Drucksache 17 / 15 653 Schriftliche Anfrage 17. Wahlperiode Schriftliche Anfrage der Abgeordneten Daniel Buchholz (SPD) und Ina Czyborra (SPD) vom 03. März 2015 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 03. März 2015) und Antwort Wird Berlin ein Atommüll-Endlager und wie groß ist das Sicherheitsrisiko im Katastro- phen-fall bei der Zentralstelle für radioaktive Abfälle (ZRA)? Die Drucksachen des Abgeordnetenhauses sind bei der Kulturbuch-Verlag GmbH zu beziehen. Hausanschrift: Sprosserweg 3, 12351 Berlin-Buckow · Postanschrift: Postfach 47 04 49, 12313 Berlin, Telefon: 6 61 84 84; Telefax: 6 61 78 28. Im Namen des Senats von Berlin beantworte ich Ihre Schriftliche Anfrage wie folgt: Die Schriftliche Anfrage betrifft Sachverhalte, die der Senat nur zum Teil in eigener Zuständigkeit und Kenntnis beantworten kann. Er ist gleichwohl bemüht, Ihnen eine Antwort auf Ihre Anfrage zukommen zu lassen und hat daher die Zentralstelle für radioaktive Abfälle (ZRA) um eine Stellungnahme gebeten, die von dort in eigener Ver- antwortung erstellt und dem Senat übermittelt wurde. Sie wurde der Beantwortung überwiegend zugrunde gelegt. 1. Welche Mengen radioaktiver Abfälle lagerten mit Stand 31.12.2014 in der Zentralstelle für radioaktive Ab- fälle (ZRA) in Berlin-Wannsee (bitte unterteilt nach Roh- abfall und konditioniertem Abfall angeben)? Zu 1.: Am 31.12.2014 lagerten in der ZRA 319,6 m³ Rohabfälle und 314,4 m³ konditionierte Abfälle. 2. Laut Antwort auf unsere Kleine Anfrage 17/11440 vom 17. Januar 2013 sind 439 m³ der in der ZRA lagern- den Abfälle für die Verbringung ins Endlager Konrad vorgesehen. Entspricht diese Zahl noch den aktuellen Planungen oder welche Mengen sind für die dortige End- lagerung vorgesehen? Zu 2.: Die für das Endlager Konrad vorgesehene Ab- fallmenge beträgt weiterhin 439 m³. 3. Welche Auswirkungen kann der Entwurf des Nati- onalen Entsorgungsprogramms der Bundes-regierung auf diese radioaktiven Berliner Abfälle haben, insbesondere in Bezug auf die mögliche zusätzliche Einlagerung der aus der Schachtanlage Asse II zurückzuholenden Abfälle, die ggf. Kapazitäten im Endlager Konrad in Anspruch nehmen werden? Wie sieht der Senat das Risiko, dass Berliner Abfälle aus Kapazitätsgründen langfristig hier verbleiben müssten, falls die angedachte Erweiterung des Endlager Konrads sich nicht umsetzen lässt (vgl. Drs. 17/2813 des Niedersächsischen Landtags, Kleine Anfrage vom 2.12.2014)? Zu 3.: Nach Auskunft des Bundesamtes für Strahlen- schutz sind die Untersuchungen zur Schaffung von Pla- nungsgrundlagen für die Rückholung von Abfällen aus der Schachtanlage Asse noch nicht abgeschlossen. Ent- sprechend gilt dies für deren Zwischenlagerung oder für eine Lagerung in einem Endlager. Dagegen wird vom Bund die Planung für eine bundesweit koordinierte Abga- be der Abfälle aus Landessammelstellen in das Endlager Konrad vorangetrieben; hieran nimmt auch Berlin Anteil. Eine konkrete Abschätzung zu Auswirkungen und Risi- ken kann zum gegenwärtigen Zeitpunkt nicht erfolgen, da die Planungen auf Bundesebene nicht abgeschlossen sind. Im Übrigen ist es gemäß § 9a Abs. 3 Atomgesetz Aufgabe des Bundes, Anlagen zur Sicherstellung und Endlagerung radioaktiver Abfälle einzurichten. Dazu gehört auch die Bereitstellung ausreichender Lagerkapazitäten. 