Drucksache 17 / 15 603 Schriftliche Anfrage 17. Wahlperiode Schriftliche Anfrage der Abgeordneten Stefanie Remlinger (GRÜNE) vom 20. Februar 2015 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 23. Februar 2015) und Antwort „Willkommensklassen“ in Berlin – Zahlen und Daten III Die Drucksachen des Abgeordnetenhauses sind bei der Kulturbuch-Verlag GmbH zu beziehen. Hausanschrift: Sprosserweg 3, 12351 Berlin-Buckow · Postanschrift: Postfach 47 04 49, 12313 Berlin, Telefon: 6 61 84 84; Telefax: 6 61 78 28. Im Namen des Senats von Berlin beantworte ich Ihre Schriftliche Anfrage wie folgt: 1. An welchen Schulen gibt es in Berlin mehr als drei „Willkommensklassen“? (sortiert nach Anzahl der Klassen , Bezirk und Schulart) Zu 1.: Es gab in Berlin mit Stichtag 1. November 2014 in Berlin insgesamt 13 Schulen mit mehr als drei Lern- gruppen für Neuzugänge ohne Deutschkenntnisse. 2. Die Schüler-Lehrer-Relation verschlechtert sich im Zeitraum Januar 2014 bis Januar 2015 von 7,9 auf 10,97 SchülerInnen pro Lehrkraft. Wie begründet der Senat diese Veränderung und welche Auswirkungen hat diese Verschlechterung auf den Lernerfolg der Schülerinnen und Schüler? 3. Im Grundschulbereich verschlechtert sich die Schü- ler-Lehrer-Relation im oben genannten Zeitraum sogar von 5,14 auf 11,84 SchülerInnen pro Lehrkraft. Welche Rolle spielt bei dieser Veränderung der Lehrkräftemangel an Grundschulen? Zu 2. und 3.: Lerngruppen für Neuzugänge ohne Deutschkenntnisse werden zeitnah auch unterjährig im laufenden Schuljahr mit Lehrkräften versorgt. Die Aus- stattung erfolgt bedarfsgerecht. Die dargestellte Schüler-Lehrer-Relation ist trotz der Nachkomma-Präzision nicht nachvollziehbar. Für eine Lerngruppe in der Grundschule werden dabei 28 Lehrkräftestunden zugewiesen, für eine Lerngruppe in der Sekundarstufe 31 Lehrkräftestunden. Diese Zumes- sung wird gewährleistet, auch wenn in den Schulen durch den besonderen Charakter der Einrichtung der Lerngrup- pen die vorgesehene Frequenz von 12 Kindern nicht im- mer erreicht wird. Die Zumessung von Lehrkräften erfolgt unverändert, die in der Frage formulierte Verschlechterung der Zumes- sung trifft nicht zu. 4. Gibt es „Willkommensklassen“ in denen mehr als 12 Schülerinnen und Schüler unterrichtet werden? Wenn ja, wie viele Klassen betrifft dies und welche Frequenz weisen die Klassen auf? (sortiert nach Frequenz, Anzahl der Klassen, Bezirk und Schulart) Zu 4.: Es gab in Berlin mit Stichtag 1. November 2014 in Berlin insgesamt 59 Schulen mit Lerngruppen für Neu- zugänge ohne Deutschkenntnisse, in denen die Frequenz von 12 unterschritten wurde und 57 Schulen mit Lern- gruppen für Neuzugänge ohne Deutschkenntnisse, in denen die Frequenz von 12 überschritten wurde. Insge- samt gab es 159 Lerngruppen. 5. Kann der Senat bestätigen, dass er keine genaue Aussage treffen kann, ob die Schülerinnen und Schüler einer „Willkommensklasse“ tatsächlich in Regel innerhalb eines Jahres von der „Willkommensklasse“ in die Regelklasse übergehen? Wenn nein, auf welcher Daten- basis begründet der Senat seine Aussage? (Ein Verweis auf die Antwort in Drucksache 17/14509 wie in Drucksa- che 17/15273 erfolgt beantwortet die Frage nicht.) Zu 5.: Die Senatsverwaltung für Bildung, Jugend und Wissenschaft erstellt differenzierte Übersichten über die Beschulungssituation neu zugezogener Schülerinnen und Schüler ohne Deutschkenntnisse. Eine Erfassung der einzelnen Kinder und Jugendlichen und die Erfassung von Daten zu deren Aufenthalt in einer Lerngruppe sind nicht Bestandteil dieser Übersicht. Die Lerngruppe für Neuzugänge ohne Deutschkennt- nisse ist ein organisatorisches und pädagogisches Instru- ment zur Schaffung von Bedingungen für einen gezielten, zügigen Spracherwerb. Der Aufenthalt der Schülerinnen und Schüler in der Lerngruppe für Neuzugänge ist vo- rübergehend, ausgerichtet auf einen schnellen Übergang in eine Regelklasse. Ergänzend zum Unterricht in der Lerngruppe wird die Teilnahme am Unterricht in Regel- klassen angeboten, in Abhängigkeit von den Vorkenntnis- sen der Schülerinnen und Schüler. Abgeordnetenhaus Berlin – 17. Wahlperiode Drucksache 17 / 15 603 2 Die Verweildauer in temporären Lerngruppen ist un- terschiedlich, da sie von den individuellen Voraussetzun- gen der Schülerinnen und Schüler abhängt. Ausschlagge- bend kann hier sein, ob die Schülerin oder der Schüler in der Herkunftssprache alphabetisiert wurden. Ebenso spie- len außerschulische Aspekte wie die Familiensituation, der Aufenthaltsstatus, Gesundheitsdefizite und Traumata in Folge von Flucht eine große Rolle. Das hat zur Folge, dass die Verweildauer in der Lerngruppe für Neuzugänge nicht allgemein festgelegt wurde, sondern im Einzelfall erfolgt. Sie soll nach Möglichkeit 12 Monate nicht über- schreiten, von begründeten Ausnahmefällen abgesehen. 