Drucksache 17 / 15 654 Schriftliche Anfrage 17. Wahlperiode Schriftliche Anfrage des Abgeordneten Daniel Buchholz (SPD) vom 03. März 2015 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 03. März 2015) und Antwort Spielhallen-Flut zerstört Kieze und Menschen IX: Immer mehr Glücksspiel-Automaten in Gaststätten und Café-Casinos? Die Drucksachen des Abgeordnetenhauses sind bei der Kulturbuch-Verlag GmbH zu beziehen. Hausanschrift: Sprosserweg 3, 12351 Berlin-Buckow · Postanschrift: Postfach 47 04 49, 12313 Berlin, Telefon: 6 61 84 84; Telefax: 6 61 78 28. Im Namen des Senats von Berlin beantworte ich Ihre Schriftliche Anfrage wie folgt: 1. Welche Rechtsgrundlagen sind in Berlin für den Betrieb eines Gaststättengewerbes einschlägig? Welche Gaststätten bedürfen einer Erlaubnis, welche sind erlaub- nisfrei? Bestehen auch persönliche Voraussetzungen für den Geschäftsinhaber bzw. Antragssteller? Zu 1.: Der Betrieb einer Gaststätte in Berlin richtet sich im Wesentlichen nach den gesetzlichen Regelungen des Gaststättengesetzes (GastG) in Verbindung mit der Berliner Gaststättenverordnung (GastV). § 2 Abs. 1 GastG begründet die Erlaubnispflicht für die in § 1 GastG genannten Gruppen des Gaststättengewerbes. So unterlie- gen Gastgewerbe der Erlaubnispflicht, wenn alkoholische Getränke zum Verzehr an Ort und Stelle angeboten wer- den. Nach § 2 Absatz 2 GastG hingegen sind Gaststätten, in denen kein Alkohol, sondern lediglich alkoholfreie Getränke ausgeschenkt werden, unentgeltliche Kostpro- ben bzw. zubereitete Speisen abgeben oder in Verbindung mit einem Beherbergungsbetrieb Getränke und zubereite- te Speisen an Hausgäste verabreicht werden, erlaubnisfrei. Auch für erlaubnisfreie Gaststättenbetriebe gelten die für alle Gaststätten zu beachtenden Vorschriften. Die Erlaubnis kann befristet erteilt und (auch nach- träglich) mit Auflagen verbunden werden, soweit dies zum Schutze der Allgemeinheit, der Gäste, der Bedienste- ten oder der Nachbarschaft vor Gefahren, erheblichen Nachteilen oder erheblichen Belästigungen erforderlich ist. Sie ist personen-, betriebsart- und raumbezogen. Sie gilt also nur für die konkrete beabsichtigte Betriebsart mit genau dokumentierten Flächen. Sie kann weder übertra- gen noch verkauft werden. Zu den Erlaubnisvorausset- zungen gehören u.a. das Vorhandensein der gewerbe- rechtlichen Zuverlässigkeit sowie der Nachweis der Teil- nahme an einer Unterrichtung für Gastwirte und Gastwir- tinnen über die Grundzüge lebensmittelrechtlicher Kennt- nisse bei einer Industrie- und Handelskammer. Weiterhin müssen bestimmte Anforderungen z.B. in Bezug auf Lage und Beschaffenheit der Räumlichkeiten erfüllt sein. Unabhängig davon, ob ein Gastgewerbe erlaubnis- pflichtig oder erlaubnisfrei ist, sind weitere Regelungen des GastG und eine Reihe weiterer Vorschriften zu beach- ten, etwa die Vorschriften des Baurechts (Baugesetzbuch in Verbindung mit der Baunutzungsverordnung, Bauord- nung Berlin), des Jugendschutzgesetzes, des Landes- immissionsschutzgesetzes Berlin, der Berliner Lärm- schutzverordnung und des Nichtraucherschutzgesetzes. Für die Nutzung öffentlichen Straßenlandes - beispiels- weise für das Herausstellen von Tischen, Stühlen bzw. Schankvorgärten - bedarf es zusätzlich einer Sondernut- zungserlaubnis nach dem Berliner Straßengesetz. Sofern das Unternehmen im stehenden Gewerbe betrieben wer- den soll, ist es nach § 14 Gewerbeordnung (GewO) bei der örtlich zuständigen Gewerbebehörde anzuzeigen. Für Betriebe, in denen Geldspielgeräte (GSG) aufgestellt sind, gelten weitere Regelungen (s. Frage 4). 2. Wie hat sich die Zahl der erlaubnispflichtigen Gast- stätten in den letzten fünf Jahren in Berlin entwickelt (bitte detaillierte Angaben für jedes Jahr)? 