Drucksache 17 / 15 719 Schriftliche Anfrage 17. Wahlperiode Schriftliche Anfrage der Abgeordneten Susanna Kahlefeld (GRÜNE) vom 10. März 2015 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 11. März 2015) und Antwort Trägerwechsel bei der Anlaufstelle für europäische Wanderarbeiter: Mittelvergabe nach „Gutsherrenart“? Die Drucksachen des Abgeordnetenhauses sind bei der Kulturbuch-Verlag GmbH zu beziehen. Hausanschrift: Sprosserweg 3, 12351 Berlin-Buckow · Postanschrift: Postfach 47 04 49, 12313 Berlin, Telefon: 6 61 84 84; Telefax: 6 61 78 28. Im Namen des Senats von Berlin beantworte ich Ihre Schriftliche Anfrage wie folgt: 1. Wann wurde die Anlaufstelle für europäische Wan- derarbeiter dem bisherigen Träger südost Europa Kultur e.V. weggenommen? 2. Warum wurden die Anlaufstelle südost Europa Kul- tur e.V. entzogen? Zu 1. und 2.: Die Senatsverwaltung für Arbeit, In- tegration und Frauen vergibt im Rahmen des Aktions- plans zur Einbeziehung ausländischer Roma (Aktions- plan) an Träger Zuwendungen jeweils für den Ablauf eines Jahres. Die Anlaufstelle ist am 8. Oktober 2014 von der Se- natsverwaltung für Arbeit, Integration und Frauen - Ab- teilung III: Integration – für folgende Aufgaben ausgeschrieben worden: 1. Erstberatung zu allgemeinen Fragen des Aufenthalts 2. Vermittlungsberatung zu den Angeboten der Regeldienste einschl. Integrationskurse 3. Sensibilisierung und Aufklärung der lokalen Öffentlichkeit für die Probleme der ankommenden Roma- Familien Der Schwerpunkt der Anlaufstelle liegt in ihrer Mobi- lität. Eine Beratung am Standort des Trägers ist möglich, steht aber nicht im Vordergrund der Arbeit der Anlauf- stelle. Die Anlaufstelle ist mobil in der Stadt unterwegs und kann arbeitstäglich von den Familien direkt ange- sprochen werden. Die Anlaufstelle ist ein Instrument, um den ankom- menden Familien, aber auch den Romafamilien, die sich trotz langem Aufenthalt noch nicht in Berlin integriert haben, eine Hilfe zur Selbsthilfe zu geben. Die Anlauf- stelle bündelt Fachkompetenz und Praxiserfahrung zu den Themen, die Neuzuwandererinnen und Neuzuwanderer aus Rumänien, Bulgarien und Polen betreffen und kann von Fachdiensten als Informationspunkt genutzt werden. Die Anlaufstelle stellt weder einen Ersatz oder noch eine Alternative zu den gesetzlich geregelten Zuständig- keiten der bezirklichen Verwaltung dar und übernimmt auch keine Funktionen der Regeldienste des Sozialbe- reichs oder des Jugendhilfeamtes. Auch bleibt die Klä- rung von Fragen zur Unterkunft, bzw. die Organisation von Unterbringungsmöglichkeiten weiterhin in der Ver- antwortung der Bezirke. Es wurde ein Interessenbekundungsverfahren durch- geführt. Auch südost Europa Kultur e.V. hat eine Bewer- bung eingereicht. Den Organisationen wurde die Gele- genheit gegeben, ihre Projekte vorzustellen. Die Präsen- tation von Amaro Foro und dem Caritasverband entspra- chen am meisten den angeforderten Aufgaben. Sie wur- den dementsprechend mit der Aufgabe der Wahrnehmung der mobilen Anlaufstelle für Wanderarbeiterinnen und Wanderarbeiter und Roma betraut. Die mobile Anlaufstelle für europäische Wanderar- beiterinnen und Wanderarbeiter sowie Roma wurde dem Verein südost Europa Kultur e.V. daher weder „weggenommen “ noch „entzogen“, vielmehr überzeugten die eingereichten Konzepte von Amaro Foro und dem Cari- tasverband. 3. Um welche Fördersumme handelt es sich? Zu 3.: Der Verein südost Europa Kultur e.V. erhielt im Jahr 2014 für seine Aufgaben im Rahmen der Anlaufstelle eine Zuwendung in Höhe von 75.000 €. 4. Warum ist beim Entzug der Anlaufstelle das Re- sultat der Neuausschreibung nicht abgewartet worden? Warum war dem Senat der Entzug der Anlaufstelle so dringlich, dass sie für die Übergangszeit an Phinové e.V. gegeben wurde? Abgeordnetenhaus Berlin – 17. Wahlperiode Drucksache 17 / 15 719 2 Zu 4.: Am 3.12. 