Drucksache 17 / 15 258 Schriftliche Anfrage 17. Wahlperiode Schriftliche Anfrage der Abgeordneten Elke Breitenbach und Hakan Taş (LINKE) vom 12. Januar 2015 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 13. Januar 2015) und Antwort Ehemaliger Staatssekretär und rechter Burschenschaftler jetzt im Geschäft mit Flücht- lingsunterbringung aktiv? Die Drucksachen des Abgeordnetenhauses sind bei der Kulturbuch-Verlag GmbH zu beziehen. Hausanschrift: Sprosserweg 3, 12351 Berlin-Buckow · Postanschrift: Postfach 47 04 49, 12313 Berlin, Telefon: 6 61 84 84; Telefax: 6 61 78 28. Im Namen des Senats von Berlin beantworte ich Ihre Schriftliche Anfrage wie folgt: 1. Ist dem Senat bekannt, dass der ehemalige Staats- sekretär Büge, der wegen seiner Mitgliedschaft in der rechtsextremen Burschenschaft Gothia im Mai 2013 als Staatssekretär entlassen wurde, maßgeblich an der SoWo Berlin GmbH beteiligt ist, welche die geplante Flücht- lingsunterkunft in der Neuköllner Karl-Marx-Straße be- treiben soll? 2. Wenn ja, seit wann und welche Informationen lie- gen dem Senat dazu genau vor? Zu 1. und 2.: Durch die Berichterstattung der Zeitung „Neues Deutschland“ vom 18.12.2014 und der Berliner Zeitung vom 19.12.2014 wurde dem Senat bekannt, dass der ehemalige Staatssekretär Michael Büge über eine Firmenkonstruktion an einer Gesellschaft beteiligt ist, die Flüchtlingsheime betreiben will. Herr Büge wurde nach Kenntnis des Artikels im Neu- en Deutschland am 18.12.2014 noch am gleichen Tag durch die Senatsverwaltung für Gesundheit und Soziales mit der Bitte um Stellungnahme angeschrieben. Aus dem seit dem 07.01.2015 der Senatsverwaltung für Gesundheit und Soziales vorliegenden Auszug aus dem Handels- register wurden die Angaben, die Herr Büge im Zeitungs- artikel der Berliner Zeitung am 19.12.2014 gegenüber der Berliner Zeitung gemacht hat, bestätigt. Danach fungiert Herr Büge neben weiteren Familienmitgliedern und ande- ren Personen als Minderheitsgesellschafter der Firma Viscura Beteiligungen UG, die wiederum Gesellschafter der SoWo-Berlin GmbH ist. Herr Büge selbst hat in seiner schriftlichen Antwort vom 30.12.2014, eingegangen am 02.01.2015, auf das Schreiben der Senatsverwaltung für Gesundheit und Sozi- ales vom 18.12.2014 erklärt, dass er weder Geschäftsfüh- rer noch Beschäftigter im Rahmen eines Dienstvertrages in der benannten oder sonstigen Gesellschaften außerhalb der Bürgerhilfe Kultur des Helfens gGmbH sei und dar- über hinaus auch nicht über einen Werkvertrag freiberuf- lich für die Viscura oder weitere Gesellschaften, die den Zweck der Beteiligung an Betreibergesellschaften oder das Betreiben von Flüchtlingsunterkünften in Berlin ver- folgen, tätig geworden ist. 3. Hat Herr Büge diese Tätigkeit gegenüber dem Senat angezeigt? Zu 3.: Nein. Nach § 41 Satz 1 Beamtenstatusgesetz (BeamtStG) haben Ruhestandsbeamte die Ausübung einer Erwerbstätigkeit oder sonstigen Beschäftigung außerhalb des öffentlichen Dienstes anzuzeigen, die mit der früheren dienstlichen Tätigkeit im Zusammenhang steht und durch die dienstlichen Interessen beeinträchtigt werden können. Nach Satz 2 ist die Erwerbstätigkeit oder sonstige Be- schäftigung zu untersagen, wenn zu besorgen ist, dass durch sie dienstliche Interessen beeinträchtigt werden. Die Untersagung einer Erwerbstätigkeit oder sonstigen Beschäftigung setzt voraus, dass ein Zusammenhang mit der früheren dienstlichen Tätigkeit des Ruhestandsbeam- ten in den letzten fünf Jahren vor Beendigung des Beam- tenverhältnisses, d.h. vor Beginn des Ruhestandes, besteht (§ 68 Abs.1 LBG). Nach den vorliegenden Erkenntnissen ist die hier vor- liegende Minderheitsbeteiligung eines Gesellschafters keine Erwerbstätigkeit oder sonstige Beschäftigung i.S. der beamtenrechtlichen Regelungen. Vielmehr handelt es sich hierbei um die Verwaltung bzw. Nutznießung des dem (ehemaligen) Beamten unterliegenden Vermögens, die weder genehmigungs- noch anzeigepflichtig ist. Nach den beamtenversorgungsrechtlichen Regelungen des § 53 Abs. 7 LBeamtVG gehören Einkünfte aus Kapi- talvermögen nicht zum auf die Versorgung anrechenbaren