Drucksache 17 / 15 647 Schriftliche Anfrage 17. Wahlperiode Schriftliche Anfrage des Abgeordneten Alexander Spies (PIRATEN) vom 26. Februar 2015 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 03. März 2015) und Antwort Transparenz im Kampf gegen Diskriminierung auf Grund von Behinderung und (Lebens-) Alter Die Drucksachen des Abgeordnetenhauses sind bei der Kulturbuch-Verlag GmbH zu beziehen. Hausanschrift: Sprosserweg 3, 12351 Berlin-Buckow · Postanschrift: Postfach 47 04 49, 12313 Berlin, Telefon: 6 61 84 84; Telefax: 6 61 78 28. Im Namen des Senats von Berlin beantworte ich Ihre Schriftliche Anfrage wie folgt: 1. Mit welchen Maßnahmen fördert der Berliner Senat den gesetzlich verankerten Diskriminierungsschutz der Bevölkerung bezüglich der im Allgemeinen Gleichbe- handlungsgesetz (AGG) definierten Merkmale Alter und Behinderung? Zu 1.: Das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG) vom 14.8.2006 soll Benachteiligungen von Perso- nen unter anderem wegen einer Behinderung oder wegen des Alters verhindern oder beseitigen. Das AGG schützt Personen in bestimmten Anwendungsbereichen (insbe- sondere beim Arbeitsleben, Sozialschutz und Wohnbe- reich) grundsätzlich vor einer entsprechenden Benachtei- ligung. Es gewährt Betroffenen Rechtsschutz im Hinblick auf die Beseitigung und Unterlassung von Diskriminie- rung und auf Schadensersatz. Den Ländern weist das Gesetz jedoch keine besonderen eigenen Aufgaben oder Durchsetzungsinstrumente zu seiner Umsetzung oder bei der Gewährung des entsprechenden Rechtsschutzes zu. Dennoch unterstützt das Land Berlin auf Grund der erheb- lichen Bedeutung eines umfassenden Diskriminierungs- schutzes u.a. ein Netz nichtstaatlicher Beratungs- und Beschwerdestellen, die kostenlos in Anspruch genommen werden können. Wer sich diskriminiert fühlt, kann das zu Grunde liegende Vorkommnis dort auf Wunsch auch anonym und immer unter Wahrung des Datenschutzes auf professionellem Niveau erörtern und sich auf Wunsch auch weiter beraten und helfen lassen. Im Online Bera- tungswegweiser der Landesstelle für Gleichbehandlung - gegen Diskriminierung(LADS) sind diese Angebote zu- sammengestellt. (http://www.berlin.de/lb/ads/beratung/diskriminierung/) Auch wenn die Beratungsstellen auf Schwerpunktbe- reiche ausgerichtet sind, so sind die Gründe, aus denen Diskriminierungen erfolgen, nicht immer klar voneinan- der abzugrenzen. Insofern berücksichtigen alle Beratungs- stellen den Aspekt der Mehrfachdiskriminierung. Eine Mehrfachdiskriminierung liegt beispielsweise vor, wenn eine behinderte Frau mit Migrationshintergrund bei der Job- oder Wohnungssuche aufgrund der genannten Merkmale abgewiesen wird. Die kompetente Adressie- rung der Problematik der Mehrfachdiskriminierung ist integraler Bestandteil des fachlichen Grundkonzepts des Berliner Antidiskriminierungs-Beratungsnetzwerkes. Bei Benachteiligung auf Grund der Schutzmerkmale Behinderung und/oder Alter bietet insbesondere die Anti- diskriminierungsberatung der Landesvereinigung Selbst- hilfe e.V. niedrigschwellige Unterstützung an. Die Sprechstunden finden in barrierefrei zugänglichen Räu- men statt. Kommunikationsassistenz wird bei Bedarf geleistet. Der Senat unterstützt diese niedrigschwellige Beratung unmittelbar Betroffener finanziell und fördert den gesetzlichen Diskriminierungsschutz darüber hinaus u.a. durch die kontinuierliche Prüfung der laufenden Lan- desgesetzgebung auf Diskriminierungsfreiheit oder durch Maßnahmen der öffentlichen Aufklärungs- und Sensibili- sierungsarbeit. Zu nennen wäre hier beispielsweise die LADS- Kampagne „Diskriminierung hat viele Gesichter – Gleichbehandlung ist Ihr gutes Recht“ oder die vielfältigen Angebote der LADS-Akademie, u.a. auch zu den Schwerpunktthemen Alter und Behinderung. 