Drucksache 17 / 15 613 Schriftliche Anfrage 17. Wahlperiode Schriftliche Anfrage des Abgeordneten Dr. Klaus Lederer (LINKE) vom 23. Februar 2015 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 24. Februar 2015) und Antwort Perspektiven der Arbeit von Inhaftierten in Berlins Justizvollzugsanstalten Die Drucksachen des Abgeordnetenhauses sind bei der Kulturbuch-Verlag GmbH zu beziehen. Hausanschrift: Sprosserweg 3, 12351 Berlin-Buckow · Postanschrift: Postfach 47 04 49, 12313 Berlin, Telefon: 6 61 84 84; Telefax: 6 61 78 28. Im Namen des Senats von Berlin beantworte ich Ihre Schriftliche Anfrage wie folgt: 1. Welche Arbeitsbetriebe und welche weiteren Be- schäftigungsmöglichkeiten (etwa zur Aufrechterhaltung der Anstaltsfunktionen) standen zu den Stichtagen 1.1.2005, 1.1.2010 und 1.1.2015 in den Berliner Justiz- vollzugsanstalten zur Verfügung, wie viele Arbeitsplätze wurden damit jeweils im Vergleich zur Belegungsfähig- keit und zur realen Belegung in den einzelnen Arbeitsbe- trieben bzw. weiteren Beschäftigungsmöglichkeiten be- reitgestellt (bitte in absoluten Zahlen auflisten) und wie viele Arbeitsplätze waren jeweils unbesetzt? 2. Welche Ausbildungsplätze mit welchem vorgese- henen Abschluss und welche Qualifizierungsmöglich- keiten standen zu den Stichtagen 1.1.2005, 1.1.2010 und 1.1.2015 in den Berliner Justizvollzugsanstalten zur Ver- fügung, wie viele Ausbildungsplätze und Qualifizie- rungsmöglichkeiten wurden damit jeweils im Vergleich zur Belegungsfähigkeit und zur realen Belegung in den einzelnen Justizvollzugsanstalten bereitgestellt (bitte in absoluten Zahlen auflisten) und wie viele Ausbildungs- und Qualifizierungsmöglichkeiten blieben jeweils unbe- setzt? Zu 1. und 2.: Bei den nachfolgenden Tabellen ist zu berücksichtigen, dass Daten für 2005 nicht mehr in allen Justizvollzugsanstalten vorlagen. Die unter „Soll“ mitgeteilten Zahlen betreffen die Belegungsfähigkeit und die Anzahl der vorgehaltenen Arbeits- oder Maßnahmeplätze. Die unter „Ist“ mitgeteilten Zahlen betreffen die tatsächliche Belegung der Anstalten und die tatsächliche Beset- zung der vorgehaltenen Arbeits- oder Maßnahmeplätze. Sofern in einzelnen Feldern keine Zahlen aufgeführt sind, kann sich dies daraus ergeben, dass es die entsprechenden Betriebe oder Beschäftigungsmöglichkeiten zum angege- benen Zeitpunkt noch nicht oder nicht mehr gab oder dort keine Inhaftierten beschäftigt werden konnten. Die Situation stellte sich an den Stichtagen für die einzelnen Justizvollzugsanstalten wie folgt dar: Abgeordnetenhaus Berlin – 17. Wahlperiode Drucksache 17 / 15 613 2 JVA Tegel: 2005 2010 2015 Soll Ist Soll Ist Soll Ist Belegungsfähigkeit/ tatsächliche Belegung 1.571 1.709 1.570 1.322 933 794 Betriebe/Beschäfti- gungsmöglichkeiten Buchbinderei 75 58 75 63 57 37 Druckerei 39 26 39 25 27 21 Gärtnerei 28 17 25 16 21 6 Glaserei 15 5 15 9 8 8 Malerei 40 30 40 33 15 10 Polsterei 28 17 28 24 18 14 Schlosserei 95 70 95 60 52 24 Schneiderei 35 20 35 26 12 8 Schuhmacherei 31 23 31 26 31 20 Tischlerei 55 33 55 45 50 40 Sortier- u. Montagebetrieb 72 37 82 60 80 61 Bau 40 35 40 19 21 14 