3. Wie hat sich die Zahl der erlaubnisfreien Gaststät- ten in den letzten fünf Jahren in Berlin entwickelt (bitte detaillierte Angaben für jedes Jahr)? Zu 2 und 3.: Die für die Gewerbemeldungen einschlä- gige Rechtsgrundlage des § 14 Gewerbeordnung (GewO) sieht keine Differenzierung zwischen erlaubnispflichtigen und erlaubnisfreien Gaststättenbetrieben vor. Daher kön- nen diese Zahlen nicht automatisiert aus dem aktuellen Datenbestand ermittelt werden. Bei einem aktuellen Be- stand von 9.714 Gaststättenbetrieben in Berlin müsste diese Unterscheidung durch Einsichtnahme in jede ein- zelne Gewerbeakte seitens der Bezirke erfolgen. Dieser personelle Aufwand ist von den Ordnungsämtern der Bezirke nicht zu leisten. Abgeordnetenhaus Berlin – 17. Wahlperiode Drucksache 17 / 15 654 2 Dennoch kann festgestellt werden, dass die Zahl der gemeldeten Gaststättenbetriebe seit Jahren rückläufig ist. Auf die Jahre 2010 bis 2014 betrachtet stehen den jährlich durchschnittlich 1.759 neu angemeldeten Gaststättenbe- trieben in Berlin 1.921 abgemeldete Gaststätten gegen- über 4. Unter welchen Voraussetzungen durften bis zum November 2014 in Gaststätten Geld-Gewinnspielgeräte („Glücksspiel-Automaten“) aufgestellt werden und wie viele dieser Geräte waren pro Gaststätte zulässig? Wie hat sich die Rechtsgrundlage inzwischen verändert? Zu 4.: Bis zum Inkrafttreten der 6. Novelle der Spiel- verordnung (SpielV) vom 04. November 2014 (Verkün- dung im Bundesgesetzblatt am 10. November 2014, BGBl. I S. 1678) durften gemäß § 1 Absatz 1 Nr. 1 und § 2 Nr. 1 i. V. m. § 3 Absatz 1 SpielV in Räumlichkeiten von Gaststätten bis zu drei Spielgeräte aufgestellt werden. In der Novelle erfolgte gemäß § 1 Abs. 2 Nr. 2 SpielV zunächst die Klarstellung, dass lediglich diejenigen gast- ronomischen Einrichtungen als geeignete Aufstellorte für Geldspielgeräte gelten, die durch den Schank- und Spei- sebetrieb geprägt sind und nicht überwiegend anderen Zwecken dienen (Abgrenzung zu so genannten Café- Casinos). In nach § 1 Absatz 1 SpielV geeigneten Aufstel- lorten (wozu auch erlaubnispflichtige Gaststätten gehö- ren) dürfen nach wie vor bis zu maximal drei Geldspiel- geräte aufgestellt werden. Hingegen dürfen gemäß § 1 Absatz 2 Nr. 4 SpielV in erlaubnisfreien Gaststätten im Sinne des § 2 Absatz 2 GastG keine Geldspielgeräte mehr aufgestellt werden. Dies sind z. B. Betriebe ohne Alko- holausschank (§ 2 Abs. 2 Nr. 1 GastG). Entsprechende Anträge auf Erteilung einer Geeignetheitsbestätigung nach § 33c Abs. 3 S. 1 GewO sind deshalb nunmehr abzu- lehnen. Diese Neuregelung betrifft lediglich Anträge nach § 33c Abs. 3 S. 1 GewO, welche ab Inkrafttreten der 6. Novelle der SpielV, also ab dem 11. November 2014, beschieden werden. Erlaubnisfreie Betriebe, für welche bereits zuvor (bestandskräftige) Geeignetheitsbescheini- gungen erteilt und aufgrund derer GSG aufgestellt wur- den, genießen Bestandsschutz. Ab dem 10. November 2019 wird die in erlaubnis- pflichtigen Gaststätten maximal zulässige Anzahl der Geldspielgeräte ausnahmslos von drei auf zwei Geräte reduziert. Dies gilt dann auch für Bestandsbetriebe im Sinne des § 2 Abs. 2 GastG (erlaubnisfreie Gaststätten), für welche vor dem 11. November 2014 eine Geeig- netheitsbestätigung erteilt worden war. Ein Gastwirt oder eine Gastwirtin, der oder die selbst als Aufsteller oder Aufstellerin in den Räumlichkeiten Geldspielgeräte betreiben möchte, benötigt hierfür eine Erlaubnis nach § 33c Absatz 1 der Gewerbeordnung (Ge- wO). Voraussetzung ist nach § 33c Absatz 2 GewO u.a. das Vorliegen der hierfür erforderlichen Kenntnisse zum Spieler- und Jugendschutz sowie die