Drucksache 17 / 15 564 Schriftliche Anfrage 17. Wahlperiode Schriftliche Anfrage der Abgeordneten Burgunde Grosse (SPD) vom 16. Februar 2015 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 17. Februar 2015) und Antwort Programm „Schwitzen statt Sitzen“ Die Drucksachen des Abgeordnetenhauses sind bei der Kulturbuch-Verlag GmbH zu beziehen. Hausanschrift: Sprosserweg 3, 12351 Berlin-Buckow · Postanschrift: Postfach 47 04 49, 12313 Berlin, Telefon: 6 61 84 84; Telefax: 6 61 78 28. Im Namen des Senats von Berlin beantworte ich Ihre Schriftliche Anfrage wie folgt: Vorbemerkung: Es wird davon ausgegangen, dass mit „Schwitzen statt Sitzen“ die in Berlin aufgrund der Ersatzfreiheitsstrafen -Tilgungsverordnung unter der Be- zeichnung „Arbeit statt Strafe“ durchgeführten Maßnahmen der Staatsanwaltschaft, der Sozialen Dienste der Justiz sowie der beteiligten freien Träger gemeint sind. 1. Wie viele Personen wurden in den Jahren 2012, 2013 und 2014 zu einer Ersatzfreiheitsstrafe verurteilt und wie viele haben deren Vollstreckung durch freie Arbeit abgewendet? Zu 1.: Die Verurteilung zu einer Ersatzfreiheitsstrafe ist rechtlich nicht möglich. Vielmehr tritt die Ersatzfrei- heitsstrafe immer nur an die Stelle einer uneinbringlichen Geldstrafe (§ 43 des Strafgesetzbuches). Ist eine Geldstra- fe uneinbringlich, kann die Geldstrafenschuldnerin oder der Geldstrafenschuldner bereits vor der Anordnung der Vollstreckung der Ersatzfreiheitsstrafe einen Antrag auf Tilgung der Geldstrafe durch freie Arbeit stellen. Auch nach Anordnung der Vollstreckung oder sogar wenn der Vollzug bereits begonnen hat, kann die (weitere) Voll- streckung durch Gestattung der freien Arbeit noch abge- wendet werden. In folgendem Umfang wurde eine bereits angeordnete Ersatzfreiheitsstrafe in freie Arbeit umgewandelt: - 2012: 2.025 - 2013: 2.816 - 2014: 2.965 Insgesamt wurden in den Jahren 2012 bis 2014 durch die Staatsanwaltschaft Berlin in folgendem Umfang Auf- träge zur Vermittlung in freie Arbeit an die Sozialen Dienste der Justiz sowie an freie Träger erteilt: - 2012: 4.867 Aufträge - 2013: 4.702 Aufträge - 2014: 4.573 Aufträge Ein Auftrag entspricht dabei einer zu einer Geldstrafe verurteilten Person, die einen Antrag auf freie Arbeit gestellt hat, welcher genehmigt wurde. Im Falle geringer Geldstrafen von bis zu 20 Tagessät- zen wird die Vermittlung in freie Arbeit auch von der Staatsanwaltschaft selbst vorgenommen. Diese Vermitt- lungen fließen in obige Aufstellung mangels statistischer Erfassung nicht ein, dürften jedoch ohnehin marginal sein. Das gilt ebenso für die zu 2. bis 4. mitgeteilten Zah- len, bei denen die staatsanwaltschaftlichen Vermittlungen ebenfalls nicht berücksichtigt werden können. 2. Wie viele Hafttage wurden durch die Teilnahme an diesem Programm vermieden und welche Kostenersparnis für den Landeshaushalt war damit verbunden? Zu 2.: Die ersparten Hafttage ergeben sich aus den in den Jahren jeweils durch freie Arbeit getilgten Tagessät- zen: - 2012: 135.318 Hafttage; entspricht bei einem Tageshaftkos- tensatz von 111,48 Euro (Stand: 2012, ohne Baukosten) einer rechnerischen Einsparung von 15.085.251,00 Euro. - 2013: 130.294 Hafttage; entspricht bei einem Tageshaftkos- tensatz von 116,00 Euro (Stand: 2013, ohne Baukosten) einer rechnerischen Einsparung von 15.114.104,00 Euro. - 2014: 119.580 Hafttage; entspricht bei einem Tageshaftkos- tensatz von 116,00 Euro (Stand: 2013, ohne Baukosten, da 2014 noch nicht bekannt) einer rechnerischen Einspa- rung von 13.871.280,00 Euro. Es ist darauf hinzuweisen, dass ein Rückgang der Zah- len nicht zwangsläufig eine höhere Zahl an Inhaftierten bedeutet. In den letzten Jahren ist vielmehr festzustellen, Abgeordnetenhaus Berlin – 17. Wahlperiode Drucksache 17 / 15 564 2 dass eine größere Bereitschaft zur (vorrangigen) Raten- zahlung besteht. Auch im Rahmen der „Arbeit-stattStrafe “-Programme konnten zu einem nicht unerheblichen Teil Ratenzahlungsvereinbarungen bei Geldstrafen er- reicht und hierdurch Inhaftierungen und Hafttage vermie- den werden. Die durch Vermittlung der Staatsanwalt- schaft ersparten Hafttage fließen in die o. g. Berechnung wiederum nicht ein. 3. Wie viele Tagessätze müssen die Programmteil- nehmerinnen und -teilnehmer durchschnittlich abarbeiten? Zu 3.: Die Verurteilten müssen durchschnittlich etwa 60 Tagessätze abarbeiten. 