Drucksache 17 / 15 449 Schriftliche Anfrage 17. Wahlperiode Schriftliche Anfrage des Abgeordneten Benedikt Lux (GRÜNE) vom 02. Februar 2015 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 04. Februar 2015) und Antwort Bekämpfung der Geldwäschekriminalität in Berlin Die Drucksachen des Abgeordnetenhauses sind bei der Kulturbuch-Verlag GmbH zu beziehen. Hausanschrift: Sprosserweg 3, 12351 Berlin-Buckow · Postanschrift: Postfach 47 04 49, 12313 Berlin, Telefon: 6 61 84 84; Telefax: 6 61 78 28. Im Namen des Senats von Berlin beantworte ich Ihre Schriftliche Anfrage wie folgt: 1. Wie viele Fälle von Geldwäsche (§ 261 StGB) ha- ben die Berliner Sicherheitsbehörden jeweils in den Jah- ren 2011 - 2014 bearbeitet und wie viel Geld wurde durch diese Fälle in Berlin gewaschen? Wie viel Geld ist an das Land geflossen (etwa durch Einziehungen, Beschlagnah- mungen/Sicherstellungen, Straf- bzw. Bußzahlungen)? Zu 1.: In den Jahren 2011 – 2014 wurde durch das Landeskriminalamt (LKA) Berlin die nachfolgend aufge- führte Anzahl von Ermittlungsverfahren wegen des Ver- dachts der Geldwäsche geführt: 2011: 1740 2012: 1629 2013: 2041 2014: 2418 Hiervon gingen in 2011: 771 2012: 973 2013: 1.389 2014: 1.677 Ermittlungsverfahren aus Verdachtsmeldungen i. S. d. § 11 Geldwäschegesetz (GwG) hervor, die übrigen Ver- fahren wurden nach Ermittlungserkenntnissen im Rahmen der Bearbeitung der Grunddelikte bzw. dort geführten Finanzermittlungen eingeleitet bzw. entfallen auf soge- nannte „Phishingfälle“, die zunächst als Computerbetrug, Überweisungsbetrug o.ä. angezeigt wurden, sich dann aber als Geldwäsche durch sogenannte „Finanzagenten“ darstellten. Bei der Staatsanwaltschaft Berlin wurden insgesamt mehr Verfahren als bei der Polizei Berlin geführt. Dies begründet sich aus der Zuständigkeit der Staatsanwalt- schaft Berlin, die neben der Polizei Berlin von weiteren Strafverfolgungsbehörden(z.B. Zollverwaltung, Bundes- polizei, Bundeskriminalamt) Verfahren übersandt be- kommt. Für den angefragten Zeitraum wurden in dem bei der Staatsanwaltschaft Berlin verwendeten Aktenverwal- tungssystem Mehrländer-Staatsanwaltschafts-Automation (MESTA) folgende Verfahren geführt, in denen zumin- dest auch § 261 des Strafgesetzbuches (StGB) als Be- zugsdelikt erfasst wurde: Jahr Anzahl Eingänge zum Aktenzeichen Js: Anzahl Beschuldigte dazu: Anzahl Eingänge zum Aktenzeichen UJs (gegen Unbekannt): 2011 3141 4026 50 2012 2901 3758 44 2013 2682 3587 55 2014 3048 4275 38 Zur Höhe des „gewaschenen“ Geldes erfolgen bei der Staatsanwaltschaft Berlin keine Erhebungen, da im Wege des Geldwäsche-Clearings zu eingegangenen Geldwä- scheverdachtsmeldungen i. d. R. nicht abschließend fest stellbar ist, ob und in welcher Höhe eine strafbare Geld- wäschehandlung i. S. d. § 261 StGB vorliegt. Abgeordnetenhaus Berlin – 17. Wahlperiode Drucksache 17 / 15 449 2 Die Ermittlung der jeweils geflossenen Geldsumme ist im Rahmen einer automatisierten Erhebung bei der Staatsanwaltschaft Berlin nicht möglich. Dies gilt auch für die angefragte Höhe der für das Land Berlin verein- nahmten Gelder und Anzahl der Verpflichteten nach dem Geldwäschegesetz. Bei der Polizei Berlin findet eine statistische Erhe- bung zu Vermögenswerten, die durch Beschlagnahme, Sicherstellung oder Pfändung vorläufig gesichert werden, nur in solchen Geldwäscheverfahren