Drucksache 17 / 15 573 Schriftliche Anfrage 17. Wahlperiode Schriftliche Anfrage des Abgeordneten Martin Delius (PIRATEN) vom 16. Februar 2015 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 18. Februar 2015) und Antwort Fährt der Senat die Idee des elektronischen Klassenbuchs nach drei Jahren endlich her- unter? Die Drucksachen des Abgeordnetenhauses sind bei der Kulturbuch-Verlag GmbH zu beziehen. Hausanschrift: Sprosserweg 3, 12351 Berlin-Buckow · Postanschrift: Postfach 47 04 49, 12313 Berlin, Telefon: 6 61 84 84; Telefax: 6 61 78 28. Im Namen des Senats von Berlin beantworte ich Ihre Schriftliche Anfrage wie folgt: 1. Vor drei Jahren, im März 2012 plante die Senats- verwaltung für Bildung, Jugend und Wissenschaft ein elektronisches Klassenbuch in allen allgemeinbildenden Schulen einzuführen, um eine Unterstützungsmöglichkeit zur Verringerung von Schuldistanz zu erhalten. Ziel war es, Erziehungsberechtigte über das elektronische Klassen- buch per SMS über das Fehlen ihres Kindes in der Schule zu informieren. Laut der Anfrage 17/11155 sollte ein Jahr später, vor zwei Jahren, mit Beginn des zweiten Schuljah- res 2012/2013, eine Pilotphase an zehn ausgewählten Schulen gestartet und evaluiert werden. Laut der Roten Nr. 0820 L vom 4. November 2014 wurde diese nur an einer Schule begonnen. a) Wann wurde mit dieser Pilotphase und mit der Evaluierung an welcher Schule tatsächlich begonnen? b) Wann werden die Pilotphase und die Evaluation an der Schule beendet? c) Warum kam es zu keiner Pilotphase an den weite- ren neun Schulen? Zu 1.: Die im März 2012 angekündigte Einführung des elektronischen Klassenbuchs als technische Unter- stützung bei schulischen Maßnahmen zur Verringerung der Schuldistanz war mit der Planung einer Pilotphase an zehn interessierten Schulen verknüpft. Die damalige Pla- nung ging davon aus, dass die vorhandene IT- Infrastruktur der teilnehmenden Schulen für den Betrieb des elektronischen Klassenbuchs genutzt werden könnte. Erste detaillierte Betrachtungen der standortbezogenen Voraussetzungen ergaben jedoch Bedenken in den Berei- chen Datenschutz und IT-Sicherheit bezüglich eines so- fortigen Starts des Vorhabens. In der Folgezeit wurde nach entsprechenden Lösungen gesucht, diese sicherheits- relevanten Bedenken auf verschiedensten Ebenen durch geeignete technische Maßnahmen auszuräumen. Letztlich zeichnete sich ab, dass weitere Investitionen in die IT- Infrastruktur der teilnehmenden Schulen erforderlich waren. Daher hatte die Senatsverwaltung für Bildung, Jugend und Wissenschaft entschieden, das elektronische Klassenbuch zunächst nur an einer Schule zu erproben. Das Oberstufenzentrum Kraftfahrzeugtechnik bot hierfür die besten technischen Voraussetzungen. Mit großem Engagement führten die Schulleitung und einige Lehr- kräfte einen ersten Erprobungsbetrieb bezüglich der Pra- xistauglichkeit des elektronischen Klassenbuchs in aus- gewählten Klassen durch. In dieser Phase wurden noch keine Echtdaten erfasst und keine SMS versendet. Zum Februar 2014 begann im Oberstufenzentrum Kraftfahrzeugtechnik der Testbetrieb mit Echtdaten in sechs Klassen. Erste Evaluationsmaßnahmen wurden vereinbarungsgemäß zum Ende des Schuljahres 2013/2014 durchgeführt und im Schuljahr 2014/2015 fortgesetzt. Die Evaluation ist mittlerweile nahezu abge- schlossen. Der Evaluationsbericht wird kurzfristig fertig- gestellt. 2. Welche bisherigen Erkenntnisse wurden aus der Pilotphase und aus der Evaluation gewonnen? a) Wie bewertet der Senat diese Erkenntnisse? 3. Konnte in der Pilotphase festgestellt werden, dass die Zahl der Schulabstinenz abgenommen hat? a) Wenn ja, wie lässt sich welcher Rückgang mit der Einführung des elektronischen Klassenbuchs erklären? b) Wenn nein, stellt der Senat nun endlich fest, dass ein elektronisches Klassenbuch kein geeignetes Instru- ment ist, um Schulabstinenz zu verhindern? Zu 2. und 3.: Ein direkter Zusammenhang zwischen der Anzahl unentschuldigter Fehlzeiten und dem Einsatz des elektronischen Klassenbuchs konnte im Betrach- tungszeitraum nicht ermittelt werden. Die am Testbetrieb teilnehmenden Klassen waren einjährige Bildungsgänge bzw. Abschlussklassen mehrjähriger Bildungsgänge, so dass mögliche Vergleichswerte für die Darstellung einer Entwicklung derzeit nicht vorliegen. Zudem ist der Ein- satz und die Wirkung des elektronischen Klassenbuchs in