Drucksache 17 / 15 338 Schriftliche Anfrage 17. Wahlperiode Schriftliche Anfrage des Abgeordneten Dr. Klaus Lederer (LINKE) vom 20. Januar 2015 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 21. Januar 2015) und Antwort „Null Toleranz“ bei Cannabis: Hohle Propagandashow von Innen- und Justizsenator? (III) Die Drucksachen des Abgeordnetenhauses sind bei der Kulturbuch-Verlag GmbH zu beziehen. Hausanschrift: Sprosserweg 3, 12351 Berlin-Buckow · Postanschrift: Postfach 47 04 49, 12313 Berlin, Telefon: 6 61 84 84; Telefax: 6 61 78 28. Im Namen des Senats von Berlin beantworte ich Ihre Schriftliche Anfrage wie folgt: 1. Welche Grundzüge kennzeichnen die ausweislich der öffentlichen Ankündigung des Innen- und des Justiz- senators geplante „Präventionskampagne zum Thema Drogen“ (so die Morgenpost, 15.01.2015) hinsichtlich der Zielgruppen, der zu nutzenden Medien, der Methodik und der beabsichtigten Kernaussagen? 2. Welche Rolle spielt der Konsum von THC- haltigen Stoffen insoweit und welche Aussagen will die Kampagne in Hinblick darauf vermitteln? Zu 1. und 2.: Ziel der Kampagne ist, die gesundheitli- chen und sozialen Risiken des Cannabiskonsums aufzu- zeigen. Über die Details der Kampagne wird im Rahmen der Ausschreibung entschieden. 3. In welchem Haushaltstitel sind die finanziellen Ressourcen in Höhe von 500.000 € für das Haushaltsjahr 2015 und seit wann ist die Kampagne geplant? Sind ins- besondere anderweitig nicht genutzte Mittel für die Kam- pagne vorgesehen (wenn ja, was findet anstelle dessen nicht statt?) oder war die Kampagne - angesichts der Tatsache, dass der Senat gern politische Vorgaben mehr- fach neu ankündigt – bereits bei Beschlussfassung über den Haushalt 2014/15 durch das Abgeordnetenhaus im entsprechenden Titel etatisiert? Zu 3.: Die finanziellen Mittel für die Kampagne wer- den für das Haushaltsjahr 2016 im Kapitel 1110 auf dem Titel 54010 angemeldet. Die Planung der Kampagne hat gerade begonnen. Im Doppelhaushalt 2014/2015 waren dafür keine Mittel vorgesehen. 4. Was hat den Senat in der Vergangenheit daran ge- hindert, sinnvolle Präventions- und Aufklärungspro- gramme zum verantwortungsvollen, gesundheitsbewuss- ten und sozialadäquaten Umgang mit legalen und illega- len Drogen aufzulegen? Zu 4.: Der Senat hat auch in der Vergangenheit sinn- volle Prävention und Aufklärung betrieben (siehe unter anderem www.berlin-suchtpraevention.de). 5. Was spricht aus Sicht des Senats gegen die Ein- schätzung des früheren Drogenfahnders und langjährigen Hamburger LKA-Beamten H. G., „dass die gegenwärtig praktizierte strafrechtliche Bekämpfung des Drogenprob- lems ineffizient ist und mehr schadet als nützt“, weshalb es eines Paradigmenwechsels in der Drogenpolitik bedür- fe? 6. Ist dem Senat die Resolution von 122 Straf- rechtsprofessor*innen vom November 2013 bekannt, die sich für eine Überprüfung des Betäubungsmittelrechts ausgesprochen haben, weil sie der Überzeugung sind, „die strafrechtliche Drogenprohibition [sei] gescheitert, sozial- schädlich und unökonomisch“? Wenn ja: Hält der Senat die Begründungsthesen dieser Resolution durchweg für so absurd, dass für ihn – anstelle einer Überprüfung der Rationalität der gegenwärtigen Drogenpolitik – eine Verschärfung der Repression der richtige Weg ist? 7. Hat der Senat sich mit dem Bericht der britischen Regierung 2005 zum Scheitern und den gesamtgesell- schaftlich schädlichen Auswirkungen des „war on drugs“ auseinandergesetzt? Wenn ja: Zu welchem Ergebnis ist er bei dieser Auseinandersetzung gelangt? Abgeordnetenhaus Berlin – 17. Wahlperiode Drucksache 17 / 15 338 2 8. Der US-Generalbundesanwalt hat erst am 16. Ja- nuar 2015 Vorschriften außer Kraft gesetzt, die im sog. Krieg gegen die Drogen (war on drugs) den Strafverfol- gungsbehörden weitreichende Befugnisse erteilten. Kennt der Senat diese Maßnahmen? Wenn ja, wie beurteilt er sie? Wenn nein, warum nicht? 