Drucksache 17 / 15 586 Schriftliche Anfrage 17. Wahlperiode Schriftliche Anfrage des Abgeordneten Dr. Klaus Lederer (LINKE) vom 18. Februar 2015 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 19. Februar 2015) und Antwort Ausweisungen in Berlin und Justizvollzug Die Drucksachen des Abgeordnetenhauses sind bei der Kulturbuch-Verlag GmbH zu beziehen. Hausanschrift: Sprosserweg 3, 12351 Berlin-Buckow · Postanschrift: Postfach 47 04 49, 12313 Berlin, Telefon: 6 61 84 84; Telefax: 6 61 78 28. Im Namen des Senats von Berlin beantworte ich Ihre Schriftliche Anfrage wie folgt: 1. Wie viele Personen wurden in den Jahren 2005 bis 2014 auf der Grundlage von §§ 53, 54, 55 AufenthG ausgewiesen (bitte aufgliedern nach Jahr, Herkunftsland, Altersgruppen – 0 bis 13 Jahre, 14 bis 17 Jahre, 18 bis 21 Jahre, 22 bis 26 Jahre, 27 bis 25 Jahre, 36 bis 60 Jahre, 61 Jahre und älter, Aufenthaltstitel und je konkreter Rechtsgrundlage der Ausweisung nach Paragraph, Ab- satz, Satz, Nummer)? Bei wie vielen dieser Personen bestand besonderer Ausweisungsschutz gemäß § 56 Auf- enthG? 2. Wie viele der in Frage 1 benannten Personen wur- den abgeschoben und wie viele Personen sind der Ausrei- severpflichtung von selbst nachgekommen (bitte aufglie- dern nach Jahr und Herkunftsland)? 3. In wie vielen Fällen wurde in den Jahren 2005 bis 2014 jeweils gegen Ausweisungsverfügungen geklagt? Wie viele dieser Klagen waren, soweit die Verfahren abgeschlossen sind, erfolgreich? 4. Wie vielen der in den Jahren 2005 bis 2014 aus- gewiesenen Personen wurde eine Duldung nach § 60 a Abs. 2 S. 1 AufenthG erteilt (bitte aufgliedern nach Jahr und Herkunftsland)? Wie viele der im vorgenannten Zeit- raum ausgewiesenen und geduldeten Personen befinden sich aktuell noch in Berlin bzw. im Bundesgebiet? 5. Wie viele der in Frage 1 benannten Personen wa- ren im besagten Zeitraum zum Zeitpunkt der Ausweisung Inhaftierte in Berlins Justizvollzugseinrichtungen (bitte aufgliedern nach Justizvollzugsanstalt, Jahr, Herkunfts- land, Aufenthaltstitel, vollständige/teilweise bzw. keine Strafvollstreckung vor Ausweisung)? Zu 1. bis 5.: Die in den Fragen 1 bis 5 erbetenen An- gaben werden durch die Ausländerbehörde in dem erfrag- ten Umfang nicht statistisch erfasst. Erhebungen zur Frage 5 werden auch durch die Se- natsverwaltung für Justiz und Verbraucherschutz und die Justizvollzugsanstalten nicht geführt. Aktuell verfügbar sind lediglich die nachfolgend auf- geführten Zahlen der seit 2010 erlassenen Ausweisungen nach den §§ 53 bis 55 Aufenthaltsgesetz (AufenthG), die seit dem Jahr 2010 im Rahmen der Kosten- und Leis- tungsrechnung statistisch erfasst werden. 