Drucksache 17 / 15 429 Schriftliche Anfrage 17. Wahlperiode Schriftliche Anfrage der Abgeordneten Clara Herrmann (GRÜNE) vom 29. Januar 2015 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 30. Januar 2015) und Antwort Rechtsextremismus in Marzahn-Hellersdorf Die Drucksachen des Abgeordnetenhauses sind bei der Kulturbuch-Verlag GmbH zu beziehen. Hausanschrift: Sprosserweg 3, 12351 Berlin-Buckow · Postanschrift: Postfach 47 04 49, 12313 Berlin, Telefon: 6 61 84 84; Telefax: 6 61 78 28. Im Namen des Senats von Berlin beantworte ich Ihre Schriftliche Anfrage wie folgt: 1. Wie viele Delikte der PMK-rechts gab es in den Jahren 2013, 2014 und 2015 (aktueller Stand zum Bear- beitungszeitpunkt) in Marzahn-Hellersdorf? (Bitte tabella- risch nach Jahren, Delikten und Ermittlungsstand auf- schlüsseln.) Zu 1.: Grundlage für die Beantwortung der Anfrage bildet der „Kriminalpolizeiliche Meldedienst in Fällen Politisch motivierter Kriminalität“ (KPMD-PMK). Dabei handelt es sich entgegen der „Polizeilichen Kriminalstatistik “ (PKS) um eine Eingangsstatistik. Die Fallzählung erfolgt tatzeitbezogen, unabhängig davon, wann das Er- mittlungsverfahren an die Staatsanwaltschaft abgegeben wurde. Die folgenden statistischen Angaben stellen keine Einzelstraftaten der Politisch motivierten Kriminalität (PMK) dar. Bei der Darstellung handelt es sich um Fall- zahlen. Ein Fall bezeichnet jeweils einen Lebenssachver- halt in einem engen räumlichen und zeitlichen Zusam- menhang mit identischer oder ähnlicher Motivlage, unab- hängig von der Zahl der Tatverdächtigen und Tathand- lungen, der Anzahl der verletzten Rechtsnormen oder der eingeleiteten Ermittlungsverfahren. Die Fallzahlen der PMK unterliegen bis zum Ab- schluss der Ermittlungen – ggf. bis zum endgültigen Gerichtsurteil – einer Bewertung gemäß der angenommenen Tätermotivation. Darüber hinaus können Fälle der PMK erst nach dem Statistikschluss bekannt und entsprechend gezählt werden. Deshalb kommt es sowohl unter- als auch überjährig immer wieder zu Fallzahlenänderungen. Um die Fallzahlen übersichtlich und in Teilbereichen vergleichbar darzustellen, erfolgt die Unterteilung in die Deliktsarten Gewaltdelikte, Propagandadelikte und sons- tige Delikte. Gewaltdelikte sind Tötungsdelikte, Körper- verletzungen, Brand- und Sprengstoffdelikte, Landfrie- densbruch, Gefährliche Eingriffe in den Schiffs-, Luft-, Bahn- und Straßenverkehr, Freiheitsberaubung, Raub, Erpressung, Widerstandsdelikte und Sexualdelikte ein- schließlich Versuche. Propagandadelikte sind das Ver- breiten von Propagandamitteln und das Verwenden von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen. Die sonstigen Delikte beinhalten alle weiteren Strafrechts- normen des Strafgesetzbuches sowie der Strafrechts- nebengesetze. Um das Motiv eines Falles auswertbar darzustellen, werden diesem bundeseinheitlich verbindliche Themen- felder bzw. Unterthemen zugeordnet. So ist z. B. „fremdenfeindlich “ ein Unterthema des Themenfeldes „Hasskriminalität “. Um das Motiv detailliert darzustellen, können einem Fall mehrere Themenfelder bzw. Unterthemen zugeordnet werden. So kann ein Fall bspw. sowohl fremdenfeindlich als auch antisemitisch sein. Aus diesem Grund wird ein Fall bei der Auswertung der Themenfelder bzw. Un- terthemen so oft gezählt, wie ihm Themenfelder bzw. Unterthemen zugeordnet wurden. Insofern führt die Summierung der Fallzahlen in den einzelnen Unterthemen