statt, die im LKA 31 bearbeitet werden. Zahlen zu vorläufigen Sicherungen durch andere Dienststellen, die Geldwäscheverfahren geführt haben, liegen nicht vor. Durch das LKA erfolgten von 2011 bis 2014 folgende vorläufigen Sicherungen in Geldwäscheverfahren: 2011: 3.028.528,53 EUR 2012: 2.988.500,00 EUR 2013: 13.374.131,00 EUR 2014: 4.934.477,30 EUR Daneben erfolgten weitere vorläufige Sicherungen im Rahmen der Bearbeitung der jeweiligen Grunddelikte, also nicht bei den Geldwäschetatverdächtigen, sondern den Tatverdächtigen der Vortaten (also ggf. auch bereits gewaschene und an die Tatverdächtigen zurück geflosse- ne Vermögenswerte). Daten, zu welchen Grunddelikten vorläufige Sicherungen erfolgten, wenn auch Geldwä- scheermittlungen erfolgten, liegen nicht vor. In welchen Fällen vorläufig gesicherte Beträge später im Strafurteil für eingezogen oder verfallen erklärt bzw. zur Schadloshaltung von Tatverletzten verwendet wurden, wird durch das LKA nicht erhoben. Bei der Staatsanwalt- schaft Berlin ist eine automatisierte Erhebung zu dieser Fragestellung nicht möglich. 2. Wie viele dieser bearbeiteten Fälle betrafen Ver- pflichtete im Sinne des Geldwäschegesetzes? (Bitte nach Verpflichtetengruppen i.S. §2 GwG aufschlüsseln) Zu 2.: Ob und wie viele Verfahren sich gegen Mitar- beiterinnen bzw. Mitarbeiter von Verpflichteten nach dem Geldwäschegesetz richteten, wird statistisch nicht erfasst. Die Gesamtzahl von Geldwäscheverfahren, die auf- grund von Verdachtsmeldungen Verpflichteter nach dem Geldwäschegesetz durch die Polizei eingeleitet wurden, ist der Antwort zur Frage 1 zu entnehmen. Eine Aufschlüsselung nach den einzelnen Verpflichte- tengruppen zu diesen Verdachtsmeldungen ist polizeili- cherseits aufgrund technischer Probleme derzeit nicht für alle Jahre möglich, es sind nur Daten für die Jahre 2013 und 2014 vorhanden. Demnach waren neben Kreditinsti- tuten, die am häufigsten Verdachtsmeldungen erstatteten, folgende Verpflichteten vertreten: 2013 2014 Versicherungsunternehmen 6 12 Versicherungsvermittler 1 0 Spielbanken 17 24 Immobilienmakler 1 2 Kammerberufe, Kammern 1 4 Andere Gewerbetreibende 8 15 Finanzunternehmen 10 15 Finanzdienstleistungsinstitute 147 256 Behörden 6 5 Sonstige (Privatpersonen, Finanzbehörden 35 31 i.S. des § 31b Abgabenordnung, ausländische Finanzermittlungs- dienststellen etc.) Ca. 80% aller Verdachtsmeldungen stammen daher von Kreditinstituten, für 2011 und 2012 kann eine ähnli- che Verteilung angenommen werden. 3. Wie viele Tatverdächtige wurden jeweils in den Jahren 2011-2014 in diesen Fällen ermittelt? Wie hoch war der jeweilige Schaden? Zu 3.: Zu den durch die Polizei Berlin geführten Geldwäscheverfahren konnte folgende nach Jahren ge- gliederte Anzahl von Tatverdächtigen ermittelt werden: 2011: 2121 2012: 2016 2013: 2647 2014: 3226 Die Erhebung eines „Schadens“ ist nicht erfolgt, da die Geldwäsche für sich genommen keinen Schaden ver- ursacht. Schäden können allenfalls bei einigen der geld- wäschetauglichen Vortaten entstehen (z.B. Eigentums- oder Vermögensdelikte, nicht jedoch z.B. bei Drogenhan- del). 4. Wie hoch schätzt der Senat das Dunkelfeld im Be- reich Geldwäsche für Berlin ein? Zu 4.: Das Dunkelfeld wird als hoch eingeschätzt. 