Drucksache 17 / 15 600 Schriftliche Anfrage 17. Wahlperiode Schriftliche Anfrage des Abgeordneten Michael Schäfer (GRÜNE) vom 19. Februar 2015 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 23. Februar 2015) und Antwort Stromliefervertrag der öffentlichen Hand: Schon wieder Senatskohle für Vattenfall- Kohle? Die Drucksachen des Abgeordnetenhauses sind bei der Kulturbuch-Verlag GmbH zu beziehen. Hausanschrift: Sprosserweg 3, 12351 Berlin-Buckow · Postanschrift: Postfach 47 04 49, 12313 Berlin, Telefon: 6 61 84 84; Telefax: 6 61 78 28. Im Namen des Senats von Berlin beantworte ich Ihre Schriftliche Anfrage wie folgt: 1. Wann wird die nächste Ausschreibung für den Strombezug für das Land Berlin erfolgen? Zu 1.: Die nächste Ausschreibung von elektrischer Energie für die Abnahmestellen des Landes Berlin wird in 2015 für einen Lieferzeitraum ab 01.01.2016 durchge- führt. 2. Wie ist der genaue Zeitplan für die Vorbereitung der Stromausschreibung? Welche externe Expertise wird bei der Ausschreibung berücksichtigt? Welche Formen der Öffentlichkeitsbeteiligung bzw. Verbändeanhörung sind geplant? Zu 2.: Aktuell werden Datengrundlage und Konzept für die Ausschreibung vorbereitet, so dass diese im Laufe des aktuellen Kalenderjahres durchgeführt und die Be- schaffung der elektrischen Energie für die auszuschrei- benden Lieferjahre bis Mitte des zweiten Halbjahrs 2015 abgeschlossen ist. Für die Durchführung der europaweiten Ausschreibung im offenen Verfahren wird eine Dauer von 4 bis 5 Monaten geplant. Die Ausschreibung der elektrischen Energie wird durch die Energiewirtschaftsstelle des Landes Berlin (Energiewirtschaftsstelle) durchgeführt. Auftraggeber der Energiewirtschaftsstelle ist das Land Berlin, vertreten durch die Senatsverwaltung für Finanzen. Betrieben wird die Energiewirtschaftsstelle durch die Da.V.i.D. GmbH und deren Projektpartner, die Sozietät Becker Büttner Held und die LBD-Beratungsgesellschaft mbH. Eine Beteiligung der Öffentlichkeit bzw. eine Verbän- deanhörung ist nicht geplant. 3. Bei welcher Senatsverwaltung liegt die Zuständig- keit für die Stromausschreibung, welche Senatsverwal- tungen werden eingebunden und wie erfolgt diese Einbin- dung konkret? Zu 3.: Der Abschluss von Rahmenverträgen über die gesamtstädtische Versorgung der Berliner Verwaltung mit Strom, Gas und Fernwärme gehört zum Zuständigkeitsbe- reich der Senatsverwaltung für Finanzen. Die europawei- ten Ausschreibungen des Strom- und Gasbedarfs des Landes Berlin werden folglich von der Senatsverwaltung für Finanzen durchgeführt. Im Rahmen der Vorbereitungsphase dieser Ausschrei- bung werden bei den Einrichtungen des Landes Berlin, durch die Energiewirtschaftsstelle deren Anforderungen an den Bezug und die Lieferung von elektrischer Energie abgefragt. Grundlagen sind die dafür relevanten Be- schlüsse des Abgeordnetenhauses sowie die Verwal- tungsvorschrift Beschaffung und Umwelt inklusive des Anhangs 1, Umweltschutzanforderungen bei der Beschaf- fung (Leistungsblätter). Insbesondere die genannten Leis- tungsblätter für Energie, Strom und Gas, wurden in Zu- sammenarbeit zwischen der Senatsverwaltung für Stadt- entwicklung und Umwelt und der Energiewirtschaftsstelle des Landes Berlin erstellt und abgestimmt. 4. Was sind die wesentlichen Eckpunkte der Strom- ausschreibung nach heutigem Stand (z.B. für wie viele Jahre wird ausgeschrieben)? Zu 4.: Die Energiewirtschaftsstelle fasst aktuell 9.880 Stromzähler der Einrichtungen des Landes Berlin zusam- men. Zu diesen Einrichtungen des Landes Berlin gehören u.a. die Senatsverwaltungen, Bezirksämter sowie auch juristisch eigenständige Gesellschaften und Anstalten öffentlichen Rechts wie die BIM Berliner Immobilienma- nagement GmbH (BIM), Universitäten, Vivantes - Netz- werk für Gesundheit GmbH (Vivantes), Berliner Stadtrei- nigungsbetriebe (BSR) etc. Durch diese Einrichtungen, Abgeordnetenhaus Berlin – 