Drucksache 17 / 15 702 Schriftliche Anfrage 17. Wahlperiode Schriftliche Anfrage der Abgeordneten Sabine Bangert (GRÜNE) vom 09. März 2015 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 10. März 2015) und Antwort Förderung der Zeitarbeit durch die Berliner Jobcenter Die Drucksachen des Abgeordnetenhauses sind bei der Kulturbuch-Verlag GmbH zu beziehen. Hausanschrift: Sprosserweg 3, 12351 Berlin-Buckow · Postanschrift: Postfach 47 04 49, 12313 Berlin, Telefon: 6 61 84 84; Telefax: 6 61 78 28. Im Namen des Senats von Berlin beantworte ich Ihre Schriftliche Anfrage wie folgt: Die Schriftliche Anfrage betrifft zum Teil spezielle Daten und Sachverhalte, die der Senat nicht aus eigener Zuständigkeit und Kenntnis beantworten kann. Er ist gleichwohl bemüht, Ihnen eine Antwort auf Ihre Anfrage zukommen zu lassen und hat daher die hinsichtlich der Durchführung des Zweiten und Dritten Buches Sozialge- setzbuch (SGB II, SGB III) ganz oder zum Teil zuständi- ge Regionaldirektion Berlin-Brandenburg der Bunde- sagentur für Arbeit um Stellungnahme gebeten. Die dort in eigener Verantwortung erstellte Stellungnahme ist bei der nachfolgenden Beantwortung berücksichtigt. 1. Wie viele offene Stellen waren in den Jahren 2012 bis 2014 bei der Regionaldirektion Berlin-Brandenburg der Bundesagentur für Arbeit bzw. den Berliner Jobcen- tern gemeldet, und wie viel Prozent davon in der Zeitar- beitsbranche (Bitte für die Jahre getrennt ausweisen)? Zu 1.: Bestand an gemeldeten Arbeitsstellen Land Berlin (Jahresdurchschnitte) Jahr Arbeitsstellen darunter: Arbeitsstellen in der Arbeitneh- mer- überlassung darunter: Anteil Spalte 3 an Spalte 1 in % Anteil Spalte 4 an Spalte 2 in % sozialver- sicherungspfl. Arbeitsstellen sv-pfl. Stellen in der Arbeit- nehmer- überlassung 1 2 3 4 5 6 2012 18.583 17.494 6.214 6.179 33,4 35,3 2013 19.034 17.265 5.398 5.368 28,4 31,1 2014 20.279 18.655 5.538 5.442 27,3 29,2 Quelle: Statistik der Bundesagentur für Arbeit 2. Welche Kooperationsvereinbarungen der Regional- direktion Berlin-Brandenburg der Bundesagentur für Arbeit bzw. der Jobcenter mit Zeitarbeitsunternehmen lagen oder liegen seit dem Jahr 2011 vor? a) Welche Grundsätze und Dienstleistungsstandards hat die Regionaldirektion in den Kooperationsvereinba- rungen mit den Zeitarbeitsunternehmen festgelegt? b) Wie trägt und trug die Regionaldirektion in den Kooperationsvereinbarungen dazu bei, dass eine Vergü- tung auf Niveau geltender Zeitarbeits-Tarifverträge und des Mindestlohns durch die Zeitarbeitsunternehmen ge- währleistet ist und wie prüft die Bundesagentur für Arbeit deren Einhaltung? c) Wie hat die Regionaldirektion in den Kooperati- onsvereinbarungen das Ziel der nachhaltigen Integration (Dauer des Beschäftigungsverhältnisses) verbindlich integriert? d) Wie bewertet der Senat diese Kooperationsverein- barungen? Abgeordnetenhaus Berlin – 17. Wahlperiode Drucksache 17 / 15 702 2 Zu 2.: Seit 2011 hat die Bundesagentur für Arbeit drei Kooperationsvereinbarungen mit Zeitarbeitsunternehmen mit Sitz in Berlin geschlossen. Dies sind die Aktiv Personal Service GmbH, die DB Zeitarbeit GmbH und die ZAP Zeitarbeit/Arbeits- vermittlung/Projektmanagement GmbH, welche zum 01.01.2014 von der Dekra Arbeit GmbH übernommen wurde. a) Grundsätze und Dienstleistungsstandards der Koope- ration zwischen der Bundesagentur für Arbeit und den Zeitarbeitsunternehmen sind dem Muster einer