der Praxis nur schwer isoliert zu betrachten. Vielmehr stellt sich das elektronische Klassenbuch als Bestandteil Abgeordnetenhaus Berlin – 17. Wahlperiode Drucksache 17 / 15 573 2 eines schulischen Konzepts gegen Schuldistanz dar. Wel- cher Teil des Konzepts letztlich entscheidende Auswir- kungen auf die statistisch erhobenen Werte hat, ist nur schwer nachzuvollziehen. Dennoch erfährt das elektroni- sche Klassenbuch eine sehr positive Resonanz bei den Beteiligten am Oberstufenzentrum Kraftfahrzeugtechnik. Es unterstützt technisch die Maßnahmen des schulischen Konzepts gegen Schuldistanz durch die Möglichkeit der sofortigen Kontaktaufnahme per SMS bei unentschuldig- ten Fehlzeiten. Die Schule versteht die versendete SMS vor allem als zugewandtes Signal an die Schülerin bzw. den Schüler dahingehend, dass einerseits konsequent auf den regelmäßigen Schulbesuch geachtet wird, andererseits aber ein Interesse an jeder bzw. jedem Einzelnen besteht. Darüber hinaus ergab der Testbetrieb ein erhebliches Potential des elektronischen Klassenbuchs als Kommuni- kationsplattform, die den pädagogischen Austausch der in der Klasse unterrichtenden Lehrkräfte deutlich fördert. Nicht zuletzt schätzen die Beteiligten die Funktionalitäten des elektronischen Klassenbuchs, die sie bei administrati- ven Aufgaben unterstützen und somit einen Beitrag zur Entbürokratisierung leisten. Für weitere Details wird auf die Aussagen im angekündigten Evaluationsbericht ver- wiesen. 4. Laut der Antwort des Senats auf die Mündliche Anfrage vom 30. August 2012, Drs. 17/20142 sollte in der Pilotphase die Software „WebUntis“ der Firma Gruber und Petters eingesetzt werden. Ist das über den gesam- ten Zeitraum tatsächlich geschehen? a) Wenn nein, welche alternative oder welche weitere Software welcher Firmen wurde verwendet und warum? b) Welche konkreten Erfahrungen wurden in der Pi- lotphase mit der jeweiligen Software bisher gemacht? Zu 4.: Während des Testbetriebs mit Echtdaten im Oberstufenzentrum Kraftfahrzeugtechnik wurde aus- schließlich die Software „WebUntis“ der Firma Gruber & Petters für das elektronische Klassenbuch verwendet. Die Ergebnisse der Evaluation verdeutlichen, dass die Soft- ware die gestellten Anforderungen z. B. hinsichtlich der Bedienung, des Datenschutzes und der IT-Sicherheit erfüllt. Das elektronische Klassenbuch wurde in der Test- schule an Stelle des Klassenbuchs in Papierform geführt und von den Beteiligten grundsätzlich als geeignet akzep- tiert. Für weitere Details wird auf die Aussagen im ange- kündigten Evaluationsbericht verwiesen. 5. Gibt es einen konkreten Zeitplan zur Einführung des elektronischen Klassenbuchs in weiteren oder gar in allen allgemeinbildenden Schulen Berlins? a) Wenn ja, wie sieht dieser aus? b) Wenn nein, ist davon auszugehen, dass die Idee des elektronischen Klassenbuchs nach drei Jahren inzwi- schen gescheitert ist? Zu 5.: Der bisherige Testbetrieb erfolgte ausschließ- lich vor dem Hintergrund der organisatorischen und pä- dagogischen Besonderheiten eines Oberstufenzentrums. Daher gibt es seitens der Senatsverwaltung für Bildung, Jugend und Wissenschaft Überlegungen, das elektroni- sche Klassenbuch im Schuljahr 2015/2016 auch an einer Integrierten Sekundarschule sowie einer Grundschule zu erproben. Die Test- und Evaluationsgrundlage vergrößert sich auf diese Weise um weitere Schularten und zum Teil andere schulische Rahmenbedingungen, z. B. hinsichtlich der Schülerklientel, des sozialen Umfeldes, der pädagogi- schen Schwerpunktsetzung und der verwendeten IT- Infrastruktur. Im Anschluss an diese zusätzliche Erprobung soll auf der Grundlage einer Gesamtevaluation über die weitere Ausrichtung des Vorhabens beschlossen werden. Dazu muss eine verlässlich begründete Abwägung des pädago- gischen Nutzens und des Beitrags zur Entbürokratisierung bestimmter administrativer Aufgaben im Schulalltag gegenüber den erforderlichen Investitionen zur Gewähr- leistung von Datenschutz und IT-Sicherheit erfolgen. Danach ist eine Entscheidung geplant, ob es eine flächen- deckende Einführung des elektronischen Klassenbuchs oder ein Angebot für einzelne interessierte Schulen oder eine Einstellung des Vorhabens gibt. Berlin, den 02. März 2015 In Vertretung Mark Rackles Senatsverwaltung für Bildung, Jugend und Wissenschaft (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 04. Mrz. 2015)