Drucksache 17 / 15 511 Schriftliche Anfrage 17. Wahlperiode Schriftliche Anfrage der Abgeordneten Daniel Buchholz und Ina Czyborra (SPD) vom 11. Februar 2015 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 11. Februar 2015) und Antwort Forschungsreaktor Wannsee (IV): Keine Sicherheit im Katastrophenfall – sind Forderungen aus „Stresstest“ und Sicherheitsüberprüfung endlich vollständig umgesetzt? Die Drucksachen des Abgeordnetenhauses sind bei der Kulturbuch-Verlag GmbH zu beziehen. Hausanschrift: Sprosserweg 3, 12351 Berlin-Buckow · Postanschrift: Postfach 47 04 49, 12313 Berlin, Telefon: 6 61 84 84; Telefax: 6 61 78 28. Im Namen des Senats von Berlin beantworte ich Ihre Schriftliche Anfrage wie folgt: Vorbemerkung: Die Begriffe „Stresstest“ und „Sicherheitsüberprüfung “ bezeichnen im vorliegenden Kontext dasselbe, nämlich die „anlagenspezifische Sicherheitsüberprüfung deutscher Forschungsreaktoren unter Berücksichtigung der Ereignisse in Fukushima“ der Reaktorsicherheitskommission (RSK). Die RSK stellt auf Seite 20 ihrer Stellungnahme für die Kernkraftwerke vom Mai 2011 klar: „Eine solche Überprüfung der Anlagen hinsichtlich ihres Verhaltens bei gegenüber der Auslegung höheren Einwirkungen und bei postulierten Unverfügbar- keiten von Sicherheitssystemen im Sinne eines Stresstest wird erstmalig vorgenommen“ und betont: „Diese Bewertungskriterien dienen allein einer Differenzierung hin- sichtlich der vorhandenen Reserven und stellen keine Regelwerksanforderungen dar.“ In der Sicherheitsüberprüfung wurden auslegungsüberschreitende Einwirkungen betrachtet. Entsprechende Empfehlungen dienen dazu, die „Robustheit“ der Anlagen gegen Einwirkungen, die über die gesetzlich zu unterstellenden Belastungen hinausge- hen, beurteilen und gegebenenfalls Vorsorge treffen zu können. Frage 1: Wie beurteilt der Senat die bisherige Umset- zung der Maßnahmen zur Verbesserung der Sicherheit des Berliner Forschungsreaktors BER II aufgrund des Berichts der Reaktor-Sicherheits-Kommission (RSK) vom 3.5.2012? Antwort zu 1: Die RSK schloss sich in ihrer Einschät- zung bezüglich des BER II weitgehend der Auffassung der Aufsichtsbehörde an. An einigen Stellen identifizierte sie darüber hinausgehenden Prüfbedarf. Dieses Ergebnis wird vom Senat ebenso wie die Umsetzung dieser Maß- nahmen durch die Betreiberin nach wie vor als sinnvoll angesehen. Frage 2: Wie stellt sich dem Senat aktuell der Status der einzelnen Forderungen bzw. Empfehlungen der RSK dar, zu denen er in der Antwort auf unsere Kleine Anfrage Drs. 17/11439 im Februar 2013 berichtet hatte, dass eine Umsetzung noch nicht bzw. nicht vollständig erfolgt sei (detaillierte Auflistung erbeten)? Antwort zu 2: Die in der Antwort zur Kleinen Anfrage Drs. 17/11439 als noch nicht abgeschlossen bezeichneten Maßnahmen haben folgenden Status: - Die Begutachtung der installierten zusätzlichen Regenwasser -Notüberläufe ist mit positivem Ergebnis abgeschlossen worden. - Die im Bereich der Kellerräume installierten Feuchtemelder , die plötzliche massive Wassereinbrüche (z.B. durch Bruch einer Stadtwasserleitung) frühzei- tig erkennen und das Wartenpersonal informieren, sind mit positivem Ergebnis durch den Sachverstän- digen geprüft worden. - Die ergänzende Prüfung von Ermüdungsbeanspruchungen des Abluftkamins durch Windlast ist mit dem Ergebnis abgeschlossen worden, dass hier wei- tere Maßnahmen nicht erforderlich sind. - Inzwischen sind beide Einspeisepunkte für den Anschluss externer Notstromaggregate an die Not- stromversorgung des BER II installiert worden. - Die Einspeisung von Kühlwasser in das Reaktorbecken ist untersucht worden. Als Folge der Untersu- chung sind weitere technische Maßnahmen zur Rückspeisung von Kühlwasser getroffen worden, unter anderem die Installation einer zusätzlichen Förderpumpe. - Vom Betreiber wurde an der Weiterentwicklung des Notfallhandbuchs für den BER II den Empfehlungen der RSK, den „Rahmenempfehlung für die Planung von Notfallschutzmaßnahmen durch die Betreiber von Kernkraftwerken" und der Regel 1203 des Kerntechnischen Ausschusses folgend