Drucksache 17 / 15 405 Schriftliche Anfrage 17. Wahlperiode Schriftliche Anfrage der Abgeordneten Ülker Radziwill (SPD) vom 28. Januar 2015 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 29. Januar 2015) und Antwort Wohnsituation von Leistungsbeziehern nach SGB II und SGB XII Nachfrage zur Schriftlichen Anfrage Drucksache 17/14652 Die Drucksachen des Abgeordnetenhauses sind bei der Kulturbuch-Verlag GmbH zu beziehen. Hausanschrift: Sprosserweg 3, 12351 Berlin-Buckow · Postanschrift: Postfach 47 04 49, 12313 Berlin, Telefon: 6 61 84 84; Telefax: 6 61 78 28. Im Namen des Senats von Berlin beantworte ich Ihre Schriftliche Anfrage wie folgt: Für die Beantwortung der Fragen war ein Textbeitrag der Senatsverwaltung für Justiz (Frage 1) erforderlich. 1. Wie viele Wohnungsräumungen, differenziert nach dem „Berliner Modell“ und sonstige Räumungen, wurden in 2014 durchgeführt? Zu 1.: Ausweislich der Statistik über die Geschäftstä- tigkeit der Gerichtsvollzieherinnen und Gerichtsvollzieher sind in der Zeit vom 01. Januar 2014 bis 30. September 2014 (die Daten für das vierte Quartal 2014 liegen noch nicht vor) in Berlin 2.609 Wohnungsräumungen nach dem „Berliner Modell“ und 2.590 sonstige Räumungen durchgeführt worden. Über die Anzahl der Räumungsmittei- lungen der Gerichtsvollzieherinnen und Gerichts- vollzieher an die zuständigen Ordnungsbehörden und Sozialleistungsträger liegen keine statistischen Daten vor. 2. Wie viele Personen waren zum Stichtag 31.12.2010, 31.12.2011, 31.12.2012 und 31.12.2013 in vertragsgebundenen Einrichtungen ordnungsrechtlich untergebracht? 3. Wie viele Personen waren zum Stichtag 31.12.2014 in vertragsfeien und in vertragsgebundenen Einrichtungen untergebracht? Zu 2. und 3.: Daten über die ordnungsrechtliche Un- terbringung in vertragsgebundenen Einrichtungen werden nach § 3 der „Regelung anonymisierter Datenmitteilung über bezirklich untergebrachte wohnungslose Perso- nen/Haushalte gemäß Allgemeinem Zuständigkeitsgesetz (AZG) bzw. nach dem Allgemeinen Sicherheits- und Ordnungs-gesetz (ASOG Bln)“ jährlich zum Stichtag 31.12. aggregiert. Zum Stichtag 31.12.2010 waren 4.194 Personen in nichtvertragsgebundenen Ein-richtungen, die in der Berliner Unterbringungsleitstelle (BUL) gelistet sind und 442 Personen in kommunalen Einrichtungen bzw. in Einrichtungen mit bilateral (Bezirksamt und Ein- richtungsbetreiber) vereinbarten Belegungsrechten, in Pensionen, Hostels etc. untergebracht. Zum Stichtag 31.12.2011 waren 4.765 Personen in nichtvertragsgebun- denen Einrichtungen, die in der BUL gelistet sind und 505 Personen in kommunalen Ein-richtungen bzw. in Einrich- tungen mit bilateral (Bezirksamt und Einrichtungsbetrei- ber) vereinbarten Belegungsrechten, in Pensionen, Hos- tels etc. untergebracht. Zum Stichtag 31.12.2012 waren 5.881 Personen in nichtvertragsgebundenen Ein-richtungen, die in der BUL gelistet sind und 413 Personen in kommunalen Ein- richtungen bzw. in Einrichtungen mit bilateral (Bezirk- samt und Einrichtungsbetreiber) vereinbarten Belegungs- rechten, in Pensionen, Hostels etc. untergebracht. Die Daten des Jahres 2013 werden noch validiert. Die Daten des Jahres 2014 werden der für Soziales zuständigen Senatsverwaltung von jedem Bezirk zum 15.02.2015 übermittelt. Danach folgt die Validierung der Daten zu diesem Stichtag. 4. Wie beurteilt der Senat die Aussage unter Punkt 4. das die Leistungstypen BEW und BGW ausschließlich der Wohnungserlangung dienen, wenn die genannten Hilfen zur Überwindung besonderer sozialer Schwierig- keiten in Verbindung mit besonderen Lebensverhältnissen vorgesehen sind und die dazugehörigen Leistungstypbe- schreibungen weitreichendere Hilfsangebote ausführlich beschreiben? Zu 4.: Die Leistungsbeschreibungen für die Leistungs- typen Wohnungserhalt und Wohnungserlangung (WuW) und Betreutes Einzelwohnen (BEW) für den Personen- kreis nach § 67 SGB XII – Beschluss Nr. 06/2013 der Kommission 75 vom 22.10.2013 – sind Anlagen zu Tz. 3.3/ 3.7 des Berliner Rahmenvertrages gemäß § 79 Abs. 1 SGB XII für Hilfen in Einrichtungen einschließlich Diensten im Bereich Soziales – BRV in der Fassung vom 01. Januar 2015. Diese beinhalten unter 4. Festlegungen zu den Leistungen, zum Umfang der Leistung und Ver- fahrensregelungen. Abgeordnetenhaus Berlin – 17. Wahlperiode Drucksache 