Drucksache 17 / 15 768 Schriftliche Anfrage 17. Wahlperiode Schriftliche Anfrage des Abgeordneten Dirk Behrendt (GRÜNE) vom 11. März 2015 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 13. März 2015) und Antwort Die Zukunft der Jugendstrafanstalt Berlin: „Langer Riegel“ statt Resozialisierung? Die Drucksachen des Abgeordnetenhauses sind bei der Kulturbuch-Verlag GmbH zu beziehen. Hausanschrift: Sprosserweg 3, 12351 Berlin-Buckow · Postanschrift: Postfach 47 04 49, 12313 Berlin, Telefon: 6 61 84 84; Telefax: 6 61 78 28. Im Namen des Senats von Berlin beantworte ich Ihre Schriftliche Anfrage wie folgt: 1. Weshalb plant die Jugendstrafanstalt Berlin ab 2016 mit einem Einschluss der Inhaftierten am Wochenende und an Feiertagen von 18 bis 10 Uhr? Welches sozialar- beiterische Konzept steckt dahinter? Wie lässt sich diese Planung mit dem Jugendstrafvollzugsgesetz vereinbaren, wonach der Vollzug erzieherisch zu gestalten und das Leben in der Anstalt den allgemeinen Lebensverhältnis- sen so weit wie möglich anzugleichen ist (§ 3 Abs. 1 und 3 JStVollzG)? Zu 1.: Im Rahmen der regelmäßigen, organisatori- schen und strukturellen Untersuchungen ist auch in der Jugendstrafanstalt Berlin (JSA) der ressourcenschonende Personaleinsatz betrachtet worden. Dies ist unter besonde- rer Beachtung des Erziehungsauftrags der JSA und des auch hier geltenden Grundsatzes der Angleichung des Anstaltsalltags an die allgemeinen Lebensverhältnisse geschehen. Dabei konnte festgestellt werden, dass die Abläufe an den zur Rede stehenden Tagen an Wochenen- den und an Feiertagen sich erheblich von den Abläufen an Werktagen, wo Arbeit, Ausbildung bzw. Qualifizierung, der Besuch von Schulen, Kursen sowie Beratungs- und Anhörungstermine die Alltagsgestaltung festlegen, unter- scheiden. Folgerichtig fiel dabei das Augenmerk auf das Erfor- dernis einer gleichermaßen zweckdienlichen und ressour- censchonenden Festlegung der Aufschlusszeiten. Die geplante Regelung der Aufschlusszeiten an Wochenenden und Feiertagen spiegelt die Vollzugs- und Lebensrealität der Jugendlichen und Heranwachsenden wider. Im Hin- blick auf die weitest mögliche Angleichung des Lebens in der Anstalt an die allgemeinen Lebensverhältnisse kommt es den jungen Gefangenen nämlich entgegen, wenn sie an Wochenenden und Feiertagen morgens länger schlafen können und die Lebendkontrollen - die um 6.00 Uhr be- ginnen - entsprechend später stattfinden. Wenn anschlie- ßend über einen Zeitraum von acht Stunden der struktu- rierte Freizeitaufschluss stattfindet, in dessen Verlauf die Gefangenen sich außerhalb des Haftraums aufhalten kön- nen und an verpflichtenden Freizeitaktivitäten teilnehmen, ist ein danach erfolgender Einschluss nach den Erzie- hungsgrundsätzen und der Lebenswirklichkeit gut vertret- bar. Dies gilt umso mehr, als sich die erzieherische Gestal- tung des Jugendvollzugs nicht auf das gemeinsame Frei- zeitverhalten auf der Wohngruppe an Wochenenden und Feiertagen während des Aufschlusses beschränkt und beschränken darf. Die gemeinsame Freizeitgestaltung während des Aufschlusses ist ein wichtiger Bestandteil von mehreren in der umfangreichen Erziehungsarbeit. Auch die nach der Neuregelung bestehende Möglichkeit der gemeinsamen Freizeit wird daher als auskömmlich betrachtet. Denn darüber hinaus bietet der vielfältige und an den Bedarfen der jungen Gefangenen ausgerichtete Maßnahmen- und Angebotskatalog der JSA, der von Schule über Arbeit und Qualifizierung, Sport sowie auch diverser Kurse und Theater reicht, eine breite Palette, die Persönlichkeit der jungen Gefangenen zu entwickeln und sie zu befähigen, nach Ihrer Entlassung ein Leben in sozi- aler Verantwortung ohne Straftaten zu führen. Zugleich führt der mit der Beschränkung der Auf- schlusszeit auf acht Stunden an Wochenenden und Feier- tagen verbundene Einschluss von 10:00 bis 18:00 Uhr zu einer Reduzierung des Personaleinsatzes und der Dienst- antritte für die Bediensteten des Allgemeinen Vollzugs- dienstes (AVD) an Wochenenden und Feiertagen. Dies wird durch die Einführung von so genannten Zwischendiensten des AVD an Wochenenden und Feier- tagen gewährleistet. Hierdurch wird den Jugendstrafge- fangenen in dem noch zu definierenden Zeitrahmen (z. B. in der Zeit von 10:00 Uhr bis 18:00 Uhr), in dem sie hier- für auch durch den Aufschluss erreichbar sind, die erfor- derliche erzieherische Betreuung in der Wohngruppe zuteil. 