2010 § 53 AufenthG: 120 § 54 AufenthG: 91 § 55 AufenthG: 260 sowie 71 Ausweisungen ohne nähere Aufschlüsselung der Rechtsgrundlage (vom Rückführungsbereich erlassene Ausweisungen) Summe: 542 Ausweisungen insgesamt 2011 § 53 AufenthG: 93 § 54 AufenthG: 58 § 55 AufenthG: 202 sowie 87 Ausweisungen ohne nähere Aufschlüsselung der Rechtsgrundlage (vom Rückführungsbereich erlassene Ausweisungen) Summe: 440 Ausweisungen insgesamt 2012 § 53 AufenthG: 66 § 54 AufenthG: 51 § 55 AufenthG: 162 sowie 135Ausweisungen ohne nähere Aufschlüsselung der Rechtsgrundlage (vom Rückführungsbereich erlassene Ausweisungen) Summe: 414 Ausweisungen insgesamt Abgeordnetenhaus Berlin – 17. Wahlperiode Drucksache 17 / 15 586 2 2012 § 53 AufenthG: 66 § 54 AufenthG: 51 § 55 AufenthG: 162 sowie 135Ausweisungen ohne nähere Aufschlüsselung der Rechtsgrundlage (vom Rückführungsbereich erlassene Ausweisungen) Summe: 414 Ausweisungen insgesamt 2013 § 53 AufenthG: 83 § 54 AufenthG: 37 § 55 AufenthG: 141 sowie 113Ausweisungen ohne nähere Aufschlüsselung der Rechtsgrundlage (vom Rückführungsbereich erlassene Ausweisungen) Summe: 374 Ausweisungen insgesamt 2014 § 53 AufenthG: 122 § 54 AufenthG: 32 § 55 AufenthG: 83 sowie 39 Ausweisungen ohne nähere Aufschlüsselung der Rechtsgrundlage (vom Rückführungsbereich erlassene Ausweisungen) Summe: 276 Ausweisungen insgesamt 6. Bei wie vielen Personen wurde in den Jahren 2005 bis 2014 auf eine Anklageerhebung gemäß § 154b StPO seitens der Staatsanwaltschaft verzichtet (bitte aufgliedern nach Jahr, Herkunftsland, Aufenthaltstitel)? Zu 6.: Zu den Personen, bei denen in den Jahren 2005 bis 2014 durch die Staatsanwaltschaft auf eine Anklage- erhebung nach § 154b Strafprozessordnung (StPO) ver- zichtet wurde, liegen die nachfolgend tabellarisch aufge- listeten Zahlen vor. Anzumerken ist allerdings, dass für die Jahre vor 2009 die Speicherfristen zum größten Teil bereits abgelaufen sind. Da eine Vielzahl von Datensätzen bereits gelöscht wurde, kann die Gesamtzahl der Verfah- ren nicht ermittelt werden. Darüber hinaus ist darauf hinzuweisen, dass sich die dargestellten Zahlen auf sämtliche Alternativen des § 154b StPO beziehen. Sie umfassen daher nicht nur Fälle, in denen wegen einer Ausweisung von der Erhebung einer öffentlichen Klage abgesehen wurde (§ 154b Abs. 3 StPO), sondern auch solche, in denen dies wegen der Auslieferung an eine ausländische Regierung oder Über- stellung an einen internationalen Strafgerichtshof (§ 154b Absätze 1 und 2 StPO) erfolgt ist. Eine gesonderte statis- tische Erfassung erfolgt nicht. Dies gilt auch für die nach- folgende Tabelle, in der die Staatsangehörigkeiten darge- stellt werden. Die Erfassung differenziert auch nicht nach der Art der Aufenthaltstitel. Abgeordnetenhaus Berlin – 17. Wahlperiode Drucksache 17 / 15 586 3 Jahr Anzahl Beschuldigte Staatsanwaltschaft Anzahl Beschuldigte Amtsanwaltschaft Summe 2005 7 1 8 2006 38 5 43 2007 65 5 70 2008 51 5 56 2009 245 35 280 2010 219 21 240 2011 157 38 195 2012 141 21 162 2013 154 20 174 2014 