Kfz-Betrieb 21 13 Technischer Dienst 19 15 19 12 BTW-Tischlerei 25 15 25 14 Bäckerei 24 20 27 18 22 19 Lehrbäckerei 7 7 7 7 0 0 Küche 35 13 28 28 37 25 Gastronomiebetrieb 6 6 6 5 Beschäftigung für Siche- rungsverwahrte 1 1 690 460 672 490 452 308 Vollausbildung Druckerei 8 3 8 3 Gärtnerei 3 0 Malerei 3 3 3 3 3 3 Polsterei 3 3 3 3 3 3 Schlosserei 5 3 5 0 Tischlerei 5 3 5 3 5 1 Lehrbäckerei 9 8 7 8 8 4 Kfz-Mechaniker 21 12 21 13 15 7 Elektriker 23 15 23 14 12 10 Maler (Universal) 19 9 19 13 Koch 15 12 15 12 12 9 114 71 109 72 58 37 Abgeordnetenhaus Berlin – 17. Wahlperiode Drucksache 17 / 15 613 3 Qualifizierung Lagerarbeiter 18 0 18 0 Lagerlogistik 12 8 Gebäudereiniger 15 12 Lehrbauhof 15 12 Glaserei 3 2 Polsterei 4 1 Schlosserei 3 3 Elektro 4 0 18 0 18 0 56 38 Schulangebote Grundbildung 32 24 32 30 28 20 Hauptschule/BBR 52 41 52 34 32 23 Realschule/MSA 20 14 20 20 16 16 Deutschkurs 14 0 14 0 24 0 Fernabitur/Studium 15 15 18 14 8 8 133 94 136 98 108 67 Beschäftigungsstellen Desinfektion* 1 1 1 1 A/B-Kommando* 23 17 23 14 Schulhelfer* 3 3 3 3 Bücherei* 8 6 8 7 Gefangenenzeitung* 6 3 6 4 Gefangeneneinkauf* 10 9 10 8 Sportbüro* 10 7 10 6 Wäschetausch* 8 8 8 8 Dienstleistungen* 5 5 5 5 Zahnarzt* 7 6 7 5 sonstige Beschäftigung (Nr. 9 GAV) 61 45 81 65 81 61 61 45 Hauskammern 15 14 Kommando Allgemein 25 12 Haus- und Hofarbeiter (TA I-VI / SV) 266 249 268 245 132 143 Sonstiges 12 9 12 11 6 10 318 284 280 256 138 153 * wird 2015 nicht mehr gesondert erfasst, sondern ergibt sich aus „Sonstige Beschäftigung (Nr. 9 „Geschäftsordnung für die Beschäftigung und Qualifizierung der Gefangenen sowie Arbeitsverwaltungen in den Justizvollzugsanstalten des Landes Berlin“ (GAV))“ Abgeordnetenhaus Berlin – 17. Wahlperiode Drucksache 17 / 15 613 4 JVA Moabit: Der JVA Moabit lagen die Zahlen für 2005 nicht mehr vor. 2005 2010 2015 Soll Ist Soll Ist Soll Ist Belegungsfähigkeit/ tatsächliche Belegung 994 1.299 1.096 1.050 1.015 899 Arbeits- und Beschäftigungs- möglichkeiten Buchbinderei 20 14 18 16 Gärtnerei 10 4 10 8 Gastronomiebetrieb 0 0 10 9 Küche (Gef.-Verpflegung) 55 54 58 49 Malerei 12 9 8 7 Schneiderei 9 5 10 7 Tischlerei 10 9 13 12 Bauabteilung 7 4 Bauhof 7 7 Bautischlerei 3 2 KZF-Betrieb 10 2 12 12 Schlosserei 10 6 Personalkantine 10 8 Sortier- und Montagebetrieb 47 41 Beschäftigungstherapeutische Werkstatt 10 4 10 8 sonstige Beschäftigung (Nr. 9 GAV) 40 36 Bücherei TA I* 6 5 Bücherei TA II* 5 5 Bücherei TA III* 1 1 Gefangeneneinkauf* 12 13 Friseur* 3 2 Wäschesammelstelle* 11 10 Zahnarzthelfer* 3 2 Hausreinigung* 4 3 Gerätekammer* 4 3 Hauskammer I* 6 5 Hauskammer II* 6 4 Zentrale med. Ambulanz* 3 2 Unternehmerbetrieb I* 6 0 Unternehmerbetrieb II* 25 22 Haus- und Hofarbeiter 134 128 133 116 395 326 376 328 * wird 2015 nicht mehr gesondert erfasst, sondern ergibt sich aus „Sonstige Beschäftigung (Nr. 9 GAV)“ Abgeordnetenhaus Berlin – 17. Wahlperiode Drucksache 17 / 15 613 5 JVA für Frauen Berlin: Der JVA für Frauen Berlin lagen die Zahlen für 2005 nicht mehr vor. 2005 2010 2015 Soll Ist Soll Ist Soll Ist Belegungsfähigkeit/ tatsächliche Belegung 265 209 283 195 263 