Drucksache 17 / 15 223 Schriftliche Anfrage 17. Wahlperiode Schriftliche Anfrage des Abgeordneten Gerwald Claus-Brunner (PIRATEN) vom 10. September 2014 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 07. Januar 2015) und Antwort Lohnunterschlagung und Gefährdung der Öffentlichkeit in der Mall of Berlin? Die Drucksachen des Abgeordnetenhauses sind bei der Kulturbuch-Verlag GmbH zu beziehen. Hausanschrift: Sprosserweg 3, 12351 Berlin-Buckow · Postanschrift: Postfach 47 04 49, 12313 Berlin, Telefon: 6 61 84 84; Telefax: 6 61 78 28. Im Namen des Senats von Berlin beantworte ich Ihre Schriftliche Anfrage wie folgt: Die Anfrage betrifft zum Teil Sachverhalte, die der Senat nicht aus eigener Kenntnis beantworten kann. Er ist gleichwohl bemüht, Ihnen eine umfassende Antwort auf Ihre Anfrage zukommen zu lassen und hat daher u.a. das vom Senat geförderte, in Trägerschaft des Deutschen Gewerkschaft Bund(DGB) Bezirk Berlin-Brandenburg von „Arbeit und Leben e.V.“ betriebene Beratungsbüro für entsandte Beschäftigte (im Folgenden „DGBBeratungsbüro “) um Stellungnahme gebeten. Die Stellungnahme ist in der Beantwortung berücksichtigt. 1. Wie viele der beim Bau der Mall of Berlin be- schäftigten Arbeiter sind von der Nichtbezahlung des Arbeitslohnes betroffen? Zu 1.: Dem Senat sind folgende Informationen be- kannt: Das DGB-Beratungsbüro hat am 23. Oktober 2014 von 19 Personen erfahren. In der folgenden Woche haben sich dort weitere 15 Personen gemeldet, die jedoch in der Folgezeit nicht im Beratungsbüro vorstellig wurden. 2. An welche Stelle können sich die Betroffenen wenden? 3. Welche Maßnahmen kann und wird der Senat er- greifen um diesen Menschen den Unterhalt (zur Lebens- haltung) zu sichern? 4. Können die betroffenen Arbeiter mit schneller un- bürokratischer Hilfestellung rechnen? Wenn ja, wie wer- den sie darüber informiert? 5. Gibt es für solche Fälle Hilfefonds aus denen Geldmittel an Betroffene ausgezahlt werden können? 6. Wird den Betroffenen bei der Beschreitung des Rechtsweges Unterstützung gewährt, bzw. ist dies ge- plant? 15. Welche Maßnahmen gedenkt Frau Kolat bezüglich der unentlohnt Beschäftigten zu ergreifen? Zu 2. bis 6. und 15.: Bei den medienöffentlich gewor- denen Vorwürfen nicht hinreichend gezahlten Arbeitsent- gelts handelt es sich um Streitigkeiten im Rahmen aus- schließlich privatrechtlicher Rechtsbeziehungen. Unsere Rechtsordnung sieht für derartige Fälle ein breit angeleg- tes Unterstützungsangebot vor, das für alle Betroffenen gleichermaßen gilt. Für geltend zu machende Ansprüche auf Arbeitsent- gelt steht der Rechtsweg zu den Gerichten für Arbeitssa- chen offen. Bei Vorliegen der entsprechenden Vorausset- zungen (Aussicht auf Erfolg und wirtschaftliche Unfähig- keit, die Kosten der Prozessführung selbst aufzubringen) kann Prozesskostenhilfe und für außergerichtliche Bera- tung Beratungshilfe gewährt werden. Bei der Aufnahme einer entsprechenden Klage ist zudem die Rechtsantrag- stelle des Arbeitsgerichts behilflich. Tritt aufgrund nicht gezahlten Arbeitsentgelts Bedürftigkeit ein, können den Betroffenen Leistungen der Grundsicherung nach dem SGB II gewährt werden. All diese Unterstützungsleistun- gen sind abhängig von entsprechenden Anträgen der Be- troffenen. Zusätzlich zu diesem für alle geltenden Angebot be- steht für entsandte Beschäftigte zusätzlich ein Unterstüt- zungsangebot in Gestalt des vom Senat geförderten DGB- Beratungsbüros. Dieses war und ist in den Fall der beim Bau der Mall of