Drucksache 17 / 15 445 Schriftliche Anfrage 17. Wahlperiode Schriftliche Anfrage der Abgeordneten Andreas Baum, Heiko Herberg und Susanne Graf (PIRATEN) vom 02. Februar 2015 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 03. Februar 2015) und Antwort Wie gestaltet der Senat die Kinder- und Jugendbeteiligung bei der Berliner Olympia- und Paralympicsbewerbung? Die Drucksachen des Abgeordnetenhauses sind bei der Kulturbuch-Verlag GmbH zu beziehen. Hausanschrift: Sprosserweg 3, 12351 Berlin-Buckow · Postanschrift: Postfach 47 04 49, 12313 Berlin, Telefon: 6 61 84 84; Telefax: 6 61 78 28. Im Namen des Senats von Berlin beantworte ich Ihre Schriftliche Anfrage wie folgt: 1. Wie begründet die Senatsverwaltung für Sport den Ausschluss von jungen Berliner Menschen unter 18 Jah- ren in der Vorlage zum Gesetz über eine Befragung zur Bewerbung um Olympische und Paralympische Spiele hinsichtlich der Tatsache, dass sich in dieser Gruppe Per- sonen befinden, die in den Berliner Eliteschulen des Sports und in den Berliner Sportvereinen darauf hinar- beiten oder den Wunsch haben, in den Jahren 2024 und 2028 als Sportler-*innen an den Spielen teilzunehmen? 2. Wie begründet die Senatsverwaltung für Jugend den Ausschluss von jungen Berliner Menschen unter 18 Jahren in der Vorlage zum Gesetz über eine Befragung zur Bewerbung um Olympische und Paralympische Spiele hinsichtlich der Forderung des Landesjugendrings vom 29. Januar 2015, Jugendliche ab 16 oder 14 Jahren in Fragen einer Olympia- oder Paralympicsbewerbung mit- entscheiden zu lassen hinsichtlich der in Frage 1 erwähn- ten Generationengerechtigkeit? 3. Wie begründet die Senatsverwaltung für Inneres den Ausschluss von jungen Berliner Menschen unter 18 Jahren in der Vorlage zum Gesetz über eine Befragung zur Bewerbung um Olympische und Paralympische Spiele verfassungsrechtlich? a) Ist der Senatsverwaltung für Inneres bekannt, dass sich das Gesetz über eine Befragung zur Bewerbung um Olympische und Paralympische Spiele - aufgrund der fehlenden rechtlichen Bindung - an Volksinitiativen ge- mäß Artikel 61 VvB orientieren könnte, an den über 16- jährige Personen teilnehmen dürfen? Wenn ja, wie bewer- tet der Senat diese Auffassung? Zu 1. bis 3.: Die Bewerbung Berlins um Olympische und Paralympische Spiele 2024 oder 2028 muss von einer breiten Mehrheit der Bevölkerung getragen sein – unter Jung und Alt. Dennoch liegt es auf der Hand, dass viele der an den Berliner Eliteschulen des Sports und in den Berliner Sportvereinen bereits für eine Olympiateilnahme im Jahr 2024 oder gar 2028 trainierenden jungen Berline- rinnen und Berliner – Kinder und jüngere Jugendliche – von vornherein nicht an der noch in diesem Jahr durchzu- führenden Befragung beteiligt werden können. Bei dieser Befragung sollen nach Auffassung des Senats diejenigen 2,5 Millionen Bürgerinnen und Bürger einbezogen wer- den, die gegenwärtig auch bei einem Volksentscheid über eine Olympiabewerbung stimmberechtigt wären. Denn es liegt nicht fern, dass Olympiagegner kurzfristig ein Volksbegehren zur Herbeiführung eines Volksentscheids über eine Ablehnung der Bewerbung initiieren könnten. An einem solchen Volksentscheid dürften dann nur die zum Abgeordnetenhaus Wahlberechtigten teilnehmen, so dass das Risiko divergierender Bürgervoten noch vor der endgültigen Entscheidung des International Olympic Committee (IOC) bestehen würde. Dieses Risiko kann nur durch einen identischen Teilnehmerkreis bei der Olympi- abefragung und bei einem Volksentscheid im Sinne der Artikel 62 und 63 der Verfassung von Berlin reduziert werden. Dennoch ist und bleibt die Beteiligung von Kindern und Jugendlichen an gesellschaftlichen und politischen Entscheidungsprozessen ein fachpolitischer Schwerpunkt