Drucksache 17 / 15 641 Schriftliche Anfrage 17. Wahlperiode Schriftliche Anfrage des Abgeordneten Fabio Reinhardt (PIRATEN) vom 26. Februar 2015 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 02. März 2015) und Antwort Ex-Sozialstaatssekretär Michael Büge (CDU) und sein misslungener Einstieg ins Geschäft mit der Flüchtlingsunterbringung Die Drucksachen des Abgeordnetenhauses sind bei der Kulturbuch-Verlag GmbH zu beziehen. Hausanschrift: Sprosserweg 3, 12351 Berlin-Buckow · Postanschrift: Postfach 47 04 49, 12313 Berlin, Telefon: 6 61 84 84; Telefax: 6 61 78 28. Im Namen des Senats von Berlin beantworte ich Ihre Schriftliche Anfrage wie folgt: 1. Existieren Vermerke oder Protokolle über die Ge- spräche, die der entlassene Ex-Sozialstaatssekretär Mi- chael Büge (CDU) im September 2013 im Landesamt für Gesundheit und Soziales (LAGeSo) mit der für die Berli- ner Unterbringungsleitstelle (BUL) zuständigen Abtei- lungsleiterin und dem zuständigen Gruppenleiter (Telefo- nat) geführt hat? Wenn ja, in welchen Vorgängen sind diese jeweils dokumentiert? Wenn nein, warum nicht? Zu 1.: Über die Gespräche von Herrn Büge mit der für die Berliner Unterbringungsleitstelle (BUL) zuständigen Abteilungsleiterin und dem zuständigen Gruppenleiter (Telefonat) existiert eine Notiz des Gruppenleiters. In dieser wurde festgehalten, dass Herr Büge bezüglich eines Objektes in Reinickendorf (Scharnweberstraße) angerufen hatte. Inwieweit das Gespräch zwischen Herrn Büge und der zuständigen Abteilungsleiterin dokumentiert wurde, konnten nicht festgestellt werden. 2. Nach Angaben des Senats standen die beiden Ge- spräche des Ex-Sozialstaatssekretärs Büge mit der für die BUL zuständigen Behördenmitarbeiter*innen nicht im Zusammenhang mit der Anbahnung des Vertrags für den Betrieb der geplanten Flüchtlingsunterkunft in der Karl- Marx-Straße. Standen diese im Zusammenhang mit der Anbahnung von Verträgen für den Betrieb anderer Flücht- lingsunterkünfte? Wenn ja, welcher? Wenn nein, um welche dienstlichen Inhalte ging es in den Gesprächen stattdessen? Zu 2.: Neben dem o. g. Objekt in Reinickendorf han- delte es sich um allgemeine Fragen zu Flüchtlingsunter- künften in Berlin. Hierbei wurde seitens Herrn Büge mit- geteilt, dass sich eine Gesellschaft mit dem Namen SoWO-Berlin GmbH in Gründung befände. 3. In welchen Fällen sind die dienstlichen Gespräche von Behördenmitarbeiter*innen in welcher Form mit Externen zu dokumentieren? 4. In welchen Fällen sind die dienstlichen Gespräche von Behördenmitarbeiter*innen in welcher Form mit potenziellen Heimbetreibern zu dokumentieren? Erfolgt diese Dokumentation auch in jedem Einzelfall? Wenn nein, warum nicht? Zu 3. und 4.: Die Dokumentationspflicht ergibt sich aus § 36 (1) i. V. m. § 37 Gemeinsame Geschäftsordnung für die Berliner Verwaltung, Allgemeiner Teil (GGO I). Demnach sind über bedeutsame Vorgänge (z. B. Telefo- nate und Besprechungen) Vermerke zu fertigen. 