Drucksache 17 / 15 486 Schriftliche Anfrage 17. Wahlperiode Schriftliche Anfrage der Abgeordneten Katrin Lompscher (LINKE) vom 09. Februar 2015 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 10. Februar 2015) und Antwort Wohngeld in Berlin Die Drucksachen des Abgeordnetenhauses sind bei der Kulturbuch-Verlag GmbH zu beziehen. Hausanschrift: Sprosserweg 3, 12351 Berlin-Buckow · Postanschrift: Postfach 47 04 49, 12313 Berlin, Telefon: 6 61 84 84; Telefax: 6 61 78 28. Im Namen des Senats von Berlin beantworte ich Ihre Schriftliche Anfrage wie folgt: Frage 1: Wie hoch ist das in Berlin gezahlte Wohn- geld in absoluten Beträgen, und wie hat sich die Höhe der Wohngeldzahlungen absolut in den letzten zehn Jahren verändert (bitte nach Land und Bezirken darstellen)? Antwort zu 1: Zur Beantwortung der Frage wird auf die Tabelle in der Anlage verwiesen. Frage 2: Wie hat sich die Zahl der Wohngeldempfän- gerinnen und -empfänger von 2004 bis 2014 verändert? Antwort zu 2: Zur Beantwortung der Frage wird auf die nachfolgen- de Tabelle verwiesen. Jahr Zahl der Wohngeldempfängerinnen und Wohngeldempfänger 2004 276.318 2005 41.728 2006 32.365 2007 23.902 2008 25.947 2009 38.129 2010 38.414 2011 34.684 2012 30.935 2013** 24.211 2014** 20.486 Quelle: AfS - Zeitreihen zum Wohngeld **DiWo Wohngeldfachverfahren- Arbeitsstatistik jeweils Dezember des Jahres Frage 3: Inwiefern hat sich in den letzten zehn Jahren die Bewilligung von Wohngeld durch Bundes- bzw. Lan- des-regelungen für die bezirklichen Behörden geändert? Wie viel Personal haben die Bezirke für die Bearbeitung von Wohngeldangelegenheiten aktuell, und wie viel war es vor zehn Jahren? Antwort zu 3: Das Wohngeldrecht ist im Wohngeld- gesetz als Bundesgesetz geregelt, das durch die Bundes- länder im Rahmen der sogenannten Bundesauftragsver- waltung durchgeführt wird. Daher sind im Wohngeldrecht lediglich bundesrechtliche Regelungen maßgeblich, die durch die Bundesländer einheitlich angewendet werden. Landesrechtliche Regelungen, die von bundesrechtlichen Regelungen in diesem Rechtsgebiet abweichen, existieren demnach nicht. In den letzten zehn Jahren (2004 – 2014) wurde das Wohngeldrecht zwei Mal reformiert. Die Reform im Jahr 2005 hatte zum Ziel, das wohngeldrechtliche Vereinfa- chungsmodell zu optimieren, durch welches Transferleis- tungsbeziehende seit 2005 vom Wohngeld ausgeschlossen sind. Die Reform diente der reibungslosen Umsetzung dieses Modells. Dementsprechend haben sich auch die Voraussetzungen für die Bewilligung von Wohngeld geändert. Die Reform im Jahr 2009 war eine reine Leistungsre- form, die den Wohngeldbetrag an die gestiegene Miet- entwickung anpasste. Zusätzlich wurde ein einmaliger Wohngeldbetrag als Ausgleich für die erhöhten Energie- kosten in der Heizperiode 2008/2009 gewährt. Im Rah- men beider Reformen wurden somit rechtliche Änderun- gen eingeführt, die sich auf die Berechnung des Wohn- geldes und somit auf die Bewilligung von Wohngeld ausgewirkt haben. In den Bezirken sind aktuell insgesamt 131 Vollbe- schäftigteneinheiten für die Bearbeitung von Wohngeld- angelegenheiten zu verzeichnen. Im Jahr 2004 waren es insgesamt 390 Vollbeschäftigteneinheiten. Frage 4: Welchen Ermessensspielraum gibt es zur Bewilligung des Wohngeldes per Gesetz und durch An- weisungen und Hilfestellungen des Senats an die bezirkli- chen Wohnungsämter, insbesondere durch das Wohngeld- fachverfahren? Abgeordnetenhaus Berlin – 17. Wahlperiode Drucksache 17 / 15 486 2 Antwort zu 4: Soweit die Voraussetzungen für die Gewährung von Wohngeld vorliegen und ein Anspruch demnach besteht, ist Wohngeld in entsprechender Höhe zu gewähren. Ein Ermessensspielraum wird diesbezüglich vom Gesetzgeber nicht eingeräumt. Bei der Beurteilung, ob die Voraussetzungen für die Gewährung von Wohn- geld vorliegen, halten sich die Wohngeldbehörden streng an die gesetzlichen Vorgaben. Da das Gesetz nicht jeden Einzelfall eindeutig regelt, können in Einzelfällen Ausle- gungsschwierigkeiten bestehen. Für diese Fälle erlässt das zuständige Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit im Rahmen der Bundesauf- sicht regelmäßig Erlasse zur Durchführung und Vollzug des