Drucksache 17 / 15 635 Schriftliche Anfrage 17. Wahlperiode Schriftliche Anfrage des Abgeordneten Christopher Lauer (PIRATEN) vom 25. Februar 2015 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 02. März 2015) und Antwort Einführung polizeilicher Vorhersagesoftware („Predictive Policing“)? Die Drucksachen des Abgeordnetenhauses sind bei der Kulturbuch-Verlag GmbH zu beziehen. Hausanschrift: Sprosserweg 3, 12351 Berlin-Buckow · Postanschrift: Postfach 47 04 49, 12313 Berlin, Telefon: 6 61 84 84; Telefax: 6 61 78 28. Im Namen des Senats von Berlin beantworte ich Ihre Schriftliche Anfrage wie folgt: 1. Welche konkreten Pläne verfolgt der Senat, Soft- wareanwendungen zur polizeilichen Vorhersage von Straftaten („Predictive Policing“) für die Arbeit der Polizei Berlin einzuführen und welche genauen Zeithorizonte kann der Senat für Testphasen, Einführung, Evaluation etc. entsprechender Software benennen? Zu 1.: Konkrete Pläne bzw. Zeithorizonte zur Einfüh- rung von Softwareanwendungen zur Vorhersage von Straftaten werden derzeit bei der Polizei Berlin nicht verfolgt bzw. liegen nicht vor. Die Thematik als solche ist Gegenstand eines Informationsaustausches mit Polizei- dienststellen anderer Länder, wie im Rahmen der Beant- wortung zu Fragen 4 und 5 – siehe unten - dargelegt. Darüber hinaus erfolgt seitens der Polizei Berlin in Ab- stimmung mit der Senatsverwaltung für Inneres und Sport eine fortgesetzte Marktschau in Bezug auf relevante Softwareprodukte. 2. Hat der Senat, die Senatsverwaltung für Inneres und Sport oder die Polizei Berlin auswertende Studien, Berichte etc. bezüglich theoretischer Ansätze oder bereits verfügbarer Datenverarbeitungsinstrumente im Bereich „Predictive Policing“ erstellt oder in Auftrag gegeben? (Wenn ja, bitte entsprechende Dokumente beifügen.) Zu 2.: Nein. 3. Welche konkreten empirischen Erkenntnisse sind nach Ansicht des Senats dafür ausschlaggebend, „Predictive -Policing“-Software für die Polizei Berlin zu testen oder einzuführen? Zu 3.: Die oft im Zusammenhang mit „PredictivePolicing “-Software angeführten sogenannten empirischen Erkenntnisse, die ggf. den allgemein zugänglichen Veröf- fentlichungen im Zusammenhang mit derartigen Soft- wareanwendungen entnommen werden können, unter- scheiden sich im Wesentlichen nicht von kriminalistisch- kriminologischen Grundannahmen, auf denen auch die bisherigen Maßnahmen im Rahmen der Kriminalitätsana- lyse und Lageauswertung fußen. Ausschlaggebend in Bezug auf eine mögliche Einführung sind jedoch viel- mehr die sich technisch ergebenden Möglichkeiten einer effektiven, d. h. ressourcenschonenden und zielgerichte- ten Gestaltung der jetzt bereits stattfindenden Arbeitsab- läufe im Rahmen der Kriminalitätsanalyse und Lageaus- wertung. 4. Hat der Senat, die Senatsverwaltung für Inneres und Sport oder die Polizei Berlin im Umgang mit polizei- licher Vorhersagesoftware von Sicherheitsbehörden ande- rer Bundesländer oder Staaten eingeholt und wenn ja, welche Software konkret, von wem und wie bewertet der Senat diese jeweils? Zu 4.: In den Jahren 2011 und 2012 erfolgte seitens des Landeskriminalamtes Stab 14 (LKA St 14) – Analysezentrum die Teilnahme an der 2. bzw. 3. Europäischen Konferenz für räumliche Kriminalitätsanalyse beim LKA Bayern. Insbesondere 2012 stellte das Thema „Predictive Policing“ einen Themenschwerpunkt dar. In diesem Zusammenhang erfolgte auch eine Präsentation der Stadtpo- lizei Zürich zu einer dort durchgeführten Simulationsstu- die; ein konkreter Informationsaustausch hierzu erfolgte nicht. 