Drucksache 17 / 15 185 Schriftliche Anfrage 17. Wahlperiode Schriftliche Anfrage der Abgeordneten Anja Kofbinger (GRÜNE) vom 17. Dezember 2014 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 19. Dezember 2014) und Antwort Die Arbeit der Berliner Gewaltschutzambulanz Die Drucksachen des Abgeordnetenhauses sind bei der Kulturbuch-Verlag GmbH zu beziehen. Hausanschrift: Sprosserweg 3, 12351 Berlin-Buckow · Postanschrift: Postfach 47 04 49, 12313 Berlin, Telefon: 6 61 84 84; Telefax: 6 61 78 28. Im Namen des Senats von Berlin beantworte ich Ihre Schriftliche Anfrage wie folgt: 1. Wie viele Opfer von Gewalt wandten sich 2014 an die neu eingerichtete Gewaltschutzambulanz an der Cha- rité? (bitte aufschlüsseln nach Geschlecht und Alter) a. Wie kam der Kontakt zur Gewaltschutzambulanz zustande (z.B. Vermittlung durch Polizei oder an- dere Stellen)? b. Wo hatten die Betroffenen ihren Wohnsitz (bitte aufschlüsseln nach Berliner Bezirken, anderen Bundesländern bzw. Staaten)? c. In wie vielen Fällen handelte es sich nach Angabe der Betroffenen um häusliche Gewalt bzw. Gewalt durch einen Partner/Partnerin? d. In wie vielen Fällen handelte es sich nach Angabe der Betroffenen um sexualisierte Gewalt? e. In wie vielen Fällen handelte es sich um Gewalt gegen Kinder/Jugendliche (Kindeschutzfälle)? f. In wie vielen Fällen handelte es sich um andere Gewalttaten? Zu 1.: Nach Auskunft der Gewaltschutzambulanz an der Charité wandten sich im Zeitraum 18. Februar 2014 (Eröffnung am 17. Februar 2014) bis zum 23. Dezember 2014 304 Personen dorthin. Davon berichteten 163 Perso- nen von sichtbaren Verletzungen. Mit diesen Personen wurden Untersuchungstermine vereinbart, von denen 144 wahrgenommen wurden. Zur statistischen Gliederung dieser Personengruppe siehe Antwort zu Frage 2. Der Kontakt zur Gewaltschutzambulanz kam wie folgt zustande: Krankenhäuser: 18 niedergelassene Ärzte: 3 Polizei: 44 Gerichte: 2 Jugendamt / Kindernotdienst / Kinderkriseneinrichtungen: 42 Berliner Initiative gegen Gewalt an Frauen (Berliner Initiative gegen Gewalt an Frauen - BIG e.V.)- Hotline / Frauenhilfeeinrichtungen: 17 Opferberatungen (Opferhilfe Berlin e.V. und Weißer Ring): 6 Internet: 3 Mundpropaganda: 5 Medien (Zeitung, Fernsehen etc.): 4 In der Gewaltschutzambulanz erfolgt nach deren Aus- kunft keine Auswertung der Wohnorte der Betroffenen. In 63 Fällen wurde angegeben, dass die Gewalt vom Partner oder Ex-Partner ausgegangen war. Eine Auswertung, in wie vielen Fällen von den Opfern auch von einer sexualisierten Gewalt berichtet wurde, erfolgt in der Gewaltschutzambulanz nicht. Betroffene, die eine DNA-Spurensicherung nach sexualisierter Ge- walt vornehmen lassen wollten, wurden zur Sicherung der DNA-Spuren nach Erstattung der Strafanzeige an die Rettungsstellen der Charité weitergeleitet. Es handelte sich in 52 Fällen um Gewalt gegen Kinder und Jugendliche. Es handelte sich in 29 Fällen um Gewalt gegen Er- wachsene ohne häuslichen Gewaltkontext. 2. In wie vielen Fällen wurden in der Gewaltschutz- ambulanz 2014 Verletzungen von Gewaltopfern unter- sucht (bitte aufschlüsseln nach Geschlecht und Alter)? a. In wie vielen Fällen konnten die Verletzungen ge- richtsfest dokumentiert werden? b. Soweit Kinder und Jugendliche betroffen waren: Durch welche Personen / Institutionen wurde die Untersuchung veranlasst (Eltern, Jugendamt etc.)