Drucksache 17 / 15 373 Schriftliche Anfrage 17. Wahlperiode Schriftliche Anfrage des Abgeordneten Oliver Höfinghoff (PIRATEN) vom 22. Januar 2015 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 26. Januar 2015) und Antwort Hat Henkel den Berliner Verfassungsschutz noch unter Kontrolle? Die Drucksachen des Abgeordnetenhauses sind bei der Kulturbuch-Verlag GmbH zu beziehen. Hausanschrift: Sprosserweg 3, 12351 Berlin-Buckow · Postanschrift: Postfach 47 04 49, 12313 Berlin, Telefon: 6 61 84 84; Telefax: 6 61 78 28. Im Namen des Senats von Berlin beantworte ich Ihre Schriftliche Anfrage wie folgt: Vorbemerkung: Nach seinem gesetzlichen Auftrag sammelt der Verfassungsschutz Informationen über die in § 5 Absatz 2 Verfassungsschutzgesetz Berlin (VSG Bln) genannten Bestrebungen und Tätigkeiten und wertet diese aus. Dazu darf der Verfassungsschutz in begründeten Fällen die in § 8 Abs. 2 Nr. 1 bis 11 VSG Bln genannten nachrichtendienstlichen Mittel unter Beachtung des Ver- hältnismäßigkeitsgrundsatzes und bei Vorliegen der sons- tigen gesetzlichen Voraussetzungen nach § 8 Absatz 2 bis 6 VSG Bln einsetzen. Bei den in der Antwort zu Frage 2 der Schriftlichen Anfrage Drs. 17/15056 genannten Per- sonenzusammenschlüssen handelt es sich nicht um solche der „Zivilgesellschaft“, sondern um Beobachtungsobjekte der Verfassungsschutzbehörde und Teile von diesen, einschließlich Untereinheiten, Untergliederungen und weiterer Teilstrukturen von Gruppen sowie Netzwerke und sonstige Gruppierungen ohne feste Organisations- struktur, bei denen gemäß § 7 Absatz 1 VSG Bln tatsäch- liche Anhaltspunkte für den Verdacht der in § 5 Absatz 2 VSG Bln genannten Bestrebungen und Tätigkeiten vor- liegen. Soweit diese Voraussetzungen vorliegen, hat der Verfassungsschutz im Übrigen seine Tätigkeit auszuüben. Die Personen-zusammenschlüsse verteilen sich auf alle Phänomenbereiche. Eine Einteilung nach „Gefährdungstypen “ - wie der Fragesteller formuliert - erfolgt nicht. Gleiches gilt für sogenannte „Gefährdungseinschätzungen “ - wie der Fragesteller formuliert. 1. Wie rechtfertigt und begründet der Senat die in der beantworteten Schriftlichen Anfrage Drs. 17/15056 mit- geteilte Zahl von aktuell 700 Personenzusammenschlüs- sen der Zivilgesellschaft in Berlin, die vom Berliner Ver- fassungsschutz überwacht werden? 2. Wie viele dieser 700 Personenzusammenschlüsse werden jeweils welchen Gefährdungstypen zugeordnet und wie hat sich die Gefährdungseinschätzung jeweils seit 2011 verändert? 3. Mit welchen nachrichtendienstlichen Mitteln wer- den die genannten 700 Personenzusammenschlüsse je- weils überwacht und inwiefern sind die personellen und technischen Ressourcen des Berliner Verfassungsschutzes ausreichend, um eine Überwachung überhaupt vornehmen zu können? 4. Ist die Überwachung von 700 zivilgesellschaftli- chen Personenzusammenschlüssen nach dem Bespitze- lungsskandal zum Berliner Sozialforum (2002-2008) vor dem Hintergrund angemessen, dass die Überwachung des Berliner Sozialforums zu einer peinlichen Blamage des Berliner Verfassungsschutzes und des damaligen Innen- senators Ehrhart Körting geführt hat? Zu 1. bis 4.: Siehe Vorbemerkung. 