17 / 15 405 2 Als 1. Beratungsleistung ist unter Tz 4. der Leistungs- beschreibung „Beratung zum Erhalt und/ oder zur Erlangung eigenen Wohnraumes“ aufgeführt. Der Leistungskatalog umfasst selbstverständlich in der Intensität abgestuft das gesamte Leistungsspektrum zur Überwindung beson- derer Lebenslagen, die mit sozialen Schwierigkeiten ver- bunden sind. Es werden – sofern erforderlich – auch Leistungen zum Wohnungserhalt. Ausgenommen sind Leis- tungen, die ausschließlich stationär erbracht werden (kön- nen). Die Aussage, dass die Leistungen der Leistungsty- pen BEW und Betreutes Gruppenwohnen (BGW) „...ausschließlich der Wohnungserlangung dienen...“, trifft insofern nicht zu. 5. Wie beurteilt der Senat den hohen Anteil an Ableh- nungen der Mietschuldenübernahme in den Jahren 2010, 211, 2012 und 2013? Wie erklärt sich das sehr unter- schiedliche Verhältnis von Anträgen und Ablehnungen in den Bezirken (z.B. Neukölln: 1687 Anträge/130 Über- nahmen; Charlottenburg-Wilmersdorf 316 Anträge/283 Übernahmen)? 6. In wie vielen Fällen kam es zum Wohnungsverlust? Wo wurden die Betroffenen untergebracht deren Antrag auf Mietschuldenübernahme gem. § 22 Abs. 8 SGB II abgelehnt wurde und die in Folge dessen wohnungslos wurden? 7. In welche Richtung gehen die Anstrengungen der Senatsverwaltung für Soziales die hohe Anzahl von abge- lehnten Mietschuldenübernahmen gem. § 22 SGB II zu reduzieren. Welche Hilfsangebote werden den betreffen- den Haushalten angeboten, um den drohenden Woh- nungsverlust abzuwenden? Zu 5., 6. und 7.: Die Verantwortung für die rechtmä- ßige und zweckmäßige Leistungserbringung des Kommu- nalen Trägers obliegt den Bezirksämtern von Berlin (§ 44 b Absatz 3 SGB II in Verbindung mit § 3 Absatz 1 AG-SGB II). Zur Ausgestaltung dieser Verantwortung ist vor jeder beabsichtigten Ablehnung eines Antrages auf Übernahme von Mietschulden durch ein Jobcenter die Zustimmung des Bezirksamtes einzuholen (Ziffer 10.2 Absatz 3 AV-Wohnen). Der Senat hat keine Anhaltspunk- te, dass die Bezirke ihrer Verpflichtung, die Rechtmäßig- keit der Entscheidungen im Einzelfall zu überprüfen, nicht nachkommen. Die Prävention – hier die Vermeidung von Wohnraumverlust - hat stets hohe Priorität. Der Senat hat deswegen mit den Regelungen der Ausfüh- rungsvorschriften zur Gewährung von Leistungen gemäß § 22 SGB II und §§ 35 und 36 SGB XII (AV-Wohnen) den Handlungsrahmen des § 22 Absatz 8 SGB II entspre- chend ausgefüllt. Präventivmaßnahmen wie beispielswei- se die Direktüberweisung von Mieten sind darin ebenso verankert wie eine Beratung durch die Sozialen Dienste der Bezirksämter. Auch eine Mietschuldenübernahme einer bisher unangemessenen Miete ist möglich, wenn die Vermieterin oder der Vermieter eine Ersatzwohnung mit angemessener Miete zur Verfügung stellt. Die Zahl der Menschen, die Mietschuldenübernahmen in Anspruch genommen haben, wird nicht erfasst, es wird lediglich die Anzahl der Übernahmen (Fälle) erfasst. Die Anzahl der Schuldenübernahmen gemäß § 22 Abs. 8 SGB II nach Bezirken ist im Folgenden dargestellt: Bezirk 2013 2014 Mitte 460 433 Friedrichshain-Kreuzberg 277 174 * Pankow 380 376 Charlottenburg-Wilmersdorf 212 259 * Spandau 370 354 Steglitz-Zehlendorf 89 90 Tempelhof-Schöneberg 331 264 * Neukölln 219 297 Treptow-Köpenick 1.277 724 Marzahn-Hellersdorf 427 345 * Lichtenberg 852 980 Reinickendorf 220 185 Gesamt 5.114 4.481 *Daten dieser Bezirke liegen für 2014 zurzeit nur bis November 2014 vor. Weiterhin liegen Daten aus der Statistik der Berliner Schuldner- und Insolvenzberatungsstellen - InsO-Stat vor. Danach haben ungefähr ein Drittel aller Schuldnerinnen und Schuldner in laufender Beratung Miet- und/ oder Energieschulden. Die Daten zeigen lediglich einen Aus- schnitt der Berliner Bevölkerung, denn sie doku- mentieren nur aktenkundige Fälle in laufender Beratung bei den Schuldner- und Insolvenzberatungsstellen. Miet- und sonstige Wohnschulden ohne Energieschulden - Jahr 2. Halbjahr 2011 2. Halbjahr 2012 2. Halbjahr 2013 Betrag in EUR 15.865.650 15.768.488 14.638.717 Anzahl der Klientin- nen und Klienten 3.607 3.501 3.311 Berlin, den 13. Februar 2015 In Vertretung Dirk G e r s t l e ___________________________ Senatsverwaltung für Gesundheit und Soziales (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 18. Feb. 2015)