Drucksache 17 / 15 461 Schriftliche Anfrage 17. Wahlperiode Schriftliche Anfrage des Abgeordneten Dr. Gottfried Ludewig (CDU) vom 04. Februar 2015 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 05. Februar 2015) und Antwort Muslimische und jüdische Bestattungen Die Drucksachen des Abgeordnetenhauses sind bei der Kulturbuch-Verlag GmbH zu beziehen. Hausanschrift: Sprosserweg 3, 12351 Berlin-Buckow · Postanschrift: Postfach 47 04 49, 12313 Berlin, Telefon: 6 61 84 84; Telefax: 6 61 78 28. Im Namen des Senats von Berlin beantworte ich Ihre Schriftliche Anfrage wie folgt: 1. Welche rechtlichen Änderungen wurden in Berlin im Leichen- und Bestattungswesen in den letzten Jahren vorgenommen? Zu 1.: Mit der Änderung des Bestattungsgesetzes sind seit 01.01.2011 Erdbestattungen ohne Sarg in einem Lei- chentuch aus religiösen Gründen auf dafür entsprechend ausgewiesenen Grabfeldern möglich. Darüber hinaus sind Regelungen zur Durchführung ritueller Waschungen von Leichen in Kraft getreten. Danach dürfen rituelle Wa- schungen von Leichen nur in den vom Bezirksamt hierfür als geeignet anerkannten Räumen in Leichenhallen oder religiösen Einrichtungen unter Einhaltung geeigneter hygienischer Schutzmaßnahmen durchgeführt werden. Die Eignung setzt insbesondere voraus, dass die Räume den hygienischen und sonstigen Anforderungen, die die Verordnung zur Durchführung des Bestattungsgesetzes vom 22.10.1980 stellt, genügen. Die Schutzmaßnahmen, die während der Waschung einzuhalten sind, ergeben sich ebenfalls aus der Verordnung zur Durchführung des Be- stattungsgesetzes. Darüber hinaus ist sicherzustellen, dass für den sicheren und pietätvollen Transport des Leich- nams bis zur Grabstätte ein geeigneter Sarg auch in den Fällen verwendet wird, in denen eine Bestattung ohne Sarg in einem Leichentuch zulässig ist. Mit Wirkung vom 01.10.2014 ist die Verordnung zur Durchführung des Bestattungsgesetzes (DVO-Bestat- tungsgesetz) geändert worden. Die Änderungsverordnung und vor allem die Einführung eines neuen Leichen- schauscheins dienen dem Bürokratieabbau, der Gestaltung bürgerfreundlicher Abläufe, einer Verbesserung der Qua- lität der ärztlichen Leichenschau sowie der Qualitätsver- besserung der Daten für die Todesursachenstatistik und das Gemeinsame Krebsregister der Länder Berlin, Bran- denburg, Mecklenburg-Vorpommern, Sachsen-Anhalt und der Freistaaten Sachsen und Thüringen. 2. Welche Folgen hatten diese Änderungen einerseits für das Verwaltungshandeln und andererseits für die Hin- terbliebenen? Zu 2.: Die Friedhofsverwaltung des Bezirksamtes Spandau hat Grabfelder auf dem Landschaftsfriedhof Gatow bestimmt, auf denen Leichen gemäß § 18 Absatz 2 Bestattungsgesetz in einem Leichentuch erdbestattet wer- den können. Hinterbliebene können diese Möglichkeit nutzen. 3. Ermöglichen die gegenwärtigen rechtlichen Vor- schriften der muslimischen und der jüdischen Bevölke- rung, ihre Toten nach ihren jeweiligen religiösen Vor- schriften zu bestatten und wenn nein, warum nicht? Zu 3.: Ja. Gemäß § 2 Absatz 2 Friedhofsgesetz wird auf landeseigenen Friedhöfen unabhängig von Konfession und Weltanschauung bestattet. Die Ausübung religiöser und weltanschaulicher Gebräuche bei Bestattungen und Totengedenkfeiern im Rahmen der Friedhofsordnung wird gewährleistet. Darüber hinaus können gemäß § 2 Absatz 3 Fried- hofsgesetz Kirchen, Religionsgesellschaften und Weltan- schauungsgemeinschaften, die Körperschaften des öffent- lichen Rechts sind, eigene Friedhöfe betreiben. Ebenso haben mit dem hoheitlichen Bestattungsrecht beliehene gemeinnützige Religionsgesellschaften und Weltanschau- ungsgemeinschaften, die nicht Körperschaften des öffent- lichen Rechts sind, gemäß § 2 Absatz 3 Friedhofsgesetz diese grundsätzliche Möglichkeit. Abgeordnetenhaus Berlin – 17. Wahlperiode Drucksache 17 / 15 461 2 4. Sind dem Senat Hinweise von Seiten muslimischer oder jüdischer Gemeinden bekannt, dass bestehende rechtliche Regelungen die Möglichkeiten für Bestattun- gen nach dem jeweiligen religiösen Ritus verhindern oder einschränken würden; wenn ja, welche Hinweise sind dies und welche gesetzlichen Vorschriften führen zu den Ein- schränkungen? 