5. Haben Treffen zwischen Mitarbeiter*innen von Sicherheitsbehörden des Landes Berlin mit denen anderer Bundesländer oder Staaten zum Zweck des Austausches über polizeiliche Vorhersagesoftware stattgefunden oder sind derartige Treffen für die Zukunft in Planung? Wenn ja, welche, wo, wann und mit welchen Teilnehmer*innen aus welchen Bundesländern/Staaten jeweils? Abgeordnetenhaus Berlin – 17. Wahlperiode Drucksache 17 / 15 635 2 Zu 5.: Am 25. und 26.11.2014 fand ein von LKA St 14 – Analysezentrum initiiertes Treffen beim LKA Bayern statt, welches zum damaligen Zeitpunkt nach hiesi- gem Kenntnisstand als einziges Bundesland eine Soft- wareanwendung zur polizeilichen Vorhersage von Strafta- ten nutzte. Neben Vertretern des LKA St 14 – Analysezentrum und der Führungsgruppe des Referats Verbre- chensbekämpfung einer örtlichen Direktion nahmen je- weils ein Vertreter des LKA Brandenburg und des Poli- zeipräsidiums Potsdam an der Veranstaltung teil. Weitere Treffen sind derzeit nicht in Planung. 6. Hat die Polizei Berlin bereits die Software „Precobs“ der Firma Institut für musterbasierte Prognosetechnik GbR (IfmPt) oder eine ähnliche Software erwor- ben und wenn ja, welche, wann und welche Kosten fielen dabei für das Land Berlin an? Zu 6.: Nein. Die Firma hat jedoch ihr Produkt im Rahmen einer Informationsveranstaltung am 2. März 2015 in der Senatsverwaltung für Inneres und Sport vor- gestellt. 7. Für welche konkreten Gliederungseinheiten der Polizei Berlin plant der Senat den Einsatz von „Predictive -Policing“-Software? Zu 7.: Konkrete Pläne zum Einsatz von „Predictive Policing“-Software bei der Polizei Berlin bestehen nicht. Derartige Softwareanwendungen sind grundsätzlich für die Dienststellen relevant, die sich sowohl im LKA als auch in den örtlichen Direktionen mit Aufgaben der Kri- minalitätsanalyse und Lageauswertung befassen. 8. Für welche konkreten Deliktsbereiche plant der Senat die Anwendung von „Predictive-Policing“-Software und mit welcher Begründung? Zu 8.: Konkrete Pläne zum Einsatz von „Predictive Policing“-Software bei der Polizei Berlin bestehen nicht. Sowohl im Rahmen des bisherigen Informationsaustau- sches als auch der fortgesetzten Marktschau stand bisher das Delikt des Wohnraumeinbruchs im Vordergrund; Nutzungsmöglichkeiten für den Bereich der Kraftfahr- zeug-Delikte wie Diebstahl von bzw. aus Kfz wurden dabei am Rande erörtert, jedoch nicht vertieft. 9. Auf welcher Rechtsgrundlage soll gegebenenfalls der Einsatz von „Predictive-Policing“-Software erfolgen? Zu 9.: Dem Bestehen einer belastbaren Rechtsgrund- lage für einen etwaigen Einsatz einer Softwareanwendung zur Vorhersage von Straftaten wird eine besondere Be- deutung zugemessen. Vor einer Entscheidung über den Einsatz einer entsprechenden Softwareanwendung wäre eine sorgfältige rechtliche Vorbewertung unter Beteili- gung des Berliner Beauftragten für Datenschutz und In- formationsfreiheit vorzunehmen. 10. Gab es bereits Schulungsmaßnahmen für Mitarbei- ter*innen der Polizei Berlin für den Umgang mit „Predictive -Policing“-Software? Wenn ja, wann, in welchen Softwareanwendungen, und wie hoch beziffert der Senat die Kosten für diese Schulungsmaßnahmen? Zu 10.: Nein. 11. Wie bewertet der Senat, die über die Verarbeitung abstrakter kriminalitätsstatistischer Daten hinausgehende Verarbeitung auch personenbezogener Daten durch „Predictive -Policing“-Software, wie es beispielsweise die beim 18. Europäischen Polizeikongress in Berlin referie- rende Firma Accenture bei einem Pilotprojekt zu Londo- ner Gang-Kriminalität 2014 praktiziert hat? Zu 11.: Seitens des Senats ist nicht geplant, im Rah- men der Nutzung einer Softwareanwendung zur polizeili- chen Vorhersage von Straftaten gezielt unmittelbare per- sonenbezogene Daten derart zu nutzen oder zu verarbei- ten, wie es das in der Frage angeführte Beispiel eines Pilotprojekts zu Londoner Gang-Kriminalität nahe legt. Berlin, den 16. März 2015 In Vertretung Bernd Krömer Senatsverwaltung für Inneres und Sport (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 23. Mrz. 2015)