Drucksache 17 / 15 763 Schriftliche Anfrage 17. Wahlperiode Schriftliche Anfrage der Abgeordneten Marianne Burkert-Eulitz (GRÜNE) vom 12. März 2015 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 13. März 2015) und Antwort Nach der Haasenburg – hat das „Bündnis für die Schwierigen“ Abhilfe geschaffen? Die Drucksachen des Abgeordnetenhauses sind bei der Kulturbuch-Verlag GmbH zu beziehen. Hausanschrift: Sprosserweg 3, 12351 Berlin-Buckow · Postanschrift: Postfach 47 04 49, 12313 Berlin, Telefon: 6 61 84 84; Telefax: 6 61 78 28. Im Namen des Senats von Berlin beantworte ich Ihre Schriftliche Anfrage wie folgt: 1. Zu welchen Erkenntnissen und Ergebnissen ist das „Bündnis für die Schwierigen“ gekommen, eine Arbeitsgruppe , die die Senatsjugendverwaltung nach dem Skan- dal um die Haasenburg eingesetzt hatte? 2. Welche dieser Ergebnisse dieser Arbeitsgruppe wurden bereits in die Praxis umgesetzt und welche wer- den wann umgesetzt? 7. Welche Schritte wird der Berliner Senat im Zu- sammenhang mit den hier aufgeworfenen Fragen in nächster Zeit unternehmen? Zu 1., 2. und 7.: Die Debatte um die Haasenburg führ- te zu Fachdiskussionen auf allen Ebenen. In Berlin stehen die hohen Abbruchquoten in stationären Hilfen und der vielfache Hilfewechsel bei bestimmten Zielgruppen im Vorlauf zu einer Unterbringung mit freiheitsentziehenden Maßnahmen im Fokus des durch die Senatsverwaltung für Bildung, Jugend und Wissenschaft (SenBildJugWiss) initiierten Fachdiskurs „Bündnis für die Schwierigen“ mit den Vertreterinnen und Vertretern der öffentlichen und freien Jugendhilfe. Ferner zeigten die Berliner Jugendäm- ter auf, dass die Unterbringung von schwierig agierenden Kindern und Jugendlichen mit komplexen Hilfebedarfen in Berlin nur mit erheblichem Aufwand gelingt und dass die auswärtige Unterbringung weiterhin bei über 30 % liegt. Ziel des „Bündnis für die Schwierigen“ war die gemeinsame Analyse der Angebotsstruktur, der Verfahren und konzeptionellen Ausrichtungen der Angebote, um die Gründe für die beschriebenen Entwicklungen zu ermitteln und geeignete Ansätze für eine bedarfsgerechte Angebots- und Versorgungsstruktur in Berlin zu identifizieren und zu vereinbaren. In mehreren Workshops und Arbeitsgruppen wurde die Praxis in den stationären Hilfen in Bezug auf konzep- tionelle und verfahrensbezogene Ausschlusskriterien untersucht. Ferner wurden die Handlungsmöglichkeiten und Maßnahmen in den Blick genommen, die dazu bei- tragen, dass das Verbleiben der Kinder und Jugendlichen in den Regeleinrichtungen auch in eskalierten Krisensi- tuationen besser gelingt. Dazu wurde eine Orientierungs- hilfe für Leistungserbringer und Jugendämter erarbeitet und Voraussetzungen für gelingende Hilfen benannt. Sie wird nach einem Jahr evaluiert. Unter der Federführung der SenBildJugWiss werden mit den Berliner Jugendämtern und Leistungserbringern integrierte Angebote von stationären Hilfen zur Erziehung mit einer kooperativen verlässlichen Regelbeschulung entwickelt. Außerdem erarbeiteten die SenBildJugWiss und die Jugendämter für die Zielgruppe der schwer dissozialen Kinder und Jugendlichen mit multiplen Störungsbildern im Alter von 9 – 14 Jahren eine Bedarfsbeschreibung für ein Leistungsangebot. Die Anforderungen an das pädago- gische Konzept und an das Personal für dieses gesamt- städtische Leistungsangebot wurden bereits mit den Spit- zenverbänden der freien Wohlfahrtspflege und ihren Trä- gern beraten. Die Entwicklung des Leistungsangebotes mit dem Abschluss eines Trägervertrages soll gemeinsam mit den interessierten Leistungserbringern bis Ende 2015 erfolgen. Das „Bündnis für die Schwierigen“ ist in der bisherigen Form abgeschlossen. Die Themen werden in der vorhandenen Beratungsstruktur und den üblichen Gremi- en weiter bearbeitet. Abgeordnetenhaus Berlin – 17. Wahlperiode Drucksache 17 / 15 763 2 3. Wie viele Berliner Kinder und Jugendliche aus welchen Bezirken sind aktuell in welchen Einrichtungen und in welchen Bundesländern geschlossen unterge- bracht? Zu 3.: Im Verlauf des Jahres 2013 waren insgesamt 24 Berliner Minderjährige zwischen 13 und 17 Jahren auf- grund einer Selbst- und Fremdgefährdung in Verbindung mit § 1631b Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) durch