Drucksache 17 / 15 805 Schriftliche Anfrage 17. Wahlperiode Schriftliche Anfrage der Abgeordneten Sabine Bangert (GRÜNE) vom 18. März 2015 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 19. März 2015) und Antwort Was sind die Folgen der 100-Grad-Wende des Berliner Beitrags im Humboldt-Forum? Die Drucksachen des Abgeordnetenhauses sind bei der Kulturbuch-Verlag GmbH zu beziehen. Hausanschrift: Sprosserweg 3, 12351 Berlin-Buckow · Postanschrift: Postfach 47 04 49, 12313 Berlin, Telefon: 6 61 84 84; Telefax: 6 61 78 28. Im Namen des Senats von Berlin beantworte ich Ihre Schriftliche Anfrage wie folgt: 1. Wann hat der Berliner Senat entschieden, die Realisierung des Projekts „Die Welt der Sprachen“ durch die Berliner Zentral- und Landesbibliothek als Berliner Bei- trag im Humboldt-Forum nicht mehr zu verfolgen? Zu 1.: Der Berliner Senat hat hierüber noch nicht for- mell entschieden. Eine entsprechende Senatsvorlage wird derzeit erarbeitet. 2. Was sind die konkreten politischen und inhaltlichen Gründe für die Änderung des Berliner Vorhabens? Zu 2.: Das Humboldt-Forum bietet die Möglichkeit, in der Mitte Berlins eines der herausragendsten Kulturpro- jekte unserer Zeit zu realisieren. Hierbei muss der Gedan- ke, der mit dem Humboldt-Forum zu verbinden ist, näm- lich das Zusammenführen von Wissenschaft, Kultur, Internationalität, Weltoffenheit und Diskussionsplattform, weiterverfolgt und ausgebaut werden. Dieser Anspruch geht darüber hinaus, auf den betref- fenden 4.000 qm für das Land Berlin eine Mischung von Bibliotheksnutzung und „Welt der Sprachen“ zu haben. Das Konzept der „Welt der Sprachen“ sieht die Verbindung eines Edutainmentbereichs und einer Bibliothek zum Thema Sprachen, Kulturen, interkulturelle Kommu- nikation vor. Diese Konzeption ist zwar nachvollziehbar – auch in der Mischung – aber die Entwicklung ist weitergegangen . Berlin kann sich anders in das Humboldt- Forum einbringen und zwar mit einer eigenständigen Präsentation, mit der die Stadtgeschichte natürlich An- knüpfungspunkte bietet. All das, was sich in Berlin abge- spielt hat, was man in Berlin an weltpolitischen Einflüs- sen erlebt hat, aber auch das, was von Berlin aus als Ein- fluss in die Welt gegangen ist, kann eine Rolle spielen und einen Anknüpfungspunkt für Ausstellungen, Diskus- sionen und für Präsentationen bieten. 3. Zu welchem Zeitpunkt und wie wurden a) der Stiftungsrat der Stiftung Berliner Schloss- Humboldtforum, b) das BKM und insbesondere Kulturstaatsministerin Monika Grütters c) die Stiftung Preußischer Kulturbesitz und insbesondere Prof. Dr. Hermann Parzinger, d) die Humboldt-Universität zu Berlin und insbesondere der Präsident Prof. Dr. Jan-Hendrik Olbertz, e) die Zentral- und Landesbibliothek Berlin und insbesondere Vorstand und Managementdirektor Volker Heller über die konzeptionellen Änderungen des Berliner Beitrags im Humboldt-Forum informiert? Zu 3. a-e: Die genannten Personen sind von der 10. bis zur 12. Kalenderwoche in Telefonaten, durch die Über- mittlung des Konzeptpapiers ‚Welt//Stadt//Berlin‘ und zum Teil im Stiftungsrat Berliner Schloss – HumboldtForum in einer vertieften Darstellung und Diskussion im Rahmen der Stiftungsratssitzung am 17. März 2015 in- formiert worden. 4. Aus welchen Gründen erscheint dem Berliner Senat die Kulturprojekte GmbH geeigneter den Beitrag Berlins im Humboldt-Forum zu konzipieren als die zlb? Zu 4.: Bei der Realisierung der neuen Ausstellungs- idee kommt es auf die Fähigkeit an, stadt- und zeitge- schichtliche Themen gemeinsam mit Partnerinnen und Partnern zu konzipieren und umzusetzen. Die Kulturpro- jekte Berlin GmbH (KPB) hat in den letzten Jahren mehr- fach gezeigt, dass sie solche Projekte zum Erfolg führen kann. Die Kompetenzen der Zentral- und Landesbiblio- thek (ZLB) liegen thematisch auf anderen Gebieten. 