Koopera- tionsvereinbarung zu entnehmen, die der Antwort als Anlage 1 beigefügt ist. b) Die Kooperationsvereinbarung enthält bezüglich der Stellenangebote verpflichtende Regelungen für das Zeit- arbeitsunternehmen. Dazu gehört u.a. die Angabe eines konkreten Gehalts, welches in jedem Fall durch die Ver- mittlungs- und Beratungsfachkräfte des Arbeitgeber- Services auf seine Rechtmäßigkeit hinsichtlich der An- wendung von Tarifverträgen überprüft wird. Zur Kontrolle der Einhaltung der Vorschriften des Ar- beitnehmerüberlassungsgesetzes führen überregional arbeitende spezialisierte Prüfteams der Agenturen für Arbeit Düsseldorf, Hannover und Stuttgart Betriebsprü- fungen durch. Prüfungsschwerpunkte sind u.a. die Beach- tung des Gleichstellungsgrundsatzes bzw. die korrekte Anwendung der Tarifverträge im Sinne des § 3 Abs. 1 Nr. 3 Arbeitnehmerüberlassungsgesetz (AÜG), die korrekte Eingruppierung der Zeitarbeitnehmerin/des Zeitarbeit- nehmers entsprechend der tatsächlich ausgeübten Tätig- keit, die Gewährung von Mindestlöhnen und Aufwen- dungsersatz sowie die Beachtung der Regelung des Teil- zeit- und Befristungsgesetzes, die korrekte Gewährung von Entgelt- und Entgeltersatzleistungen und von Urlaub bzw. Urlaubsabgeltung auch während Zeiten des Nicht- einsatzes (Garantielohn) sowie die Abführung von Beiträ- gen zu allen Zweigen der Sozialversicherung. c) Das Ziel der nachhaltigen Integration ist in den Ko- operationsvereinbarungen nicht verbindlich integriert. d) Der Senat bewertet insbesondere die in den Koopera- tionsvereinbarungen verankerte Verpflichtung zur Angabe des erzielbaren Arbeitsentgelts positiv. Indem die Ver- mittlungs- und Beratungsfachkräfte in die Lage versetzt werden, das vorgesehene Arbeitsentgelt auf seine Ange- messenheit zu überprüfen, kann der Vermittlung in Be- schäftigungsverhältnisse mit unangemessen niedrigen Entgelten vorgebeugt werden. Dem Senat ist aus seiner Zusammenarbeit mit der Regionaldirektion Berlin- Brandenburg der Bundesagentur für Arbeit und den ein- zelnen Jobcentern bekannt, dass derartige Prüfungen auch stattfinden. 3. In welchen Berliner Standorten der Agentur für Ar- beit und in welchen Jobcentern in Berlin gibt es so ge- nannte „Teams Zeitarbeit“ im Arbeitgeber-Service? Zu 3.: Bis einschließlich 31.03.2015 gibt es noch ein Team Zeitarbeit im gemeinsamen Arbeitgeber-Service der Agentur für Arbeit Berlin Mitte. Danach wird es in Berlin keine darauf spezialisierten Teams mehr geben. 4. Wie viele Personen waren in Berlin in den Jahren 2012 bis 2014 durchschnittlich in Zeitarbeitsverhält- nissen beschäftigt und welcher prozentuale Anteil an sozialversicherungspflichtiger Beschäftigung in Berlin insgesamt ergibt sich daraus? Zu 4.: Die Anzahl der in Berlin in den Jahren 2012 bis 2014 durchschnittlich in Zeitarbeitsverhältnissen Beschäf- tigten sowie deren prozentualer Anteil an allen sozialver- sicherungspflichtig Beschäftigten ist folgender Tabelle zu entnehmen. Jahr Sozialversicherungspflichtig Beschäftigte in Zeitarbeitsverhältnissen Anteil an allen sozialversicherungspflichtig Beschäftigten in % 2012 28.104 2,3 2013 27.673 2,2 2014 28.342 2,2 Quelle: Statistik der Bundesagentur für Arbeit Hinweis: Die Beschäftigtenstatistik der BA erfasst die Zeitarbeitsbranche als Gesamtheit, d. h. es werden alle Beschäftigten – auch das interne Personal des Zeitarbeitsbetriebs – in dem Wirtschaftszweig „Arbeitnehmerüberlassung “ erfasst. Dabei werden jedoch nur die Beschäftigten in Betrieben, deren Haupttätigkeit in der Arbeit- nehmerüberlassung liegt, erfasst. 