2. Wie hoch waren in den Jahren seit 2009 die vom Berliner Senat insgesamt aufgebrachten finanziellen Mit- tel (Zuwendungen) an freie Träger, um den Beratungs- und Unterstützungsbedarf der rund 350.000 Berli- ner*innen mit einer anerkannten Schwerbehinderung (GdB>50) im Zusammenhang mit vermuteter Ungleich- behandlung zu gewährleisten? (Bitte nach Jahr, Träger und Zuwendungsbetrag aufschlüsseln.) Abgeordnetenhaus Berlin – 17. Wahlperiode Drucksache 17 / 15 647 2 Zu 2.: Die speziell auf vermutete Ungleichbehandlung ausgerichtete Beratung und Unterstützung von Behinder- ten im Berliner Beratungsnetzwerk wird grundsätzlich unabhängig davon gewährt, ob die oder der Betroffene als schwerbehinderte Person nach §§ 2 Abs. 2 und 68 ff. SGB IX anerkannt ist. Für die Inanspruchnahme der Beratung und Hilfe kommt es zunächst nur darauf an, ob sich eine Person subjektiv wegen einer Behinderung durch ein konkretes Vorkommnis benachteiligt fühlt. Das Land Berlin fördert die entsprechende Antidiskriminierungsbe- ratung zu Alter und/oder Behinderung der Landesvereini- gung Selbsthilfe e.V. seit der zweiten Jahreshälfte 2013 mit einem Betrag von 50.000 € / Jahr, d.h. im erfragten Zeitraum einschließlich des ganzen Jahres 2015 mit ins- gesamt 125.000 €. Die Förderung ist nicht nach den Merkmalen Alter auf der einen und Behinderung auf der anderen Seite aufgegliedert, so dass die auf Beratung bei Behinderung gerichtete Frage nicht isoliert beantwortet werden kann. 3. Wie hoch waren in den Jahren seit 2009 die vom Berliner Senat insgesamt aufgebrachten finanziellen Mit- tel (Zuwendungen) für freie Träger, um die Berli- ner*innen zum Thema Altersdiskriminierung zu informie- ren und eine niedrigschwellige Unterstützung im Fall der vermuteten Altersdiskriminierung zu gewährleisten? (Bitte nach Jahr, Träger und Zuwendungsbetrag auf- schlüsseln.) Zu 3.: Es wird auf die Antwort zu Frage 2 verwiesen. Das der Förderung zugrunde liegende Aufgabenprofil der Antidiskriminierungsberatung der Landesvereinigung Selbsthilfe e.V. sieht eine umfassende Öffentlichkeitsar- beit, Vernetzung und Kooperationen explizit vor. 4. Die im Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz de- finierten sechs Merkmale (ethnische Herkunft, Ge- schlecht, Religion/Weltanschauung, Behinderung, Alter und sexuelle Identität) haben berlinweit spezifische Anti- diskriminierungsberatungsstellen. Wie hoch waren die Zuwendungen des Berliner Senats an freie Träger und deren Antidiskriminierungsberatungsstellen gegliedert nach geschütztem Merkmal in den Jahren seit 2009? (Bit- te nach Jahr, Antidiskriminierungsberatungsstelle, Merk- mal und Zuwendungsbetrag aufschlüsseln.) Zu 4.: Die in der hier vorliegenden Fragestellung zum Ausdruck kommende Annahme einer trennscharfen Ein- dimensionalität in der Beratungsarbeit trifft – wie in Antwort zu 1. in Bezugnahme auf die Problematik der Mehr- fachdiskriminierung dargestellt - nicht zu. Insofern ist eine merkmalsbezogene Ausdifferenzierung der jeweili- gen Beratungsanteile resp. Aufschlüsselung der Förder- gelder nicht möglich. 5. Inwiefern wird bei der Vergabe der Zuwendungen und Projekte von Seiten der Senatsverwaltungen das Disability-Mainstreaming in der Konzeption der Bera- tungsstellen/Projekte und Träger geachtet? Wie werden entsprechende Anforderungen an die Barrierefreiheit und die Beachtung spezieller Bedarfe von Menschen mit Be- hinderung und chronischer Erkrankung sowie für Men- schen mit hohem Lebensalter in der Durchführung der Projekte und Beratungsstellen von Seiten des Zuwen- dungsgebers definiert? 