterlichen und nichtrichterlichen Gerichtsangehörigen („klassische Gerichtsverwaltung“). Hinzu kommen Aufgaben der Justizverwaltung im Übrigen, die den Gerichts- präsidentinnen und Gerichtspräsidenten häufig auf ge- setzlicher Grundlage übertragen sind (zum Beispiel die Aufsicht über die Notare gemäß § 92 der Bundes- notarordnung). Allein die Mitarbeiterzahl beispielsweise des Landgerichts Berlin von insgesamt 624,17 verdeut- licht anschaulich, dass der Präsident des Landgerichts diese Aufgaben nicht in eigener Person bewältigen kann und diese deshalb im Rahmen der Gerichtsorganisation auf Berufsrichterinnen oder Berufsrichter delegieren muss. Die Übertragung von Aufgaben der Gerichtsver- waltung auf Berufsrichterinnen oder Berufsrichter, die juristische Kenntnisse und anwendungspraktische Erfah- rung in der Spruchrichtertätigkeit voraussetzen, ist dabei - in Abgrenzung zu Beamtinnen und Beamten des höheren Verwaltungsdienstes – ausdrücklich gesetzlich vorgesehen (§§ 4, 42 des Deutschen Richtergesetzes). Dies ent- spricht dem verfassungsmäßigen Grundsatz der Selbst- verwaltung der Gerichte, die in diesem Bereich auch dem Selbstverständnis der Berufsrichterinnen und Berufsrich- ter entspricht. Abschließend bedarf die Formulierung in Frage 8, ab- geordnete oder mit Verwaltungsaufgaben betraute Berufs- richterinnen und Berufsrichter würden der Rechtspre- chung „entzogen“ werden, folgender erläuternder Hinweise : Soweit Berufsrichterinnen oder Berufsrichter in den Berliner Gerichten Verwaltungsaufgaben wahrzu- nehmen haben (vgl. Frage 5), wird dies bei der Bedarfs- ermittlung der Richterinnen- und Richterstellen berück- sichtigt. Verwaltungstätigkeiten von Berufsrichterinnen und Berufsrichtern werden im justizinternen Bedarfsbe- messungssystem PEBB§Y vollständig abgebildet mit der Folge, dass sie sich nicht mindernd auf die Anzahl der für die reinen Rechtsprechungsaufgaben notwendigen Richte- rinnen und Richter auswirken. Die Stellen sind den je- weiligen Gerichtskapiteln im Haushaltsplan zugeordnet. Soweit Berufsrichterinnen oder Berufsrichter an an- dere Dienststellen - in der Regel gegen Erstattung der Besoldung und Folgekosten bei Abordnungen an Dienst- stellen außerhalb des Geschäftsbereichs von SenJustV - abgeordnet sind (vgl. Fragen 1 bis 3), gilt: Ein Ausgleich für die Rechtsprechung erfolgt dadurch, dass die bei den jeweiligen Gerichten vakanten Stellen insbesondere wenn die jeweilige Abordnung die Dauer von einem Jahr über- schreitet kurzfristig mit Richterinnen oder Richtern, die Abgeordnetenhaus Berlin – 17. Wahlperiode Drucksache 17 / 15 151 6 auf Probe ernannt sind, oder mit auf Lebenszeit ernannten Richterinnen oder Richtern besetzt werden können. Rich- terinnen und Richter der Berliner Gerichte, die an Sen- JustV abgeordnet sind, werden aufgrund allseits ak- zeptierter und jahrzehntelanger, auch in den anderen Län- dern und beim Bund praktizierter Übung dann auf aus- schließlich dafür im Einvernehmen mit den Gerichten und Strafverfolgungsbehörden auch in deren Interesse zur Verfügung gestellten R-Stellen der Gerichte geführt. Im Interesse der Transparenz wird der Senat jedoch zur nächsten Haushaltsplanaufstellung (2016/17) dafür Sorge tragen, dass diese personal- und stellenwirtschaftli- chen Maßnahmen in den Erläuterungen zum Stellenplan dargestellt werden. Berlin, den 22. Dezember 2014 In Vertretung Straßmeir Senatsverwaltung für Justiz und Verbraucherschutz (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 30. Dez. 2014)