157 31 188 Staat 2005 2006 2007 2008 2009 2010 2011 2012 2013 2014 ohne Staatszugehörigkeit 2 4 4 1 20 21 10 13 33 16 AFGHANISTAN 0 0 0 0 2 1 1 0 0 1 ÄGYPTEN 0 0 1 1 0 0 0 0 0 2 ALBANIEN 0 1 0 0 3 0 1 0 0 2 ALGERIEN 0 1 0 1 4 2 1 2 2 0 ARMENIEN 0 1 0 0 3 0 2 0 0 0 ASERBAIDSCHAN 0 0 0 0 0 1 2 0 0 3 ÄTHIOPIEN 0 0 0 0 0 1 0 0 0 0 BANGLADESCH 0 0 0 0 1 0 0 0 1 1 BENIN 0 0 0 0 0 0 0 1 0 0 BOSNIEN-HERZEGOWINA 0 0 4 1 8 5 4 1 3 15 BRASILIEN 0 1 1 1 5 3 2 2 0 1 BULGARIEN 0 5 0 0 0 0 0 3 2 6 BURKINA FASO 0 0 0 0 0 0 0 0 0 1 CHILE 0 0 0 0 1 0 0 0 0 0 CHINA 0 0 3 1 4 2 3 0 1 3 COSTA RICA 0 0 0 0 1 0 0 0 0 0 CÔTE D'IVOIRE 0 0 0 0 1 0 1 0 0 0 DÄNEMARK 0 0 0 0 1 0 0 0 0 0 DEUTSCHLAND * 1 4 2 7 3 4 4 25 26 18 DOMINIKANISCHE RE- PUBLIK 0 1 0 0 0 0 0 1 0 0 ECUADOR 0 0 0 0 0 2 0 0 0 0 EHEM. JUGOSLAWIEN 0 0 0 3 8 5 3 1 2 0 ESTLAND 0 0 0 0 0 0 0 3 1 0 FINNLAND 0 0 0 0 0 0 0 0 1 0 FRANKREICH 0 0 0 0 0 0 0 0 0 1 GAMBIA 0 0 0 0 1 0 0 0 0 0 GEORGIEN 0 1 1 0 2 3 3 1 1 1 GHANA 0 0 0 1 1 1 1 1 2 2 GUATEMALA 0 0 0 0 0 0 0 0 1 0 GUINEA 0 0 0 0 0 0 0 0 1 1 GUINEA-BISSAU 0 0 0 0 1 0 0 0 1 0 INDIEN 0 0 0 1 2 0 1 1 1 1 INDONESIEN 0 0 1 0 1 0 0 1 0 0 IRAK 0 1 0 0 3 0 2 0 0 0 IRAN, ISLAMISCHE RE- PUBLIK 0 0 0 0 4 1 0 0 1 0 ISRAEL 0 0 0 0 0 1 0 2 0 0 Abgeordnetenhaus Berlin – 17. Wahlperiode Drucksache 17 / 15 586 4 ITALIEN 0 0 0 0 0 0 1 0 0 0 JAMAIKA 1 0 0 0 0 0 0 0 0 0 JAPAN 0 0 0 0 1 0 0 0 0 0 JEMEN 0 0 0 0 0 0 0 0 0 1 JORDANIEN 0 1 0 0 0 0 0 0 0 0 KAMERUN 0 0 0 0 1 3 1 2 2 0 KANADA 0 0 0 0 0 1 0 0 0 0 KASACHSTAN 0 0 1 1 1 0 1 0 0 2 KENIA 0 0 0 0 1 1 0 1 0 0 KIRGISISTAN 0 0 0 0 1 0 0 0 0 0 KOLUMBIEN 0 0 0 0 1 0 0 0 0 0 KOSOVO, REPUBLIK 0 1 0 0 0 1 1 0 0 0 KROATIEN 0 0 0 1 1 0 1 3 0 0 LETTLAND 0 0 0 0 2 0 0 1 2 1 LIBANON 0 1 3 1 4 3 5 0 0 2 LIBERIA 0 0 0 0 0 0 0 0 1 0 LIBYSCH-ARABISCHE DSCHAMAHIRIJA 0 0 0 0 0 0 0 0 0 2 LITAUEN 0 0 0 0 0 1 0 0 1 1 MALAYSIA 0 0 0 0 1 0 0 1 0 0 MALI 0 0 0 0 0 0 0 0 1 1 MAROKKO 0 0 0 0 2 0 0 0 1 0 MAZEDONIEN 0 0 3 1 3 2 4 3 1 0 MOLDAU, REPUBLIK 1 1 3 0 3 0 0 0 0 1 MONGOLEI 0 0 3 0 0 3 2 1 1 0 MOSAMBIK 0 0 0 0 2 0 0 0 0 0 NIGER 0 0 0 0 0 0 0 0 1 0 NIGERIA 0 0 0 1 2 1 0 1 0 3 ohne Angabe 0 0 0 0 0 0 2 2 0 0 ÖSTERREICH 0 0 0 0 0 1 0 0 0 0 PAKISTAN 0 0 0 0 0 0 0 1 0 1 POLEN 0 0 1 2 0 11 5 9 11 13 PORTUGAL 0 0 0 1 0 0 0 1 0 0 RUMÄNIEN 0 1 0 0 0 1 1 5 1 8 RUSSISCHE FÖDERATION 0 0 4 1 12 7 14 6 7 10 SENEGAL 0 0 0 0 0 1 0 0 0 0 SERBIEN 0 0 1 0 2 1 8 3 12 17 SERBIEN, REPUBLIK 0 0 0 0 6 4 2 4 5 0 SERBIEN UND MON- TENEGRO 1 2 1 2 1 2 0 1 2 2 SIERRA LEONE 0 0 1 0 0 0 0 0 0 0 SLOWAKEI 0 0 0 0 0 0 0 0 0 1 SOMALIA 0 0 0 0 0 0 1 0 1 0 Staatenlos 0 0 0 0 0 0 0 2 3 1 Staatsangehörigkeit ungeklärt 0 2 5 0 6 10 6 4 6 1 SUDAN (bis 31.12.2011) 0 0 0 0 1 1 0 0 2 0 SYRIEN, ARABISCHE RE- PUBLIK 0 0 0 1 0 0 0 1 0 1 THAILAND 0 1 1 0 1 0 2 0 0 0 TSCHAD 0 0 0 0 0 0 0 0 0 4 TUNESIEN 0 1 0 0 0 1 1 1 3 2 TÜRKEI 1 4 