Drucksache 17 / 15 588 Schriftliche Anfrage 17. Wahlperiode Schriftliche Anfrage des Abgeordneten Burkard Dregger (CDU) vom 19. Februar 2015 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 19. Februar 2015) und Antwort Einsatz von Dokumentenprüfgeräten zur Erkennung von gefälschten Personaldokumen- ten Die Drucksachen des Abgeordnetenhauses sind bei der Kulturbuch-Verlag GmbH zu beziehen. Hausanschrift: Sprosserweg 3, 12351 Berlin-Buckow · Postanschrift: Postfach 47 04 49, 12313 Berlin, Telefon: 6 61 84 84; Telefax: 6 61 78 28. Im Namen des Senats von Berlin beantworte ich Ihre Schriftliche Anfrage wie folgt: 1. Sind dem Senat Fälle bekannt, in denen islamistische Extremisten oder andere Verbrecher mit gefälschten deutschen oder ausländischen Personaldokumenten die Aufnahme in das deutsche Meldewesen erreicht und die erlangten Meldebescheinigungen dazu verwendet haben, um Bankkonten zu eröffnen und diese zur Finanzierung des internationalen Terrorismus oder anderer krimineller Aktivitäten zu nutzen? 2. Wie viele derartige Fälle hat es nach den Erkennt- nissen des Senats in den Jahren seit 2012 in Berlin gege- ben? Zu 1. und 2.: Das Erschleichen von Meldebescheini- gungen durch die Vorlage gefälschter Ausweisdokumente wird bei der Polizei Berlin statistisch nicht gesondert erfasst. Der Polizeiliche Staatsschutz stellte seit 2008 mindes- tens acht betrügerische Kontoeröffnungen durch Personen fest, die dem islamistischen Spektrum in Berlin zugeord- net werden. Diese Konten wurden jedoch direkt durch Vorlage gefälschter ausländischer Personaldokumente eröffnet. Auf Grundlage der gefälschten Personaldoku- mente erlangte Meldebescheinigungen wurden hier nicht vorgelegt. Die benannten Taten illustrieren aber die Gefahr der Erweiterung der Tatbegehungsweise. Auf den Konten wurden betrügerische Gutschriften er- langt und die so entstandenen Guthaben bar abgehoben oder -seltener- direkt für Kosten der Reise in den Jihad verwandt (Kauf von Ausrüstungsgegenständen, Visage- bühren, Flugtickets in Transitländer, Anmietung von Fahrzeugen). Unmittelbare Überweisungen von den be- trügerisch eröffneten Konten an in Deutschland verbotene terroristische Organisationen sind dem polizeilichen Staatsschutz Berlin nicht bekannt. Solche Zuwendungen erfolgen eher an Strohleute oder Tarnfirmen und werden zumeist bar abgewickelt, um die „Papierspur“ des Geldes zu unterbrechen. Häufig werden Bargelder durch nicht- kontengebundene Bartransfers in die Türkei versandt, und dort von Mittelsleuten an im Jihad befindliche Personen weitergeleitet. Bei dem für die allgemeine Urkundenfälschung und Dokumentenkriminalität zuständigen Fachbereich des Landeskriminalamtes (LKA) wurden in dem angefragten Zeitraum Fälle im oberen einstelligen Bereich bearbeitet, in denen durch gefälschte Dokumente erlangte Meldebe- scheinigungen sowohl zur Scheinlegalisierung des Auf- enthaltes als auch zur Begehung weiterer Straftaten wie Kontoeröffnungsbetrug verwendet wurden. Demgegenüber sind von Seiten der Meldestellen allein seit Beginn dieses Jahres insgesamt 15 Fälle angezeigt worden, in denen die Vorlage gefälschter Dokumente erkannt wurde, ohne dass es bereits zu einer Folgetat gekommen wäre. Diese hohe Zahl der festgestellten Fälschungen belegt die anhaltend hohe Attraktivität, durch Vorlage gefälsch- ter Ausweise für illegale Zwecke Meldebescheinigungen zu erschleichen. 3. Sind dem Senat Fälle bekannt, in denen mit ge- fälschten deutschen oder ausländischen Personaldoku- menten die Aufnahme in das deutsche Meldewesen er- reicht und der Bezug von staatlichen Leistungen wie Kindergeld, Sozialhilfe, Jugendhilfe, Wohngeld etc. unbe- rechtigt erschlichen worden ist? 4. Wie viele derartige Fälle hat es nach den Erkennt- nissen des Senats in den Jahren seit 2012 in Berlin gege- ben? Abgeordnetenhaus Berlin – 17. Wahlperiode Drucksache 17 / 15 588 2 Zu. 3. und 4.: Eine genaue Aussage ist aufgrund feh- lender Recherchemöglichkeiten nicht möglich. Seit 2012 wurden jedoch mindestens zehn derartige Fälle von Sozi- alleistungsbetrug bei der Berliner Polizei bearbeitet. 