5. Wie viele Erwerbslose wurden von der Regionaldi- rektion Berlin-Brandenburg und den Jobcentern in den Jahren 2012 bis 2014 in Arbeit vermittelt und wie viel Prozent davon in die Zeitarbeitsbranche a) durch „Auswahl und Vorschlag“, b) über den Arbeitgeber-Service „Team Zeitarbeit“, und c) wie viele der in Zeitarbeit vermittelten Erwerbslo- sen waren dem SGB II und wie viele dem SGB III zuge- ordnet (bitte jeweils auch differenziert nach Jobcentern angeben)? Abgeordnetenhaus Berlin – 17. Wahlperiode Drucksache 17 / 15 702 3 Zu 5.: Die statistischen Auswertungen zu den Fragen 5 a) sowie 5 c) sind der Tabelle der Anlage 2 zu entneh- men. Zur Frage 5 b) gibt es keine gesonderten Erhebungen der Bundesagentur für Arbeit. 6. Wie lange war nach Kenntnis des Senats die Ver- weildauer (bitte differenziert nach einer Woche und drei, sechs und zwölf Monaten angeben) der in Zeitarbeit ver- mittelten Personen in den Jahren 2012 bis 2014 in Berlin (bitte differenziert nach SGB II und SGB III) und wel- cher Anteil der vermittelten Personen kehrte nach Been- digung des Zeitarbeitsverhältnisses (jeweils nach einer Woche und drei, sechs und zwölf Monaten) unmittelbar in die Betreuung durch die Arbeitsagenturen oder Jobcenter zurück? Wie bewertet der Senat diese Zahlen? Zu 6.: Die Verweildauer der in Berlin in den Jahren 2012 bis 2014 in Zeitarbeit vermittelten Personen ist, soweit bereits statistisch ausgewertet, der nachstehenden Tabelle zu entnehmen. Jahr Abgang Ar- beitslose in Beschäf-tigung am 1. Arbeits- markt insge- samt dar.: 1 Monat später sozialversicherungs- pflichtig beschäftigt (ANÜ) dar. (Sp. 2) 1 und 6 Monate später sozialversiche- rungspflichtig beschäftigt 1, 6 und 12 Monate später sozialversiche- rungspflichtig beschäftigt absolut Ant. an (1) in % absolut Ant. an (1) in % Ant. an (2) in % absolut Ant. an (1) in % Ant. an (2) in % 1 2 3 4 5 6 7 8 9 Rechtskreis SGB II 2012 71.324 7.936 11,1 4.156 5,8 52,4 2.683 3,8 33,8 2013 61.836 6.330 10,2 3.360 5,4 53,1 2.151 3,5 34,0 2014 62.755 6.665 10,6 … … … … … … Rechtskreis SGB III 2012 63.913 5.176 8,1 3.046 4,8 58.8 2.032 3,8 33,8 2013 65.837 5.211 7,9 3.151 4,8 60,5 2.161 3,5 34,0 2014 67.343 5.311 7,9 … … … … … … Quelle: Statistik der Bundesagentur für Arbeit Wöchentliche Auswertungen können durch die Statis- tik der BA nicht dargestellt werden. Bezüglich der Rück- kehr der vermittelten Personen in die Arbeitsagenturen oder Jobcenter liegen keine statistischen Erhebungen vor. Der Senat ist daran interessiert, Beschäftigte dauerhaft in sozialversicherungspflichtige Beschäftigung zu bringen bzw. dort zu halten. Auch wenn Leiharbeit diesbezüglich eine gewisse Brückenfunktion haben kann, spricht sich der Senat, wie auch schon in der Koalitionsvereinbarung für die Legislaturperiode 2011 bis 2016 festgeschrieben, grundsätzlich für Dauerarbeitsplätze anstelle von Leihar- beit aus. Anhand der vorliegenden Daten sind Aussagen zur Wirksamkeit einer Vermittlung in Zeitarbeit im Hinblick auf einen anschließenden Übergang in eine dauerhafte sozialversicherungspflichtige Beschäftigung nur sehr begrenzt möglich. Rund ein Drittel der Personen, die einen Monat nach Beendigung der Arbeitslosigkeit im Wege der Arbeitnehmerüberlassung sozialversicherungs- pflichtig beschäftigt