Berlin beschäftigten Arbeiter auch aktiv eingebunden. Nachdem sich die in Frage 1. genannten 19 Personen an das Beratungsbüro gewandt hatten, hat dieses den Vorgang presseöffentlich gemacht und sowohl das Generalunternehmen als auch die bekannt gewordenen Subunternehmen aufgefordert, den Sachverhalt zu klären. Nach diesem Kontakt haben einige der Betroffenen Ab- schlagzahlungen erhalten und sind daraufhin teilweise in ihr Ursprungsland zurückgekehrt. Eine Gruppe von drei Personen, die sich entschlossen haben, sich vom DGB- Beratungsbüro vertreten zu lassen, um ihre Löhne geltend zu machen, erhalten von diesem rechtliche Informationen und Unterstützung. Abgeordnetenhaus Berlin – 17. Wahlperiode Drucksache 17 / 15 223 2 Um zu einer Klärung im Interesse der Betroffenen beizutragen, hat Frau Senatorin Kolat bereits Anfang November 2014 presseöffentlich eine schnelle Prüfung der Vorgänge gefordert und es als eine Schande für unse- re Stadt bezeichnet, wenn Bauarbeitern monatelang der Lohn vorenthalten wird. Über die vorstehend genannten Unterstützungsange- bote hinaus bestehen für weitere Hilfeleistungen (z. B für Geldleistungen aus einem besonderen Hilfsfonds) oder sonstige Unterstützungsmaßnahmen keine rechtlichen Grundlagen. 7. Wie viele Subunternehmer waren am Bau der Mall of Berlin beteiligt? Welche Subunternehmer waren wann (Zeitdauer, Gewerk) beteiligt, wer ist der Generalunter- nehmer? Zu 7.: Sowohl aufgrund der Informationen des DGB- Beratungsbüros als auch aus Medienberichten ist dem Senat bekannt, dass es sich bei dem Generalunternehmer um die Firma Fettchenhauer Controlling & Logistic GmbH handelt. Als deren Subunternehmen sind die Fir- men Openmallmaster GmbH und Metatec Fundus GmbH bekannt. Nähere Informationen über Zeitdauer und Ge- werk liegen dem Senat nicht vor. 8. Wie wurde sichergestellt, dass die im Bauhaupt- gewerbe üblichen Tariflöhne gezahlt wurden? Zu 8.: Tarifverträge gelten gemäß § 4 Abs. 1 Satz 1 Tarifvertragsgesetz nur zwischen „beiderseits Tarifgebundenen “. Ein Anspruch auf den üblichen Tariflohn kann daher nur in Arbeitsverhältnissen zwischen Arbeit- gebern, die entweder selbst Abschlusspartner eines Tarif- vertrages oder Mitglied im den Tarifvertrag schließenden Verband sind, und Beschäftigten, die Mitglied der den Tarifvertrag schließenden Gewerkschaft sind, gegeben sein. Es obliegt den Arbeitsvertragsparteien, für die Ein- haltung ggf. geltender tarifvertraglicher Regelungen Sor- ge zu tragen. Liegt keine beiderseitige Tarifbindung vor, ist zumindest der von der Finanzkontrolle Schwarzarbeit kontrollierte Baumindestlohn in Höhe von in Berlin der- zeit 11,15 Euro (für Hilfskräfte) bzw. 14,15 Euro (für Fachwerker) einzuhalten. 9. Inwieweit wurden bereits Strafanzeigen aufgrund von Arbeitslohnunterschlagung, Gewaltandrohung Mord- drohung und/oder Nötigung gestellt? 10. Wurde der Straftatbestand der Insolvenzverschlep- pung bei dem im entsprechenden Gewerk beauftragten Subunternehmer festgestellt bzw. angezeigt? Zu 9. und 10.: Im von der Staatsanwaltschaft Berlin genutzten Aktenverwaltungssystem MESTA wird nicht gesondert erfasst, inwiefern Strafanzeigen mit der Errich- tung oder dem Betrieb eines bestimmten Bauwerkes im Zusammenhang stehen. Bei der Polizei Berlin ist eine Anzeige aus dem No- vember 2014 wegen des Verdachts des Leistungskreditbe- truges (Lohnbetruges) in Bearbeitung. Geschädigt sollen mehrere aus Rumänien stammende Lohnarbeiter sein. Weiter ist eine Anzeige aus Polen