des Senats. Weiterhin werden die Anliegen und Meinun- gen von jungen Menschen sehr ernst genommen und sie zur Einmischung ermutigt. Den besonderen Stellenwert, den jugendspezifische Belange für den Senat haben, zei- gen die zahlreichen Möglichkeiten der Beteiligung, die Jugendlichen im Rahmen von geförderten Projekten der Jugendarbeit geboten werden. Als Alternative zu der nicht berücksichtigten Forde- rung des Landesjugendrings vom 29.01.2015 nach einer Mitentscheidung durch Jugendliche ab 16 oder 14 Jahren in der Vorlage zum Gesetz über eine Befragung zur Be- werbung wird geprüft, ob es eine Möglichkeit der Beteili- gung bzw. Abstimmung von jungen Menschen unter 18 Jahren zu diesem Thema analog zur Umsetzung des Pro- jektes „U18-Wahl“ geben kann. Abgeordnetenhaus Berlin – 17. Wahlperiode Drucksache 17 / 15 445 2 4. Der Pressemitteilung des Senats vom 23. Januar 2015 ist zu entnehmen, im Rahmen der „Olympischen und Paralympischen Wochen“ würde im Sportunterricht und in den Sportvereinen „Stimmung für Olympia“ erzeugt werden. a) Auf welchen rechtlichen Grundlagen ist diese Wer- bemaßnahme im Sportunterricht gestattet? b) Wer wurde oder wird wann und mit welchen kon- kreten Aufgaben mit der „Stimmungserzeugung“ für die Bewerbung Berlins für die Olympischen und Paralympi- schen Spiele im Sportunterricht beauftragt? Zu 4.a) und b): An den Berliner Schulen ist die olym- pische Erziehung Bestandteil des Sportunterricht und des Schulsports. Olympische Werte wie Fair Play, Fairness, Respekt, Umgang mit Sieg und Niederlage werden im Schulsport vermittelt. Seit 1969 gibt es in Deutschland den Bundeswettbewerb der Schulen JUGEND TRAI- NIERT FÜR OLYMPIA, für deren Erhalt sich alle Frak- tionen des Berliner Abgeordnetenhauses im vergangenen Jahr einstimmig ausgesprochen haben. Dieser Wettbewerb wurde vor zwei Jahren durch den Bundeswettbewerb der Schulen JUGEND TRAINIERT FÜR PARALYMPICS wirkungsvoll im Sinne der Inklu- sion und der Teilhabe von Schülerinnen und Schüler mit Behinderungen an schulsportlichen Wettbewerben er- gänzt. Diese beiden schulsportlichen Wettbewerbe regen na- türlich auch die Schulen an, sich mit Themen der Olympi- schen und Paralympischen Spiele in Deutschland zu be- schäftigen. Deshalb wurde niemand mit „Stimmungserzeugung“ beauftragt, sondern viele Schulen Berlins beteiligen sich am Schulsport-Wettkampfprogramm und haben deshalb auch großes Interesse an der Diskussion einer möglichen Bewerbung Berlins um Olympische und Paralympische Spiele. 4. c) Auf welchen rechtlichen Grundlagen ist diese Werbemaßnahme in der Jugendarbeit nach § 11 SGB VIII, insb. im organisierten außerschulischen Kinder- und Jugendsport gestattet? d) Wer wurde oder wird wann und mit welchen kon- kreten Aufgaben mit der „Stimmungserzeugung“ für die Bewerbung Berlins für die Olympischen und Paralympi- schen Spiele in der Jugendarbeit nach § 11 SGB VIII, insb. im organisierten außerschulischen Kinder- und Ju- gendsport beauftragt? Zu 4. c) und d): Die Angebote der Jugendarbeit nach § 11 Sozialgesetzbuch (SGB) VIII knüpfen an die Interes- sen und Bedürfnisse der jungen Menschen an und sind lebensweltorientiert. Aktuelle Themen und Geschehnisse im Alltag von Kindern und Jugendlichen werden aufge- griffen und diskutiert, dies kann sich ggf. auch auf die Bewerbung Berlins zu Olympia beziehen. Insbesondere bei der sportorientierten Jugendarbeit und bei außerunter- richtlichen Sportangeboten von Trägern der freien Ju- gendhilfe in Schulen und Sportorganisationen liegt die Befassung mit dem Thema Olympia- und Paralympics- bewerbung nahe, die Meinungsbildungsprozesse werden hierzu aber ergebnisoffen geführt. Der Senat nimmt kei- nen Einfluss auf die Inhalte der Arbeit der von der Ver- waltung geförderten Einrichtungen und Projekte der Ju- gendarbeit. 