5. Wer hat wann entschieden, die Kulturprojekte GmbH mit der Erarbeitung des Konzeptes „Welt//Stadt//Berlin“ als Berliner Beitrag im HumboldtForum zu beauftragen und welche finanziellen Mittel sind dafür bereits an die Kulturprojekte GmbH geflossen? Abgeordnetenhaus Berlin – 17. Wahlperiode Drucksache 17 / 15 805 2 Zu 5.: Eine Beauftragung der KPB ist noch nicht for- mell erfolgt. Es sind noch keine finanziellen Mittel an die KPB geflossen. 6. Wer sind die international renommierten MuseumsexpertInnen (bitte Angabe von Namen und der jewei- ligen Institutionen, der sie angehören), die an der Ent- wicklung des Konzept „Welt//Stadt//Berlin“ bisher mitgewirkt haben und dem Team um Moritz van Dülmen bei der Umsetzung des Konzept beratend zur Seite stehen werden? Zu 6.: Die Idee zu ‚Welt//Stadt//Berlin‘ wurde im Rahmen eines Workshops der Senatskanzlei – Kulturelle Angelegenheiten entwickelt. An diesem Workshop haben als Vertreter von Museen teilgenommen: - Herr Dr. Jan Gerchow, Direktor des Historischen Museums Frankfurt/Main - Herr Beat Hächler, Direktor des Alpinen Museums der Schweiz, Bern Die KPB wird bei der Umsetzung des Projekts von Experten aus dem Museumsbereich beraten. 7. Welche Kosten sind bisher im Rahmen der Konzepterstellung für „Welt//Stadt//Berlin“ angefallen? Zu 7.: Für die Entwicklung der Idee ‚Welt//Stadt//Berlin‘ sind bislang Kosten in Höhe von 3.511,83 € entstanden. 8. Welche Kosten entstehen bei der Realisierung des Konzepts „Welt//Stadt//Berlin“ (bitte auflisten nach Ersteinrichtung und voraussichtlichen Folgekosten für die Realisierung der Dauerausstellung sowie den laufenden Betrieb) Zu 8.: Die Idee ‚Welt//Stadt//Berlin‘ wird derzeit weiter ausgearbeitet. Die Kosten der Ersteinrichtung und die voraussichtlichen Folgekosten müssen noch exakt ermit- telt werden. 9. Aus welchen Mitteln will der Senat Sonderausstellungen wie im Konzept „Welt//Stadt//Berlin“ angekündigt langfristig finanzieren? Zu 9.: Über die Mittelbereitstellung wird nach Vorlie- gen eines endgültigen Konzeptes und Finanzierungsplans entschieden. 10. Welche Unterschiede und kuratorischen Herausforderungen sieht der Senat in der Bespielung des gesam- ten Stadtraums anlässlich historisch relevanter Daten und Themenjahre und der Konzentration von Ausstellungsar- beit an einem zentralen Ort wie dem Humboldtforum? Zu 10.: Inhaltlich und konzeptionell erfordert das Be- spielen der Fläche im Humboldt-Forum in vielerlei Hin- sicht einen anderen Ansatz als Präsentationen oder Groß- veranstaltungen im Stadtraum. Im musealen Kontext des Humboldt-Forums erwarten Besucherinnen und Besucher eine andere inhaltliche Tiefenschärfe und andere Präsen- tationsformen. Beides wird durch die Bestellung einer externen Kuratorin oder eines externen Kurators bzw. eines Kuratorenteams sowie durch die beratende Beglei- tung des Projekts durch Museumsexpertinnen und Muse- umsexperten sichergestellt. Zugleich gibt es große Über- schneidungen in den Herausforderungen von Stadtraum- und Museumsauftritten, für beides sind effizientes Pro- jektmanagement, gute Außenkommunikation und die Vernetzung mit Akteurinnen und Akteuren in der Stadt unerlässlich. 11. Welche personellen Pläne hat der Senat für die kuratorische und organisatorische Leitung der Umsetzung von „Welt//Stadt//Berlin“? Zu 11.: Unter Einbeziehung der unter Antwort zur Frage 10. genannten Akteure wird das Projekt von der KPB geleitet. 