bekannt, welche eine dort ansässige Firma erstattet hat. Sie gibt an, für Leistun- gen, die in Bezug auf die „Mall of Berlin“ erbracht wurden , nicht bezahlt worden zu sein. Eine abschließende Aussage, ob weitere Anzeigen erstattet wurden, ist auf- grund fehlender Rechercheparameter nicht möglich, da beauftragte Firmen zum Teil nicht in Berlin oder Deutsch- land ansässig sind und der Anzeigeort nicht zwingend in Berlin liegen muss. Dem Senat ist durch das DGB-Beratungsbüro darüber hinaus mitgeteilt worden, dass die dort vorstellig gewor- denen Personen über das Beratungsbüro einen Termin bei dem Hauptzollamt Berlin / Finanzkontrolle Schwarzarbeit erhalten und dort Aussagen gemacht haben. 11. Inwieweit fanden Kontrollen der Baustelle (auch hinsichtlich der Arbeitsbedingungen) statt? Wer hat diese Kontrollen durchgeführt? Wenn keine stattfanden, warum nicht? Zu 11.: Neben Kontrollen, die in Zusammenarbeit mit der Finanzkontrolle Schwarzarbeit durchgeführt wurden, wurde auf der Baustelle der „Mall of Berlin“ mehrfach auch selbstständig durch Arbeitsschutzaufsichtsbeamte des Landesamtes für Arbeitsschutz, Gesundheitsschutz und technische Sicherheit Berlin (LAGetSi) während der Ausführungsphase die Einhaltung der Arbeitsschutzvor- schriften kontrolliert. Die Kontrollen fanden • initiativ durch das LAGetSi, zum Teil gemeinsam mit der Bauleitung und den Sicherheits- und Ge- sundheitsschutzkoordinatoren der Baustelle und • anlassbezogen z.B. aufgrund eines schweren Arbeitsunfalls am 30.12.2012 - bei Verschalungsar- beiten im Erdgeschoss waren 500 qm des Bauab- schnitts eingestürzt und hatten zwei Bauarbeiter schwer und zwei weitere Bauarbeiter leicht verletzt - statt. Dabei wurde die Arbeitsschutzorganisation der Bau- stelle kontrolliert. Mängel in Bezug auf Absturzsicherun- gen sowie bezüglich der Benutzung persönlicher Schutz- ausrüstungen (z.B. Schutzhelm) wurden festgestellt und deren Beseitigung wurde veranlasst. 12. Wie viele Mängel am Gebäude sind gegenwärtig bekannt? Um welche Mängel handelt es sich? 13. Welche Auswirkungen haben diese Mängel auf die Sicherheit des Gebäudes? 14. Warum wird die Mall weiter öffentlich betrieben obwohl erhebliche Mängel im Brandschutz bekannt sind? Abgeordnetenhaus Berlin – 17. Wahlperiode Drucksache 17 / 15 223 3 Zu 12. bis 14.: Die genaue Anzahl an Mängeln am Gebäude ist dem Senat nicht bekannt. Sie kann nur vom Bauherrn und dessen Bauleitung in Zusammenarbeit mit den ausführenden Unternehmen benannt werden. Der Brandschutz eines fertiggestellten Gebäudes wird nach der Berliner Bauordnung durch von der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Umweltschutz anerkannte Prüfingenieure für Brandschutz untersucht. In diesem Zusammenhang sind den Brandschutz betreffende Mängel bekannt geworden, bei denen es sich vorwiegend um anlagentechnische Mängel handelt. Diese werden momen- tan noch durch Kompensationsmaßnahmen ausgeglichen. Bei deren Umsetzung bestehen nach dem Urteil des zu- ständigen Prüfingenieurs für Brandschutz bezüglich der Nutzung des Gebäudes aus Sicht des Brandschutzes keine Bedenken. Der Bauherr hat zugesichert, die Aufrechter- haltung der Kompensationsmaßnahmen zu gewährleisten, die Mängelbeseitigung durchzuführen und die weiterge- henden Abnahmen durch die Prüfsachverständigen zu veranlassen. Berlin, den 22. Januar 2015 In Vertretung Barbara L o t h Senatsverwaltung für Arbeit, Integration und Frauen (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 27. Jan. 2015)