5. Mit welchen konkreten Maßnahmen im Bereich der Kinder- und Jugendpartizipation in Berlin plant der Senat - unabhängig vom Gesetz über eine Befragung zur Bewerbung um Olympische und Paralympische Spiele - sich ein Meinungsbild von der Mehrheit oder von einer Auswahl der in Berlin lebenden Kindern und Jugendli- chen unter 18 Jahren über eine Bewerbung Berlins zu be- schaffen? a) Welche konkreten Maßnahmen welcher Träger der Kinder- und Jugendarbeit nach § 11 SGB VIII, welche Verbände und Vereine, insb. im Bereich des außerschuli- schen Kinder- und Jugendsports sind dem Senat bekannt, die Vergleichbares planen? 6. Welche Maßnahmen plant der Senat, um zukünftig in allen Verfahrensstufen der Bewerbung Berlins für die Olympischen und Paralympischen Spiele 2024 oder 2028 Kinder und Jugendliche umfassend zu beteiligen? 7. Welche Beteiligungsformate an einer Bewerbung Berlins für die Olympischen und Paralympischen Spiele 2024 oder 2028 plant die Senatsverwaltung für Jugend auf dem laut der Schriftlichen Anfrage 17/15116 „in der finalen Abstimmung“ sich befindenden Berliner Jugendportal ? Zu 5. bis 7.: Die Senatsverwaltung für Bildung, Ju- gend und Wissenschaft plant in Kooperation mit freien Trägern der Kinder - und Jugendarbeit und Verbänden des Kinder- und Jugendsportes, die Verfahrensstufen der Bewerbung mit Beteiligungsprozessen zu begleiten. Vor- schläge und Interessensbekundungen von Jugendlichen könnten in die Planungen zur Ausgestaltung der Bewer- bung um die Olympischen und Paralympischen Spiele mit einfließen. Beispielhaft werden im Folgenden von der Senatsver- waltung für Bildung, Jugend und Wissenschaft initiierte Vorhaben vorgestellt: • Durchführung eines berlinweiten Beteiligungsprojekts nach der Methode der U-18-Wahlen. Eine vorzugsweise bei einem Jugendhilfeträger ange- siedelte Steuerungsgruppe verbreitet mit Hilfe sei- nes dezentralen Netzwerks aus Jugendhilfe, (schu- lischen) Bildungs- und Sportangeboten Informati- onsmaterialien und Unterlagen zur Meinungsbil- dung und organisiert parallel zur Volksbefragung eine Abstimmung von Jugendlichen zur Teilnahme an den Olympischen- und Paralympischen Spielen. Diese kann auch online erfolgen. Abgeordnetenhaus Berlin – 17. Wahlperiode Drucksache 17 / 15 445 3 • Durchführung eines Olympia-Bildungs-Projekts WITHOUT FRONTIERS. Dieses Projekt ent- spricht konzeptionell dem äußerst erfolgreichen Fußball - Bildungsprojekt FAIR-FRIENDS des SportJugendClubs Prenzlauer Berg. Schulklassen wählen ein Teilnehmerland, setzen sich mit dessen Kultur auseinander und tragen in dessen Rolle in ausgewählten sportlichen Disziplinen Wettbewer- be aus. • Der Senat möchte mit dem geplanten Berliner Jugendportal nicht nur informieren und beraten, son- dern bietet hier eine Möglichkeit der digitalen Be- teiligung. Die jungen Nutzerinnen und Nutzer werden hier als Teil der Gesellschaft in Entschei- dungsprozesse eingebunden bzw. erhalten Mög- lichkeiten und Zugänge, ihre Themen mit anderen zu diskutieren, sich darüber auszutauschen und sich zu beteiligen. Jugendliche können sich in un- terschiedlichen Beteiligungsformaten wie z.B. On- line-Konsultationen, in politische Prozesse, wie z.B. der Entscheidung der Teilnahme Berlins an Olympia, einbringen. Das Konzept befindet sich in der Phase der Umsetzung. Der Start des Portals ist für Ende 2015 geplant. Bisher sind der Senatsverwaltung für Bildung, Jugend und Wissenschaft keine vergleichbaren Vorhaben von Trägern der freien Jugendhilfe oder von Sportorganisatio- nen bekannt. Berlin, den 12. Februar 2015 In Vertretung Andreas Statzkowski Senatsverwaltung für Inneres und Sport (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 24. Feb. 2015)