17. Wahlperiode Drucksache 17 / 15 600 2 und damit durch die Energiewirtschaftsstelle werden aktuell insgesamt 3.850 unterschiedliche Liegenschaften bezüglich der Energielieferverträge betreut, die über das gesamte Gebiet des Landes Berlins verteilt sind. Hinzu kommen die Abnahmepunkte der öffentlichen Straßenbe- leuchtung und der Lichtsignalanlagen. Auf Grundlage der bestehenden Beschlüsse und Ver- waltungsvorschriften des Landes Berlin ist mit der Aus- schreibung der elektrischen Energie aktuell geplant, fol- genden Leistungsumfang vorzugeben:  Ausgeschrieben wird eine Vertragslaufzeit von 3 Jahren (2016 bis 2018), wobei der Vertrag für das dritte Lieferjahr einseitig durch das Land Berlin kündbar ist.  Die Strukturierung der Abnahmestellen erfolgt in 8 Lose nach dem jeweiligen Verbrauchsverhalten der Abnahmestellen. Mit dieser Unterteilung wird eine verursachungs- und sachgerechte Zuordnung ohne „Quersubventionierung“ der Abnahmestellen sichergestellt.  Das Vertragskonzept beinhaltet die Vollstromlieferung , d.h. inklusive der Stromlieferung und der Netznutzung. Leistungsgegenstand ist eine Stromlieferung frei Abnahmestelle des gesamten Bedarfs der im Rahmen der Lose zu beliefernden Abnahmestellen. Die Abrechnung der Entgelte für die Netznutzung, den Messstellenbetrieb, die Mes- sung und die Abrechnung erfolgt in der durch die Bundesnetzagentur genehmigten und den Netzbe- treiber veröffentlichten Höhe.  Die Beschaffung der Energiemenge durch den Lieferanten erfolgt nach der Zuschlagserteilung über einen fest definierten Beschaffungszeitraum in Abhängigkeit von der Änderung des Marktpreises. Ziel ist die Verteilung der Preisrisiken auf mehrere Beschaffungstermine und die Absicherung über einen Preiskorridor.  Es werden Mindestanforderungen über die Stromherkunft vorgegeben, die den genannten Beschlüs- sen und Vorschriften des Landes Berlin entspre- chen. Die Nachweisführung über die Herkunft des gelieferten Stroms (Quellen) sowie eine Bewer- tung der Herkunftsnachweise setzt die Anforde- rungen des Herkunftsnachweisregisters entspre- chend den Vorgaben des § 79 f. Erneuerbare- Energien-Gesetz (EEG) 2014 um. Zuständige Be- hörde für das Herkunftsnachweisregister ist das Umweltbundesamt.  Contracting-Maßnahmen und weitere Maßnahmen zur Energieeinsparungen sowie Eigenerzeugung können in einem bestimmten quantitativen Rah- men je Los umgesetzt werden. 5. Wurde basierend auf dem vom Senat beschlossenen und somit bei der anstehenden Stromausschreibung zu berücksichtigenden Anhang 1 der Verwaltungsvorschrift Beschaffung und Umwelt – VwVBU, ein konkretes Leistungsblatt zu verbindlichen Umweltschutzanforderungen in Abstimmung mit der Senatsumweltverwaltung erstellt? Wenn nein, wann soll dies geschehen? Erfolgte diesbe- züglich schon eine nach der VwVBU erforderliche Kon- taktaufnahme mit der zuständigen Stelle bei der Se- natsumweltverwaltung? Wenn nein, wann soll dies erfol- gen? Zu 5.: Ja. Das als Anhang 1 der Verwaltungsvorschrift Beschaffung und Umwelt beigefügte Leistungsblatt zu Energie wurde in Zusammenarbeit zwischen der Senats- verwaltung für Stadtentwicklung und Umwelt und der Energiewirtschaftsstelle erarbeitet. 6. Wie soll das darin formulierte Ziel, über die Strom- versorgung der Einrichtungen des Landes Berlins eine reale CO2-Einsparung zu erreichen, in der kommenden Ausschreibung konkretisiert werden? 7. Welche Definition wird nach derzeitigem Stand Strom aus erneuerbaren Energien in den Vergabeunterla- gen zugrunde gelegt? Orientiert sich der Senat bei der Definition der Ökostromqualität an der Arbeitshilfe für eine europaweite Ausschreibung der Lieferung von Ökostrom im offenen Verfahren – Beschaffung von Ökostrom (Stand 2013) des Bundesministeriums für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit und des Umweltbundesamtes? Wenn nein, warum nicht? 