2014 hat der Senat der ressortüber- greifenden und bezirksoffenen Lenkungsgruppe zur Um- setzung der Berliner Strategie zur Einbeziehung von aus- ländischen Roma (Lenkungsgruppe Roma) das Ergebnis des Interessenbekundungsverfahrens vorgestellt und seine Entscheidung abgestimmt. Für die Bezirke Friedrichs- hain-Kreuzberg, Lichtenberg, Marzahn-Hellersdorf, Mit- te, Neukölln und Reinickendorf sind demnach der Cari- tasverband, für die Bezirke Charlottenburg-Wilmersdorf, Pankow, Spandau, Steglitz-Zehlendorf, Tempelhof, Trep- tow-Köpenick und Schöneberg Amaro Foro zuständig. Unmittelbar danach wurden die drei Angebotssteller des Interessenbekundungsverfahrens über die Entscheidung informiert. Da der Caritasverband aus zeitlichen Gründen bis En- de Dezember 2014 das erforderliche Stellenbeset- zungsverfahren für die Anlaufstelle nicht durchführen konnte, wurde einvernehmlich der 1.2.2015 als Maßnah- mebeginn festgelegt. Da die betroffenen Bezirke auch für Januar 2015 die Fortführung der Angebote der Anlauf- stelle eingefordert hatten, wurde übergangsweise der Verein Phinove damit beauftragt. Dieser Verein ist seit dem 1.1.2015 Arbeitgeber der Mitarbeiterinnen und Mit- arbeiter des ehemaligen Teams der Anlaufstelle für diese Bezirke. 5. Wie wurde sichergestellt, dass die ratsuchenden Menschen den neuen Träger finden konnten? 6. Warum wurde die Verunsicherung der Ratsuchen- den in Kauf genommen? Steht der Nachteil für die Kli- enten der Anlaufstelle in einem Verhältnis zur Wunsch des Senats nach einem Trägerwechsel? Zu 5. und 6.: Die Senatsverwaltung für Arbeit, In- tegration und Frauen hat alle Bezirke und betroffene nichtstaatliche Organisationen unverzüglich über die Ansprechpartnerinnen und Ansprechpartner ab 1.1.2015 informiert. Da im Januar 2015 die gleichen Beraterinnen und Be- rater wie 2014 zur Verfügung standen, konnte eine Ver- unsicherung ausgeschlossen werden. 7. Wie lange war die Anlaufstelle bei Phinové e.V. und wie hoch war die Zuwendung für diese Zeit? Zu 7.: Der Verein Phinove e.V. hat für den Monat Ja- nuar 2015 die Aufgaben der Anlaufstelle übernommen und hat dafür 34.000 € (1/12 der mit zusätzlichen Bundesmitteln ausgestatteten Planungssumme für die Anlauf- stelle für 2015 für diese Bezirke) erhalten. 8. Wer ist Phinové e.V. (Vorstand, Mitgliederzahl, Zugehörigkeit zu Dachverbänden, bisherige Leistungen, Finanzierung des Vereins)? Zu 8.: Der gemeinnützige Verein Phinove e.V. wurde 2013 von haupt-und ehrenamtlichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des Arnold-Fortuin-Hauses (Neukölln, Har- zer Straße 65) gegründet: http://www.arnold-fortuin.de/ Der Verein will mit seiner Arbeit einen Beitrag zur eu- ropäischen Entwicklung der Chancengleichheit beitragen. Im Rahmen der Zuwendungsvergabe wird der Verein vom Senat seit 2014 gefördert. Er hat sich am 26.3.2015 im Ausschuss für Arbeit, Integration, Frauen und berufli- che Bildung des Abgeordnetenhauses vorgestellt (siehe S. 24): http://www.parlament-ber- lin.de/ados/17/ArbIntFrau/protokoll/aif17-053-wp.pdf 9. Mit wem – außer dem Senat - steht dieser neue Träger in Kooperation? Wie beurteilt der Senat die Be- deutung einer funktionierenden Vernetzung der Träger für die Qualität ihrer Betreuungs- und Unter-stützungsleis- tungen? Zu 9.: Grundsätzlich werden im Rahmen der Zuwen- dungsvergabe Kooperationen mit Dritten nicht abgefragt. Die funktionierende Vernetzung der Träger mit den Be- zirken, mit Regelinstitutionen, anderen Trägern und mit Dachorganisationen schätzt die Senatsverwaltung für Arbeit, Integration und Frauen als besonders wichtig ein. 10. In welcher Höhe hat Phinove e.V. 2014 Mittel er- halten und wofür? Zu 10.: Im Rahmen des Aktionsplans hat der Verein Phinove e.V. 2014 Zuwendungen erhalten für Notunter- künfte für Familien (in Höhe von 80.600 €) und für ein integriertes Wohnprojekt in Reinickendorf (Scharnweber- str. 111) in Höhe von 50.000 €. Zudem ist Phinove 2014 und 2015 Kooperationspartner im ESF-landeskofinan- zierten Projekt „BildungsWege – Berufliche Orientierung für Junge Roma“ und wird dort für die Durchführung von Sprachkursen in Höhe von 67.487,97 € gefördert (Federführung : südost Europa Kultur e.V.). Berlin, den 30. März 2015 In Vertretung Boris V e l t e r Senatsverwaltung für Arbeit, Integration und Frauen (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 1. Apr. 2015)