Drucksache 17 / 15 274 Schriftliche Anfrage 17. Wahlperiode Schriftliche Anfrage der Abgeordneten Stefanie Remlinger (GRÜNE) vom 13. Januar 2015 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 14. Januar 2015) und Antwort Schulanfangsphase in Berlin – aktueller Stand II Die Drucksachen des Abgeordnetenhauses sind bei der Kulturbuch-Verlag GmbH zu beziehen. Hausanschrift: Sprosserweg 3, 12351 Berlin-Buckow · Postanschrift: Postfach 47 04 49, 12313 Berlin, Telefon: 6 61 84 84; Telefax: 6 61 78 28. Im Namen des Senats von Berlin beantworte ich Ihre Schriftliche Anfrage wie folgt: 1. Wie gestaltet sich das jahrgangsübergreifende Ler- nen an Berliner Grundschulen im aktuellen Schuljahr? (sortiert nach Bezirk und Anzahl der JüL-Jahrgänge) 2. Wie gestaltet sich das jahrgangsbezogene Lernen an Berliner Grundschulen im aktuellen Schuljahr? (sor- tiert nach Bezirk und Anzahl der JüL-Jahrgänge) Zu 1. und 2.: Die Organisationsform der Klassen an öffentlichen Grundschulen und Integrierten Sekundar- schulen mit Grundstufe im Schuljahr 2014/15 ist der nachfolgenden Übersicht zu entnehmen: Bezirk Jahrgangsübergrei- fende Klassen (JÜL) Jahrgangsbezogene Klassen Mitte 107 49 Friedrichshain- Kreuzberg 69 62 Pankow 118 138 Charlottenburg- Wilmersdorf 84 39 Spandau 66 86 Steglitz- Zehlendorf 53 98 Tempelhof- Schöneberg 53 106 Neukölln 43 130 Treptow- Köpenick 54 97 Marzahn- Hellersdorf 103 97 Lichtenberg 68 109 Reinickendorf 46 107 Insgesamt 864 1118 Abgeordnetenhaus Berlin – 17. Wahlperiode Drucksache 17 / 15 274 2 3. Wie viele der Grundschulen, die JüL machen, bie- ten ein jahrgangsübergreifendes Lernen an, das über drei (bzw.: 1-3 oder 1-3 und 3-6) Schuljahre geht? Wie entwi- ckelte sich in den letzten drei Jahren die Anzahl der Grundschulen, die dreijähriges JüL anbieten? Zu 3.: Die Kombination der Jahrgangsstufen in jahr- gangsgemischten Klassen an öffentlichen Grundschulen und Integrierten Sekundarschulen mit Grundstufe ist der nachfolgenden Übersicht zu entnehmen: Schuljahr Jahrgangsstufen Jül-Schulen insg. Saph Saph und 3 3 bis 4 4 bis 5 4 bis 6 5 bis 6 2012/13 226 88 7 3 20 1 94 2013/14 169 88 4 2 23 1 243 2014/15 160 88 1 1 24 1 230 4. Wie bewertet der Senat den starken Rückgang des JüL-Angebotes im Schuljahr 13/14? Ist auch im aktuellen Schuljahr ein weiterer Rückgang zu beobachten? 5. Ist beim Rückgang der Schulen, die JÜL anbieten, ein Unterschied zwischen 2-jährigen und 3-jährigen JüL- Varianten erkennbar oder gehen die Formen in gleichem Maße zurück? Sofern ein Unterschied erkennbar ist: wel- che Schlussfolgerungen zieht der Senat hieraus? Zu 4. und 5: Schulen, die sich zum Schuljahr 2013/14 entschlossen hatten, von der zu diesem Schuljahr neu geschaffenen Möglichkeit Gebrauch zu machen, jahr- gangsbezogene Klassen der Schulanfangsphase (Saph) einzurichten, hatten JÜL im Allgemeinen noch nicht lange, nur an einzelnen Wochentagen oder nur in einzel- nen Fächern praktiziert. Zum Schuljahr 2014/15 hat sich der Anteil der Schulen, die die Saph jahrgangsgemischt organisieren, nur geringfügig verringert. Schulen, die