147 Betriebe/Beschäfti- gungsmöglichkeiten Gärtnerei 6 5 6 3 Schneiderei 4 6 7 5 Sortier- u. Montagebetrieb 30 28 30 19 Reinigungskommando/ Werkgruppe 3 3 0 0 Versorgungseinrichtung Pankow 5 5 5 5 Hausarbeiterinnen/ Versorgungsbereiche 31 29 28 23 Integrativer Arbeitsbetrieb 6 10 8 8 Jugendbeschäftigungs- zentrum 8 7 8 9 Kreativwerkstatt (vorberufl. Förderung) 6 6 Integrationsarbeitsplätze 5 2 93 93 103 80 Ausbildungsplätze Schneiderei 4 1 1 0 Malerei /Ziegner Stiftung 10 8 10 9 ECO PC 12 12 10 10 Versorgungseinrichtung Pankow 1 1 1 1 27 22 22 20 Abgeordnetenhaus Berlin – 17. Wahlperiode Drucksache 17 / 15 613 6 JVA Plötzensee: Mit Wirkung zum 1. Januar 2013 erfolgte die Fusion der JVA Charlottenburg, der JVA Plötzensee (alt) und des Justiz- vollzugskrankenhauses Berlin unter dem Namen JVA Plötzensee. Da vergleichbare Strukturen nicht mehr vorliegen, werden lediglich die Daten für 2015 mitgeteilt. 2005 2010 2015 Soll Ist Soll Ist Soll Ist Belegungsfähigkeit/ tatsächliche Belegung 536 494 Arbeits- und Beschäfti- gungsmöglichkeiten Bauhof 43 17 Gärtnerei 14 7 Gastronomie 17 8 Kfz-Werkstatt 32 15 Küche (Gef.-Verpflegung) 38 32 Malerei 24 8 Schlosserei 10 4 Wäscherei 65 45 Sortier- und Montagebetrieb 62 22 Sonst. Beschäftigung (ohne Hilfstätigkeiten) 26 25 Haus- und Hofarbeiter 79 75 Betriebs- und Versorgungs- helfer 6 6 416 264 Ausbildung und Qualifi- zierung Gebäudereinigung 7 7 Metallqualifizierung 8 8 Kfz-Werkstatt 4 1 Lehrküche/Gastronomie 6 1 Gebäudereinigung/ Facility Management 2 2 Berufsvorbereitung 45 16 vorberufliche Maßnahmen 10 0 Beschäftigungswerk- statt/Beschäftigungs- therapie 10 1 92 36 Abgeordnetenhaus Berlin – 17. Wahlperiode Drucksache 17 / 15 613 7 Jugendstrafanstalt Berlin: 2005 2010 2015 Soll Ist Soll Ist Soll Ist Belegungsfähigkeit/ tatsächliche Belegung 528 506 534 442 421 315 ABU(externer Träger) 61 54 Ausbildungstraining 32 31 Bauhof 8 8 ECO-PC 10 10 Gärtnerei 6 4 Gastronomiebetrieb 6 6 Lehrbauhof 12 11 Malerei 14 13 Chem. Reinigung 7 7 Sanitärwerkstatt 12 10 Schlosserei 12 10 Sportabteilung 5 5 Tischlerei 12 11 Zweirad 6 5 Uni-Kfz 8 8 Hausarbeiter 35 15 246 208 Schulmaßnahmen Zugangs- und Bildungsdi- agnostik 8 8 Grund- und Orientierungs- kurs 6 6 Sprach- und Grundbil- dungskurs 8 8 Pflichtschulkurs (für Schul- pflichtige Gef.) 10 10 Grundbildungskurs U-Haft 8 8 2 Abschlusskurse 9./10. Klasse 20 20 Abgeordnetenhaus Berlin – 17. Wahlperiode Drucksache 17 / 15 613 8 JVA des Offenen Vollzuges Berlin: Die JVA des Offenen Vollzuges Berlin in der heutigen Form hat zwei Fusionsprozesse durchlaufen. Zunächst war zum 1. August 2008 die JVA Heiligensee mit der JVA Hakenfelde fusioniert worden. Sodann erfolgte in einem weiteren Schritt die Verschmelzung der JVA Düppel und JVA Hakenfelde zum 1. Juli 2010 zur JVA des Offenen Vollzuges Berlin. Da vergleichbare Strukturen nicht mehr vorliegen, werden lediglich die Daten für 2015 mitgeteilt. 