waren, sind auch ein Jahr später sozialversicherungspflichtig beschäftigt. Die Daten lassen allerdings keine Aussage darüber zu, ob es sich bei der Beschäftigung ein Jahr nach Aufnahme der Zeitarbeit beispielsweise weiterhin um ein nicht existenzdeckendes Beschäftigungsverhältnis handelt. Der obigen Statistik ist außerdem nicht zu entnehmen, ob ein Beschäftigungsver- hältnis auch 2, 5 oder 10 Jahre später noch besteht. Die Brückenfunktion von Zeitarbeit ist nach Auffassung des Senats vor allem dann in positiver Weise erfüllt, wenn das sich anschließende Beschäftigungsverhältnis in möglichst vielen Punkten den Anforderungen an „Gute Arbeit“ entspricht und tatsächlich die Brücke „Zeitarbeit“ für die Integration in dieses Beschäftigungsverhältnis erforder- lich war. Als Charakteristika „Guter Arbeit“ werden insbesondere folgende Punkte betrachtet: Sicherheit des Arbeitsplatzes, existenzsichernde Entlohnung, gesunde und humane Gestaltung des Arbeitsplatzes und der Ar- beitszeiten, Vermeidung jeglicher Diskriminierung am Arbeitsplatz, gleiche Entlohnung für gleiche bzw. gleich- wertige Arbeit (Equal pay), Vereinbarkeit von Familie und Beruf sowie individuelle Entwicklungs- und Auf- stiegschancen. 7. Wie viele Zeitarbeitskräfte in Berlin erhielten in den Jahren 2012 bis 2014 aufstockende Leistungen nach dem SGB II und welche Summen wurden jährlich dafür ver- ausgabt? Wie viele davon waren Vollzeitbeschäftigte? a) Wie bewertet der Senat diese Zahlen? Zu 7.: Es werden keine Personen ausgewertet, sondern lediglich Bedarfsgemeinschaften(BG) mit mindestens einem abhängig erwerbstätigen Arbeitslosengeld(Alg) II- Bezieher mit Einkommen aus einer sozialversicherungs- pflichtigen Beschäftigung in der Arbeitnehmerüberlas- sung. Abgeordnetenhaus Berlin – 17. Wahlperiode Drucksache 17 / 15 702 4 Jahr Anzahl der Bedarfsgemeinschaften (BG) * darunter BG mit Vollzeitbeschäftigung * ergänzende Alg II-Leistungen (Jahressummen in Euro) 2012 3.465 1.488 (Dezember 2012) 21.002.992,- 2013 3.143 1.464 19.376.601,- Jan. – Aug. 2014 2.902 1.292 12.430.151,- * Jahresdurchschnittswerte Die statistischen Auswertungen für die Zeit ab Sep- tember 2014 liegen noch nicht vor. Aufgrund einer Umstellung im Meldeverfahren zur Sozialversicherung sind Angaben zur Arbeitszeit von Juli 2011 bis November 2012 nicht möglich (Für das Jahr 2012 ist daher nur der Dezember-Wert ausgewiesen). a) Im Programm BerlinArbeit zur strategischen Neuaus- richtung der Arbeitsmarkt- und Berufsbildungspolitik des Landes Berlin in der Legislaturperiode 2011 - 2016 ist als Charakteristikum „Guter Arbeit“ u.a. eine existenzsichernde Entlohnung beschrieben. Es ist daher Ziel des Senats, dass Beschäftigte – auch Leiharbeitskräfte – zunehmend eigenständig ihren Lebensunterhalt bestreiten können. Der Senat erwartet aus der Steigerung der derzeit für Leiharbeit im Ostteil Deutschlands (einschließlich Berlin) nach der Zweiten Verordnung über eine Lohnun- tergrenze in der Arbeitnehmerüberlassung (BAnz AT 26.03.2014 V1) geltenden Lohnuntergrenze von 7,86 Euro pro Stunde über 8,20 Euro ab 1. April 2015 auf 8,50 Euro ab 1. Juni 2016 zumindest eine Abnahme des Be- darfs an aufstockenden Leistungen an Leiharbeitskräfte Berlin, den 24. März 2015 In Vertretung Barbara L o t h Senatsverwaltung für Arbeit, Integration und Frauen (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 30. Mrz. 2015) S17-15702 Anlage 1 Anlage 2