Drucksache 17 / 15 238 Schriftliche Anfrage 17. Wahlperiode Schriftliche Anfrage des Abgeordneten Hakan Taş (LINKE) vom 06. Januar 2015 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 08. Januar 2015) und Antwort Mutmaßliche rechtsterroristische Gruppe „Deutsche Widerstandsbewegung“ Die Drucksachen des Abgeordnetenhauses sind bei der Kulturbuch-Verlag GmbH zu beziehen. Hausanschrift: Sprosserweg 3, 12351 Berlin-Buckow · Postanschrift: Postfach 47 04 49, 12313 Berlin, Telefon: 6 61 84 84; Telefax: 6 61 78 28. Im Namen des Senats von Berlin beantworte ich Ihre Schriftliche Anfrage wie folgt: 1. Wann und unter welchen Umständen hat der Senat erstmals Kenntnis von der Existenz der „Deutschen Widerstandsbewegung “ bekommen, die laut Medienberichten im Zeitraum vom 25. August 2014 bis zum 24. No- vember 2014 für mindestens vier versuchte Brandan- schläge u.a. auf die Bundesgeschäftsstelle der CDU, das Reichstagsgebäude und das Paul-Löbe-Haus des Bundes- tags verantwortlich sein und an den jeweiligen Tatorten mit Bekennerschreiben ihren Hass auf eine vermeintliche „multikulturelle, multiethnische, multireligiöse und multigeschichtliche Bevölkerungskonstellation“ zum Ausdruck gebracht und damit die Brandanschläge begründet haben soll? Zu 1.: Die „Deutsche Widerstandsbewegung“ trat bundesweit erstmals im Kontext einer versuchten schwe- ren Brandstiftung zum Nachteil der Bundesgeschäftsstelle der Christlich Demokratischen Union (CDU) am 25. August 2014 in Erscheinung. Am Tatort hinterlassene Selbstbezichtigungsschreiben in Form von Flugblättern waren mit „Deutsche Widerstandsbewegung“ unterzeichnet . 2. Wie viele Straftaten werden der „Deutschen Widerstandsbewegung “ nach derzeitigem Stand zugerechnet (bitte nach Datum, Ort und Tatvorwurf bzw. Straftatbe- stand auflisten)? Zu 2.: Zu dem in Frage 1. thematisierten Sachzusam- menhang wurden in Berlin bislang vier versuchte schwere Brandstiftungen bekannt. Zur gewünschten Auflistung wird auf die Antwort zur Frage 14. verwiesen. 3. Hat die Staatsanwaltschaft Ermittlungen gegen die „Deutsche Widerstandsbewegung“ aufgenommen – und wenn ja, seit wann und nach welchen Straftatbeständen ermittelt welche Abteilung der Staatsanwaltschaft? Zu 3.: Die Federführung der Ermittlungen im Sachzu- sammenhang der Antwort zu Frage 2. obliegt der Abtei- lung 276 der Staatsanwaltschaft (StA) Berlin. Zu den Straftatbeständen wird auf die Antwort zur Frage 14. verwiesen. 4. Wie bewertet der Verfassungsschutz die Bekennerschreiben und die Straftaten der „Deutschen Widerstandsbewegung “? Zu 4.: Eine „Deutsche Widerstandsbewegung“ war vor dem ersten versuchten Anschlag auf die CDU- Bundesgeschäftsstelle nicht bekannt. Aufgrund der lau- fenden Ermittlungen der StA Berlin kann hierzu keine Aussage getroffen werden. 5. Handelt es sich nach Ansicht des Verfassungsschutzes bei der „Deutschen Widerstandsbewegung“ um eine mutmaßliche rechtsterroristische Struktur und wenn ja, warum? Zu 5.: Über die Existenz einer terroristischen Vereini- gung „Deutsche Widerstandsbewegung“ mit mehreren Mitgliedern, entsprechender Tatmotivation und entspre- chenden Tatbegehungsweisen (siehe § 129a Strafgesetz- buch (StGB)) liegen in Berlin keine Erkenntnisse vor. 6. Sieht der Verfassungsschutz in der „Deutschen Widerstandsbewegung“ die Gefahr einer neuen rechtsterroristischen Entwicklung? 7. Falls Frage 5. verneint wird: Aus welchen Gründen handelt es sich nach Ansicht des Verfassungsschutzes bei der „Deutschen Widerstandsbewegung“ nicht um eine mutmaßliche rechtsterroristische Struktur/Gruppe? Zu 6. und 7.: Siehe Antwort zu Frage 5. Abgeordnetenhaus Berlin – 17. Wahlperiode Drucksache 17 / 15 238 2 8. Mit welcher Definition für „rechtsterroristische Gruppen/Organisationen“ arbeitet der Berliner Verfassungsschutz aktuell? Zu 8.: Die Bewertung solcher Gruppen oder Organisa- tionen würde sich an § 129a StGB orientieren. 