gewerberechtliche Zuverlässigkeit. Außerdem ist ein Sozialkonzept, mit welchen Maßnahmen den sozialschädlichen Auswirkun- gen des Glücksspiels vorgebeugt werden soll, vorzulegen. Die Geldspielgeräte dürfen darüber hinaus nur aufgestellt werden, wenn die zuständige Behörde dem Aufsteller oder der Aufstellerin nach § 33c Absatz 3 GewO schrift- lich bestätigt hat, dass die Räumlichkeiten die Vorausset- zungen der Spielverordnung des Bundes (SpielV) erfül- len (sog. Geeignetheitsbestätigung). Die Eignung als Aufstellort ist dem Unternehmen jedoch abzusprechen, sobald aufgrund der tatsächlichen Nutzung der Räumlich- keiten ein spielhallenähnlicher Betrieb vorliegt (sog. Ge- prägetheorie). In diesem Fall wird für den Betrieb des Gewerbes eine Erlaubnis nach dem Berliner Spielhallen- gesetz (SpielhG Bln) benötigt. 5. Wie hat sich die Zahl der Berliner Gaststätten mit Geld-Gewinnspielgeräten in den letzten fünf Jahren ent- wickelt und wie viele Geräte waren dort insgesamt aufge- stellt (bitte Jahreswerte tabellarisch getrennt nach erlaub- nisfreien und erlaubnispflichtigen Gaststätten angeben auf Grundlage der Steuerdaten der Finanzverwaltung)? Zu 5.: Angaben zu der Zahl von Geldspielgeräten spe- ziell in Gaststätten liegen dem Senat nicht vor und sind auch bei den Ordnungsämtern in den Bezirken nicht be- kannt. Die Ordnungsämter erteilen bei Vorliegen der rechtlichen Voraussetzungen (s.o.) zwar eine sogenannte „Geeignetheitsbescheinigung“ für die Aufstellung von Geldspielgeräten in der Gastronomie. Dies lässt allerdings keine Rückschlüsse auf die Zahl der tatsächlich aufge- stellten Geräte zu. Es ist Sache des Aufstellers oder der Aufstellerin, wie viele der maximal zulässigen Geldspiel- geräte aufgestellt werden. Auf der Grundlage von Daten, die der für Finanzen zuständigen Senatsverwaltung im Zusammenhang mit der Erhebung der Vergnügungssteuer vorliegen, lassen sich jedoch Aussagen zu Geldspielgeräten an „sonstigen Aufstellorten “ treffen (gemeint sind andere im Sinne der SpielV zulässige Aufstellorte als Spielhallen, wozu u.a. auch Gaststätten gehören). Die Anzahl der Geldspielgerä- te in Gaststätten und an „sonstigen Aufstellorten“ und deren Entwicklung seit 2010 sind der nachfolgenden Tabelle zu entnehmen. Die Bestandsstatistik per 31. De- zember 2014 wird vom Finanzamt für Körperschaften IV bis zum Ende des 1. Quartals erstellt, so dass gegenwärtig entsprechende Angaben nicht möglich sind. Hilfsweise wird hier der Bestand zum 31. März 2014 angegeben. GSG an „sonstigen Aufstellorten“ (einschließlich Gaststätten) Jahr Anzahl 2010 5.318 2011 6.441 2012 6.650 2013 6.857 2014 (per 31.03.14) 6.670 Abgeordnetenhaus Berlin – 17. Wahlperiode Drucksache 17 / 15 654 3 6. Wie bewertet der Senat die Entwicklung der Anzahl von Geld-Gewinnspielgeräten in Gaststätten in den letzten fünf Jahren? Zeigen die Zahlen eine Ausweichbewegung nach Inkrafttreten des strengen Berliner Spielhallengeset- zes hin zur Aufstellung in (ggf. erlaubnisfreien) Gaststät- ten oder sog. Café-Casinos? Zu 6.: Angaben zu der Zahl von Geldspielgeräten spe- ziell in Gaststätten liegen dem Senat nicht vor. Die Zahl der Geldspielgeräte an „sonstigen Aufstellorten“ lässt keine belastbaren Rückschlüsse auf die Entwicklung dieser Geräte speziell in Gaststätten zu. Selbst wenn es einen Zuwachs an Geldspielgeräten in Gaststätten geben sollte, könnte daraus nicht zwangsläufig eine Ausweich- bewegung abgeleitet werden. Berlin, den 13. März 2015 In Vertretung Guido B e e r m a n n ...................................................... Senatsverwaltung für Wirtschaft, Technologie und Forschung (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 18. Mrz. 2015)