gearbeitet. Dies ist noch nicht für alle Teile abgeschlossen. Abgeordnetenhaus Berlin – 17. Wahlperiode Drucksache 17 / 15 511 2 - Das zum Zeitpunkt der Beantwortung der o.g. Kleinen Anfrage vorliegende und damals in der Sachver- ständigenprüfung befindliche Brandschutzkonzept hatte sich als nicht in allen Aspekten ausreichend erwiesen und befindet sich derzeit wiederum in der Überarbeitung. Die Vorlage ist vom Betreiber für Februar 2015 angekündigt. Frage 3: Wie wird der Senat sicherstellen, dass alle empfohlenen Maßnahmen vor der Wiederinbetriebnahme des zurzeit abgeschalteten Reaktors durch das Helmholtz Zentrum Berlin (HZB) umgesetzt sind? Antwort zu 3: Die RSK stellte fest, dass die in ihrer Stellungnahme für die Forschungsreaktoren ausgewiese- nen Kriterien allein einer Bewertung der vorhandenen Reserven dienen. Sie stellen keine Sicherheitsanforderun- gen im Sinne eines Regelwerks dar, wie sie Vorausset- zung der Genehmigung einer kerntechnischen Anlage sind und deren Einhaltung im laufenden Betrieb ständig nachzuweisen ist. Es gibt daher keinen Grund, das Wie- deranfahren des Reaktors von der Umsetzung der Hinwei- se der RSK abhängig zu machen. Frage 4: Wird der Senat vor dem Hintergrund der Rechtsprechung über die Festsetzung von Flugrouten im Berliner Luftraum einen weiteren Antrag zur Ausweitung des Flugbeschränkungsgebietes über dem Forschungsre- aktor BER II stellen und falls nein, warum hält er dies nicht für erforderlich? Antwort zu 4: Auf die Antwort zu Frage 6 der Kleinen Anfrage Drs. 17/11439 wird verwiesen. An der Bewer- tung seitens des Senats hat sich seitdem nichts geändert. Frage 5: Wie lange ist sichergestellt, dass die aus den USA gelieferten Uranbrennstäbe nach dem Gebrauch wieder dorthin zurückgebracht werden? Antwort zu 5: Auf die Antworten zu Fragen 4 und 5 der Schriftlichen Anfrage Drs. 17/13691 wird verwiesen. Frage 6: Wie schätzt der Senat die Sicherheit der Bür- gerinnen und Bürger in Potsdam und Berlin bei einem terroristischen Angriff aus der Luft oder am Boden auf den BER II ein? Antwort zu 6: Der Senat kann an dieser Stelle nicht für die Regierung des Landes Brandenburg sprechen. Ungeachtet dessen gibt es eine aktuelle Katastrophen- schutzplanung für die Umgebung des Forschungsreaktors, die von einer maximalen Freisetzung des radioaktiven Inventars des Forschungsreaktors ausgeht ohne Annah- men dafür zu treffen, unter welchen Umständen diese eintreten könnte. Die Art eines terroristischen Angriffs spielt daher für diese Katastrophenschutzplanung keine Rolle. Frage 7: Sind für den Fall eines Flugzeugabsturzes mit anschließender Kernschmelze des BER II seit unserer Kleinen Anfrage Drs. 17/11439 weitergehende Überle- gungen und Maßnahmen für eine verbesserte Sicherheit eingeleitet worden und wenn nein, warum nicht? Welche Ergebnisse hatten die diesbezüglichen, 2013 noch laufen- den Diskussionen zwischen Behörden, Sachverständigen, dem Betreiber und externen Fachorganisationen? Antwort zu 7: Es wurden weitergehende Überlegun- gen angestellt, deren Ergebnis mittlerweile der RSK vor- gelegt wurde. Der Senat möchte dem Beratungsergebnis der RSK, deren Befassung mit der Thematik für das Früh- jahr 2015 angekündigt wurde, nicht vorgreifen. Frage 8: Erscheint der Standard des BER II hinsicht- lich Sicherung und Zugänglichkeit des Geländes dem Senat aus heutiger Sicht noch als ausreichend? Welche zusätzlichen Sicherungsmaßnahmen würden die Sicher- heit grundsätzlich verbessern und gibt es für deren Um- setzung einen Zeitplan? Antwort zu 8: Die Sicherungsmaßnahmen am BER II entsprechen allen bundeseinheitlichen Anforderungen. Sie wurden und werden im Übrigen nicht nur kontinuierlich von der Betreiberin entsprechend dem Stand der Technik weiterentwickelt, sondern dies wird wiederum von der Aufsichtsbehörde mit Sachverständigenunterstützung begleitet. Berlin, den 19. Februar 2015 In Vertretung Christian Gaebler ................................ Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Umwelt (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 24. Feb. 2015)