JÜL in Erweiterung der Saph über 3 Jahrgangsstufen (JÜL 1- 3) oder auch in den nächsthöheren Jahrgangsstufen (JÜL 4-6) anbieten, arbeiten in der Regel auf Grundlage eines über mehrere Jahre im Kollegium erarbeiteten pädagogi- schen Konzepts, dessen Fortschreibung sie nicht in Frage stellen. Diese Schulen bewerten insbesondere die Jahr- gangsmischung als ein zentrales Element zielführender individueller Förderung. Da Schul- und Unterrichtsentwicklungsprozesse we- sentlich durch Kompetenzen und Haltungen der Lehrkräf- te und die Rahmenbedingungen im jeweiligen Sozialraum bestimmt sind, unterscheiden sich Schulen in ihren jewei- ligen Entwicklungsschritten - nicht nur in Bezug auf jahr- gangsbezogene oder jahrgangsübergreifende Konzepte. 6. Welche Maßnahmen plant der Senat um JüL zu stärken und an den Grundschulen auszubauen bzw. hält der Senat die aktuellen Entwicklungen für zufriedenstel- lend? Zu 6.:In der Grundschule kann der Unterricht auf Grundlage des pädagogischen Konzepts der Schule jahr- gangsbezogen oder jahrgangsübergreifend organisiert werden. Grundsätzlich ist zu bedenken, dass nicht die Organisationsform der Klassen per se die Qualität der Lernprozesse und Lernergebnisse erzielt, sondern die didaktisch-methodische Gestaltung der Lernangebote und Lernsituationen (Auswahl von Aufgabenstellungen, kom- petenzorientierte Förderung, kommunikativer Diskurs) und die pädagogische Begleitung jeder Schülerin und jedes Schülers durch die Lehrkräfte (vgl. Hattie-Studie). Wenngleich sich jahrgangsgemischte Klassen, so zei- gen Ergebnisse von Modellversuchen ebenso wie Erfah- rungen aus zahlreichen Berliner Schulen, gut für einen inklusiven Unterricht eignen, macht doch die Schulfor- schung auch darauf aufmerksam, dass JÜL ein Schul- und Unterrichtsentwicklungsvorhaben ist, das die gesamte Schule betrifft. Der Ausbau und die Qualität von JÜL müssen demzufolge von allen Beteiligten mitgetragen, gemeinsam verantwortet und vorangetrieben werden. Sofern Schulen Beratung und Begleitung bei ihren Quali- tätsentwicklungsvorhaben in Bezug auf JÜL wünschen, stehen diese bereits seit 2004 sowohl berlinweit als auch regional durch die regionalen Fortbildung zur Verfügung. 7. Wie wird die vom Senat veranlasste zusätzliche Ausstattung in Form von Lehrerwochenstunden, Erzie- herwochenstunden bzw. Projektmittel seitens der Schulen abgerufen? Welche Tendenzen lassen sich hier erkennen? Zu 7.: Die Grundschulen wählen für die zusätzliche Ausstattung für JÜL in der Saph in der Regel die Form der Lehrerstundenausstattung. 16 Grundschulen haben sich für die Ausstattung mit Projektmitteln und 19 Grund- schulen für die Erzieherwochenstunden entschieden. Wie auch in den vergangenen Jahren wählen die Schu- len weiterhin mehrheitlich die zusätzliche Ausstattung in Form von Lehrerwochenstunden. Eine Änderung ist nicht zu verzeichnen. Abgeordnetenhaus Berlin – 17. Wahlperiode Drucksache 17 / 15 274 3 8. Gilt diese zusätzliche Ausstattung für die Schulan- fangsphase an allen Grundschulen oder nur für Schulen, die JüL anbieten? Sind