5. Welcher Gesamtschaden oder durchschnittliche Schaden pro Einzelfall ist der öffentlichen Hand durch den Leistungsbetrug entstanden? Zu 5.: Die Schadensberechnung erfolgt vorgangsbe- zogen, ein Durchschnittswert für diese Fallkonstellationen kann mangels Recherchemöglichkeit nicht angegeben werden. Schätzungen gehen von einer Schadenssumme von 20.000 bis 40.000 € pro erfolgreicher Registrierung mit einem gefälschten Dokument aus. 6. Trifft es zu, dass die Mitarbeiter der Bürgerämter in diesen Fällen nicht in der Lage waren, die eingesetzten, z.T. einfachsten Fälschungen zu erkennen? Zu 6.: Es liegen dem Senat keine Informationen vor, die darauf hinweisen, dass in den Bürgerämtern einfache Fälschungen bzw. Schäden an Personaldokumenten grundsätzlich nicht erkannt werden. Alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sind geschult, Dokumentenfälschungen zu erkennen. Im Einzelfall ist bei der hohen Arbeitsbelas- tung in den Bürgerämtern ein Nichterkennen von Auffäl- ligkeiten nicht auszuschließen. 7. Welches ist der Sinn in der Entwicklung und dem Einsatz von fälschungssicheren Personalausweisen und anderen hochwertigen Personaldokumenten, wenn die Mitarbeiter der Bürgerämter nicht in die Lage versetzt werden, einfachste Fälschungen zu erkennen? Zu 7.: Die technische Entwicklung ermöglicht poten- tiellen Täterinnen und Tätern eine entsprechende Weiter- entwicklung ihrer Kenntnisse und Fähigkeiten zur Fäl- schung von Dokumenten. Von Seiten der Behörden kann darauf durch die Weiterbildung der Beschäftigten und durch den Einsatz der in Rede stehenden Prüfgeräte oder anderer technischer Hilfsmittel reagiert werden. 8. Trifft es zu, dass die Bundesdruckerei Dokumen- tenprüfgeräte anbietet, mit denen Fälschungen von deut- schen und ausländischen Personaldokumenten erkannt werden können und mit deren Hilfe die Gefahren abge- wendet werden können, die sich für unser Land aus dem Missbrauch von erschlichenen Meldebescheinigungen durch islamistischen Terror und Leistungsbetrug ergeben? Zu 8.: Die Bundesdruckerei stellt seit 2012 Geräte zur Überprüfung maschinenlesbarer Dokumente zur Verfü- gung, die zurzeit vom Bezirk Neukölln genutzt werden. Die Geräte können Unregelmäßigkeiten bei den Doku- menten erkennen. Der Praxistest hat sich lt. Auskunft des Bezirks als erfolgreich erwiesen. 9. Werden in den Berliner Bürgerämtern derartige Dokumentenprüfgeräte eingesetzt und wenn ja, in wel- chen Bezirken und seit wann? Zu 9.: Im Jahr 2012 startete ein Pilotversuch in den Bürgerämtern der Bezirke Neukölln, Friedrichshain- Kreuzberg und Treptow-Köpenick. Die Bezirke Fried- richshain-Kreuzberg und Treptow-Köpenick haben die Erprobung 2013 mit dem Hinweis auf einen geringen Nutzen in der Praxis eingestellt. Neukölln hat deren Gerä- te übernommen und alle drei Bürgeramtsstandorte damit ausgestattet. Sie sind weiterhin im Einsatz. 10. Wie viele deutsche und ausländische Personaldo- kumente wurden in den Jahren seit 2012 mit derartigen Dokumentenprüfgeräten geprüft und wie viele Fälschun- gen sind festgestellt worden? Zu 10.: Seit 2011 wird bei der Kriminaltechnik des LKA ein Dokumentenprüfgerät Visotec Expert 600 einge- setzt, das in erster Linie zur Überprüfung der Chips in E- Pässen sowie der maschinenlesbaren Zeilen dient. Statistiken zur Häufigkeit der Nutzung dieses Gerätes werden nicht geführt. Insgesamt wurden bei der kriminaltechnischen Prü- fung des Landeskriminalamtes Berlin seit 2012 in folgen- dem Umfang Personaldokumente untersucht: Pässe ID-Karten Führerscheine Personaldokumente ges. 2012 207 291 248 746 2013 150 281 208 639 2014 166 259 249 674 2014 betrug der Anteil an Fälschungen bei den hier untersuchten Personaldokumenten rund 58% (387 Doku- mente). Für die Jahre 2012/2013 liegen entsprechende Zahlen nicht vor. Ebenfalls können keine verlässlichen Daten zum Anteil deutscher Personaldokumente an der Gesamtheit der untersuchten Personaldokumente erhoben werden, sondern lediglich festgestellt werden, dass dieser sehr gering ist (<10%). Bei dieser kriminaltechnischen Prüfung von