5. Ist es gängige Praxis im Land Berlin, dass solche Informationen (Ex-Sozialstaatssekretär bietet seine Diens- te als Heimbetreiber an) nicht der Fachaufsicht der zu- ständigen Senatsverwaltung, dem neuen zuständigen Sozialstaatssekretär oder dem zuständigen Senator ange- zeigt werden? Zu 5.: Es handelte sich in den Gesprächen um allge- meine Fragen zu Flüchtlingsunterkünften. In diesen hat Herr Büge keine konkreten Dienste als Betreiber einer Flüchtlingseinrichtung angeboten. Eine Information an die Fachaufsicht oder an den Staatssekretär bzw. den Senator war daher nicht erforderlich. 6. Zu welchem Zeitpunkt wusste LAGeSo-Präsident Franz Allert darüber Bescheid, dass Ex-Sozialstaats- sekretär Büge in das Geschäft mit der Flüchtlingsunter- bringung einsteigen will? Zu 6.: Der Präsident des Landesamtes für Gesundheit und Soziales (LAGeSo) wurde im Anschluss an das zu 1. genannte Informationsgespräch von seiner Abteilungslei- terin informiert. Abgeordnetenhaus Berlin – 17. Wahlperiode Drucksache 17 / 15 641 2 7. An welchen Terminen waren welche potenziellen Unterkünfte/Objekte zur Flüchtlingsunterbringung, die der Berliner Unterbringungsleitstelle (BUL) von der SoWo-Berlin GmbH bzw. Ex-Sozialstaatssekretär Büge angeboten worden waren, Besprechungspunkt im Lei- tungs-Jour-Fixe mit LAGeSo-Präsident Franz Allert? Zu 7.: Das Objekt in Reinickendorf war im November 2013 Gegenstand der Erörterungen im Leitungs-Jour fixe. 8. Hat der Senat den Rückzug des entlassenen Sozial- staatssekretärs Michael Büge (CDU) aus der Firmenkon- struktion Viscura Beteiligungen UG / SoWo-Berlin GmbH zur Voraussetzung für den Zuschlag zum Bau und Betrieb der Container-Flüchtlingsunterkunft in der Karl- Marx-Straße gemacht? 9. Wurde die Aussage von Michael Büge gegenüber den Medien, er und seine Familie würden sich als An- teilseigner aus der Viscura Beteiligungen UG zurückzie- hen, in irgendeiner Form überprüft? Wenn ja, wie? Wenn nein, warum nicht? Zu 8. und 9.: Es bestehen derzeit keine vertraglichen Bindungen des LAGeSo zur Viscura Beteiligungen UG oder zur SoWo-Berlin GmbH. Für das Objekt in der Karl- Marx-Straße wurde noch kein Zuschlag erteilt. Die Aus- sage von Herrn Büge, seine Beteiligung an der Viscura Beteiligungen UG zu beenden, wurde demnach nicht überprüft. Der Senat hat zudem bereits in der Antwort auf die Schriftliche Anfrage 17/15258 ausführlich darge- legt, dass es sich bei der hier vorliegenden Minderheitsbe- teiligung von Herrn Büge um die Verwaltung bzw. Nutz- nießung von eigenem Vermögen handelt. Diese stellt keine Erwerbstätigkeit oder sonstige Beschäftigung dar und ist somit nach den beamtenrechtlichen Regelungen weder genehmigungs- noch anzeigepflichtig. Es besteht demnach für den Senat kein Anlass die Ankündigung des Rückzuges aus der Viscura Beteiligungen UG zu überprü- fen, da sie nicht maßgeblich für eine Entscheidung für den möglichen Vertragsabschluss zwischen LAGeSo und SoWo-Berlin GmbH wäre. 10. Wer tritt gegenüber dem Senat als Eigentümer*in und wer als Vermieter*in des Grundstückes in der Karl- Marx-Straße, auf dem die SoWo-Berlin GmbH eine Flüchtlingsunterkunft errichten will? Zu 10.: Es bestehen keine direkten Kontakte zwischen der Eigentümerin oder dem Eigentümer bzw. Vermieterin oder Vermieter und dem LAGeSo. 