Einkommen. Etwas anderes gilt erst, wenn der Versor- gungsempfänger selbst im Betrieb mitarbeitet, d. h. ei- genverantwortliche und persönliche unabhängige Ent- scheidungen trifft, die für den Betrieb Vor- oder Nachteile haben, oder er kraft seiner Stellung im Betrieb Einfluss Abgeordnetenhaus Berlin – 17. Wahlperiode Drucksache 17 / 15 258 2 nimmt, auch wenn er das Geschäft durch andere betrei- ben lässt. Entsprechende Anhaltspunkte liegen hier jedoch nicht vor. 4. War Herr Büge während der Anbahnung des Ver- trags für den Betrieb der geplanten Flüchtlingsunterkunft in der Karl-Marx-Straße mit dem Senat bzw. den entspre- chenden Stellen der Senatsverwaltung für Gesundheit und Soziales in Kontakt? Zu 4.: Herr Büge hatte nach eigenen Angaben, die in- soweit vom Landesamt für Gesundheit und Soziales (LAGeSo) bestätigt wurden, im September 2013 zwei Ge- spräche im LAGeSo mit der für die Berliner Unterbrin- gungsleitstelle (BUL) zuständigen Abteilungsleiterin und dem zuständigen Gruppenleiter (Telefonat) geführt, die nicht im Zusammenhang mit der Anbahnung des Vertrags für den Betrieb der geplanten Flüchtlingsunterkunft in der Karl-Marx-Straße standen. 5. Hält der Senat es für angebracht im Sinne einer Willkommenskultur für Flüchtlinge, dass ein Mitglied einer Burschenschaft, die in der Vergangenheit u.a. durch antisemitische oder den Holocaust verharmlosende Äuße- rungen aufgefallen ist und aktuell auf ihrer Facebook- Seite mit PEGIDA sympathisiert, künftig an einer im Auftrag des Senats betriebenen Flüchtlingsunterkunft beteiligt sein soll? Zu 5.: Neu auf dem Markt agierende Anbieter von Gemeinschaftsunterkünften für Flüchtlinge können den Zuschlag nur dann erhalten, wenn sie ihre konzeptionellen Vorstellungen zum Betrieb einer Unterbringung, ihre Eignung und Zuverlässigkeit nachweisen können. Zudem ist in vergaberechtlicher Hinsicht zu beachten, dass An- bieter nur unter den in den einschlägigen Rechtsgrundla- gen genannten Voraussetzungen vom Wettbewerb ausge- schlossen werden können, etwa wenn ein Tatbestand nach § 6 Absatz 5 Buchst. a-e der Vergabe- und Vertragsord- nung für Leistungen Teil A VOL (A) vorliegt. 6. Wie schätzt der Senat mögliche Interessenkonflikte ein, wenn ein ehemaliger Staatssekretär in seinem dama- ligen Geschäftsbereich nun unternehmerisch aktiv ist und mit Geldern seiner ehemaligen Dienststelle möglicher- weise Profit erwirtschaftet? Zu 6.: Wie in der Antwort zu 3. ausgeführt, liegt nach den derzeitigen vorliegenden Erkenntnissen keine Er- werbstätigkeit oder sonstige Beschäftigung vor. Es ist ebenfalls nicht ersichtlich, dass sich nach vorliegendem Sachverhalt eine Beeinträchtigung dienstlicher Interessen im Sinne von § 41 Satz 2 des Beamtenstatusgesetzes (BeamtStG) nur aus der Amtsführung, d. h. aus der frühe- ren Tätigkeit, ergeben kann, sofern Herr Büge lediglich (Minderheits-) Gesellschafter an der Viscura UG ist, keinen maßgeblichen Einfluss nimmt und letztendlich auch die für Ruhestandsbeamte nachwirkende Dienst- pflicht zur Amtsverschwiegenheit nach § 37 Abs.1 Be- amtStG beachtet. 7. Prüft der Senat, ob durch diese Konstellation Inte- ressen des Landes Berlin beeinträchtigt werden? Zu 7.: Ja, auf die Antworten zu 2., 3. und 6. wird verwiesen. 8. Ist das Land Berlin bereits in irgendeiner Weise mit Herrn Büge bzw. Firmen, an denen er beteiligt ist, in Geschäftsbeziehungen eingetreten und wenn ja, welche sind das? Zu 8.: Herr Büge ist seit dem 01.02.2014 Geschäfts- führer der Bürgerhilfe Kultur des Helfens gGmbH. Mit dem Träger bestehen derzeit sechs Leistungs-Prüfungs- Vergütungsvereinbarungen nach §§ 75 ff Zwölftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB XII) für entgeltfinanzierte Ange- bote der Wohnungslosenhilfe sowie der Eingliederungs- hilfe. Im Übrigen wird auf die Antwort des Senats vom 12.03.2014 auf die Schriftliche Anfrage 17/13276 vom 20.02.2014 verwiesen. Berlin, den 26. Januar 2015 In Vertretung Dirk G e r s t l e _____________________________ Senatsverwaltung für Gesundheit und Soziales (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 29. Jan. 2015)