? Abgeordnetenhaus Berlin – 17. Wahlperiode Drucksache 17 / 15 185 2 Zu 2.: Es wurden 163 Untersuchungstermine verge- ben, von denen 144 Termine wahrgenommen wurden. Hierbei handelte es sich um 52 Kinder und Jugendliche und um 92 Erwachsene (81 Frauen und 11 Männer). Es lag folgende Altersverteilung vor: unter 5 Jahre: 29 5 bis 13 Jahre: 16 14 bis 17 Jahre: 7 18 bis 20 Jahre: 1 21 bis 29 Jahre: 29 30 bis 39 Jahre: 30 40 bis 49 Jahre: 19 50 bis 59 Jahre: 11 über 60 Jahre: 2 In allen 144 wahrgenommen Terminen wurden Ver- letzungen gerichtsfest dokumentiert. Die Untersuchungen von Kindern und Jugendlichen wurden entweder vom Jugendamt, dem Kindernotdienst, dem Kinder- und Jugendgesundheitsdienst oder von Kin- derkriseneinrichtungen veranlasst. Entweder stimmten die Erziehungsberechtigten der Untersuchung schriftlich zu und entbanden die Ärztin von ihrer Schweigepflicht ge- genüber dem Jugendamt oder die Kinder waren vom Jugendamt/Kindernotdienst in Obhut genommen worden. 3. Wie viele Beratungsgespräche mit Gewaltopfern wurden 2014 in der Gewaltschutzambulanz durchgeführt (bitte aufschlüsseln nach Geschlecht und Alter)? a. Wer führte die Beratungen durch? b. In wie vielen Fällen wurden Betroffene an andere Beratungsstellen weitervermittelt? Zu 3.: In der Zeit vom 18. Februar 2014 bis zum 23. Dezember 2014 wurden 35 Beratungen durch BIG e.V. und die Opferhilfe e.V. im Beratungsraum der Gewalt- schutzambulanz durchgeführt; hierbei wurden ausschließ- lich Frauen beraten. Die Gewaltschutzambulanz führt über die Altersstruktur insoweit keine Statistik. In 129 Fällen, in denen die Beratung nicht in der Ge- waltschutzambulanz erfolgte, kam es zu einer Weiterlei- tung an andere Beratungsstellen. Ferner wurden 141 Per- sonen an Beratungsstellen vermittelt, die bei Kontaktauf- nahme mit der Gewaltschutzambulanz keine sichtbaren Verletzungen aufwiesen, so dass keine Untersuchung in der Gewaltschutzambulanz möglich war. 4. Wie viele Fortbildungen wurden 2014 von der Ge- waltschutzambulanz durchgeführt (bitte unterscheiden zwischen Informationsveranstaltung zu den Aufgaben der Gewaltschutzambulanz und tatsächlichen fachlich- medizinischen Fortbildungen)? a. Welche Themen wurden dabei behandelt? b. Welchen zeitlichen Umfang hatten die Fortbildun- gen? c. Wer waren die Zielgruppen? Zu 4.: Bis zum 23. Dezember 2014 führte die Fachärz- tin für Rechtsmedizin der Gewaltschutzambulanz insge- samt 79 Fortbildungs- und Informationsveranstaltungen durch. Es handelte sich dabei um 39 Informationsveran- staltungen sowie um jeweils zweistündige Fortbildungen an über das Stadtgebiet verteilten Veranstaltungsorten zu den Themen Kindesmisshandlung (34 Veranstaltungen), häusliche Gewalt (4 Veranstaltungen) und sexualisierte Gewalt (2 Veranstaltungen). Zielgruppen waren unter anderem Jugendämter, der Kinder- und Jugendgesundheitsdienst Berlin, verschiede- ne Rettungsstellen, verschiedene Kinderschutzgruppen, die Berliner Feuerwehr, Berliner Notärztinnen und Not- ärzte, die Berliner Polizei, Mitarbeiterinnen und Mitarbei- ter freier Träger in der Familienhilfe sowie in Kindergär- ten und Lehrerinnen und Lehrer an Berliner Schulen. 5. Über welche Qualifikation für den Umgang mit Op- fern häuslicher Gewalt, mit gewaltbetroffenen Kindern und deren Eltern bzw. Bezugspersonen sowie Gewaltop- fern im Allgemeinen verfügen die Beschäftigten der Ge- waltschutzambulanz? Zu 5.: Die Fachärztin für Rechtsmedizin hat bereits in Hamburg im Jahre 2006 in einer Gewaltschutzambulanz gearbeitet und hat seit 2007 in Berlin an mehreren cha- ritéinternen Schulungen zum Umgang mit Betroffenen von häuslicher Gewalt sowie zum Erkennen von Anzei- chen von häuslicher Gewalt und an einer Schulung zum Umgang mit Betroffenen von sexualisierter Gewalt teil- genommen. Ferner ist sie Mitglied in zwei Arbeitskreisen der Deutschen Gesellschaft für Rechtsmedizin, die die Empfehlungen der Deutschen Gesellschaft für Rechtsme- dizin zur Dokumentation von kindlichen und erwachsenen Gewaltopfern formuliert hat und diese regelmäßig überar- beitet. Die Sekretärin der Gewaltschutzambulanz hat an der Gesundheitsakademie der Charité ein 3-tägiges Deeskala- tionstraining sowie eine eintägige Basis-Schulung zum Umgang mit Betroffenen von häuslicher Gewalt absol- viert. 