6 8 27 15 13 10 11 14 UKRAINE 0 2 5 3 15 8 13 7 3 6 UNGARN 0 0 0 0 0 0 0 0 0 1 URUGUAY 0 0 0 0 1 0 0 0 0 0 Abgeordnetenhaus Berlin – 17. Wahlperiode Drucksache 17 / 15 586 5 VEREINIGTE STAATEN 0 0 0 0 2 0 0 0 1 2 VEREINIGTES KÖNIG- REICH 0 0 0 0 0 0 2 0 0 0 VIETNAM 1 6 14 15 96 108 67 33 15 15 WEISSRUSSLAND (BELA- RUS) 0 0 1 0 4 0 1 1 0 0 Summe 8 43 70 56 280 240 195 162 174 188 * Die Aufnahme von mehr als 90 Deutschen ist durch die Änderung von Art. 16 Abs. 2 Grundgesetz zu erklären, wonach Deutsche innerhalb der EU und an den Internationalen Strafgerichtshof ausgeliefert werden können. 7. Gibt es Richtlinien oder interne Anweisungen zur Frage der Anwendung von §§ 154b, 456a StPO durch die Strafvollstreckungsbehörde? Wenn nein: Welche Krite- rien werden solchen Entscheidungen zugrunde gelegt? Zu 7.: Hinsichtlich der Anwendung des § 456a StPO existieren interne Richtlinien der Staatsanwaltschaft. Bezüglich der Anwendung des § 154b StPO ist dies nicht der Fall. Die Entscheidung steht grundsätzlich jeweils im pflichtgemäßen Ermessen der Staatsanwaltschaft, wobei Grundlage die in der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze sind. Bei der Ausübung des Ermessens sind unter anderem die Umstände der Tat, die Schwere der Schuld, die persönliche Situation des Verurteilten und das öffentliche Interesse an einer nachhaltigen Strafvollstre- ckung/Durchführung des Strafverfahrens zu berücksichti- gen. 8. Welche integrationsvorbereitenden Maßnahmen für die Herkunftsstaaten hält das Land Berlin in den Fäl- len vor, in denen Gefangene aus der Straf- bzw. Untersu- chungshaft abgeschoben werden? Zu 8.: Die Justizvollzugsanstalten geben Inhaftierten, denen Abschiebung aus der Strafhaft oder unmittelbar im Anschluss an die Strafhaft oder Sicherungsverwahrung droht soweit wie möglich auf den Herkunftsstaat abge- stimmte Hilfestellungen allgemeiner Natur. Anspruchs- volle integrationsvorbereitende Maßnahmen können we- gen der Diversität der Verhältnisse in den Herkunftsstaa- ten und der daraus resultierenden, in einem vertretbaren Rahmen nicht zu bewältigenden Schwierigkeiten nicht vorgehalten werden. Die Betroffenen werden aber nach Bedarf und Möglichkeiten insbesondere bei der Kontakt- aufnahme zu Angehörigen, Behörden und Hilfsorganisa- tionen im Herkunftsland unterstützt. Sind die betroffenen Inhaftierten einverstanden, wird die Vertretung ihres Herkunftslandes informiert, um bei integrationsvorberei- tenden Maßnahmen zu unterstützen. Die Betroffenen können Beratungsgespräche mit den vollzuglichen Fach- diensten führen, um sich mit der bevorstehenden Ab- schiebung auseinanderzusetzen und ihre Zukunftsplanung zu konkretisieren. Berlin, den 03. März 2015 In Vertretung Bernd Krömer Senatsverwaltung für Inneres und Sport (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 10. Mrz. 2015)