4. Was geschieht langfristig mit den in der Landes- sammelstelle lagernden radioaktiven Abfällen, die nicht zur Verbringung ins Endlager Konrad vorgesehen sind? Sind für alle diese Abfälle Entsorgungswege geplant oder verbleiben Abfälle auch längerfristig in Berlin? Zu 4.: Nach dem derzeit auf der Internetseite des Bun- desministeriums für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reak- torsicherheit veröffentlichten Entwurf für das Nationale Entsorgungsprogramm (Stand: 16. Januar 2015, Seite 12) ist die Verbringung von Abfällen, die nicht ins Endlager Schacht Konrad verbracht werden können, in das Endla- ger für Wärme entwickelnde Abfälle vorgesehen, dessen Standort bis zum Jahr 2031 ausgewählt werden soll. Die Inbetriebnahme ist für das Jahr 2050 vorgesehen. Nach Auswahl des Standortes des zukünftigen Endlagers soll dort ein Eingangslager mit Konditionierungsanlagen er- richtet werden, so dass die bestehenden Lager geräumt werden können. Abgeordnetenhaus Berlin – 17. Wahlperiode Drucksache 17 / 15 653 2 5. Welche Position vertritt der Senat in Bezug auf die stetig wachsende Menge radioaktiver Abfälle in der Lan- dessammelstelle, deren Verbringung in ein gesichertes Endlager zunehmend unsicher ist? Lässt sich dies inmit- ten einer Metropolenregion langfristig sicherheitstech- nisch vertreten? Zu 5.: Nach § 9a Abs. 3 Atomgesetz ist der Bund ver- pflichtet, Anlagen zur Sicherstellung und Endlagerung von radioaktiven Abfällen zu schaffen. Bis der Bund seiner Verpflichtung nachgekommen ist, müssen die im Land Berlin anfallenden radioaktiven Abfälle in einer Anlage nach § 9c Atomgesetz im Land Berlin gelagert werden. Die Lagerung erfolgt im Einklang mit den ge- setzlichen und sicherheitstechnischen Vorgaben. 6. Über welche Fortschritte kann der Senat berichten hinsichtlich der in der Kleinen Anfrage 17/11440 bis Mitte 2013 in Aussicht gestellten Sicherheitsüberprüfun- gen für Landessammelstellen aufgrund der Entscheidun- gen der Entsorgungskommission der Bundesregierung? 7. Ist für die Berliner ZRA zwischenzeitlich eine sol- che Sicherheitsüberprüfung erfolgt? Wenn ja, wann und mit welchem Ergebnis? Wenn nein, warum nicht? 8. Wurde im Rahmen einer solchen Sicherheitsüber- prüfung auch der Schutz bzw. die Katastrophenschutzpla- nung der ZRA überprüft für naturbedingte oder anlagen- interne Ereignisse, Flugzeugabsturz inklusive Treibstoff- brand, sonstige Brandereignisse sowie terroristische An- schläge? Liegen für diese Fälle jeweils aktuelle Schutz- konzepte vor? Zu 6. bis 8.: Der Stresstest der Entsorgungskommissi- on (ESK) für Anlagen und Einrichtungen der Ver- und Entsorgung in Deutschland, Teil 2: Lager für schwach- und mittelradioaktive Abfälle, stationäre Einrichtungen zur Konditionierung schwach- und mittelradioaktiver Abfälle, Endlager für radioaktive Abfälle, Stellungnahme vom 18.10.2013 (revidierte Fassung) liegt vor; dieser ist veröffentlicht und einzusehen unter: http://www.entsorgungskommission.de/stellungnahmen--- empfehlungen---briefe/index.htm Die ESK hat die Robustheit bzw. die radiologischen Auswirkungen der Anlagen und Einrichtungen bei ausle- gungsüberschreitenden Ereignissen geprüft und bewertet. Aufgrund der Vielzahl und Vielfalt der zu betrachtenden Anlagen und Einrichtungen, dazu gehörte auch die Lan- dessammelstelle Berlin, erfolgte die Sicherheitsüberprü- fung auf der Basis typisierter Schadensbilder mit generi- schen