Drucksache 17 / 15 673 Schriftliche Anfrage 17. Wahlperiode Schriftliche Anfrage der Abgeordneten Marianne Burkert-Eulitz (GRÜNE) vom 05. März 2015 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 06. März 2015) und Antwort Öffentliche Diskriminierung von ehemaligen Heimkindern in der Berliner Behinderten- hilfe und Psychiatrie oder Exklusion statt Inklusion? Die Drucksachen des Abgeordnetenhauses sind bei der Kulturbuch-Verlag GmbH zu beziehen. Hausanschrift: Sprosserweg 3, 12351 Berlin-Buckow · Postanschrift: Postfach 47 04 49, 12313 Berlin, Telefon: 6 61 84 84; Telefax: 6 61 78 28. Im Namen des Senats von Berlin beantworte ich Ihre Schriftliche Anfrage wie folgt: 1. Ehemalige Heimkinder haben in der Behinderten- hilfe und Psychiatrie gleiches Leid und Unrecht erfahren wie Kinder und Jugendliche in der Jugendhilfe, warum wurden die Betroffenen nicht von Anfang an gleich be- handelt und müssen nun erleben, dass sie ungleich behan- delt werden und warum werden sie erst Jahre später über- haupt wahrgenommen? 2. In den Antworten der Drucksachen 17/ 15436 und 17/ 15501 trägt der Senat vor, dass Erfahrungen mit dem Heimkinderfonds I dazu geführt haben, eine Fondslösung II abzulehnen, welche Erfahrungen sind dies konkret und warum wollen die Länder nicht den Wünschen der Be- troffenen folgen, die gerade eine Fondslösung preferie- ren? Zu 1. und 2.: Die Sozialministerinnen und Sozialmi- nister haben mit den Beschlüssen der 90. und 91. Arbeits- und Sozialministerkonferenz ausdrücklich die Feststel- lung bekräftigt, dass auch Kinder und Jugendliche in Heimen der Behindertenhilfe und der Psychiatrie Leid und Unrecht erfahren haben und ein Anrecht darauf ha- ben, dass das erfahrene Leid und Unrecht auszugleichen ist. In den Umsetzungsverfahren zum Heimkinderfonds I ist vor allem eine unzureichende Datenlage zu möglichen Betroffenenzahlen, eine schwierige Nachweisführung und die finanzielle Ausstattung des Heimkinderfonds I prob- lematisiert worden. Darüber hinaus ist die unterschiedli- che Ausgangslage in den Bundesländern Ost und West sowie die Frage, ob eine Einmalzahlung tatsächlich einen hinreichenden Ausgleich für erfahrenes Leid und Unrecht darstellen kann, mit den Umsetzungsverfahren nicht um- fassend geklärt. 3. Wie soll nach Auffassung des Berliner Senates eine Lösung in den Regelsystemen konkret aussehen, die die Betroffenen von den dort sonst vorhandenen strengen Beweis- und Nachweisregelungen befreit, denn es wird ihnen in der Regel nicht gelingen, Beweise und Zeugen für das erlittene Unrecht vorzulegen - schließlich waren sie als Kinder ganz allein und einem ungerechten Macht- system von Erwachsenen schutzlos ausgeliefert? Zu 3.: Die länderoffene Arbeitsgruppe (AG) wurde mit dem Beschluss der 91. Arbeits- und Sozialminister- konferenz gebeten, Vorschläge zu unterbreiten, wie das erlittene Unrecht und Leid mithilfe von Anpassungen der Regelsysteme anerkannt werden kann, z. B. im Renten- recht, nach dem Opferentschädigungsgesetz oder dem Sozialen Entschädigungsrecht. Der Berliner Senat wird sich an diesen gemeinsamen Überlegungen beteiligen. 4. Wie erklärt der Berliner Senat Betroffenen, dass das von ihnen erlittene Leid nun anders behandelt wird, als das Leid der anderen ehemaligen Heimkinder? Zu 4.: Die momentane Aufgabe besteht darin, auf der Basis nachvollziehbarer Daten Entschädigungs- bzw. Ausgleichleistungen zu ermöglichen, die nicht nur einma- ligen sondern nachhaltigen Charakter haben. 5. Für die Berliner Jugendhilfe wurde auch eine histo- rische Aufarbeitung vorgenommen, wie wurde die Ge- schichte der misshandelten Heimkinder in der Behinder- tenhilfe und der Psychiatrie durch den Berliner Senat aufgearbeitet? Abgeordnetenhaus Berlin – 17. Wahlperiode Drucksache 17 / 15 673 2 Zu 5.: Eine umfassende Aufarbeitung und Bewertung der Historie der Kinder und Jugendlichen, die in Heimen der Behindertenhilfe und Psychiatrie Leid und Unrecht erfahren haben, ist bundesweit noch nicht erfolgt. Dies soll im Rahmen eines bundesweit abgestimmten, gemein- samen Interessenbekundungsverfahrens und zugleich über eine wissenschaftliche Aufarbeitung über Personengrup- pen, Fallgestaltungen etc. erfolgen. 6. Wenn eine historische Aufarbeitung nicht erfolgte, warum ist dies nicht geschehen und was wird der Berliner Senat wann und wie unternehmen, um diese Seite der Berliner Behindertenhilfe und Psychiatrie aufzuarbeiten? Zu 6.: Der Senat wird im Einvernehmen mit den ande- ren Bundesländern die Aufarbeitung dieses Themas vo- rantreiben. Ein konkreter Zeitplan liegt dazu noch nicht vor. Das Bundesministerium für Arbeit und Sozialord- nung wurde deshalb gebeten, auf Fachebene die länderof- fene AG unter Beteiligung der Jugend- und Familien- ministerkonferenz und der Gesundheitsministerkonferenz für Ende März 2015 einzuladen. 7. Nach Presseinformationen soll es Mitte Februar 2015 ein weiteres Arbeitstreffen der Sozialministerien zu dem Thema gegeben haben, wenn dem so ist, welche konkreten Ergebnisse im Sinne der Betroffenen hat es gegeben, wenn nein, wann können die Betroffenen konk- ret Entschädigungen erhalten, denn die Zeit arbeitet gegen die Betroffenen, es sind schon zu viele gestorben? Zu 7.: Am 11. Februar 2015 hat es eine weitere Sit- zung der länderoffenen Arbeitsgruppe auf Abteilungslei- tungsebene in Düsseldorf gegeben. Neben den bekannten ersten inhaltlichen Bewertungen der Geeignetheit des Ausgleiches von erlittenem Leid und Unrecht über die Regelsysteme ging es um das weitere Vorgehen zum Interessenbekundungsverfahren (s. Antwort zu 5.) und das nächste Treffen der länderoffenen AG Ende März 2015. Berlin, den 18. März 2015 In Vertretung Dirk G e r s t l e _____________________________ Senatsverwaltung für Gesundheit und Soziales (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 20. Mrz. 2015)