die Jugendämter untergebracht. Davon wurden 12 in der Berliner Krisen- und Clearingeinrichtung betreut. Von den 12 außerhalb Berlins untergebrachten Kindern und Jugendlichen wurden 5 in Brandenburg, 3 in Bayern, 2 in Nordrhein–Westfalen und jeweils ein Minderjähriger in Niedersachsen und Rheinland-Pfalz betreut. (siehe Schriftliche Anfrage 17/14715 vom 23.10.2014). Aktuel- lere Zahlen liegen nicht vor. 4. Wie garantiert das Land Berlin als verantwortli- cher örtlicher Träger und durch die in der Berliner Ver- fassung verankerten Rechte von Kindern verpflichtete Exekutive, diesen Kindern und Jugendlichen Schutz und Wahrung ihrer Grundrechte in der Praxis? 5. Wie haben sich die Bedingungen von Berliner Kindern und Jugendlichen, die in stationären Einrichtun- gen der Jugendhilfe außerhalb Berlins untergebracht sind seither verbessert, sich z.B. mit der Ombudsstelle der Jugendhilfe in Berlin jederzeit offen in Kontakt zu setzen - gibt es dazu entsprechende rechtsverbindliche Regelun- gen, die auch Träger binden, die ihren Sitz nicht in Berlin haben? 6. Sind aus Sicht des Senates von Berlin noch weitere Verbesserungen notwendig, um fremduntergebrachten Kindern und Jugendlichen Schutz und Wahrung ihrer Rechte zu garantieren, wenn ja welche sind dies und wenn nein, warum nicht? Zu 4., 5. und 6.: Das Verfahren der Betriebserlaubnis gemäß § 45 Achtes Sozialgesetzbuch (SGB VIII) ist eine präventive Maßnahme zum Schutz bzw. zur Vermeidung von Gefährdungen des Kindeswohls der in den Einrich- tungen betreuten Kinder und Jugendlichen. Die fachlichen Voraussetzungen zur Erteilung einer Betriebserlaubnis sind Eignung des pädagogischen Konzeptes, Einrichtung eines Beteiligungs- und Beschwerdemanagements, fachli- che und persönliche Eignung der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, Vorlage eines erweiterten Führungszeugnis- ses für jede Mitarbeiterin und jeden Mitarbeiter, Eignung der konzeptionellen und pädagogischen Zielsetzungen und eine entsprechend qualifizierte und auskömmliche Personalausstattung gemäß Trägervertrag, Eignung der materiellen Grundausstattung sowie Sicherstellung der wirtschaftlichen Grundlage. Alle bestehenden Einrichtun- gen in Berlin sind aufgefordert, Konzepte zu den Themen Kinderschutz, Beteiligung und Beschwerde zu erarbeiten und vorzulegen. Im laufenden Betrieb hat die Einrich- tungsaufsicht verschiedene Interventionsmöglichkeiten, z.B. örtliche Prüfungen, Erteilung von nachträglichen Auflagen, Tätigkeitsuntersagungen für Beschäftigte bis hin zum Entzug bzw. Widerruf der Betriebserlaubnis. Auch anonymen Hinweisen wird nachgegangen. Die Jugendhilfeeinrichtungen in anderen Bundesländern un- terliegen der Einrichtungsaufsicht des jeweiligen Bundes- landes, die auf der Grundlage derselben gesetzlichen Vorgaben handeln. Darüber hinaus ist es Aufgabe des fallzuständigen Ju- gendamtes in jedem Einzelfall zu prüfen, ob die Bedin- gungen in der jeweiligen Einrichtung geeignet sind, die Umsetzung der Hilfeplanziele zu gewährleisten. Dies geschieht im Rahmen der Hilfeplanung gemäß § 36 SGB VIII. Durch die Einrichtung einer unabhängigen Beratungs- und Ombudsstelle in der Berliner Jugendhilfe (BBO Ju- gendhilfe) haben Berliner Kinder und Jugendliche außer- dem die Möglichkeit, sich in Krisen- oder Konfliktsituati- onen direkt an die Ombudsstelle zu wenden und sich Beratung und Unterstützung zu holen. Die Aufgabe der Ombudsstelle ist die Beratung von jungen Menschen bei Problemen in Zusammenhang mit der Leistungsgewäh- rung gegenüber dem Jugendamt oder gegenüber dem Leistung erbringenden freien Träger. Auch Berliner Kin- der und Jugendliche, die in Einrichtungen außerhalb Ber- lins untergebracht sind, können diese Möglichkeit nutzen. Die Ombudsstelle ist nicht weisungsbefugt, sondern eine unabhängige Beratungsstelle in der Jugendhilfe. Sie un- terstützt Betroffene, indem sie durch Information, Bera- tung und Unterstützung bezüglich der erforderlichen Ansprechpartner einen Klärungs- und Lösungsprozess begleitet. Berlin, den 26. März 2015 In Vertretung Sigrid Klebba Senatsverwaltung für Bildung, Jugend und Wissenschaft (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 30. Mrz. 2015)