9. Kennt der Senat die positiven Ergebnisse (u.a. Rückgang der Kleinkriminalität, Einsparung von Kosten der Verfolgung, Steuereinnahmen) der Cannabis- Legalisierung in US-Bundestaaten wie Colorado, Washington, Alaska und Oregon? Wenn ja, wie beurteilt er diese? Wenn nein, warum nicht? Zu 5. bis 9.: Dem Senat sind die lebhafte Diskussion um die Legalisierung von Drogen und die in diesem Zu- sammenhang verwendeten Argumente bekannt. Die Än- derung der Strafvorschriften im Bereich des Betäubungs- mittelrechts liegt in der Kompetenz des Bundesgesetzge- bers. So richtet sich die erwähnte Resolution deutscher Strafrechtsprofessorinnen und Strafrechtsprofessoren folgerichtig auch an die Abgeordneten des Deutschen Bundestages. Im Hinblick auf die bundesgesetzlich vorgegebene grundsätzliche Strafbarkeit des Umgangs mit Betäu- bungsmitteln besteht schon auf Grund des Legalitätsprin- zips keine Alternative zu einer konsequenten strafrechtli- chen Verfolgung im Rahmen der bestehenden Befugnisse. Zu den an den Gesetzgeber herangetragenen Argu- menten ist aus hiesiger Sicht anzumerken, dass die Lega- lisierung von Drogen nicht maßgeblich mit wirtschaftli- chen Auswirkungen (wie der Erhöhung von Steuerein- nahmen) begründet werden kann. Vielmehr bedarf es einer sorgfältigen Gewichtung insbesondere gesundheits- politischer Belange. Dabei wird zu berücksichtigen sein, dass bei einer Legalisierung von Drogen, auch bei Canna- bis, mit einer Steigerung der Zahl der sich gesundheitli- chen Risiken aussetzenden Konsumentinnen und Konsu- menten zu rechnen ist. Letztlich wird sich der Gesetzge- ber fragen müssen, wie viele legale Drogen sich eine Gesellschaft leisten kann. 10. Welche Erkenntnisse liegen dem Senat vor, die ihn zu der Behauptung kommen lassen, Cannabis sei eine Einstiegsdroge? Falls es solche Studien gibt, diese bitte einzeln aufführen. Zu 10.: Zwar greift nicht jeder, der Haschisch oder Marihuana konsumiert, automatisch auch zu sogenannten harten Drogen. Dennoch haben viele derjenigen, die Am- phetamin, Kokain oder Heroin einnehmen, früher auch Cannabis konsumiert. Eine regelmäßige Einnahme von Cannabis kann bei Konsumentinnen und Konsumenten einen Gewöhnungseffekt nach sich ziehen. Um einen ähnlich berauschenden Effekt herbeizuführen, greifen Konsumentinnen und Konsumenten in der Folge oft zu sogenannten harten Drogen. 11. Kennt der Senat die Studie aus Kanada, die im Ge- genteil die These vertritt, Cannabis sei eine Ausstiegsdro- ge, um Drogen mit hohem Suchtpotential wie Alkohol u.a. zu substituieren? (Lucas, Philippe, Amanda Reiman, Mitch Earleywine, Stephanie K. McGowan, Megan Ole- son, Michael P. Coward, and Brian Thomas. "Cannabis as a Substitute for Alcohol and Other Drugs: A Dispensary- Based Survey of Substitution Effect in Canadian Medical Cannabis Patients." Addiction Research & Theory 21, no. 5 (2013): 435-42.) Wenn ja, wie beurteilt der Senat diese Studie? Wenn nein, warum nicht? Zu 11.: Nein, die Studie ist dem Senat bisher nicht be- kannt. Die Personalressourcen erlauben keine kontinuier- liche weltweite Recherche aller Forschungsarbeiten. 12. Ist der Senat weiterhin fest entschlossen, den in der Koalitionsvereinbarung verankerten Ansätzen zur Einfüh- rung eines Drugcheckings keine Chance zu geben und auch die unbedenklich durchführbare Aufbereitung von LKA-Analysen zum Wirkstoffgehalt von Drogen für die Präventionsarbeit keinerlei Raum zu geben? Wenn ja, warum? Zu 12.: Das sogenannte Drugchecking war bereits mehrfach Thema im Abgeordnetenhaus. Von der Durch- führung eines Projektes zum Drugchecking wurde bisher Abstand genommen, vor allem weil die gegenwärtige Rechtslage strafrechtliche Aspekte aufwirft, die umstritten sind. Auch gibt es Bedenken, ob aus den forensisch- toxikologischen Untersuchungen grundsätzliche Rück- schlüsse zum Beispiel auf die Verbreitung oder den Rein- heitsgehalt von einzelnen Betäubungsmitteln gezogen werden können, die illegal auf dem Berliner Markt ge- handelt oder konsumiert werden. Unabhängig davon werden sowohl Warnungen des Robert-Koch-Instituts als auch jährliche Berichte des Landeskriminalamtes zum Wirkstoffgehalt von Drogen an die entsprechenden Bedarfsträger weitergegeben. 13. Welche Ansätze der Drogenpolitik verfolgt der Senat jenseits symbolisch-aktionistischer „Härte“- Demonstrationen und der unter Frage 1. bezeichneten Präventionskampagne? Zu 13.: Dem Senat geht es darum, die Drogenkrimina- lität und die von ihr ausgehende Fremdgefährdung insbe- sondere an bestimmten, besonders belasteten Orten effek- tiv und nachhaltig zurückzudrängen. Darüber hinaus lie- gen die Schwerpunkte zum einen in der Suchtprävention und zum anderen in einer guten Versorgung der Bevölke- rung mit Angeboten der Suchthilfe. Berlin, den 05. Februar 2015 In Vertretung Bernd Krömer Senatsverwaltung für Inneres und Sport (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 09. Feb. 2015)