5. Wie viele Stellen (in VZÄ) sind in den Berliner Po- lizeibehörden für die Bekämpfung von Wirtschaftskrimi- nalität im Allgemeinen und Geldwäsche im Besonderen vorgesehen und besetzt und welche spezifischen Qualifi- kationen haben die entsprechenden MitarbeiterInnen? Zu 5.: Geldwäsche ist kein Delikt, das für sich allein existieren kann, es bedingt stets eine geldwäschetaugliche Vortat, deren Erlöse gewaschen werden sollen. Dies kön- nen Straftaten aus dem Bereich der Wirtschaftskriminali- tät sein, aber auch aus vollkommen anderen Deliktsberei- chen wie z.B. Drogenhandel, Straftaten i.Z.m. dem Rot- lichtmilieu u.ä., insofern zählt Geldwäsche per Definition nicht direkt zur Wirtschaftskriminalität und ist auch nicht Teil von dieser. Abgeordnetenhaus Berlin – 17. Wahlperiode Drucksache 17 / 15 449 3 In der Polizei Berlin werden Wirtschaftsstraftaten überwiegend im Landeskriminalamt im LKA 32 sowie in 5 Kommissariaten des LKA 34 bearbeitet, z.T. erfolgt die Bearbeitung von Straftaten, die als Wirtschaftskriminalität bewertet werden, jedoch auch in anderen Abteilungen des Landeskriminalamtes bzw. in den örtlichen Polizeidirek- tionen. Mit der Bearbeitung von Geldwäscheverfahren verhält es sich ähnlich. Verdachtsmeldungen nach dem Geldwä- schegesetz (GwG) werden zunächst zentral beim LKA 311 GFG (Clearing Geldwäsche) erfasst und erstbearbei- tet, bis ein dazugehöriges Grunddelikt erkannt wird. Wird dieses erkannt, erfolgt die Weiterbearbeitung bei der für das Grunddelikt zuständigen Dienststelle (z.B. Rausch- giftkommissariat oder Organisierte Kriminalität (OK) - Dienststelle) bzw. bei LKA 312 und LKA 313, wenn diese Grunddeliktsverfahren mit Finanzermittlungen zum Zwecke der Vermögensabschöpfung begleitet werden. Geldwäscheverfahren ohne Maßnahmen der Vermögens- abschöpfung werden daher auch eigenständig in verschie- denen anderen Abteilungen des Landeskriminalamtes bzw. in den örtlichen Polizeidirektionen bearbeitet. Die Frage nach dem für Wirtschaftsstraf- und Geldwä- scheverfahren eingesetzten Personal kann daher nur für die im LKA 3 beteiligten Dienststellen beantwortet wer- den, da die übrigen Dienststellen, die solche Delikte bear- beiten, vorrangig andere Straftaten verfolgen. Aktuell sind in diesen Bereichen im LKA 3 folgende Dienstkräfte (DK) bzw. Vollzeitäquivalente (VZÄ) be- schäftigt: Dienststelle Anzahl DK VZÄ LKA 311 16 15,88 LKA 312 10 10 LKA 313 8 7,73 LKA 32 53 50,78 LKA 343 7 6,7 LKA 344 14 12,75 LKA 345 8 7,88 LKA 346 8 7,8 LKA 347 11 10,35 Gesamt 135 129,87 Eine Aufschlüsselung ist nur nach den tatsächlich ein- gesetzten Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, nicht jedoch nach Stellen möglich, da die Stellen aller Dienstkräfte nur für die Abteilung LKA 3 ausgewiesen werden bzw. ge- poolt sind. Die Beschäftigten von LKA 31, 32 und 34 verfügen weitgehend über Fachfortbildungen zum Thema Wirt- schaftskriminalität, die des LKA 31 zusätzlich über solche zum Thema Finanzermittlungen/Vermögensabschöpfung und die des LKA 34 teils zum Thema Korruption als Teilbereich der Wirtschaftskriminalität. Einige in diesen Bereichen eingesetzte Mitarbeiterin- nen und Mitarbeiter verfügen über eine zusätzliche beruf- liche Vorbildung, da sie vor ihrer Tätigkeit für die Polizei z.B. als Bankkaufleute gearbeitet oder „passende“ Studiengänge absolviert haben (z.B. Betriebswirtschaftslehre, Jura). Fachliche Unterstützung erfolgt daneben bei der Bear- beitung von