6. Wie gestaltet sich der Übergang von einer „Willkommensklasse “ in eine Regelklasse, wenn die Klassenhöchstfrequenz erreicht ist? Wie wird der Übergang ge- staltet, dass einerseits eine positive Durchmischung der Schülerschaft gegeben ist und dennoch keine überfre- quentierten Klassen entstehen, insbesondere vor dem Hintergrund, dass der Senat eine Absenkung der Klassen- frequenz für nicht durchführbar hält? Zu 6.: Der Übergang von einer „Willkommensklasse" in eine Regelklasse, wenn die Klassenhöchstfrequenz erreicht ist, gestaltet sich genauso, wie die Aufnahme von sonstigen Schülerinnen und Schülern, die im Verlauf des Schuljahres die Schule oder das Bundesland wechseln; sie werden nach Maßgabe freier Plätze und sonstiger päda- gogischer Erfordernisse in bereits gebildete Klassen auf- genommen. Berlinweit sind in den vorhandenen Klassen der Jahrgangsstufen 7 bis 10 der Integrierten Sekundar- schulen und auch in den Grundschulen ausreichend freie Plätze für die Zahl der aus den Willkommensklassen aufzunehmenden Schülerinnen und Schüler vorhanden. Sofern dennoch in einer ganz konkreten Schule tat- sächlich alle in Frage kommenden parallelen Klassen bereits die Höchstgrenze überschritten haben sollten, wird entweder in einer benachbarten Schule nach einem Platz gesucht oder aber dennoch in diesem Ausnahmefall eine Überschreitung zugelassen. Die damit einhergehende ausnahmsweise Überschreitung der Klassenfrequenz dieser Schülerinnen und Schüler wäre dann hinzunehmen. Es bestehen keine Anhaltspunkte dafür, dass bei einer einzelfallbezogenen, temporären Überschreitung der Höchstfrequenz der Bildungsauftrag der Schule nicht mehr erfüllt werden könnte. 7. Sind nach Kenntnis des Senats Eltern von Flücht- lingskindern grundsätzlich in der Lage, den Betrag für das Mittagessen zu begleichen? Ist nach Kenntnis des Senats gesichert, dass alle Kinder in den Willkommensklassen am Mittagessen in ihren Schulen teilnehmen können? 8. Welche Rolle spielt hierbei das BuT? Wie genau lautet das Verfahren der Beantragung von BuT- Leistungen für Flüchtlingskinder und zu welchen Schwie- rigkeiten im Ablauf kommt es hier nach Kenntnis des Senats in der Praxis? Zu 7. und 8.: Kinder, deren Eltern Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz (AsylbLG) beziehen, haben grundsätzlich Anspruch auf einen berlinpass-BuT (Bildung- und Teilhabepaket). Seit Dezember 2014 wird für diesen Personenkreis ein vereinfachtes Erstantragsver- fahren praktiziert. Gegen Vorlage einer Schulbescheini- gung beim Landesamt für Gesundheit und Soziales (La- GeSo) wird der berlinpass-BuT ausgehändigt. Der Senat geht davon aus, dass durch das vereinfachte Verfahren Schwierigkeiten im Ablauf weitgehend behoben wurden. Durch einen gültigen berlinpass-BuT haben die Kin- der die Möglichkeit, gegen einen Eigenanteil von 1 Euro pro Essen am schulischen Mittagessen teilzunehmen. Der im Rahmen des Asylbewerberleistungsgesetzes zugewie- sene Regelsatz ermöglicht den Eltern die Bezahlung des oben genannten Eigenanteils. Für Flüchtlingskinder in der Grundschule ist es zusätzlich möglich, unter besonderer Berücksichtigung ihrer Lebenssituation die sog. Härtefall- regelung Mittagessen anzuwenden. Die Beantragung erfolgt von den Schulleitern vor Ort und ist an die zustän- digen Schul- oder Jugendämter zu richten. Die Härtefall- regelung Mittagessen ist eine zusätzliche temporäre Un- terstützung der Eltern zur Sicherstellung der Teilnahme ihrer Kinder am Mittagessen. 9. Sieht der Senat Möglichkeiten, das bisherige Ver- fahren zur Teilnahme an der ergänzenden Förderung und Betreuung zu vereinfachen und den Verwaltungsaufwand zu reduzieren? Zu 9.: Die Bedarfsfeststellung erfolgt auf der Grund- lage der Schülerförderungs- und betreuungsverordnung (SchüFöVO). In einem strukturierten Verwaltungsverfah- ren wird durch die zuständigen Jugendämter auf der Grundlage von § 4 SchüFöVO der Bedarf an ergänzender Pflege und Hilfe festgestellt. Für Kinder in Not- und Sammelunterkünften kann ohne weitere Nachweise ein Betreuungsbedarf von 13:30 bis 16:00 Uhr an Unter- richtstagen und in den Ferien von 7:30 bis 16:00 Uhr beschieden werden. Das Verfahren hat sich in der Praxis bewährt. Daher gibt es bislang keine Überlegungen zur Vereinfachung des Bedarfsfeststellungsverfahrens für Flüchtlingskinder. Berlin, den 04. März 2015 In Vertretung Mark Rackles Senatsverwaltung für Bildung, Jugend und Wissenschaft (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 10. Mrz. 2015)