nach Auffassung des Senats weite- re Anreize notwendig, um JüL an den Grundschulen wie- der zu stärken? Zu 8.: Die personelle Ausstattung ist in den Verwal- tungsvorschriften „Zumessung von Lehrkräften an öffentlichen Berliner Schulen“ und den „Verwaltungsvorschriften für die Zumessung von Erzieher/innen und Sozialar- beiter/innen, Pädagogische Unterrichtshilfen und Betreu- er/innen (sonstiges pädagogisches Personal) an öffentli- chen allgemein bildenden Schulen und Internaten“ verbindlich festgeschrieben. Zur Unterstützung des JÜL in der Saph erhält jede jahrgangsgemischte Klasse zusätzlich pro Woche 4 Erzie- herstunden. Ergänzend dazu erhalten diese Klassen wahlweise 2 Lehrerwochenstunden, 3 Erzieherwochen- stunden oder Projektmittel in Höhe von 3.200 Euro. Diese zusätzlichen Ressourcen werden vom Senat seit dem Schuljahr 2008/09 unverändert zur Verfügung gestellt, um JÜL zu unterstützen. 9. Inwiefern und anhand welcher Kriterien wird die Leistungsentwicklung der Kinder, die an JüL-Schulen lernen, vom Senat mitverfolgt? 11. Welche Tendenzen bei der Leistungsentwicklung der SchülerInnen lassen sich aus Sicht des Senats seit Einführung der Schulanfangsphase sowie des jahrgangs- übergreifenden Unterrichts bisher erkennen bzw. nach- weisen? Zu 9. und 11.: Die Senatsverwaltung für Bildung, Ju- gend und Wissenschaft fördert bis Juli 2016 ein wissen- schaftliches Evaluationsprojekt der Freien Universität Berlin (Arbeitsbereich Prof. Dr. Martin Brunner) und des Instituts für Schulqualität der Länder Berlin und Bran- denburg (ISQ) zu diesem Thema. In diesem Projekt wird die Entwicklung von Kompetenzen in Lesen und Mathe- matik analysiert wie sie in den KMK-Bildungsstandards definiert sind. Hierzu wird die Leistungsentwicklung (a) auf Ebene der Schulen anhand der Ergebnisse der Schüle- rinnen und Schüler bei VERA-3 und (b) einer Stichprobe von Kindern in der vierten Jahrgangsstufe anhand der Daten des Ländervergleichs des Instituts zur Qualitäts- entwicklung im Bildungswesen (IQB-Ländervergleich) 2011 der Primarstufe untersucht. Die 2013 vorgelegten ersten Ergebnisse der BERLIN- Studie zur Bewertung der Schulstrukturreform und zum neuen Übergangsverfahren in die weiterführenden Schu- len (Prof. Dr. Jürgen Baumert, Max-Planck-Institut für Bildungsforschung, Berlin, Prof. Dr. Kai Maaz, Universi- tät Potsdam) belegen zwischen 2005 und 2011 - bei gleichbleibenden Gütemaßstäben und trotz jüngerer Schü- lerschaft, des starken Jahrgangs und des Verzichts auf Zurückstellungen ab dem Schuljahr 2005/06 - einen An- stieg der Empfehlungen für das Gymnasium um 8 Pro- zentpunkte von 37 % auf 45 %. 10. Sind dem Senat Schulen bekannt, die eigenständig die Leistungsentwicklung ihrer SchülerInnen seit Einfüh- rung von JüL mitverfolgen und dokumentieren? Zu 10.: Über Fragestellungen schulinterner Evalua- tionsvorhaben liegen dem Senat keine Erkenntnisse vor. Berlin, den 26. Januar 2015 In Vertretung Mark Rackles Senatsverwaltung für Bildung, Jugend und Wissenschaft (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 03. Feb. 2015)