Drucksache 17 / 15 490 Schriftliche Anfrage 17. Wahlperiode Schriftliche Anfrage des Abgeordneten Dr. Turgut Altug (GRÜNE) vom 09. Februar 2015 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 10. Februar 2015) und Antwort Wer schützt die Berliner Naturschutz- und Landschaftsschutzgebiete? Die Drucksachen des Abgeordnetenhauses sind bei der Kulturbuch-Verlag GmbH zu beziehen. Hausanschrift: Sprosserweg 3, 12351 Berlin-Buckow · Postanschrift: Postfach 47 04 49, 12313 Berlin, Telefon: 6 61 84 84; Telefax: 6 61 78 28. Im Namen des Senats von Berlin beantworte ich Ihre Schriftliche Anfrage wie folgt: Frage 1: Wie viele Mitarbeiter*innen der Berliner Verwaltung sind für die Kontrolle der Vorgaben und die Verfolgung von Verstößen gegen die Vorgaben der NSG- und LSG-Schutzgebietsverordnungen zuständig und wie hat sich ihre Zahl in den letzten 10 Jahren entwickelt? (bitte nach Bezirken in VZÄ aufschlüsseln) Antwort zu 1: Die Bezirke haben folgende Daten ge- liefert: Bei der Unteren Naturschutzbehörde (UNB) des Be- zirks Charlottenburg-Wilmersdorf sei bis 2012 eine Mit- arbeiterin (MA) oder ein Mitarbeiter mit geschätzt 0,5 VZÄ 1 mit diesen Aufgaben befasst gewesen – seit 2012 zwei Mitarbeiterinnen oder Mitarbeiter mit geschätzt unter 0,1 VZÄ. Aus Lichtenberg wurden gleichbleibend 0,5 VZÄ für Fachaufgaben und Ordnungswidrigkeitsangelegenheiten im Zusammenhang mit Schutzgebieten gemeldet. In Marzahn-Hellersdorf würden die Kontrollen der Vorgaben aus der Schutzgebietsverordnung sowie die Ahndung der Ordnungswidrigkeiten durch das bezirkliche Ordnungsamt, teilweise auch durch die Polizei übernom- men. Der Bezirk Pankow veranschlagt seit 10 Jahren ½ Stelle für diese Aufgaben. In Reinickendorf würden diese Aufgaben „seit Jahren“ von zwei halben Stellen, also einem VZÄ, wahrgenom- men. In Spandau sei durchgehend ein Mitarbeiter der Ver- waltung für die Verfolgung von Verstößen gegen die Vorgaben der NSG 2 - und LSG 3 -Schutzgebietsverordnun- gen zuständig. 1 Vollzeitäquivalent 2 Naturschutzgebiet 3 Landschaftsschutzgebiet In Steglitz-Zehlendorf sind für diese Aufgaben ca. 0,3 VZÄ zu veranschlagen. In den letzten 10 Jahren ergäben hierbei sich keine Veränderungen. Tempelhof-Schöneberg teilt mit, dass die Aufgaben von einer Mitarbeiterin wahrgenommen würden und dass der tatsächliche Aufwand äußerst gering sei, so dass kein Stellenanteil ausgewiesen werden könne. Frage 2: Ist dem Senat bekannt, dass die Bezirke bei der Durchsetzung der Gebote und Verbote der Schutzge- bietsverordnungen unterschiedliche Prioritäten setzen? Wie wird dies begründet und wie bewertet der Senat diese uneinheitliche Verwaltungspraxis? Antwort zu 2: Die Bezirke nehmen ihre Aufgaben im Rahmen der geltenden Rechtsvorschriften jeweils eigen- verantwortlich war. Das bedeutet, dass jeder Bezirk ent- sprechend der jeweiligen Rahmenbedingungen eigenver- antwortlich Prioritäten hinsichtlich der Erfüllung seiner Aufgaben zu setzen hat. Aufgrund durchaus unterschied- licher Rahmenbedingungen geht der Senat davon aus, dass die erforderlichen Prioritätensetzungen in den ein- zelnen Bezirken auch unterschiedlich ausfallen. Aus der Sicht des Senates steht dieses Ergebnis im Einklang mit der geltenden Rechtslage, nach der die verfassungsmäßig gewährleistete Mitwirkung der Bezirke an der Verwaltung zu fördern und zu schützen