5. Sieht sich Innensenator Frank Henkel an das von seinem Vorgänger gegebene Versprechen gebunden, in engen zeitlichen Abständen die Liste der vom Berliner Verfassungsschutz überwachten Personenzusammen- schlüsse auf ihre Rechtfertigung und Angemessenheit zu überprüfen? a) Wenn ja, wann wurde was überprüft? b) Wenn nein, warum nicht? Zu 5.: Die Sammlung von Informationen über Be- obachtungsobjekte des Berliner Verfassungsschutzes und der Einsatz nachrichtendienstlicher Mittel, sofern die gesetzlichen Voraussetzungen des § 8 Absatz 2 bis 6 VSG Bln vorliegen, werden regelmäßig intern überprüft. Dazu gehören die Prüfung der Speicherung und Löschung der durch den Einsatz nachrichtendienstlicher Mittel erhobe- nen personenbezogenen Daten nach § 8 Absatz 6 VSG Bln in Verbindung mit § 4 Absatz 1 des Artikel 10- Gesetzes sowie die jährliche Überprüfung der Relevanz des Beobachtungsobjekts, der tatsächlichen Anhaltspunk- te für Bestrebungen oder Tätigkeiten nach § 5 Absatz 2 VSG Bln, der Auswertungsziele und des weiteren Einsat- zes nachrichtendienstlicher Mittel. Die daraus resultieren- den Beobachtungsobjekte werden dem Senator für Inneres und Sport jährlich zur Billigung vorgelegt. Abgeordnetenhaus Berlin – 17. Wahlperiode Drucksache 17 / 15 373 2 6. Wie und in welchem Umfang ist der Innensenator bereit, den Mitgliedern des Innenausschusses/ Verfas- sungsschutzausschusses Einsicht in die Überwachungs- praxis bzgl. der genannten 700 Personenzusammenschlüs- se zu ermöglichen, um die Rechtmäßigkeit und Angemes- senheit dieser großflächigen und rechtlich fragwürdigen Überwachung parlamentarisch kontrollieren zu können? Zu 6.: Die parlamentarische Kontrolle in Angelegen- heiten des Verfassungsschutzes obliegt gemäß Artikel 46a und 45 Absatz 2 Satz 4 der Verfassung von Berlin, § 33 VSG Bln dem Ausschuss für Verfassungsschutz des Ab- geordnetenhauses von Berlin. Die Art und Weise sowie der Umfang dieser Kontrolle richtet sich nach den §§ 34 und 35 VSG Bln. 7. Trifft es zu, dass innerhalb des Berliner Verfas- sungsschutzes die publizierte Zahl von 700 überwachten Personenzusammenschlüssen als „nicht haltbar“ bezeichnet wird/wurde, da der Berliner Verfassungsschutz perso- nell und technisch dazu gar nicht in der Lage sei? 8. Sind dem Innensenator oder Mitarbeiter*innen der Senatsverwaltung für Inneres Hinweise zu dem in Frage 7. genannten Sachverhalt in mündlicher oder schriftlicher Form zugegangen? Wenn ja, wie wurde damit verfahren? Zu 7. und 8.: Dem Senat liegen zu dieser Behauptung keine Erkenntnisse vor. 9. Inwiefern kann der Senat seine in der Drs. 17/14810 gegebene Information, das Berliner Sozialforum sei nicht gezielt überwacht worden, vor dem Hintergrund aufrechterhalten, dass nach der Aufdeckung der Überwa- chung durch die Medien mehrere Mitarbeiter des Verfas- sungsschutzes enttarnt werden konnten und die Aktenein- sicht eines von der Überwachung Betroffenen ergab, dass mindestens drei Mitarbeiter des Verfassungsschutzes das Berliner Sozialforum systematisch ausgeforscht haben? 10. Welche Erkenntnisse liegen dem Senat aus der im Zuge der Überwachung des Sozialforums ebenfalls er- folgten Bespitzelung der „Initiative Berliner Bankenskandal “ vor und war der Einsatz von V-Personen zur Überwachung dieser Initiative angemessen? Wenn ja, mit welcher Begründung? Zu 9. und 10: Der Senat hat seiner Antwort auf die Schriftliche Anfrage vom 24. Oktober 2014 (Drucksache 17/14810) nichts hinzuzufügen. Berlin, den 02. Februar 2015 In Vertretung Bernd Krömer Senatsverwaltung für Inneres und Sport (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 09. Feb. 2015)