2005 2010 2015 Soll Ist Soll Ist Soll Ist Belegungsfähigkeit/ tatsächliche Belegung 908 800 Maßnahmen der schuli- schen und beruflichen Bildung allgemeinbildende Schu- lungsmaßnahmen 4 4 schulvorbereitende Maß- nahmen 8 8 Berufsvorbereitung 26 26 vorberufliche Maßnahmen 10 10 48 48 Beschäftigung Freigänger § 11 StVollzG (Außenkommando) 79 79 Sonstige Beschäftigung (ohne Hilfstätigkeiten) 82 63 Haus- und Hofarbeiter 75 70 Betriebs- und Versorgungs- helfer 17 14 Gärtnerei 30 8 283 234 freies Beschäftigungsver- hältnis gem. §39 StVollzG 368 602 Abgeordnetenhaus Berlin – 17. Wahlperiode Drucksache 17 / 15 613 9 JVA Heidering: Die JVA Heidering wurde im Jahre 2013 eröffnet, so dass Daten für 2005 und 2010 nicht vorliegen. 2005 2010 2015 Soll Ist Soll Ist Soll Ist Belegungsfähigkeit/ tatsächliche Belegung 648 544 Arbeits- und Beschäfti- gungsmöglichkeiten TA 1 (Hauswirtschafter, Reiniger) 21 20 TA 2 (Hauswirtschafter, Reiniger) 21 26 TA 3 (Hauswirtschafter, Reiniger) 21 24 Friseur 3 3 Schule Hauswirtschafter 2 2 Hauswirtschafter Sportbereich 1 1 Hauskammer 3 3 Werkhalle 2 47 42 Werkhalle 3 136 120 Küche 23 23 Gastronomiebetrieb 4 3 282 267 Qualifizierungsmaßnah- men Bildungsdiagnostik I + II 24 24 Deutschkurse I + II 20 20 Grundbildungskurs I + II 24 24 Qualifizierungsmaßnahme "Hauswirtschafter" 13 13 Qualifizierungsmaßnahme "GaLa-Wegebau" 15 14 Qualifizierungsmaßnahme "Maler/Innen-ausbau" 15 15 Qualifizierungsmaßnahme "Gebäudereiniger" 17 17 Qualifizierungsmaßnahme "Küchenhelfer" 8 8 136 135 Anmerkung: Die nachstehenden Tabellen geben die im Rahmen der von der Verfassung vorgesehenen Frist zur Beant- wortung der Anfrage gewonnenen Erkenntnisse wieder. Abgeordnetenhaus Berlin – 17. Wahlperiode Drucksache 17 / 15 613 10 3. Wann ist damit zu rechnen, dass der Senat von Ber- lin dem Abgeordnetenhaus seinen bereits seit längerer Zeit angekündigten Entwurf für ein Berliner Strafvoll- zugsgesetz vorlegt? Zu 3.: Es ist geplant, dass der Senat über die Einbrin- gung des Gesetzesentwurfs zum Vollzug der Freiheitstra- fe in Berlin (Berliner Strafvollzugsgesetz - StVollzG Bln) beim Abgeordnetenhaus im Juli 2015 gemäß § 45 Ge- meinsame Geschäftsordnung II (GGO II) Beschluss fasst und sodann im Anschluss die Vorlage an das Abgeordne- tenhaus erfolgt (§ 46 GGO II). Es handelt sich dabei um ein umfangreiches Artikelgesetz, mit dem auch weitere erforderliche Anpassungen in Gesetzen den Strafvollzug betreffend vorgenommen werden. 4. Welche Regelungen zur Arbeit, Ausbildung und Qualifizierung in Haft plant der Senat aus heutiger Per- spektive? Zu 4.: Der Senat ist bisher mit dem in Rede stehenden Gesetzesentwurf noch nicht befasst. Es ist beabsichtigt, das gemäß § 41 GGO II vorgesehene Beteiligungsverfah- ren - Anhörung beteiligter Fachkreise und Verbände - im Frühjahr dieses Jahres durchzuführen. Das Abgeordne- tenhaus von Berlin wird in diesem Rahmen dann über den Referentenentwurf gemäß § 41 Absatz 3 GGO II in Form einer Zuleitung unterrichtet werden. 