6. Mit welchen freien Trägern und sozialen Einrich- tungen kooperiert die Gewaltschutzambulanz? Zu 6.: Die Gewaltschutzambulanz kooperiert mit BIG e.V., der Opferhilfe Berlin e.V., StopStalking Berlin und dem Weißen Ring Berlin. Ferner steht sie in einem engen Kontakt zu den Berliner Jugendämtern, den Kinder- und Jugendgesundheitsdiensten, verschiedenen Kinderkrisen- einrichtungen und den Kinderschutzgruppen der Charité, des Helios-Klinikums Buch, des Unfallkrankenhauses Marzahn, des Vivantes Klinikums Friedrichshain, des Vivantes Klinikums Neukölln, des St. Joseph Kranken- hauses und des Sana Klinikum Lichtenbergs. Abgeordnetenhaus Berlin – 17. Wahlperiode Drucksache 17 / 15 185 3 7. Mit welchen Gremien und Arbeitskreisen ist die Gewaltschutzambulanz vernetzt bzw. im fachlichen Aus- tausch? Wie oft nahmen Beschäftigte der Gewaltschutz- ambulanz 2014 an Treffen dieser Gremien bzw. Arbeits- kreise teil? Zu 7.: Die Gewaltschutzambulanz ist vernetzt und in einem fachlichen Austausch mit BIG e.V., der Häusliche und Sexualisierte Gewalt-Arbeitsgruppe der Charité, dem Netzwerk gegen Gewalt an der Charité, dem Berliner Netzwerk gegen sexuelle Gewalt, dort Arbeitsgemein- schaft 2, das an die Senatsverwaltung für Gesundheit und Soziales angegliedert ist, und mit den Kinderschutzgrup- pen der Charité, des Helios-Klinikums Buch, des Unfall- krankenhauses Marzahn, des Vivantes Klinikums Fried- richshain, des Vivantes Klinikums Neukölln, des St. Jo- seph Krankenhauses und des Sana Klinikums Lichten- berg. Die beiden Beschäftigten der Gewaltschutzambu- lanz nahmen in der Zeit vom 18. Februar 2014 bis zum 23. Dezember 2014 an insgesamt 25 Treffen dieser Grup- pen und Netzwerke teil. 8. Von welchen Senatsverwaltungen wird die Arbeit der Berliner Gewaltschutzambulanz in welchem Umfang finanziert? a. Haben sich die dafür im Haushaltsplan vorgesehe- nen Mittel im Jahr 2014 als auskömmlich erwie- sen? b. Beabsichtigt der Senat, die Zuwendung im kom- menden Haushalt zu erhöhen? c. Wenn ja, in welchem Umfang und ggf. zu Lasten welcher anderen zuwendungsgeförderten Projekte? Zu 8.: Die Gewaltschutzambulanz der Charité wird von der Senatsverwaltung für Justiz und Verbraucher- schutz in den Jahren 2014 und 2015 mit jeweils 150.000,00 € finanziert. Für den Doppelhaushalt 2016/2017 hat die Charité für den Fall eines gleichblei- benden Leistungsumfangs eine Erhöhung der Zuwendung auf 200.000,00 € pro Jahr beantragt. Hierüber hat der Senat noch nicht entschieden. Die Zuwendung der Se- natsverwaltung für Justiz und Verbraucherschutz deckt die Personalkosten. Der darüber hinausgehende Bedarf - insgesamt benötigte die Gewaltschutzambulanz im Jahre 2014 knapp 204.000,00 € - wurde aus Mitteln der Charité sowie mittels Spenden finanziert. 9. Plant der Senat, sich auf Bundesebene dafür einzu- setzen, dass die Leistungen der Gewaltschutzambulanz als Leistung der gesetzlichen Krankenkasse anerkannt wer- den? Falls nein, warum nicht? Zu 9.: Opfer von Gewalt, die gesetzlich krankenversi- chert sind, können selbstverständlich gemäß §§ 27 ff. Sozialgesetzbuch (SGB) V alle notwendigen Krankenbe- handlungsleistungen zu Lasten der gesetzlichen Kranken- versicherung in Anspruch nehmen. Der Senat sieht derzeit keine Veranlassung, darüber hinaus auf Bundesebene eine Finanzierung der Gewaltschutzambulanz über das SGB V zu erreichen. Berlin, den 06. Januar 2015 In Vertretung Straßmeir Senatsverwaltung für Justiz und Verbraucherschutz (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 08. Jan. 2015)