Drucksache 17 / 15 606 Schriftliche Anfrage 17. Wahlperiode Schriftliche Anfrage der Abgeordneten Anja Kofbinger (GRÜNE) vom 17. Februar 2015 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 24. Februar 2015) und Antwort Was tut der Senat zur Bekämpfung von Cybergewalt II? Die Drucksachen des Abgeordnetenhauses sind bei der Kulturbuch-Verlag GmbH zu beziehen. Hausanschrift: Sprosserweg 3, 12351 Berlin-Buckow · Postanschrift: Postfach 47 04 49, 12313 Berlin, Telefon: 6 61 84 84; Telefax: 6 61 78 28. Im Namen des Senats von Berlin beantworte ich Ihre Schriftliche Anfrage wie folgt: 1. Welchen Zeitplan hat der Senat für die in der Ant- wort auf meiner Anfrage vom 11.12.2014 (Drs. 17/15162) genannte vorzunehmende Identifizierung der erforderli- chen Bedarfe zur Bekämpfung von Cybergewalt gegen Mädchen und Frauen sowie deren Hinterlegung mit ent- sprechenden Konzepten und Maßnahmen vorgesehen? Welchen Zeitplan hat der Senat für die Umsetzung der erarbeiteten Konzepte und Maßnahmen bis zur Sommer- pause 2016 vorgesehen? Zu 1.: Der Senat arbeitet, wie schon in der ersten Schriftlichen Anfrage zu Cybergewalt, Drs. 17/15162 dargestellt, in den verschiedenen Zuständigkeitsbereichen an Maßnahmen zur Bekämpfung von Cybergewalt. Dar- über hinaus wird auf die Antworten zu 1. und 2. der ge- nannten Schriftlichen Anfrage verwiesen. Die Bundesre- gierung ist 2014 von der Gleichstellungs- und Frauenmi- nisterinnenkonferenz aufgefordert worden, Cybergewalt als neuen Politikschwerpunkt bei der Bekämpfung von Gewalt gegen Mädchen und Frauen aufzugreifen. In dem Zusammenhang ist die weitergehende Bitte an das Bun- desministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend herangetragen worden, Art und Umfang von Cybergewalt im Rahmen einer Bestandsaufnahme zu erfassen. Eine diesbezügliche bundesweite Fachtagung ist für den April 2015 angekündigt. Das weitere Vorgehen wird in Berlin auch von den dort gewonnenen Erkenntnissen und den für die weitere Umsetzung notwendigen Personal- und Haus- haltsressourcen bestimmt sein. Im kurzen Zeitrahmen zwischen der ersten und der zweiten Schriftlichen Anfra- ge zu Cybergewalt gab es keinen weiterführenden und handlungsleitenden Erkenntnisgewinn, der eine andere Herangehensweise evoziert hat. 2. Mit welchen konkreten Maßnahmen wird die Um- setzung von geschlechtergerechten Angeboten für Mäd- chen und junge Frauen in der medienpädagogischen Ar- beit der bezirklichen Medienkompetenzzentren gewähr- leistet? Ist geplant, hierfür in den kommenden Haushalts- beratungen 2016/17 zusätzliche Mittel zu beantragen? Zu 2.: Die Weiterentwicklung der Ansätze und Ange- bote zur Vermittlung von Medienkompetenz ist ein zent- rales Anliegen des Landesprogramms jugendnetz-berlin. Die medienpädagogische Arbeit der bezirklichen Medi- enkompetenzzentren beinhaltet auch die Umsetzung von geschlechtergerechten Angeboten für Mädchen und junge Frauen, um sie zu befähigen, das Internet selbstbewusst und kompetent zu nutzen und mit problematischen Situa- tionen im virtuellen Raum umzugehen. Die bezirklichen Medienkompetenzzentren bieten regelmäßig Projekte und Workshops zum Thema Cybermobbing an. Eines der Medienkompetenzzentren ist ein Mädchenzentrum; dort steht die Förderung von Medienkompetenz für Mädchen und junge Frauen im Mittelpunkt, dazu gehören auch Projekte und Workshops zum Thema Cybermobbing. Haushaltsmittel stehen den bezirklichen Medienkompe- tenzzentren für ihre Arbeit zur Verfügung. 