Drucksache 17 / 15 579 Schriftliche Anfrage 17. Wahlperiode Schriftliche Anfrage des Abgeordneten Christopher Lauer (PIRATEN) vom 17. Februar 2015 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 18. Februar 2015) und Antwort Speicherung Personengebundener Hinweise (PHW) (VII): „Betäubungsmittelkonsument“ und „Konsument harter Drogen“ Die Drucksachen des Abgeordnetenhauses sind bei der Kulturbuch-Verlag GmbH zu beziehen. Hausanschrift: Sprosserweg 3, 12351 Berlin-Buckow · Postanschrift: Postfach 47 04 49, 12313 Berlin, Telefon: 6 61 84 84; Telefax: 6 61 78 28. Im Namen des Senats von Berlin beantworte ich Ihre Schriftliche Anfrage wie folgt: 1. Im Land Berlin werden u.a. die personengebunde- nen Hinweise (PHW) „Betäubungsmittelkonsument“ (BTM-Konsument) und „Konsument harter Drogen“ im Polizeilichen Landessystem zur Information, Kommuni- kation und Sachbearbeitung (POLIKS) vergeben. Welche konkreten Voraussetzungen müssen vorliegen, damit diese Hinweise jeweils vergeben werden? Zu 1.: Der Personengebundene Hinweis (PHW) „Betäubungsmittelkonsument “ (BTMK) darf nur vergeben werden, wenn Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass die bzw. der Betroffene missbräuchlich Stoffe gemäß den gültigen Anlagen des Betäubungsmittelgesetzes (BtMG) oder Ausweichmittel/ Ersatzstoffe konsumiert und daraus nicht unerhebliche Gesundheitsgefahren für ihn selbst oder Gefahren für andere, insbesondere Polizeibedienste- te, resultieren können. Dieser PHW dient dem Schutz der einschreitenden Polizeibediensteten und der bzw. des Betroffenen, indem Betäubungsmittelkonsumenten erfasst werden, bei denen aufgrund der Art des Betäubungsmittels (Btm) oder des Btm-Konsums unvorhersehbare Verhaltensweisen oder Verletzungen (bspw. auch durch Fixerbestecke) für Poli- zeibedienstete oder Dritte möglich sind. Der PHW „Konsument harter Drogen“ kann für Personen vergeben werden, die harte Betäubungsmittel, wie z.B. Heroin, Kokain oder Amphetamine konsumieren/ /missbrauchen. 2. Wie viele Berliner*innen konsumieren nach Schätzungen des Senats aktuell Cannabis und wie viele harte Drogen? Zu 2.: Im Rahmen des Epidemiologischen Suchtsur- veys 2012, einer Repräsentativerhebung zum Gebrauch und Missbrauch psychoaktiver Substanzen bei Jugendli- chen und Erwachsenen, wurde die Berliner Bevölkerung im Alter von 15- bis 64 Jahren zum Konsum legaler und illegaler Drogen befragt. Demnach leben schätzungsweise in der oben genannten Altersgruppe 139.000 Konsumen- ten illegaler Drogen (überwiegend Cannabis) in Berlin. Die Anzahl derjenigen, die sog. harte Drogen konsu- mieren, werden im jährlichen Lagebild Rauschgiftkrimi- nalität hinsichtlich des erstauffälligen Konsums erfasst. Erstauffällige Konsumenten harter Drogen (EKhD) sind solche Personen, die im Berichtszeitraum erstmals von Polizei oder Zollbehörden in Verbindung mit dem Missbrauch harter Drogen erfasst wurden. Es kann sich dabei sowohl um seit Jahren Schwerstabhängige, aber den Behörden bislang nicht bekannt gewordene, als auch um „Probierer“ oder Gelegenheitskonsumenten/Gelegenheitskonsumentinnen handeln. Im zuletzt vorliegenden Lage- bild für 2013 waren 1.210 EKhD verzeichnet, was einer Zunahme um 5%-Punkte gegenüber 2012 entspricht. 