5. Sprechen grundlegende Argumente gegen eine weitere Öffnung in diesem Bereich, weil religiöse Vor- schriften mit grundsätzlichen Notwendigkeiten im Bestat- tungswesen nicht konform sind? Zu 4. und 5.: Dem Senat ist (neben dem Begehren der Jüdischen Gemeinde zu Berlin auf einen frühesten Bestat- tungstermin (siehe Antwort zu 7. und 8.)) nicht bekannt, dass religiöse Vorschriften mit grundsätzlichen Notwen- digkeiten im Bestattungswesen nicht konform sind. 6. Sieht es der Senat für wünschenswert an, dass die drei monotheistischen Religionen im Rahmen des Lei- chen- und Bestattungswesens gleichberechtigt berücksich- tigt werden? Zu 6.: Die Gleichstellung der drei monotheistischen Religionen im Rahmen des Leichen- und Bestattungswe- sens wird vom Senat ausdrücklich begrüßt und befürwor- tet. So ist das Anliegen, den Berlinerinnen und Berlinern islamischen Glaubens, die sarglos bestattet werden möch- ten, eine Bestattung in Berlin zu ermöglichen, aus Grün- den der gleichberechtigten Teilhabe vom Senat als wich- tig erachtet worden. Deshalb wurden entsprechende Rege- lungen zur Änderung des Bestattungsgesetzes und der Durchführungsverordnung-Bestattungsgesetz in das In- tegrationsgesetz (PartIntG) aufgenommen und mit Wir- kung vom 01.01.2011 erlassen. Selbstverständlich war damit auch die Gleichberechti- gung von Muslimen intendiert. 7. Ist diesem Aspekt im Integrations- und Partizipati- onsgesetz bereits genügend Aufmerksamkeit geschenkt worden und wenn nein, warum nicht? 8. Wenn der Senat der Auffassung ist, dass in diesem Bereich weitere Schritte zur Gleichberechtigung unter- nommen werden sollten, wann gedenkt er diesbezügliche Änderungen bei den rechtlichen Regelungen vorzuneh- men und um welche Änderungen wird es sich dabei han- deln? Zu 7. und 8.: Der islamische Glaube schreibt eine Be- erdigung Verstorbener möglichst innerhalb von 24 Stun- den vor. Auch seitens der Jüdischen Gemeinde zu Berlin wurde im Hinblick auf die jüdische Bestattungstradition die Bitte vorgetragen, das Berliner Bestattungsgesetz in Bezug auf einen frühesten Bestattungstermin zu ändern. In Berlin dürfen Verstorbene (wie auch in den anderen Bundesländern) grundsätzlich erst nach Ablauf von 48 Stunden bestattet werden (vgl. § 21 Bestattungsgesetz), sofern nicht eine frühere Bestattung auf Grund des Infek- tionsschutzgesetzes angeordnet werden muss. Ausnah- meregelungen aus religiösen Gründen enthält das Berliner Bestattungsgesetz nicht. Ob ein früherer Bestattungszeitpunkt aus religiösen Gründen im Land Berlin ermöglicht werden kann bzw. an welche Voraussetzungen Ausnahmen geknüpft werden müssen, um die Bestattung vermeintlich Toter bzw. Scheintoter sicher auszuschließen, berührt das Thema Verbesserung der Qualität der äußeren Leichenschau, welches zurzeit in einer von den nördlichen Bundesländer eingesetzten Arbeitsgruppe beraten wird. Wenn die Er- gebnisse dieser Arbeitsgruppe vorliegen, wird deren Um- setzbarkeit im Land Berlin zu prüfen sein. Berlin, den 18. Februar 2015 In Vertretung Dirk G e r s t l e _____________________________ Senatsverwaltung für Gesundheit und Soziales (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 23. Feb. 2015)