3. Wer wird die in der Antwort des Senats auf meine Antrage (Drs. 17/15162) erwähnte Bedarfsprüfung, in deren Rahmen die Entwicklung von zielgenauen Präven- tionsmaßnahmen stattfinden wird, durchführen? In wel- chem Zeitrahmen findet sie statt und wann ist geplant, sie abzuschließen? Zu 3.: Im Rahmen der qualitativen Weiterentwicklung der Arbeit im Antigewaltbereich der Senatsverwaltung für Arbeit, Integration und Frauen wird der über das beste- hende Angebot hinausgehende Bedarf im Hilfe- und Un- terstützungssystem zum Schutz vor Cybergewalt geprüft und mit zielführenden Maßnahmen hinterlegt. 4. Werden im Rahmen des im neuen Rahmenlehrplan der Länder Berlin und Brandenburg verankerten Themas der Medienbildung auch Abwehrstrategien gegen Cyber- gewalt für Mädchen vermittelt? Zu 4.: In der Entwurfsfassung des neuen Rahmenplans ist die Medienbildung als ein für alle Fächer verbindliches Basiscurriculum beschrieben. Auch wenn Cybermobbing (und andere Formen der Beeinträchtigung der Persönlich- keitsrechte durch Mediennutzung) nicht explizit im Ent- wurf des Rahmenlehrplans benannt werden, ist die Ausei- Abgeordnetenhaus Berlin – 17. Wahlperiode Drucksache 17 / 15 606 2 nandersetzung mit medialen Gefahren in unterschiedli- chen Zusammenhängen des „Kompetenzmodells Medienbildung “ verankert. So sollen z. B. die Schülerinnen und Schüler befähigt werden, „die Einflüsse von Medienangeboten auf ihren Alltag und ihre Persönlichkeitsentwick- lung (zu) reflektieren, insbesondere hinsichtlich der Ge- fahren von Süchten, unsozialem Verhalten und Realitäts- verlust“. Die Schülerinnen und Schüler sind u. a. zu befähigen , „alters- und situationsangemessene Handlungsmöglichkeiten in Bezug auf einen sozial, ethisch und öko- nomisch verantwortlichen Mediengebrauch (zu) entwi- ckeln.“ (Entwurf des Rahmenlehrplans Punkt 2.3.6). 5. In der Antwort auf Frage 6 meiner Anfrage (Drs. 17/15162) verweist der Senat auf die Einrichtung einer Stelle für Stalkingberatung beim Frieda Frauenzentrum. Wie viele Multiplikator*innen konnten seither in diesem Rahmen geschult werden? Wie viele von Cybergewalt betroffene Mädchen und Frauen haben sich beraten las- sen? In welchem Maße gedenkt der Senat, die in der Antwort genannte zusätzlich benötigte finanzielle Unter- stützung zu ermöglichen? Zu 5.: 2014 wurden im Rahmen des beim Frieda Frau- enzentrum angesiedelten Anti-Stalking-Projektes 45 Mul- tiplikatorinnen und Multiplikatoren geschult, schwer- punktmäßig aus Tätigkeitsfeldern beim Jobcenter, der Polizei oder weiteren Beratungsstellen. Das Thema Cy- berstalking war dabei ein integrierter Bestandteil der Schulungen. Im Jahr 2014 haben sich ca. 90 von Stalking betroffe- ne Mädchen und Frauen an die Beratungsstelle beim Frieda Frauenzentrum gewandt und sind beraten worden. Dabei spielte Cyberstalking in beinahe jeder Beratung eine Rolle. Fast alle Frauen und Mädchen besitzen ein Handy. Viele von ihnen sind im Internet, zum Beispiel bei Facebook und WhatsApp angemeldet. Die neuen Medien bieten viele Ansatzpunkte, eine Person unauffällig und ohne Aufwand auszuspionieren, zu überwachen oder zu verfolgen. Bei 12 der beratenen 90 Klientinnen stand Cyberstal- king im Zentrum der Beratung. Der Senat kann zum jetzi- gen Zeitpunkt keine Aussage zum finanziellen Bedarf treffen. 