4. Wie viele Teilnehmerinnen und Teilnehmer brechen die Maßnahme ab? Zu 4.: - 2012: 1.428 - 2013: 1.412 - 2014: 1.288 Anzumerken ist, dass in den oben genannten Zahlen auch Fälle enthalten sind, in denen die freie Arbeit gar nicht erst aufgenommen wurde oder ein Kontakt zum Verurteilen nicht hergestellt werden konnte. Ebenso kann es Fälle geben, in denen die freie Arbeit abgebrochen worden ist, es später aber dennoch zur Tilgung der offe- nen Restgeldstrafe durch Zahlung der/des Verurteilten gekommen ist. 5. Welche Arten von Tätigkeiten werden dabei ausge- übt? Zu 5.: Die Ersatzfreiheitsstrafen-Abwendungsver- ordnung definiert freie Arbeit als „jede gemeinnützige oder im öffentlichen Interesse liegende, allgemein zusätz- liche unentgeltliche Beschäftigung“. Die Sozialen Dienste der Justiz führen eine Liste der Beschäftigungsstellen, wobei aktuell mit 611 Stellen Kooperationsvereinbarun- gen abgeschlossen sind. Darüber hinaus werden auf der Liste etwa 800 gemeinnützige Einrichtungen geführt, die sporadisch Einsatzplätze anbieten können. Die Beschäftigungsstellen bieten überwiegend Tätig- keiten an, die von jeder/jedem Verurteilten, die/der über eine durchschnittliche körperliche Belastbarkeit verfügt, verrichtet werden können. Dies sind beispielsweise: - hausmeisterliche und handwerkliche Hilfsarbeiten, - Grünpflege, - Reinigungstätigkeiten, - Küchendienste, - Betreuungstätigkeiten. Die Beschäftigung kann dabei in einer Vielzahl unter- schiedlicher Einrichtungen (Schulen, Kindertagesstätten, Senioreneinrichtungen, Krankenhäuser, Sportvereine, kulturelle Einrichtungen etc.) erfolgen. 6. Welche Bezirke haben das Programm als Auftrag- geber für welche Arten von Tätigkeiten unterstützt? Zu 6.: Sämtliche Bezirksämter sind mit nachgeordne- ten Teileinrichtungen auf der Liste der Beschäftigungs- stellen vertreten. In der Regel handelt es sich um Schulen in bezirklicher Trägerschaft und kulturelle Einrichtungen. Das Tätigkeitsspektrum entspricht dem unter 5. aufge- führten Katalog. Die Vermittlung der verurteilten Perso- nen wird dabei entsprechend den Erfordernissen der Ein- richtung vorgenommen. So erfolgt beispielsweise keine Vermittlung an Schulen bei Gewalt- und Drogendelikten. 7. Wie viele dieser Bezirke haben das Programm für Sanierungs- bzw. Renovierungsarbeiten in Schulen ge- nutzt? Zu 7.: Es bestehen Kooperationsvereinbarungen mit einer Vielzahl von Schulen im gesamten Berliner Stadt- gebiet, hierbei sind sämtliche Bezirke vertreten. Es kann davon ausgegangen werden, dass ein nicht unerheblicher Teil von Arbeitsstunden über hausmeisterliche Hilfstätig- keiten auch in Renovierungsarbeiten investiert werden konnte. Seitens des freien Trägers sbh e.V. (Straffälligen- und Bewährungshilfe e. V.) werden zudem verurteilte Perso- nen an den eigenen gemeinnützigen Beschäftigungsgeber (gbg) vermittelt. Der Beschäftigungsgeber kooperiert in Charlottenburg-Wilmersdorf eng mit dem Bezirksamt, so dass in diesem Bezirk eine kontinuierliche Arbeit im Bereich der Schulraumverbesserung stattfindet. Auch mit anderen Bezirksämtern finden Gespräche seitens der sbh statt, um eine Zusammenarbeit im Bereich der Schulreno- vierung zu etablieren. Berlin, den 2. März 2015 In Vertretung Straßmeir Senatsverwaltung für Justiz und Verbraucherschutz (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 06. Mrz. 2015)