grundsätzlich nicht zum tatsächlichen Fallzahlenaufkom- men. Die statistische Erfassung für das Jahr 2014 ist trotz des Statistikschlusses am 31. Januar 2015 noch nicht in Gänze abgeschlossen, so dass es sich um vorläufige Fall- zahlen handelt. Aufgrund der vorrangigen Erfassung von Vorgängen aus dem Jahr 2014 konnten für das Jahr 2015 kaum Vorgänge statistisch erfasst werden, so dass derzeit keine validen Fallzahlen vorliegen. Abgeordnetenhaus Berlin – 17. Wahlperiode Drucksache 17 / 15 429 2 Im Bezirk Marzahn-Hellersdorf waren im Jahr 2013 165 Fälle der PMK - rechts zu verzeichnen. Im Jahr 2014 waren es 167 Fälle und im Jahr 2015 sind es mit Stand 3. Februar 2015 sieben Fälle. Diese verteilen sich auf die einzelnen Delikte wie folgt: Jahr Zähldelikt Anzahl 2013 Verstoß gegen das Waffengesetz (WaffG) 1 2013 § 111 Strafgesetzbuch (StGB)- Öffentliche Aufforderung zu Straftaten 7 2013 § 130 StGB - Volksverhetzung 9 2013 § 140 StGB - Belohnung und Billigung von Strfataten 4 2013 § 185 StGB - Beleidigung 20 2013 § 187 StGB - Verleumdung 1 2013 § 201 StGB – Verletzung der Vertraulichkeit des Wortes 1 2013 § 223 StGB - Körperverletzung 9 2013 § 224 StGB – Gefährliche Körperverletzung 10 2013 § 240 StGB - Nötigung 3 2013 § 241 StGB - Bedrohung 1 2013 § 26 Versammlungsgesetz (VersG) – Durchführung bzw. Fortsetzung einer verbotenen Versammlung 2 2013 § 303 StGB - Sachbeschädigung 21 2013 § 303a StGB - Datenveränderung 1 2013 § 304 StGB – Gemeinschädliche Sachbeschädigung 4 2013 § 306a StGB – Schwere Brandstiftung 1 2013 § 308 StGB – Herbeiführen einer Sprengstoffexplosion 1 2013 § 86a StGB – Verwenden von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen 69 2014 Verstoß gegen das Kunsturhebergesetz 1 2014 § 111 StGB 4 2014 § 123 StGB - Hausfriedensbruch 2 2014 § 125 StGB - Landfriedensbruch 1 2014 § 125a StGB – Schwerer Landfriedensbruch 2 2014 § 130 StGB 6 2014 § 185 StGB 15 2014 § 187 StGB 3 2014 § 201 StGB 1 2014 § 203 StGB – Verletzung von Privatgeheimnissen 1 2014 § 223 StGB 4 2014 § 224 StGB 3 2014 § 240 StGB 1 2014 § 241 StGB 3 2014 § 242 StGB - Diebstahl 2 2014 § 26 VersG 4 2014 § 267 StGB - Urkundenfälschung 1 2014 § 27 VersG – Mitführen von Waffen bei Versammlungen 25 2014 § 303 StGB 14 2014 § 306 StGB - Brandstiftung 1 2014 § 308 StGB 2 2014 § 86a StGB 71 2015 § 130 StGB 1 2015 § 27 VersG 1 2015 § 303 StGB 1 2015 § 304 StGB 1 2015 § 86a StGB 3 Abgeordnetenhaus Berlin – 17. Wahlperiode Drucksache 17 / 15 429 3 Mit dem bei der Staatsanwaltschaft Berlin genutzten Aktenverwaltungssystem (Mehrländer-Staatsanwalt- schafts-Automation - MESTA) ist eine statistische Aus- wertung von bestimmten Deliktsfeldern für einzelne Stadtbezirke nicht möglich. Daher können zur Frage des Verfahrensstandes keine Angaben gemacht werden. 2. Wie viele Personen, die der rechtsextremen Szene in Marzahn-Hellersdorf zugerechnet werden können, haben ihren Wohnsitz in Marzahn-Hellersdorf? Zu 2.: In Marzahn-Hellersdorf sind dem Senat Ange- hörige der rechtsextremen Szene in einer Anzahl im hohen zweistelligen Bereich bekannt. Darüber hinaus nimmt eine konkret nicht bezifferbare, aber niedrige Zahl von Angehörigen der rechtsextremen Szene aus anderen Bezirken an rechtsextremistischen Aktivitäten in Mar- zahn-Hellersdorf teil. 3. Welche rechten/rechtsextremen Organisationen (Kameradschaften eingeschlossen) sind in Marzahn-Hel- lersdorf aktiv? Wie sehen diese Aktivitäten aus? Zu 3.: An