Personal- dokumenten spielt die Nutzung von Dokumentenprüfge- räten keine entscheidende Rolle; vielmehr werden die Feststellungen zu Echtheit und/oder dem Vorhandensein von Verfälschungen von Sachverständigen auf der Grund- lage von Befunden getroffen, die zum Beispiel im Rah- men von Vergleichen mit authentischen Mustern und physikalisch-technischen Untersuchungen erhoben und bewertet werden. Untersuchungen mit Dokumentenprüf- geräten sind dabei nicht obligatorisch. Abgeordnetenhaus Berlin – 17. Wahlperiode Drucksache 17 / 15 588 3 11. Wie hat sich die Zahl der Vorlage gefälschter Per- sonaldokumente in den Bürgerämtern, die Dokumenten- prüfgeräte einsetzen, nach ihrer Einführung entwickelt, insbesondere ist die Zahl gestiegen, gleich geblieben oder gesunken und kann davon ausgegangen werden, dass die Verwender von gefälschten Personaldokumenten auf andere Bürgerämter ausgewichen sind, die derzeit keine Dokumentenprüfgeräte einsetzen? Zu 11.: Die Praxis im nutzenden Bezirk Neukölln hat für das laufende Jahr 2015 bisher rd. 20 gefälschte Do- kumente aufgedeckt, für das Jahr 2014 ca. 50. 12. Was kostet die Anschaffung und der Betrieb eines derartigen Dokumentenprüfgerätes und ist davon auszu- gehen, dass im Falle einer flächendeckenden Einführung geringere Stückpreise vereinbart werden können? Zu 12.: Der bisher einzige Anbieter hat den monatli- chen Mietpreis auf 200 € pro Gerät und Monat beziffert und einen Rabatt bei höheren Stückzahlen in Aussicht gestellt. Der Kaufpreis beträgt 2.000 € zuzüglich einer monatlichen Gebühr für Softwareaktualisierung von ca. 120 €. 13. Beabsichtigt der Senat, auf eine flächendeckende Einführung der Dokumentenprüfgeräte in den bezirkli- chen Bürgerämtern hinzuwirken und ggfs. wie wird der Senat die Bezirke hierzu veranlassen? Zu 13.: Der Senat hat die in den Bezirken verantwort- lichen Stadträtinnen und Stadträte mit Schreiben des Staatssekretärs für Inneres vom 08.10.2013 aufgefordert, die Geräte in den Bürgerämtern einzusetzen und Hilfe bei der Einführung angeboten. Zurzeit werden mit allen Beteiligten die grundsätzli- chen Rahmenbedingungen, die für die flächendeckende Einführung der Dokumentenprüfgeräte nötig sind, entwi- ckelt. Für den Betrieb der Prüfgeräte sind eine Reihe von Fragen zu klären, die den Einsatz ermöglichen. Dazu gehören rechtliche, logistische und finanzielle Aspekte, ebenso wie organisatorische Fragen zum Einsatz in den Bezirksämtern und der Gewährleistung der weiteren Do- kumentenüberprüfung durch das LKA und dem techni- schen Support durch den Geräteanbieter bzw. IT- Dienstleister. Die abschließende Entscheidung über die Einführung der Geräte liegt dann bei den Bezirken, die ihre Aufgaben gemäß der Berliner Verfassung eigenver- antwortlich wahrnehmen. Ohne eine verbindliche politi- sche Entscheidung der 12 Bezirke wird es zu keiner flä- chendeckenden Einführung von Dokumentenprüfgeräten in den Bürgerämtern kommen. 14. Ist der Senat bereit, die Kosten für den Kauf oder die Anmietung der Dokumentenprüfgeräte zu finanzieren und wenn nein, warum nicht? Zu 14.: Zu den unter 13. angeführten Rahmenbedin- gungen, die erarbeitet werden, gehört auch die Erstellung eines Finanzierungsplans. 15. Erkennt der Senat angesichts des konkret Deutsch- land drohenden Terrors durch islamistische Terroristen, der u.a. zur Absage von Rosenmontagsumzügen geführt hat, eine Dringlichkeit in der Beschaffung und flächende- ckenden Einführung der Dokumentenprüfgeräte und hält er angesichts dessen eine zeitraubende Ausschreibung für entbehrlich? Zu 15.: Eine angemessene technische Ausstattung an- derer Behörden - hier insbesondere der Bürgerämter - zur Prüfung von Personaldokumenten ist aus Sicht der Polizei Berlin ausdrücklich zu begrüßen. Der Senat schließt sich diesem Votum an. Die Vergabeentscheidung und Beschaffung muss im Rahmen der (Haushalts-) gesetzlichen und vergaberecht- lichen Vorgaben erfolgen. Berlin, den 04. März 2014 In Vertretung Andreas Statzkowski Senatsverwaltung für Inneres und Sport (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 11. Mrz. 2015)