3. Wie unterscheiden sich die konkreten Vorausset- zungen für die Vergabe der PHW „BTM-Konsument“ (151.533 erfasste Personen, Stand: 20.8.2014) und „Konsument harter Drogen“ (2.885 erfasste Personen, Stand: 20.8.2014)? Zu 3.: Siehe Antwort zu Frage 1. 4. Welche konkreten Umstände machen es erforder- lich, dass sowohl der bundeseinheitliche PHW „BTMKonsument “ als auch der berlinspezifische PHW „Konsument harter Drogen“ im Land Berlin vergeben werden? Abgeordnetenhaus Berlin – 17. Wahlperiode Drucksache 17 / 15 579 2 Zu 4.: Wie in der Antwort zu Frage 1 erläutert, dient der PHW „BTMK“ vornehmlich dem Schutz der Betroffenen und der einschreitenden Polizeibediensteten. Die Vergabe ist nicht an konkrete Betäubungsmittel oder entsprechende Ausweichmittel/Ersatzstoffe gebunden und signalisiert den Polizeibediensteten, dass aufgrund von Tatsachen oder vorliegenden Anhaltspunkten mit unvor- hersehbaren Verhaltensweisen oder Verletzungsrisiken zu rechnen ist. Der PHW „Konsument harter Drogen“ soll auf die regelmäßig zu unterstellende höhere Abhängigkeit durch den Missbrauch entsprechender Drogen und die daraus resultierenden psychischen und physischen Auswirkungen aufmerksam machen, deren Kenntnis für polizeiliche Maßnahmen (bspw. Durchsuchungen, Vernehmungen) relevant sein könnte. 5. Zu welchen unterschiedlichen Zwecken (Eigensi- cherung der eingesetzten Polizeidienstkräfte, taktischer Hinweis etc.) werden die PHW „BTM-Konsument“ und „Konsument harter Drogen“ jeweils vergeben? Zu 5.: Siehe Antwort zu Frage 4. 6. Welchen konkreten Nutzen (z.B. Warnung vor möglichem Spritzbesteck, durch das Polizeibediensete verletzt werden können) soll die Erfassung der PHW „BTM-Konsument“ und „Konsument harter Drogen“ jeweils für die polizeiliche Arbeit bringen? Zu 6.: Der Nutzen der PHW liegt in der Sensibilisie- rung der Polizeibediensteten für etwaige Gefahren durch unvorhersehbare Verhaltensweisen, Verletzungsmöglich- keiten und die gegebenenfalls notwendige und entspre- chend zu veranlassende medizinische Intervention. 7. An wie viele Personen ist sowohl der PHW BTM- Konsument“ als auch der PHW „Konsument harter Drogen “ vergeben? Zu 7.: Beide PHW sind gleichzeitig an insgesamt 2013 Personen vergeben. 8. Wann wurde der landesspezifische PHW „Konsument harter Drogen“ im Land Berlin eingeführt und warum ? Zu 8.: Der PHW „Konsument harter Drogen“ wurde im Land Berlin im Jahre 2002 aus den in den Antworten zu den Fragen 1 und 4 genannten Gründen eingeführt. 9. Für Konsument*innen welcher Drogen wird der PHW „Konsument harter Drogen“ im Land Berlin vergeben ? Zu 9: Der PHW „Konsument harter Drogen“ wird für Konsumenten von Heroin, Kokain, LSD, Amphetaminen und Opioiden bzw. weiteren Stoffen, die mit einem star- ken Abhängigkeits- und/oder Rauschpotenzial verbunden sind, vergeben. 10. Wird der PHW „Konsument harter Drogen“ auch an Personen vergeben, die lediglich Cannabis konsumie- ren? Zu 10.: Nein. 11. Wie viele Personen im Land Berlin sind mit dem PHW „BTM-Konsument“ belegt, die lediglich mit einer geringen Menge Cannabis (bis 15 Gramm) angetroffen wurden? Zu 11.: Da eine Differenzierung auf Grundlage der Menge nicht vorgenommen wird, sind hierzu sind keine Angaben möglich (siehe auch Antwort zu 1.). 