ist und die Entschlusskraft und Verantwortungsfreudigkeit der bezirklichen Organe nicht beeinträchtigt werden soll. Frage 3: Zu wie vielen Verstößen gegen die Vorgaben der Schutzgebietsverordnungen ist es seit 2010 gekom- men? (bitte nach Bezirken und den jeweiligen NSG und LSG aufschlüsseln) a) Wie wurden diese Verstöße geahndet? Wie viele Abriss- oder Rückbauverfügungen wurden erlassen? Wie viele Fälle wurden als Ordnungswidrigkeit mit einer Geldbuße geahndet? b) Wie viele dieser Verstöße wurden trotz Kenntnis der zuständigen Behörden nicht geahndet? Wie viele Verstöße wurden nachträglich mit oder ohne Auflagen genehmigt? Abgeordnetenhaus Berlin – 17. Wahlperiode Drucksache 17 / 15 490 2 Antwort zu 3: Die Bezirke haben folgende Daten ge- liefert: Die UNB Charlottenburg-Wilmersdorf meldet, dass die entsprechenden Zahlen bis 2012 nicht mit verhältnis- mäßigem Aufwand ermittelbar seien. In 2014 habe es hier eine OWi 4 -Anzeige gegeben. Die Anzahl der Verstöße in Lichtenberg sei nicht be- kannt. Verstöße gegen die Schutzgebiets-VO 5 hätten keine Relevanz bezüglich des Erreichens der Schutzziele. Von den derzeit drei Naturschutzwächtern für ausgewie- sene Schutzgebiete würden gehäuft Verstöße bezüglich unangeleinter Hunde gemeldet. Dem Umwelt- und Naturschutzamt Marzahn- Hellersdorf sei die Anzahl der geahndeten Ordnungswid- rigkeiten nicht bekannt. Es handele sich vorrangig um Verstöße wie freilaufende Hunde, offenes Feuer, Grillen und Zelten. Für Pankow könnten genaue Angaben nicht gemacht werden. Der überwiegende Teil der eingeleiteten OWiG 6 - Verfahren bezögen sich auf Falschparkerinnen und Falschparker in den jeweiligen Schutzgebieten. Nach gezielten und umfangreichen Kontrollen im Jahr 2005/2006, die zu einem Höchststand der eingeleiteten OWiG-Verfahren von 150 geführt hätten, gingen danach die Fallzahlen wieder nach unten und beliefen sich derzei- tig auf ca. 20-25 pro Jahr. Alle weiteren Verfahren, die nicht im Zusammenhang mit Falschparkerinnen und Falschparkern stünden (z.B. illegal errichtete bauliche Anlagen), bewegten sich im unteren einstelligen Bereich pro Jahr. Der Bezirk Reinickendorf führte erst seit 2012, dem Zeitpunkt der Gründung des Umwelt und Naturschutzam- tes, eine Statistik über die Verstöße gegen die Vorgaben der Schutzgebietsverordnungen. Es seien insgesamt 28 Verstöße vermerkt worden. In Spandau sei es seit 2010 zu etwa 790 Verstößen gegen die Vorgaben der Schutzgebietsverordnungen ge- kommen. Eine Aufschlüsselung nach den Landschafts- schutzgebiet (LSG) sei der UNB aus Kapazitätsgründen nicht möglich. In Steglitz-Zehlendorf seien zwei Verstöße geahndet worden – einer im LSG Grunewald und einer im LSG Oskar-Helene-Heim. Aus Tempelhof-Schöneberg wurden keine Verstöße gemeldet. Antwort zu 3 a): In Charlottenburg-Wilmersdorf sei über die eventuelle Einleitung eines Verfahrens noch keine Entscheidung getroffen. 