2. Wie bewerten die MitarbeiterInnen der Jugendstraf- anstalt die geplanten Änderungen? In welcher Weise wurde fachliche Kritik der MitarbeiterInnen bei den Pla- nungen berücksichtigt? Abgeordnetenhaus Berlin – 17. Wahlperiode Drucksache 17 / 15 768 2 Zu 2.: Bislang ist seitens der Bediensteten nur verein- zelt fachliche Kritik an die Anstaltsleitung herangetragen worden. Diese bezog sich indessen ausschließlich auf die aktuell bestehenden Abläufe und Tätigkeiten an den Wo- chenenden und Feiertagen, hingegen nicht auf die geplan- ten Änderungen. Unter den Bediensteten hat die Planung der Einfüh- rung von Zwischendiensten an Wochenenden und Feier- tagen Unmut hervorgerufen, weil diese im Vergleich zu den bisherigen Früh- und Spätdiensten als weniger attrak- tiv empfunden werden. Die JSA wird die geplanten Regelungen im Rahmen einer Gesamtabwägung auch einer aufgabenkritischen Betrachtung unter Berücksichtigung aller dienstlichen Erfordernisse und persönlichen Belange unterziehen. 3. Welche Stellen im Leitungsbereich der Jugendstraf- anstalt sind derzeit wegen längerer Krankheit, Pensionie- rung o.ä. nicht besetzt? Wann ist mit einer Abhilfe zu rechnen? Zu 3.: Im Leitungsbereich der JSA ist die Stelle der Vollzugsleitung aufgrund Pensionierung seit Mai 2014 unbesetzt. Ein Nachbesetzungsverfahren ist initiiert, konnte jedoch noch nicht abgeschlossen werden. Soweit krankheitsbedingte Ausfälle im Servicebereich zu ver- zeichnen sind, sind intern Aufgaben verlagert und Vertre- tungen geregelt worden. 4. Wie viele Personalabgänge vor allem durch Pensio- nierungen sind in der Jugendstrafanstalt bis 2018 zu er- warten? Wie viele Personen befinden sich derzeit in Aus- bildungslehrgängen und sind für eine Verwendung in der Jugendstrafanstalt vorgesehen? Ist dies auskömmlich? Zu 4.: Planbare Personalabgänge durch Pensionierun- gen sind in der JSA wie folgt zu erwarten: AVD Sozialdienst Verwaltung Krankenpflegedienst Lehrer 2015 4 -- 2 1 1 2016 9 -- -- -- -- 2017 13 1 1 -- -- 2018 9 -- -- 1 1 Derzeit befinden sich über 70 Anwärterinnen und Anwärter in den Ausbildungslehrgängen für den AVD. Vor dem Hintergrund der aktuell planbaren Fluktuationen ist eine Anwärterin/ein Anwärter nach Beendigung der Ausbildung im Jahr 2017 für eine Verwendung in der JSA vorgesehen. Diese Planung zur Verteilung der Anwärte- rinnen und Anwärter ist nicht auskömmlich und wird die personelle Unterdeckung in der JSA nicht kompensieren, berücksichtigt allerdings die in den übrigen Justizvoll- zugsanstalten des Landes Berlin bestehenden Unterde- ckungen, die zum Teil weitaus gravierender sind. 5. Wie viele MitarbeiterInnen der Jugendstrafanstalt sind derzeit aus welchen Gründen dauerhaft oder vo- rübergehend in anderen Justizvollzugsanstalten tätig? Zu 5.: Aktuell ist keine Mitarbeiterin und kein Mitar- beiter der JSA in anderen Justizvollzugsanstalten tätig. Es ist allerdings geplant, zwei Bedienstete der JSA ab April 2015 für zunächst drei Monate zur Unterstützung an die JVA für Frauen abzuordnen. Zudem wird eine Gruppen- betreuerin der JSA in Absprache mit der JVA für Frauen dort für einen Zeitraum von vier Wochen hospitieren. Darüber hinaus unterstützen ein Gruppenbetreuer die JSA in der Pilotphase zur Einführung des Fachverfahrens SoPart. Sie können deshalb ihre originären Aufgaben in der JSA bis Juni bzw. Dezember 2015 nicht wahrnehmen. 6. Wurde inzwischen eine Regelung hinsichtlich der Arbeitszeit für PsychologInnen und SozialarbeiterInnen im Spätdienst, an Wochenenden und an Feiertagen ver- einbart, die bereits für Ende Juni 2014 in Aussicht gestellt wurde? Welchen Inhalt hat diese Vereinbarung? Zu 6.: Eine Dienstvereinbarung zur Neuregelung der Arbeitszeiten für Psychologinnen und Psychologen sowie Sozialarbeiterinnen und Sozialarbeiter konnte noch nicht abgeschlossen werden. Zwar hat eine aus Vertreterinnen und Vertretern der genannten Fachdienste bestehende Arbeitsgruppe den Entwurf einer Dienstvereinbarung erarbeitet. Dieser Entwurf soll jedoch erst nach Besetzung der Vollzugsleitungsposition abgestimmt werden, um anschließend den örtlichen Beschäftigtenvertretungen vorgelegt zu werden. Berlin, den 27. März 2015 In Vertretung Straßmeir Senatsverwaltung für Justiz und Verbraucherschutz (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 31. Mrz. 2015)