Wirtschaftsdelikten und teils auch in Geld- wäscheverfahren durch LKA 31 Prüfgruppe, wo 22 Dienstkräfte als Wirtschaftsreferenten und Bilanzbuch- halter (21 VZÄ) mit entsprechenden kaufmännischen Kenntnissen beschäftigt sind. 6. Wie bewertet der Senat die in anderen Bundeslän- dern existierende Sonderlaufbahn Wirtschaftskriminalis- tik und plant der Senat eine entsprechende Laufbahn für Berlin zu entwickeln? Zu 6.: In den Bundesländern Baden-Württemberg und Bayern wurde Ende der 1990er Jahre eine Laufbahn des gehobenen Dienstes der Wirtschaftskriminalisten einge- führt, um Nachwuchskräften mit wirtschaftswissenschaft- lichem Studienabschluss den Einstieg in den Polizeivoll- zugsdienst zu ermöglichen. Die Beamtinnen und Beamten dieser speziellen Laufbahn bearbeiten Delikte der Wirt- schafts- und Vermögenskriminalität, für deren Bearbei- tung besondere kaufmännische Kenntnisse hilfreich sind, wie zum Beispiel Insolvenzdelikte (Insolvenzverschlep- pung, Bankrott), gewerbs- oder bandenmäßig begangene Betrugsdelikte (Kapitalanlagebetrug, Kreditbetrug), Kor- ruptionsdelikte (Bestechung, Bestechlichkeit) und Fäl- schungsdelikte (Geldfälschung, Fälschung von Zahlungs- karten). Im Land Berlin werden den Nachwuchskräften für die Kriminalpolizei bereits während des Studiums für den gehobenen Polizeivollzugsdienst notwendige Kenntnisse vermittelt, um die Aufgaben von Deliktsfeldern wie Wirt- schaftskriminalität, Korruption, Organisierte Kriminalität, Fälschungsdelikte und andere täterorientiert bearbeiten zu können. Zusätzlich benötigte Spezialkenntnisse werden durch gezielte Fortbildungsmaßnahmen vorhandener Kräfte oder die Einstellung von ggf. bereits berufserfah- renen Tarifbeschäftigten erschlossen. Hervorzuheben ist, dass das Landeskriminalamt Berlin über die größte Wirt- schaftsprüfgruppe der Polizeiorganisationen Deutschlands verfügt. Daher strebt der Senat die Einrichtung einer speziellen Laufbahn für Wirtschaftskriminalisten, in die nur eine kleine Zahl von Beamtinnen und Beamten eingestellt werden, derzeit nicht an. Abgeordnetenhaus Berlin – 17. Wahlperiode Drucksache 17 / 15 449 4 7. Welche Ausbildungsmöglichkeiten mit dem Schwerpunkt Wirtschaftskriminalistik werden an den Berliner Hochschulen und Universitäten angeboten und wie bewertet der Senat dieses Angebot? Zu 7.: Ein Studiengang mit dem Schwerpunkt Wirt- schaftskriminalistik wird von den Berliner staatlichen Hochschulen nicht angeboten. Es kann auf den Bachelor- studiengang "Polizeivollzugsdienst" an der Hochschule für Wirtschaft und Recht hingewiesen werden, der auf Aufgaben in den Laufbahnen des gehobenen Kriminal- und Schutzpolizei- sowie des Gewerbeaußendienstes vorbereitet. Entsprechende Lehrinhalte finden sich auch in juristischen Vorlesungen an der Freien Universität Berlin und der Humboldt-Universität zu Berlin zum Straf- , Wirtschafts- und Steuerrecht. Gleiches gilt auch für Veranstaltungen in der Betriebswirtschaftslehre. Der Senat ist von der hochwertigen Qualität der Berliner Hochschulausbildung überzeugt. Ihm sind keine Überle- gungen der staatlichen Hochschulen bekannt, einen auf Wirtschaftskriminalistik spezialisierten Studiengang an- zubieten. Berlin, den 16. Februar 2015 In Vertretung Bernd Krömer Senatsverwaltung für Inneres und Sport (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 23. Feb. 2015)