4 Ordnungswidrigkeit 5 Verordnung 6 Ordnungswidrigkeitsgesetz Lichtenberg meldet, eine Ordnungswidrigkeit (Fahren mit einem Kfz im Naturschutzgebiet [NSG] Falkenberger Krugwiesen) mit einem Bußgeld geahndet zu haben. Nach Aussage der dortigen UNB wurden in Marzahn- Hellersdorf keine Abriss- und Rückbauverfügungen erlas- sen. Die Verstöße in Pankow seien über Ordnungswidrig- keitenverfahren geahndet worden. Derzeitig befänden sich insgesamt 2 Rückbauverfügungen im Verfahren. Wie viele dieser OWi-Verfahren tatsächlich mit einer Geldbu- ße geahndet worden seien, könne nicht gesagt werden, da dies durch das zuständige Ordnungsamt durchgesetzt würde. Reinickendorf erklärt, sechs Verwaltungsverfahren eingeleitet zu haben, davon zwei Abrissverfügungen. Zwei Verfahren seien noch nicht abgeschlossen, zwei eingestellt. Außerdem seien insgesamt 22 OWi-Verfahren eingeleitet worden, davon fünf mit Bußgeld abgeschlos- sen, zwölf mit Verwarnungen beendet, drei eingestellt und zwei noch nicht abgeschlossen. Die in Spandau verzeichneten Verstöße seien zu etwa 2/3 mit einer Verwarnung und zu 1/3 als Ordnungswid- rigkeit geahndet sowie drei Abriss- oder Rückbauverfü- gungen erlassen worden. Die UNB Steglitz-Zehlendorf hat nach dortigen An- gaben zwei OWi-Verfahren durchgeführt. In einem Falle sei eine Geldbuße erlassen worden. Antwort zu 3 b): Nach Aussage der UNB Lichtenberg seien dort sämtliche Verstöße geahndet worden, bei denen die Handlungs- oder Zustandsstörerinnen und Handlungs- oder Zustandsstörer ermittelt werden konnten. Da das bezirkliche Ordnungsamt und die Polizei lt. Auskunft des Bezirks fast keine Kontrollen durchführten, hätten bei Verstößen die Verursacherinnen und Verursacher nicht ermittelt werden können. In Marzahn-Hellersdorf würden die mit den Schutzge- bietsverordnungen nicht verträglichen Anfragen in Vor- feld geklärt. Pankow gibt an, dass keine Verstöße bekannt seien, die nicht geahndet worden wären. Es sei bislang 1 Ver- stoß nachträglich mit Auflagen genehmigt worden (LSG „Blankenfelde“). Würden in Reinickendorf Verstöße nicht geahndet, so lägen nach dortiger Angabe zum Teil keine ausreichenden Zeugenaussagen vor bzw. das Verfahren sei noch nicht abgeschlossen. In Spandau seien sämtliche Verstöße geahndet, keiner nachträglich genehmigt worden. Steglitz-Zehlendorf meldet, dass ein Verstoß nicht ge- ahndet worden sei und es dort keine genehmigten Verstö- ße gegeben hätte. Abgeordnetenhaus Berlin – 17. Wahlperiode Drucksache 17 / 15 490 3 Frage 4: In wie vielen Fällen wurden seit 2010 bau- rechtliche Genehmigungen erteilt, die im Widerspruch zu den Vorgaben der Schutzgebietsverordnungen stehen? (bitte nach Bezirken und den jeweiligen NSG und LSG aufschlüsseln) Antwort zu 4: Die Bezirke haben folgende Daten ge- liefert: In Charlottenburg-Wilmersdorf, Lichtenberg, Mar- zahn-Hellersdorf, Pankow und Tempelhof-Schöneberg seien keine baurechtlichen Genehmigungen erteilt wor- den, die im Widerspruch zu den Vorgaben der Schutzge- bietsverordnungen stehen. In Spandau sei eine im Widerspruch zu diesen Vorga- ben stehende baurechtliche Genehmigung erteilt worden. Frage 5: Wie viele Ausnahmen von den Vorgaben der Schutzgebietsverordnungen wurden seit 2010 beantragt und wie viele dieser Anträge wurden genehmigt? Welcher Arte waren diese Ausnahmen? (bitte nach Bezirken und den jeweiligen NSG und LSG aufschlüsseln) Antwort zu 5: Die Bezirke haben folgende Daten ge- liefert: Im Bezirk Charlottenburg-Wilmersdorf seien die dies- bezüglichen Zahlen nicht mit verhältnismäßigem Auf- wand ermittelbar. Im LSG Grunewald seien im 15 Jahre 2013 und im Jahre 2014 neun Ausnahmen beantragt und genehmigt worden; sie beträfen im Wesentlichen Sport- veranstaltungen und Dreharbeiten. In Lichtenberg sei eine Genehmigung erteilt worden. Bei dieser