Radionuklidinventaren für verschiedene Modell- standorte. Auf der Grundlage der Ergebnisse und Empfeh- lungen der ESK erfolgt auf Anforderung der Aufsichtsbe- hörde (Landesamt für Arbeitsschutz, Gesundheitsschutz und technische Sicherheit) ergänzend dazu eine Prüfung der radiologischen Auswirkungen bei den von der ESK beschriebenen auslegungsüberschreitenden Ereignissen unter Berücksichtigung der speziellen anlagenspezifi- schen Gegebenheiten der ZRA. Der abschließende Be- richt dieser Prüfung liegt dem Senat noch nicht vor. Die- ser wird im II. Quartal 2015 erwartet. Überprüft wurden die in der Stellungnahme der ESK vom 18.10.2013 beschriebenen auslegungsüberschreiten- den Ereignisse (Flugzeugabsturz mit Folgebrand durch Treibstoff, Flugzeugabsturz ohne Folgebrand, Absturz eines Dachbinders als großflächige mechanische Einwir- kung, Überflutung und Flutwelle). Erst nach Vorliegen des Ergebnisses der ergänzenden Überprüfung kann über eine erforderliche Anpassung von Schutzmaßnahmen entschieden werden. Nach derzeitigem Erkenntnisstand der Aufsichtsbehörde ist damit zu rechnen, dass die im ESK-Stresstest zugrunde gelegten Eingreifrichtwerte der Strahlenschutzkommission (SSK) für Maßnahmen im Katastrophenschutz bei den betrachteten auslegungsüber- schreitenden Ereignissen bei der ZRA nicht überschritten werden. 9. Für welche Fälle sieht der Senat unabhängig von einer Sicherheitsüberprüfung noch Verbesserungsbedarf hinsichtlich der Sicherheit der ZRA? Sieht die Atomauf- sichtsbehörde Handlungsbedarf und wenn ja, welchen? Zu 9.: Für die ZRA gibt es eine bestandskräftige Um- gangsgenehmigung nach dem Stand von Wissenschaft und Technik. Derzeit besteht kein Handlungsbedarf; das Ergebnis der ergänzenden Prüfung (siehe Antwort zu 6. bis 8.) ist abzuwarten. Die atomrechtliche Genehmigungs- und Aufsichtsbe- hörde hat keine Zuständigkeit für die Sicherheit der Lan- dessammelstelle, da dort kein Kernbrennstoff gelagert wird. 10. Wie schätzt der Senat die Sicherheit der Bürgerin- nen und Bürger in Potsdam und Berlin bei einem terroris- tischen Angriff aus der Luft oder am Boden auf die ZRA ein? Zu 10.: Im Stresstest der ESK und der anlagenspezifi- schen Überprüfung wurden die radiologischen Auswir- kungen eines Flugzeugabsturzes mit Folgebrand durch Treibstoff und eines Flugzeugabsturzes ohne Folgebrand, also auch eines herbeigeführten Absturzes überprüft. Der abschließende Bericht liegt noch nicht vor (siehe Antwort zu Frage 6). Ein Schadensereignis bei einem Angriff am Boden wurde nicht typisiert und betrachtet. Da aber be- reits bei den betrachteten Szenarien sämtliche in der ZRA gelagerten Abfallgebinde betroffen sind, werden diese als abdeckend auch für andere mögliche Ereignisse betrach- tet. 11. Erscheint der Standard der ZRA hinsichtlich Si- cherung und Zugänglichkeit des Geländes dem Senat aus heutiger Sicht noch als ausreichend? Welche zusätzlichen Sicherungsmaßnahmen würden die Sicherheit verbessern und gibt es für deren Umsetzung einen Zeitplan? Abgeordnetenhaus Berlin – 17. Wahlperiode Drucksache 17 / 15 653 3 Zu 11.: Siehe Antwort zu 6. bis 10. Berlin, den 17. März 2015 In Vertretung Guido B e e r m a n n ......................................................... Senatsverwaltung für Wirtschaft, Technologie und Forschung (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 23. Mrz. 2015)