8. Welche Anforderungen werden in der Stromaus- schreibung an die Herstellungsart und CO2-Bilanz des Stroms gestellt? Wie hoch soll der Stromanteil aus Neu- anlagen sein? Welche Stromerzeugungsanlagen gelten als Neuanlage (Bitte um Nennung der Ökostrom- Gütesiegel)? Zu 6. bis 8.: Eine „reale CO2-Einsparung“ kann nur durch ein aktives Energiemanagement durch die Einrich- tungen vor Ort umgesetzt werden. Eine zentrale Einspa- rung als Vorgabe im Rahmen einer öffentlichen Aus- schreibung kann lediglich durch die Verpflichtung einer spezifischen Zusammensetzung der zu liefernden elektri- schen Energie getroffen werden. Hierzu wurden bereits mit den vergangenen Stromausschreibungen des Landes Berlin den Bietern Mindestkriterien für eine Stromliefe- rung vorgegeben. Dazu gehörte u.a.:  „Der Bieter wird ausschließlich Strom aus erneuerbaren Energien entsprechend den Anforderungen des EEG 2012 [Anmerkung: zum Zeitpunkt der letzten Ausschreibung der aktuelle Stand des EEG] bzw. den Vorgaben der EU-Richtlinie 2009/28 EG liefern. Damit wird ein CO2-Faktor von 0 g/kWh je Lieferjahr umgesetzt. Das Alter der Anlagen bleibt dafür unberücksichtigt. Abgeordnetenhaus Berlin – 17. Wahlperiode Drucksache 17 / 15 600 3  Der Bieter muss sich verpflichten, im Jahr der Lieferung eine Anlage zur Erzeugung von Energie aus erneuerbaren Energiequellen oder eine kleine KWK-Anlage in Betrieb zu nehmen, deren Leis- tung mindestens 5% der Gesamtleistung des Summenlastgangs eines Loses entspricht. Maßgeb- lich ist die Inbetriebnahme i.S. des § 3 Nr. 5 EEG 2012. Diese Anforderung kann auch dadurch er- füllt werden, dass mehrere Neuanlagen in Betrieb genommen werden, die gemeinsam die erforderli- che Leistung bereitstellen. Bieter, welche den Zu- schlag für mehrere Lose erhalten, können die In- vestitionsleistung auch durch Inbetriebnahme einer Anlage erfüllen, welche die erforderliche Leistung bezogen auf mehrere dieser Lose bereitstellt. Die Anforderungen des EEG 2012 bzw. die Vorgaben der EU-Richtlinie 2009/28/Europäische Gemeinschaft (EG) werden auch bei den Investitionen in Neuanlagen zur Erzeugung von Energie aus erneuerbaren Energie- quellen umgesetzt. Als kleine Kraft-Wärme-Kopplungs- Anlagen (KWK-Anlagen) gelten Anlagen, die den Anfor- derungen des Kraft-Wärme-Kopplungsgesetz (KWKG) und hier insbesondere des § 3 Abs. 3 KWKG entsprechen. Entsprechend § 3 Nr. 3 EEG 2012 gelten als erneuer- bare Energien: Wasserkraft einschließlich der Wellen-, Gezeiten-, Salzgradienten- und Strömungsenergie, Wind- energie, solare Strahlungsenergie, Geothermie, Energie aus Biomasse einschließlich Biogas, Biomethan, Depo- niegas und Klärgas sowie aus dem biologisch abbaubaren Anteil von Abfällen aus Haushalten und Energie.“ Die Definition der Ökostromqualität im Rahmen der „Arbeitshilfe für eine europaweite Ausschreibung der Lieferung von Ökostrom im offenen Verfahren“, erstellt für das Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit sowie das Umweltbundesamt, geht dabei von einer physikalischen Belieferung jeder einzel- nen Abnahmestelle aus, d.h., dass zwischen der jeweili- gen Stromerzeugungsanlage und der jeweiligen Abnah- mestelle eine netztechnische direkte Verbindung besteht. Bei den bereits genannten 9.880 Stromzählern bzw. 3.850 Liegenschaften des Landes Berlin zzgl. der Abnahme- punkte der öffentlichen Straßenbeleuchtung und der Lichtsignalanlagen und einem Strombedarf von ca. 770 Gigawattstunden (GWh) pro Lieferjahr erscheint eine physikalische Belieferung dieser Abnahmestellen unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten nicht umsetzbar. Konkrete Vorgaben für die aktuelle Stromausschrei- bung 2015 werden zzt. auf Basis der vorliegenden Be- schlüsse und Verwaltungsvorschriften erarbeitet und mit der verantwortlichen Senatsverwaltung abgestimmt. Berlin, den 06. März 2015 In Vertretung Klaus Feiler Senatsverwaltung für Finanzen (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 11. Mrz. 2015)