9. Handelt es sich bei der „Deutschen Widerstandsbewegung “ nach Ansicht des Senats um eine Gruppierung aus der Neonazibewegung und entspricht sie den Krite- rien einer rechtsextremen Vereinigung? Zu 9.: Siehe Antworten zu den Fragen 4. und 5. 10. Handelt es sich nach Ansicht des Landeskriminalamtes bei der „Deutschen Widerstandsbewegung“ um eine rechtsterroristische Struktur und wenn ja, warum? Zu 10.: Siehe Antwort zu Frage 5. 11. Falls Frage 10 verneint wird: Aus welchen Gründen handelt es sich nach Ansicht des Landeskriminalam- tes bei der „Deutschen Widerstandsbewegung“ nicht um eine mutmaßliche rechtsterroristische Struktur/Gruppe? Zu 11.: Siehe Antwort zu den Fragen 5. und 10. Die Ermittlungen sind noch nicht abgeschlossen und werden in alle Richtungen weitergeführt. 12. Haben Verfassungsschutz und/oder LKA Kenntnis darüber, ob mutmaßliche Aktivisten und Aktivistinnen der „Deutschen Widerstandsbewegung“ in der Vergangenheit in anderen rechtsextremistischen oder rechtsterro- ristischen Organisationen oder Zusammenhängen aktiv waren? 13. Kann der Senat nach seiner Kenntnis ausschließen, dass Aktivisten oder Aktivistinnen der mutmaßlichen „Deutschen Widerstandsbewegung“ als V-Leute für den Verfassungsschutz oder das LKA tätig sind? Zu 12. und 13.: Die Fragestellungen betreffen aktuelle Ermittlungsverfahren, die bei der StA Berlin anhängig sind, so dass der Senat hierzu keine Auskünfte erteilen kann. Darüber hinaus gibt der Verfassungsschutz Berlin grundsätzlich keine öffentliche Auskunft über den Einsatz von nachrichtendienstlichen Mitteln. Gegebenenfalls kann im Ausschuss für Verfassungsschutz in geheimer Sitzung dazu berichtet werden. Vorbemerkungen zu den Fragen 14. bis 16.: Grundlage für die Beantwortung der Fragen 14. bis 16. bildet der „Kriminalpolizeiliche Meldedienst in Fällen Politisch motivierter Kriminalität“ (KPMD-PMK). Dabei handelt es sich entgegen der „Polizeilichen Kriminalstatistik “ (PKS) um eine Eingangsstatistik. Die Fallzählung erfolgt tatzeitbezogen, unabhängig davon, wann das Er- mittlungsverfahren an die Staatsanwaltschaft abgegeben wurde. Die folgenden statistischen Angaben stellen keine Einzelstraftaten der Politisch motivierten Kriminalität (PMK) dar. Bei der Darstellung handelt es sich um Fall- zahlen. Ein Fall bezeichnet jeweils einen Lebenssachverhalt in einem engen räumlichen und zeitlichen Zusammenhang mit identischer oder ähnlicher Motivlage, unabhängig von der Zahl der Tatverdächtigen, Tathandlungen, Anzahl der verletzten Rechtsnormen oder der eingeleiteten Ermitt- lungsverfahren. Die Fallzahlen der PMK unterliegen bis zum Ab- schluss der Ermittlungen – gegebenenfalls bis zum endgültigen Gerichtsurteil – einer Bewertung gemäß der angenommenen Tätermotivation. Darüber hinaus können Fälle der PMK erst nach dem Statistikschluss bekannt und entsprechend gezählt werden. Deshalb kommt es sowohl unter- als auch überjährig immer wieder zu Fallzahlenän- derungen. 14. Wie viele mutmaßlich rechts motivierte Brandanschläge und andere Straftaten gegen Abgeordnetenbüros und Geschäftsstellen demokratischer Parteien sind vom 1. Januar 2014 bis zum 31. Dezember 2014 in Berlin regis- triert worden (bitte unter Angabe von Datum, Ort, be- troffene Partei, Straftatbestand)? Zu 14.: Bei der Polizei Berlin wurden für den Tatzeit- raum 2014 folgende mutmaßlich rechts motivierte Strafta- ten im Sinne der Fragestellung registriert: Abgeordnetenhaus Berlin – 17. Wahlperiode Drucksache 17 / 15 238 3 Delikt Tatzeit Straße Haus- nummer Post- leit- zahl Geschädigte Einrichtung Schwere