6. Finden die unter 5. genannten besonderen Anforde- rungen und deren Umsetzung in Beratungseinrichtungen, die schwerpunktmäßig die Zielgruppe der Menschen mit Behinderung, chronischer Krankheit und mit hohem Le- bensalter haben, Berücksichtigung in der Höhe der Zu- wendung? Zu 5. und zu 6.: Es ist vorauszuschicken, dass die nachfolgenden Ausführungen sich auf die unter dem ge- meinsamen Dach des Rahmenfördervertrages (RFV) zusammengefassten Förderprogramme Integriertes Sozi- alpogramm (ISP), Integriertes Gesundheitsprogramm (IGP) und Infrastrukturprogramm Stadtteilzentren (IFP STZ) beziehen. Sie bilden damit nur einen Ausschnitt der insgesamt im Land Berlin geförderten Angebote für die benannten Zielgruppen ab. Die Förderung von Projekten in den im Rahmenför- dervertrag (RFV) zusammengefassten Förderprogrammen Integriertes Sozialpogramm (ISP), Integriertes Gesund- heitsprogramm (IGP) und Infrastrukturprogramm Stadt- teilzentren (IFP STZ) wird von dem Grundkonsens getra- gen, dass eine Gleichstellung von Menschen mit Behinde- rung auf allen gesellschaftlichen Ebenen anzustreben ist. Dementsprechend finden sich unterschiedliche Aspekte des Disability-Mainstreaming je nach individueller Pro- jektausrichtung in den Konzeptionen wieder. Insbesonde- re bei den geförderten spezifischen Angeboten für Men- schen mit Behinderung, Menschen mit hohem Lebensalter und Menschen mit chronischen Krankheiten finden die unterschiedlichen Interessen und Lebenssituationen der Zielgruppen Berücksichtigung. Dabei stellen die Projekte bzw. Träger, die Angebote für die genannten Zielgruppen vorhalten, die Barrierefreiheit - sowohl in der täglichen Arbeit als auch konzeptionell – möglichst weitgehend her. Da die Zielgruppen in den 3 Förderprogrammen sehr unterschiedlich sind, ist eine projektindividuelle Herange- hensweise an die Umsetzung der unterschiedlichen As- pekte von Barrierefreiheit erforderlich und wird von den Zuwendungsempfängern auch umgesetzt. Eine besondere Berücksichtigung in der Höhe der jährlichen Fördersumme bei den o.g. Beratungsprojekten erfolgt nicht, da für die Verbesserung der Barrierefreiheit in den Förderprogrammen keine gesonderten Mittel zur Verfügung stehen. Abgeordnetenhaus Berlin – 17. Wahlperiode Drucksache 17 / 15 647 3 7. Welche Maßnahmen ergreift der Berliner Senat, um die Zuwendungsempfänger*innen (alle, auch unab- hängig von spezifischer Zielgruppe) und deren Projekte auf die notwendige Barrierefreiheit ihrer Angebote hin zu überprüfen? Zu 7.: In den Förderprogrammen ISP und IGP wurden 2012 und 2013 Erhebungen zum Stand der Barrierefrei- heit der Projekte durchgeführt. Aufgrund der großen He- terogenität der Projektlandschaft ergaben sich bei diesen Momentaufnahmen sehr unterschiedliche Stände die ei- nerseits gezeigt haben, dass in vielen Bereichen Aspekte der Barrierefreiheit bereits beachtet und auch umgesetzt worden sind, jedoch auch noch weiterer Handlungsbedarf besteht. Im Bereich des IFP STZ wurde 2013 für die Stadtteil- zentren ein Projekt zur Überprüfung und Verbesserung der Barrierefreiheit begonnen. Der Abbau von Barrieren in zum Teil schon seit vie- len Jahren geförderten Projekten stellt insbesondere auf- grund der begrenzten finanziellen Ressourcen einen län- gerfristigen Prozess dar, bei dem verstärkt auch alternati- ve Finanzierungsmöglichkeiten zu nutzen sind. Bei bisher drei Projekten im ISP konnten auf diesem Weg Barrieren abgebaut werden. 8. Werden diese Maßnahmen für Barrierefreiheit beim Zugang zu den (Beratungs-)Angeboten in der Antragsstel- lung, dem Sachbericht und den Verwendungsnachweisen abgefragt und nachgewiesen? Wenn nein, warum nicht? Zu 8.: Maßnahmen für Barrierefreiheit werden im Rahmen der Antragstellung und Verwendungsnach- weislegung nicht explizit abgefragt und nachgewiesen. Die Beachtung dieser Aspekte ist vielmehr Gegenstand konzeptioneller Fragestellungen im Rahmen der kontinu- ierlichen Projektbegleitungen. Berlin, den 12. März 2015 In Vertretung Barbara L o t h Senatsverwaltung für Arbeit, Integration und Frauen (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 17. Mrz. 2015)