11. Hat der Senat die Bonität und die Zuverlässigkeit der SoWo-Berlin GmbH als potenzieller Betreiber von Flüchtlingsunterkünften in Berlin geprüft? Wenn ja, in- wiefern und mit welchem Ergebnis? Zu 11.: Betreiberverträge über Flüchtlingsunterkünfte dürfen nur mit fachkundigen, leistungsfähigen und zuver- lässigen Unternehmen geschlossen werden. Die Zuver- lässigkeit der SoWo-Berlin GmbH wird derzeit noch durch das LAGeSo geprüft. 12. Ist es zutreffend, dass die SoWo-Berlin dem LA- GeSo weitere Objekte (wie etwas das SEZ) zur Unter- bringung von Flüchtlingen angeboten hat (vgl. BZ, 22. März 2014, „Kommen Flüchtlinge in diese SEZBauruine “)? 13. Welche weiteren Objekte hat die SoWo dem LA- GeSo zur Unterbringung von Flüchtlingen angeboten? Wann und mit welchem Ergebnis jeweils? (Bitte eine vollständige Auflistung.) 14. Bis zu welchem Stadium wurde das Objekt SEZ zwischen dem LAGeSo und der SOWo verhandelt und zu welchem Zeitpunkt sind die Verhandlungen aus welchen Gründen gescheitert? 15. In seiner Funktion als Vorsitzender des CDU- Kreisverbandes Berlin Neukölln hat Michael Büge im März 2014 mehrere Objekte/Grundstücke im Bezirk Neu- kölln wie das ehemalige C&A-Gebäude und die Alte Post in der Karl-Marx-Straße, den ehemaligen Friedhof der Thomas-Gemeinde (Hermannstraße), die frühere Kolonie neben dem Rütli-Campus, die ehemaligen Flughafen- Gebäude in Tempelhof, die Freifläche zwischen den S- Bahnhöfen Neukölln und Hermannstraße zur Flüchtlings- unterbringung vorgeschlagen (Bild, 4. März 2014 „Asylbewerber sollen in den Flughafen Tempelhof ziehen“; BZ, 3. März 2014 „Hier will die CDU Asylplätze schaffen“). Hat die SoWo-Berlin GmbH eine oder mehrere dieser Objekte/Grundstücke der Berliner Unterbringungsleitstel- le zur Unterbringung von Flüchtlingen angeboten? Zu 12. bis 15.: Für das Sport- und Erholungszentrum (SEZ) wurde am 13. März 2014 ein Angebotsbogen beim LAGeSo eingereicht. Das Angebot beinhaltete zu dem Zeitpunkt die Nutzung eines noch zu sanierenden Brü- ckenhauses und die Aufstellung von zwei noch aufzustel- lenden Fertigbauten. Die geplante Kapazität betrug 350 Personen. Gemäß Protokoll vom 3. Juni 2014 nahm die Betreiberin von dem ursprünglich geplanten Baukonzept aufgrund des notwendigen Investitionsvolumens Abstand. Geplant wurde dann die Errichtung von drei Baukörpern in modularer Bauweise. Die zunächst geplante Kapazität lag zwischen 250 – 270 Personen bei einer geplanten Bauzeit pro Gebäude von ca. vier Monaten. Seitens des LAGeSo wurden die Qualitätsanforderungen und der Vertragsentwurf zum Betrieb ausgehändigt, eine Bauvor- anfrage sollte gestellt werden. Im September 2014 erfolg- te nach wiederholten Nachfragen die telefonische Mittei- lung, dass der Betreiber von diesem Objekt Abstand nimmt. Abgeordnetenhaus Berlin – 17. Wahlperiode Drucksache 17 / 15 641 3 Objektangebote werden in der Berliner Unterbrin- gungsleitstelle adressbezogen abgelegt. Ohne die Nen- nung konkreter Anschriften ist eine Recherche zu weite- ren Objekten nicht möglich. Es kann jedoch ausgeschlos- sen werden, dass die in Frage 15 benannten Objekte in dieser Form dem LAGeSo angeboten worden sind. Berlin, den 17. März 2015 In Vertretung Dirk G e r s t l e _____________________________ Senatsverwaltung für Gesundheit und Soziales (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 19. Mrz. 2015)