5. Wie schätzt der Senat die Gegenwarts- und Zu- kunftstauglichkeit der Arbeitsbetriebe und Ausbildungs- bzw. Qualifizierungsmöglichkeiten in Berlins Justizvoll- zugsanstalten ein in Bezug auf 1) die Produktivität, 2) die Resozialisierungswirkung (d.h. im Vergleich zu nachge- fragten Arbeits- und Ausbildungsangeboten außerhalb der Gefängnismauern), 3) die „Konkurrenzfähigkeit“ zu Leistungen der Verwaltung oder des Marktes? Zu 5.: Die Arbeit der Gefangenen ist ein wesentliches Resozialisierungsmittel. § 37 Abs. 1 StVollzG bestimmt, dass Arbeit, arbeitstherapeutische Beschäftigung, Ausbil- dung und Weiterbildung dem Ziel zu dienen haben, Fä- higkeiten für eine Erwerbstätigkeit nach der Entlassung zu vermitteln, zu erhalten oder zu fördern. Dies bedeutet, für möglichst alle Gefangenen resozialisierungsfördernde Beschäftigungs-, Ausbildungs- und Qualifizierungsmög- lichkeiten vorzuhalten. In welcher Form dies erfolgt (z. B. anstaltseigene Arbeitsbetriebe, Schule, zuwendungsgeför- derte Maßnahmen, Maßnahmen der Bundesagentur für Arbeit, anstaltsfinanzierte Angebote durch externe Anbie- ter usw.) ist im Wesentlichen abhängig von der Vollzugs- form. Die Bedingungen und Bedürfnisse der Anstalten des geschlossenen Männervollzuges sind andere als die der Anstalt des Offenen Voll-zuges Berlin oder der des Jugendvollzuges oder des Frauenvollzuges. Der Berliner Justizvollzug verfügt insgesamt über eine solide Struktur von Arbeitsbetrieben und Ausbildungs- und Qualifizierungsmöglichkeiten, die es grundsätzlich gut ermöglicht, den gesetzlichen Auftrag zu erfüllen. Zukünftig bedarf das Angebot an Beschäftigungs- und Qualifizierungsmaßnahmen hinsichtlich der Kapazitäten eines punktuellen, differenzierten Ausbaus. Inhaltlich sind die Angebote noch verstärkter an den Bedarfen des freien Arbeitsmarkts auszurichten. Die Mitarbeitenden in den Arbeitsbetrieben sind zunehmend in der Lage, veränderte Anforderungen im Zusammenhang mit ihrer anstaltsinter- nen und -externen Einbindung in die Resozialisierungsar- beit zu erkennen und positiv umzusetzen. Obwohl die Anstaltsbetriebe grundsätzlich nach betriebswirtschaftli- chen Methoden geführt werden und die Anstalten dem Wirtschaftlichkeitsgebot nach der Verfassung von Berlin und der Landeshaushaltsordnung verpflichtet sind, ist es nicht vorrangig Einnahmen zu erzielen. Die Gesamtauf- wendungen zur Bereitstellung von Beschäftigungs- und Qualifizierungsmaßnahmen übertreffen schon immer die Einnahmen, die durch Arbeitsbetriebe erzielt werden, um ein Vielfaches. Zur effektiven Vorbereitung auf Beschäftigung in Freiheit, Betriebsstrukturen und Betriebsausstattungen vorzuhalten, die mit denen außerhalb der Anstalten quali- tativ vergleichbar sind, ist Voraussetzung für eine gute Resozialisierungsarbeit im Bereich der Beschäftigung und Qualifizierung. Auch sollen die in Anstaltsbetrieben her- gestellten Produkte und Dienstleistungen mit denen des freien Marktes qualitativ wie preislich vergleichbar sein. Allerdings steht die Resozialisierungsarbeit mittlerweile in den Arbeitsbetrieben deutlich stärker im Fokus. Fragen nach der „Produktivität“ eines Betriebes, dem Verhältnis zwischen dem, was produziert wird und den dafür beim Produktionsprozess eingesetzten Mitteln, also dem Ver- hältnis zwischen „input“ und „output“, werden zukünftig mehr und mehr nicht auf die in den Betrieben hergestell- ten Produkten oder Dienstleistungen zu beziehen