Wohngeldgesetzes, die aufgearbeitet als Durchfüh- rungsschreiben durch den Senat an die bezirklichen Wohngeldstellen weitergegeben und in regelmäßigen Besprechungen mit diesen erörtert werden. Ferner ist der Senat stets vollumfänglicher Ansprechpartner für die bezirklichen Wohngeldstellen in allen Rechtsfragen be- züglich des Wohngeldrechts. Das Wohngeldfachverfahren wird von allen bezirklichen Wohngeldstellen zur Berech- nung des Wohngeldanspruches genutzt. Auch hier besteht kein Ermessen. Zu Auslegungsschwierigkeiten gilt das Gesagte. Das Wohngeldfachverfahren wird vom Senat auch aus rechtlicher Sicht ständig überwacht und Rechts- änderungen umgehend eingearbeitet. Insgesamt ist in Berlin durch das gute und effektive Zusammenwirken von Bezirken, Senat und Bundesministerium eine einheitliche Durchführung des Wohngeldgesetzes gewährleistet. Frage 5: Welche Vereinfachungen im Prüfungs- und Bewilligungsverfahren gab es zur Beschleunigung des Wohngeldantragverfahrens? Antwort zu 5: Durch den Ausschluss von Transferleis- tungsbeziehende vom Wohngeld im Rahmen der Wohn- geldreform 2005 verringerte sich die Anzahl der zu bear- beitenden Wohngeldanträge nach der Reform drastisch. Gleichzeitig wurde der Umgang mit sogenannten Misch- haushalten und entsprechenden Mitteilungspflichten ge- setzlich geregelt, wodurch die Ermittlung des Sachverhal- tes durch die Wohngeldstelle erleichtert wurde. Die Wohngeldreform 2009 diente auch einer Verwal- tungsvereinfachung. Es wurden Normen geändert oder eingeführt, die einerseits Bewertungsvereinfachungen und andererseits Aufwandsverringerungen beinhalteten. Bei- spielsweise wurde der wohngeldrechtliche Haushaltsbe- griff fortentwickelt, in den nun alle Mitglieder einer Wohn- und Wirtschaftsgemeinschaft nach dem Mittel- punkt ihrer Lebensbeziehungen einbezogen werden, wodurch die aufwändige und schwierige Vergleichsbe- rechnung und die bisherige Regelung der vorübergehen- den Abwesenheit entbehrlich wurden. Die für die Höhe des Wohngeldes maßgeblichen vier Baualtersklassen sind auf Grund geringer praktischer Relevanz weggefallen, so dass hierbei nicht mehr mit enormem Verwaltungsauf- wand ermittelt und differenziert werden muss. Eingeführt wurden ebenfalls Regelungen zur Rückforderung des Wohngeldes in Todesfällen, zur gesamtschuldnerischen Haftung aller Haushaltsmitglieder, zur Erweiterung der Aufrechnungs- und Verrechnungsmöglichkeit bei über- zahltem Wohngeld und zur Erweiterung des Datenab- gleichs. Diese Regelungen haben in vielfacher Hinsicht die Arbeit der bezirklichen Wohngeldstellen erleichtert. Insbesondere hat die Einführung des automatisierten Datenabgleichs enorm zur Vereinfachung bei der Aufde- ckung von Missbrauchsfällen beigetragen. Auch die angestrebte Wohngeldreform soll weitere Verwaltungsvereinfachungen enthalten. Das Wohngeldfachverfahren beinhaltet zusätzlich auf viele Einzelfälle zugeschnittene Bescheidmuster, die den bezirklichen Wohngeldstellen schnelle und effektive Hilfestellung bieten. Frage 6: Wie hoch ist der Anteil gestellter, aber nicht bewilligter Wohngeldanträge, und wie hat sich das Ver- hältnis in den letzten zehn Jahren verändert? Antwort zu 6: Zur Beantwortung dieser Frage ver- weise ich auf die nachfolgende Tabelle. Hierbei sei an- gemerkt, dass sich die Differenz zwischen der Zahl der gestellten Anträge und der Zahl der abschließend bearbei- teten Anträge aus der Tatsache ergibt, dass innerhalb eines Jahres nicht nur diejenigen Anträge abschließend bearbeitet werden, die im Jahr gestellt wurden, sondern zusätzlich auch diejenigen, die im Vorjahr gestellt, jedoch im Vorjahr noch nicht abschließend bearbeitet wurden (sogenannter Überhang). Jahr Zahl der gestellten Wohngeldanträge (Erst-, Weiterbe- willigungs- und Er- höhungsanträge) Zahl der ab- schließend bearbei- teten Anträge Zahl der nicht bewilligten Anträge nicht bewilligte Anträge im Ver- hältnis zu abschl. bearb. Anträgen 2004 314.788 324.830 107.462 33% 2005 129.848 156.071 67.659 43% 2006 92.140 101.394 42.495 41% 2007 72.407 75.154 31.394 41% 2008 73.987 67.253 31.898 47% 2009 119.986 112.357 53.054 47% 2010 96.813 104.607 42.918 41% 2011 86.494 88.636 39.637 44% 