12. Was versteht der Senat unter einem „missbräuchlichen “ Konsum von Cannabis und wie kann dieser von den eingesetzten Polizeikräften vor Ort bei konkreten polizeilichen Maßnahmen festgestellt werden? Zu 12.: Die Polizei hat Verstöße gegen das BtMG ge- mäß § 29 BtMG zu verfolgen, u.a. den Besitz von Betäu- bungsmitteln. Jeder nicht durch den Gesetzgeber legiti- mierte Umgang mit Betäubungsmitteln aufgrund einer Ausnahmeerlaubnis nach § 3 Absatz 2 BtMG für Canna- bis zu medizinischen Zwecken ist missbräuchlich. Missbrauch ist ein fehlangepasstes Muster von Sub- stanzgebrauch, das sich in wiederholten und deutlich nachteiligen Konsequenzen infolge des wiederholten Konsums manifestiert. Anhaltspunkte für den Konsum von Betäubungsmit- teln bestehen für ausgebildete Polizeibedienstete gegebe- nenfalls in äußeren Anzeichen wie z.B. geröteten Augen, erweiterten Pupillen, verzögerten Reaktionen, unkontrol- liertem Lachen, starkem Redebedürfnis. Der Anfangsver- dacht kann vor Ort mittels Schnelltest geprüft werden. Unter Umständen sind weitergehende Untersuchungen (Urinprobe, Laboranalyse) erforderlich. 13. Welche nicht unerheblichen konkreten Gesund- heitsgefahren durch den Konsum einer geringen Menge Cannabis (bis 15 Gramm) konnten für die Konsu- ment*innen selbst oder andere, insbesondere Polizeibe- diensteten, in der Vergangenheit festgestellt werden? Zu 13.: Hierzu werden keine Angaben erhoben. Abgeordnetenhaus Berlin – 17. Wahlperiode Drucksache 17 / 15 579 3 14. Der Pressesprecher der Polizei Berlin soll sich laut Berliner Zeitung (vgl. Berliner Zeitung am 14.02.2015,“Soso, Sie nehmen also Drogen...“) im Zusammenhang mit der Vergabe des PHW „BTMKonsument “ wie folgt geäußert haben: „Das die Vergabe vor allem die Nutzer harter Drogen wie Heroin betreffe ... an deren Spritzenbesteck sich Polizisten möglicherweise verletzen und infizieren können“. Ist diese Aussage nicht vielmehr auf den PHW „Konsument harter Drogen“ anwendbar und nicht auf den PHW „BTM-Konsument“ um den es in dem Artikel ging? Zu 14.: Es gibt Fälle, in denen die parallele Vergabe erfolgt (siehe Antwort zu Frage 7). 15.:Laut dem Pressesprecher der Polizei Berlin ent- scheiden die Sachbearbeiter*innen der Polizei im Einzel- fall, ob sie im PC das Feld BTMK anklicken (vgl. Berli- ner Zeitung vom 14.02.2015, „Soso, Sie nehmen also Drogen...“). Durch welche Maßnahmen und in welchen zeitlichen Abständen werden diese Eintragungen durch die Fachaufsicht auf ihre Richtigkeit kontrolliert? Zu 15.: Die jeweilige Erfassung wird durch die Vor- gesetzten spätestens mit dem Abschluss der Ermittlungen überprüft. 16. Wie oft sind seit dem Jahr 2012 Personen nach Cannabiskonsum aggressiv aufgetreten und polizeilich aufgefallen? (vgl. Aussage des Pressesprechers der Poli- zei Berlin in Berliner Zeitung am 14.02.2015, „Soso, Sie nehmen also Drogen...“). Zu 16.: Hierzu werden keine Angaben erhoben. Berlin, den 02. März 2015 In Vertretung Bernd Krömer Senatsverwaltung für Inneres und Sport (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 10. Mrz. 2015)