handelte es sich um eine Zuwegung für Mitar- beiterinnen und Mitarbeiter einer angrenzenden Firma in das LSG Falkenberger Krugwiesen. Marzahn-Hellersdorf erklärte, für das LSG Kaulsdor- fer Seen insgesamt sechs Ausnahmegenehmigungen für die jährlich stattfindende Cross-Laufveranstaltung und die Erneuerung des Schmutzwasserkanals sowie vier Zu- stimmungen mit Auflagen für eine Veranstaltung des Vereins Christen in Berlin, ein Foto-Shooting und für Fischbestandsuntersuchungen erteilt zu haben. Des Weite- ren seien für das LSG Hönower Weiherkette vier Aus- nahmegenehmigungen für KITA- und Grundschul- Laufveranstaltungen sowie vier Zustimmungen mit Auf- lagen für eine Reparatur an einer Haupttrinkwasserver- sorgungsleitung, Fischbestandsuntersuchungen und Ge- hölzrückschnitt an einer Nachbargrenze gefertigt worden. Die UNB Pankow antwortete, dass im Bezirk keine Ausnahmen (Befreiungen) erteilt würden, da die Zustän- digkeit hierfür bei der Senatsverwaltung für Stadtentwick- lung und Umwelt läge. Die bezirkliche Zuständigkeit läge nur für Genehmigungstatbestände vor. Die in Reinickendorf beantragten und genehmigten Ausnahmezulassungen hätten Veranstaltungen in Land- schaftsschutzgebieten zum Anlass. Im LSG Tegeler Fließ wurden 28 Anträge gestellt und genehmigt worden, im LSG Jungfernheide zwei, im LSG Heiligensee acht und im LSG Blankenfelde fünf. Im LSG Tegeler Forst Nord- teil seien von 20 Anträgen bisher 16 positiv beschieden worden, im südlichen Teil des Tegeler Forstes von zehn Anträgen bisher acht. Für die Tegeler Inseln sind 8 Anträ- ge gestellt und genehmigt worden. Die Zahlen bezögen sich auf die Zeit seit Gründung des Umwelt- und Natur- schutzamtes Reinickendorf im Jahre 2012. Für den Bezirk Spandau seien seit 2010 etwa 720 Ausnahmen beantragt, davon etwa 600 genehmigt wor- den. Hierbei handele es sich vornehmlich um Verbote des Befahrens und Drehgenehmigungen (zusammen etwa 450) sowie um Baumfällungen (76), Veranstaltungen (44), Baulichkeiten (38) und Leitungsverlegungen (14). Eine Aufschlüsselung nach den LSG wäre der UNB Spandau aus Kapazitätsgründen nicht möglich. Nach Angaben der UNB Steglitz-Zehlendorf seien seit 2010 143 Anträge gestellt worden, 141 (mit Auflagen) genehmigt. Hiervon fielen 104 Anträge auf den Bereich LSG Grunewald (davon zwei versagt), 34 Anträge auf den Bereich LSG Düppeler Forst und fünf Anträge auf den Bereich LSG Heinrich-Lahr-Park. Ca. 80 % der An- träge entfielen auf Lauf- und Wanderveranstaltungen der Vereine und Schulen, ca. 10 % auf Drehgenehmigungen für Filmproduktionen und ca. weitere 10 % auf Baumaß- nahmen von Leitungsverwaltungen in den LSG. Tempelhof-Schöneberg gibt an, für das LSG Wäld- chen am Königsgraben zwei Ausnahmezulassungen zu Sportveranstaltungen erlassen zu haben. Frage 6: Wie hoch schätzt der Senat die Dunkelziffer von Verstößen gegen die Vorgaben der Schutzgebietsver- ordnungen? (bitte nach Bezirken aufschlüsseln) Antwort zu 6: Dem Senat liegen keine Daten vor, auf- grund derer er seriöse Schätzungen über Dunkelziffern von Verstößen gegen Schutzgebietsverordnungen vor- nehmen könnte. Berlin, den 25. Februar 2015 In Vertretung C h r i s t i a n G a e b l e r ................................ Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Umwelt (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 02. Mrz. 2015)