sein, sondern auf die Frage, welche Resozialisierungswirkung die jeweils bereitgestellte Maßnahme hat. 6. Welche konzeptionellen Vorstellungen hat der Se- nat zur Weiterentwicklung der Arbeitsbetriebe im Berli- ner Justizvollzug, damit die Tätigkeit dort zukünftig deut- lich weniger zunächst zur „Aufrechterhaltung der inneren Ordnung der Haftanstalten“ durch Beschäftigung - so das Feedback, das ich aus Justizvollzugsanstalten erhielt - und stärker der Resozialisierung anhand zeitgemäßer, der Beschäftigung in Freiheit vergleichbarer Arbeits- und Qualifizierungsmöglichkeiten im Zeitalter der Digitalisie- rung der Produktion dienen kann und eine Perspektive für die Zeit nach dem Justizvollzug eröffnen kann? 7. Mit welchen Partnern arbeitet der Senat an konzep- tionellen Vorstellungen im Sinne von Frage 6 und wann ist damit zu rechnen, dass umsetzungsfähige Planungen und Schritte diskussionsreif sind? Abgeordnetenhaus Berlin – 17. Wahlperiode Drucksache 17 / 15 613 11 8. Welche konkreten, umsetzbaren Pläne existieren gegenwärtig zur Weiterentwicklung der Arbeitsbetriebe in Berlins Justizvollzugsanstalten? Zu 6., 7. und 8.: Beschäftigung von Inhaftierten hat im Wesentlichen nicht den Zweck der „Aufrechterhaltung der inneren Ordnung der Haftanstalten“ (vgl. auch Antwort zu Frage 5). Die Förderung der sozialen Sicherheit in den Anstalten ist vielmehr lediglich (eine sehr willkom- mene) Nebenwirkung von sinnvoller und zielgerichteter Beschäftigung und Qualifizierung der Gefangenen. Die konzeptionellen Vorstellungen sehen vor, die An- gebote an Beschäftigung und Qualifizierung inhaltlich auszuweiten und zugleich ihre Qualität im Hinblick auf die vollzuglichen Behandlungserfordernisse zur Verbesse- rung der Kriminalprognose passgenau auf den einzelnen Inhaftierten auszurichten. Hierzu ist die Einführung von Kompetenzfest-stellungsverfahren vorgesehen. Die Bereiche „Beschäftigung und Qualifizierung“ in den Anstalten haben bereits seit einigen Jahren grundsätz- liche Veränderungsprozesse eingeleitet und Erfahrungen gesammelt, die entweder bereits umgesetzt werden oder derzeit vollzugsintern und -extern diskutiert werden. So wurden in Arbeitsbetrieben verschiedener Anstalten in den letzten Jahren verstärkt Möglichkeiten von modularer Qualifizierung geschaffen. Ein weiterer Ausbau der An- gebote ist geplant. Insbesondere hat das durch Mittel des Europäischen Sozialfonds geförderte Projekt „Transit-Qualifizierung und Arbeit im vollzuglichen Übergangsmanagement“ grundlegende Diskussionen angestoßen und Veränderun- gen initiiert. Nach intensiver Analyse der Beschäftigungs- und Qualifizierungssituation wurden in Zusammenarbeit mit der Arbeitsagentur, der Handwerkskammer und der Industrie- und Handelskammer marktorientierte Qualifi- zierungsbausteine entwickelt, die zum Teil zertifiziert werden konnten. Hierbei war insbesondere die Beratung durch die Arbeitsagentur zur Frage der arbeitsmarkt- orientierten Qualifizierung von großer Bedeutung. Auf Grundlage dieser Beratung konnten in der Schlosserei, der Glaserei, der Polsterei, der Druckerei und dem Lehrbau- hof der JVA Tegel