2012 74.802 77.621 33.380 43% Abgeordnetenhaus Berlin – 17. Wahlperiode Drucksache 17 / 15 486 3 2013 67.279 67.593 31.016 45% 2014 59.689 61.731 29.875 48% Quelle: DiWo Wohngeldfachverfahren– Arbeitsstatistik des jeweiligen Jahres Fragen 7: Wie begründet der Bund, dass sich Berlin trotz angespannter Wohnungslage mit im Bundesver- gleich höchs-ten Mietpreissteigerungen seit Jahren in der Wohngeldstufe IV und immer noch nicht in Stufe V oder VI befindet? Frage 8: Welche Schritte unternimmt der Senat dage- gen? Antwort zu 7 und 8: Das Wohngeldgesetz (s. im De- tail § 12 Wohngeldgesetz [WoGG]) schreibt vor, dass das Statistische Bundesamt das Mietenniveau der Gemeinden auf Basis der Wohngeldstatistik ermittelt. Berücksichtigt werden dabei die Mieten derjenigen Haushalte, für die Mietzuschuss geleistet wird. Das Mietenniveau ist die durchschnittliche prozentuale Abweichung der Quadrat- metermieten von Wohnraum der Gemeinden vom Durch- schnitt des Wohnraums im Bundesgebiet. Entsprechend ihrem Mietenniveau werden die Gemeinden einer der sechs Mietenstufen zugeordnet. Berlin ist in der Mieten- stufe IV verortet, was bedeutet, dass das Mietenniveau Berlins zwischen fünf bis fünfzehn Prozent über dem Bundesdurchschnitt liegt (§ 12 Abs. 5 WoGG). Nach Angaben des zuständigen Bundesministeriums für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit lag das für die Mietenstufenfestlegung im aktuellen Wohn- geldgesetz maßgebliche, auf Grundlage der Wohngeldsta- tistik ermittelte Mietenniveau (aus dem Jahr 2006) in Berlin um zehn Prozent über dem Bundesdurchschnitt. Im Bundesdurchschnitt lagen die Mieten der Hauptmieter- haushalte bei 5,73 Euro je m² und in Berlin dementspre- chend bei 6,28 Euro je m². Daher ist Berlin nach dem Wohngeldgesetz in die Mietenstufe IV einzuordnen ge- wesen. Die vom Bundesministerium für Umwelt, Natur- schutz, Bau und Reaktorsicherheit angestrebte Wohngel- dreform wird eine Neufestlegung der Mietenstufen bein- halten, deren Grundlage das Mietenniveau des Jahres 2012 sein wird. Hier lag Berlin nach Angaben des Bun- desministeriums um zwölf Prozent über dem Bundes- durchschnitt. Im Bundesdurchschnitt lagen die Mieten 2012 bei 6,23 Euro je m² und in Berlin dementsprechend bei 6,96 Euro je m². Die Mieten der Hauptmieterhaushalte sind damit in Berlin mit +11 % seit 2006 etwas stärker als im Bundesdurchschnitt (+9 %) gestiegen. Daher liegt Berlin nach dem Wohngeldgesetz weiterhin in der Mie- tenstufe IV. Die Zugehörigkeit zu einer Mietenstufe weist dem- nach lediglich eine Relation der Gemeinde zum gesamten Bundesgebiet aus. Während in Berlin die Mietpreise ge- stiegen sind, sind sie es in anderen Teilen des Bundesge- bietes, wenn auch in unterschiedlicher Höhe, größtenteils ebenfalls. Anzumerken ist deswegen hierbei, dass sich die einzelnen bei der Wohngeldberechnung berücksichti- gungsfähigen Miethöchstbeträge des § 12 Abs. 1 Wohn- geldgesetz je nach Mietenstufe durch die angestrebte Wohngeldreform deutlich erhöhen sollen, so dass Miet- preissteigerungen hierbei ausreichend Berücksichtigung finden sollen. Nach Angaben des Bundesministeriums sollen die Miethöchstbeträge für die Mietenstufe IV nach bisherigen Kenntnissen um ca. 21 % steigen. Frage 9: Welche Schritte unternimmt der Senat, um sich für eine generelle Erhöhung des Wohngeldes einzu- setzen? Antwort zu 9: Dem Bundesministerium gegenüber be- fürwortet der Senat eine umfangreiche Wohngeldreform mit einer im Ergebnis möglichst großzügigen Wohn- gelderhöhung. Insbesondere befürwortet er ausdrücklich die Einführung einer dynamisierenden Norm im Wohn- geldgesetz, wonach die Entwicklung der Mietpreise in regelmäßigen, gesetzlich bestimmten Abständen überprüft und entsprechend die Zuordnung zu den Mietenstufen sowie die Anpassung der Miethöchstbeträge gesetzlich festgelegt werden sollen. Bislang sieht das Gesetz eine Überprüfung nur im Zusammenhang mit einer Gesetzes- änderung vor. Berlin, den 17. Februar 2015 In Vertretung Prof. Dr.-Ing. Engelbert Lütke Daldrup ................................ Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Umwelt (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 26. Feb. 2015)