den rechtsextremistisch dominierten Pro- testen gegen die Unterbringung von Flüchtlingen haben sich organisations- bzw. gruppenübergreifend Akteurin- nen und Akteure des gesamten Spektrums des aktions- und parlamentsorientierten Rechtsextremismus beteiligt. Initiiert wurden die Proteste von der „Bürgerinitiative Marzahn-Hellersdorf“, die heute unter den Namen „Bürgerbewegung Hellersdorf“ und „Bürgerbewegung Marzahn “ auftritt. Darüber hinaus sind die Nationaldemokratische Partei Deutschlands (NPD) mit Demonstrationen und einem Kreisverband sowie die Partei „Bürgerbewegung Pro Deutschland“ ebenfalls mit Kundgebungen aktiv. Zudem sind (zum Teil nur vereinzelt) Anhängerin- nen und Anhänger des „Netzwerks Freie Kräfte“ und der Partei „Die Rechte“ in Marzahn-Hellersdorf vertreten. 4. Gibt es Verbindungen der rechtsextremen Szene in Marzahn-Hellersdorf zur rechtsextremen Szene in Bran- denburg? Wenn ja, wie sehen diese Verbindungen aus? Zu 4.: Obwohl zwischen Berliner und Brandenburger rechtsextremistischen Personen Verbindungen bestehen, sind ständige, intensive und gezielte Kontakte zwischen Personen aus der Marzahn-Hellersdorfer und Branden- burger Rechtsextremistenszene nicht bekannt. 5. Welche Maßnahmen und Verfahren wurden bisher gegen die Facebook-Gruppen „Bürgerbewegung Marzahn “ und „Bürgerbewegung Hellersdorf“ eingeleitet? Wie ist der Stand der Ermittlungen? Zu 5.: Eine Betrachtung derartiger Initiati- ven/Bewegungen in „Sozialen Netzwerken“ erfolgt anlassbezogen , beispielsweise bei strafbaren Inhalten oder Lebenssachverhalten, die eine Gefährdungslage implizie- ren. Daran schließt sich u. a. eine rechtliche Bewertung an, die nach Prüfung im Einzelfall polizeiliche Maßnah- men nach sich ziehen kann. Insgesamt sind im Zusam- menhang mit inkriminierten Kommentaren einzelner Facebook-Userinnen und -User auf den beiden Seiten der „Bürgerbewegungen“ mehrere Strafverfahren eingeleitet worden. Diese strafrechtlich relevanten Kommentare oder Beiträge von Facebook-Userinnen und Usern sind den Administratoren der Seite nach geltender Rechtslage strafrechtlich nicht automatisch zuzurechnen. Bürgerbewegung Marzahn: Bei Vorliegen von strafrechtlich relevanten Beiträgen, die von den Administratoren der Seite der „Bürgerbewegung Marzahn“ eingestellt werden, werden polizeiliche Maßnahmen geprüft und gegebenenfalls durchgeführt. Bis heute sind Ermittlungsverfahren gegen „Unbekannt“ geführt worden, u. a. wegen des „Postens“ von strafrechtlich relevanten Inhalten. Alle geführten Ermittlungsver- fahren sind an die Staatsanwaltschaft Berlin abgegeben worden. Bürgerbewegung Hellersdorf: Auch hier wurden mehrere Ermittlungsverfahren ge- gen den nunmehr bekannten Betreiber der Internetseite auf Facebook bei der Polizei Berlin geführt (z.B.wegen Verdachts der Verletzung des höchstpersönlichen Le- bensbereichs durch Bildaufnahmen, Verleumdung, Volks- verhetzung, Verletzung der Vertraulichkeit des Wortes). Sofern Beschuldigte ermittelt werden konnten, wurden zumeist Strafbefehle beantragt. Teilweise sind die Verfah- ren bereits rechtskräftig abgeschlossen; teilweise stehen die Hauptverhandlungen noch aus. Nähere Angaben sind aufgrund der fehlenden statistischen Erhebung im Akten- verwaltungssystem MESTA nicht möglich. Berlin, den 12. Februar 2015 In Vertretung Bernd Krömer Senatsverwaltung für Inneres und Sport (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 18. Feb. 2015)