über die dort bereits bestehenden Qua- lifizierungsmöglichkeiten hinaus weitere Zertifizierungs- möglichkeiten für Inhaftierte implementiert werden. Die JVA Tegel beabsichtigt, Art und Umfang der Qualifizie- rungs- und Ausbildungsmaßnahmen zukünftig regelmäßig durch kontinuierliche Bedarfserhebungen in Zusammenarbeit mit der Arbeitsagentur unter dem Aspekt zu überprüfen, welche arbeitsmarktrelevanten Möglichkeiten der Beschäftigung für entlassene Inhaftier- te bestehen. Weitere Anstalten folgen diesem guten Bei- spiel. Die kontinuierliche Anpassung der Angebote sowie die geplante übergeordnete Erfassung von Bedarfen der Inhaftierten aufgrund der Kompetenzfeststellungsverfah- ren wird zukünftig zu weiteren Anpassungen der vorhan- denen (betrieblichen) Strukturen in den Bereichen Be- schäftigung und Qualifizierung führen. 9. Nach welchen Verfahren oder Routinen überprüft der Senat regelmäßig, ob die Gefangenenentlohnung den vom Bundesverfassungsgericht aufgestellten Kriterien entspricht und wann ist das letzte Mal eine solche Prüfung vorgenommen worden? Zu 9.: Die Höhe des Arbeitsentgelts der Gefangenen wird jährlich gemäß § 43 Abs. 2 Satz 1 in Verbindung mit § 200 StVollzG, § 25 Abs. 2 des Berliner Untersuchungs- haftvollzugsgesetzes (UVollzG Bln) bzw. § 57 Abs. 3 des Berliner Jugendstrafvollzugsgesetzes (JStVollzG Bln) von der Senatsverwaltung für Justiz und Verbraucherschutz neu festgesetzt. Grundlage für die Festsetzung ist die von der Bundesregierung jährlich beschlossene Verordnung über maßgebende Rechengrößen der Sozialversicherung, die zum 1. Januar eines jeden Jahres neu in Kraft tritt. Für 2015 wurde die Verordnung Nr. 487/14 vom 28.11.2014 zu Grunde gelegt. Die Bezugsgröße im Sinne des § 18 Absatz 1 des Vierten Buches Sozialgesetzbuch (SGB IV) beträgt im Jahr 2015 jährlich 34.020,00 € und monatlich 2.835,00 €. 10. Hält der Senat die gegenwärtige Gefangenenent- lohnung in Berlin für verfassungskonform? Wenn ja: Wie wurde sichergestellt, dass das gegenwärtige Niveau der Entlohnung den verfassungsgerichtlich festgehaltenen Kriterien entspricht? Zu 10.: Der Senat hält die gegenwärtige Gefangenen- entlohnung in Berlin für verfassungskonform. Die Arbeit des Inhaftierten wird durch Arbeitsentgelt und Freistel- lung von der Arbeit, die auch als Urlaub aus der Haft genutzt oder auf den Entlassungszeitpunkt angerechnet werden kann, entlohnt. Das Arbeitsentgelt kann je nach Leistung des Gefangenen und nach Art der Arbeit einge- stuft werden (§ 43 StVollzG). So findet die geleis-tete Arbeit angemessene Anerkennung im Sinne des verfas- sungsrechtlichen Resozialisierungsgebotes. 11. Teilt der Senat die Einschätzung, dass beim ge- genwärtigen Niveau der Gefangenenentlohnung Alters- armut bei längeren Haftzeiten de facto vorprogrammiert ist? Wenn nein: Warum nicht? Zu 11.: Es kann nicht ausgeschlossen werden, dass in Einzelfällen Altersarmut in Folge längerer Haftzeiten eintreten kann. Berlin, den 13. März 2015 In Vertretung Straßmeir Senatsverwaltung für Justiz und Verbraucherschutz (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 17. Mrz. 2015)