6. Wie viele Personen aus dem Bereich der Gerichte und Staatsanwaltschaften wurden bei der im Jahr 2014 durchgeführten 6-tägigen Spezialschulung für Spezia- list*innen zur Bekämpfung der IT-Kriminalität geschult (bitte aufschlüsseln nach Geschlecht)? Wie viele Personen wurden bei der im Oktober 2013 durchgeführten 2- tägigen zum Thema „Stalking und Häusliche Gewalt“ geschult (bitte aufschlüsseln nach Geschlecht)? Mit wel- chen konkreten Maßnahmen wird im Rahmen des Auf- baus der geplanten Schwerpunktanstalt zur Bekämpfung von Internetkriminalität der Aspekt Cybergewalt gegen Mädchen und Frauen integriert? Zu 6.: An der 6-tägigen Spezialschulung für Spezialis- tinnen und Spezialisten zur Bekämpfung der IT-Krimi- nalität nahmen 15 Personen (5 (Ober-)Staatsanwältinnen, 8 (Ober-)Staatsanwälte, 2 Richter) teil. An der 2-tägigen Schulung zum Thema „Stalking und häusliche Gewalt“ nahmen 8 Personen (5 Richterinnen, 3 Richter) teil. Cybergewalt gegen Mädchen und Frauen ist vor allem ein spezieller Bereich der Internetkriminalität, so dass die besonderen Kenntnisse, der mit der Verfolgung der Inter- netkriminalität befassten Staatsanwältinnen und Staats- anwälte zu einer effektiven Strafverfolgung beitragen. 7. In welcher Form macht der Senat neben den in der Antwort auf meine Anfrage (Drs. 17/15162) genannten Bereichen Schule und Polizei in der Öffentlichkeit auf das Problem der Cybergewalt gegen Mädchen und Frauen aufmerksam? Zu 7.: Weitere Maßnahmen zur Öffentlichkeitsarbeit werden entlang der Ausführungen zu den Fragen 1. und 3. entwickelt. 8. Aufgrund welcher Herangehensweise/ warum be- handelt der Senat das Problem von Cybergewalt gegen Mädchen und Frauen als ein Teilaspekt von Internetkri- minalität und nicht als sexistische Gewalt (Beleidigungen, Belästigung, Nötigung, Diskriminierung etc.), ausgeübt durch das Medium Internet? Welche Schlussfolgerungen für die Bekämpfung des Problems zieht er durch diese Verortung? Zu 8.: Die mit dem Zusatzkriterium Internetkriminali- tät erfassten Straftaten werden, wie alle anderen Strafta- ten, entsprechend dem Geschäftsverteilungsplan der Poli- zei Berlin in den zuständigen Fachkommissariaten bear- beitet. Bei der Erfassung von Straftaten als Teil der Inter- netkriminalität handelt es sich um eine zusätzliche Erfas- sung, ausschließlich um das kriminologische Phänomen der Internetkriminalität beschreiben zu können. Gerade die gravierendsten Probleme der Strafverfol- gung von über das Internet begangener Straftaten – wie z. B. die Rückverfolgung der ins Internet gestellten Dateien zu deren Urheber und damit der konkrete Tatnachweis – spielen bei der Cybergewalt eine gewichtige Rolle, so dass die besonderen Kenntnisse der mit der Verfolgung der Internetkriminalität befassten Staatsanwältinnen und Staatsanwälte zu einer effektiven Strafverfolgung beitra- gen. Berlin, den 11. März 2015 In Vertretung Barbara Loth Senatsverwaltung für Arbeit, Integration und Frauen (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 13. Mrz. 2015)