Brandstiftung, § 306a StGB 25.08.2014 02:52:00 Klingelhöferstraße 8 10785 CDU Bundesgeschäftsstelle Schwere Brandstiftung, § 306a StGB 29.09.2014 02:00:00 Platz der Republik 1 10557 Deutscher Bundestag Reichstagsgebäude Schwere Brandstiftung, § 306a StGB 03.11.2014 04:00:00 Paul-Löbe-Allee 2 10557 Deutscher Bundestag Paul-Löbe-Haus Schwere Brandstiftung, § 306a StGB 24.11.2014 02:18:00 Paul-Löbe-Allee 2 10557 Deutscher Bundestag Paul-Löbe-Haus Es wird darauf hingewiesen, dass die Erhebung und Bewertung der Fallzählung des KPMD-PMK für das Jahr 2014 noch nicht endgültig abgeschlossen ist, so dass sich noch Änderungen ergeben könnten. 15. Hat der Senat im Vergleich zum Vorjahr 2013 einen Anstieg von Brandanschlägen und anderen Straftaten gegen Abgeordnetenbüros und Geschäftsstellen demokra- tischer Parteien registriert (bitte unter Angabe der Vorjah- reszahl)? Zu 15.: Bei der Polizei Berlin wurden für den Tatzeit- raum 2013 folgende mutmaßlich rechts motivierte Strafta- ten im Sinne der Anfrage registriert: Delikt Tatzeit Straße Haus- nummer Post- leit- zahl Geschädigte Einrichtung Sachbeschädigung, § 303 StGB 07.01.2013 10:50:00 Siemensstraße 15 12459 SPD Verwenden von Kennzeichen ver- fassungswidriger Organisationen § 86a StGB 07.01.2013 19:00:00 Alt-Biesdorf 62 12683 Bündnis 90/Die Grünen Sachbeschädigung, § 303 StGB 18.03.2013 19:05:00 Brückenstraße 28 12439 Die Linke Sachbeschädigung, § 303 StGB 04.04.2013 17:00:00 Moselstraße 6 12159 SPD Sachbeschädigung, § 303 StGB 15.04.2013 07:05:00 Siemensstraße 15 12459 SPD-Bürgerbüro (An- sprechBar) Sachbeschädigung, § 303 StGB 21.04.2013 10:00:00 Siemensstraße 15 12459 SPD-Bürgerbüro (An- sprechBar) Sachbeschädigung, § 303 StGB 22.05.2013 03:52:00 Brückenstraße 28 12439 Die Linke Sachbeschädigung, § 303 StGB 16.09.2013 02:15:00 Brückenstraße 28 12439 Die Linke Sachbeschädigung, § 303 StGB 17.11.2013 14:00:00 Alfred-Kowalke- Straße 14 10315 Die Linke Im Jahr 2013 wurden keine Branddelikte, im Jahr 2014 bislang keine Straftaten neben Branddelikten zum Nachteil von Abgeordnetenbüros und Geschäftsstellen demokratischer Parteien polizeilich bekannt. Dementspre- chend ist für das Jahr 2014 ein Anstieg im Deliktsfeld Branddelikte von null auf vier Lebenssachverhalte sowie für die übrigen Delikte ein Rückgang von neun auf null Lebenssachverhalte zu verzeichnen. Abgeordnetenhaus Berlin – 17. Wahlperiode Drucksache 17 / 15 238 4 16. Wie viele mutmaßlich rechts motivierte Brandanschläge gegen Institutionen des demokratischen Rechts- staats wurden seit 1.11.2011 in Berlin registriert? Zu 16.: Bei der Polizei Berlin wurden für den Tatzeit- raum 1. November 2011 bis 31. Dezember 2014 folgende mutmaßlich rechts motivierte Straftaten im Sinne der Fragestellung registriert: Delikt Tatzeit Straße Haus- nummer Post- leit- zahl Geschädigte Einrichtung Schwere Brandstiftung, § 306a StGB 27.06.2011 00:17:00 Gutschmidtstraße 37 12359 Kinder- und Jugendzentrum Anton-Schmaus-Haus SDJ Die Falken Schwere Brandstiftung, § 306a StGB 09.11.2011 07:20:00 Gutschmidtstraße 37 12359 Kinder- und Jugendzentrum Anton-Schmaus-Haus SDJ Die Falken Schwere Brandstiftung, § 306a StGB 25.08.2014 02:52:00 Klingelhöferstraße 8 10785 CDU Bundesgeschäftsstelle Schwere Brandstiftung, § 306a StGB 29.09.2014 02:00:00 Platz der Republik 1 10557 Deutscher Bundestag Reichstagsgebäude Schwere Brandstiftung, § 306a StGB 03.11.2014 04:00:00 Paul-Löbe-Allee 2 10557 Deutscher Bundestag Paul-Löbe-Haus Schwere Brandstiftung, § 306a StGB 24.11.2014 02:18:00 Paul-Löbe-Allee 2 10557 Deutscher Bundestag Paul-Löbe-Haus Berlin, den 19. Januar 2015 In Vertretung Bernd Krömer Senatsverwaltung für Inneres und Sport (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 27. Jan. 2015)