12. Wurde die Stiftung Stadtmuseum in die Konzepterstellung mit eingezogen, falls ja, in welcher Form, falls nein, ist eine Einbeziehung im Rahmen der konzeptionel- len Umsetzung geplant, falls nicht, mit welcher Begrün- dung? Zu 12.: Eine Einbeziehung ist im Rahmen der konzep- tionellen Umsetzung geplant. 13. Welche Auswirkungen hat die Realisierung des Konzepts „Welt//Stadt//Berlin“ auf die zukünftige Profilierung der Stiftung Stadtmuseum und die Auswahl einer neuen Leitung? Zu 13.: Dies hängt vom Charakter des Konzeptes ab, das derzeit noch nicht vorliegt. 14. Wie wird der Senat den Dialog zur Ausgestaltung des Konzepts „Welt//Stadt//Berlin“ mit den Berliner Kultureinrichtungen , den Kreativen der Stadt und der Stadt- gesellschaft strukturieren und welche Akteure sollen wann konkret einbezogen werden? Zu 14.: Ausgehend von den Nutzerinnen und Nutzern im Humboldt-Forum werden Kultureinrichtungen und Kreative der Stadtgesellschaft, wo dies sinnvoll ist, durch die KPB in die Konkretisierung der Idee ‚Welt//Stadt//Berlin‘ einbezogen. Abgeordnetenhaus Berlin – 17. Wahlperiode Drucksache 17 / 15 805 3 15. Welche baulichen Veränderungen sind erforderlich , um die bisher für das zlb-Projekt „Welt der Sprachen “ geplanten Flächen für die Nutzung des Konzept „Welt.Stadt.Berlin“ kompatibel zu machen (u.a. Abbestellung Buchförderanlage Rückbaumaßnahme Förder- schacht)? Zu 15.: Der Umfang notwendiger Anpassungen ist im Wesentlichen gekennzeichnet durch den Entfall biblio- theksspezifischer Maßnahmen (z.B. Buchförderanlage) sowie unbedingt erforderlicher Änderungen im Hinblick auf den vorzusehenden Ausstellungsbetrieb. Die notwen- digen planerischen und baulichen Anpassungen erfolgen in enger Abstimmung der Beteiligten. Planung und Aus- führung werden an dem Ziel einer für das Gesamtprojekt möglichst kosten- und terminneutralen Umsetzung der veränderten Vorgaben ausgerichtet. 16. Welche Kosten werden diese Umplanungen verursachen und welche zeitlichen Verzögerungen wird es dadurch geben? Zu 16.: Siehe Antwort zu Frage 15. 17. Welche finanziellen Mittel standen bzw. stehen für die Ausarbeitung des Konzepts der „Welt der Sprachen“ der zlb im Humboldtforum insgesamt zur Verfügung (bitte Landesmittel und EU-Mittel getrennt ausweisen)? Zu 17.: Im Projekt des Europäischen Fonds für regio- nale Entwicklung (EFRE) „Welt der Sprachen“ sind mit Antrag der Zentral- und Landesbibliothek vom 23. August 2012 in der Fassung nachfolgender Änderungen für die Ausarbeitung EFRE-Mittel in der Höhe von 311.216,40 € beantragt worden. Das Gesamtbudget des Vorhabens einschließlich der Eigenleistungen für eingebrachtes Per- sonal beträgt 517.832,34 €. Von den im Haushalt bzw. der Finanzplanung berücksichtigten Mitteln in Höhe von 5,69 Mio. € für Ersteinrichtung sind an die ZLB bislang 588.000 € in drei Jahrestranchen i.H.v. je 196.000 € geflossen . Die Mittel wurden bislang nicht verwendet. 18. In welcher Höhe wurde bisher finanzielle Mittel für das Projekt „Welt der Sprachen“ verausgabt und welche vertragliche Verpflichtungen wurden für die Jahre 2014 und folgende eingegangen? Zu 18.: Die EFRE-Mittel werden im Erstattungsver- fahren auf Vorlage bezahlter Rechnungen und nach Prü- fung von 50 % der Kosten anhand von Originalbelegen ausgezahlt. Der Stand der Kostenanerkennung und antei- ligen Erstattung ist folgender: Anerkannte Projektkosten zum 30.9.2014: 291.532,07 € davon Eigenleistungen der ZLB für Personal: 116.323,48 € sowie EFRE-Mittel: 175.212,59 € Es liegt aber bereits ein weiterer Mittelabruf der ZLB vor, der gerade geprüft wird. Bei Auszahlung gemäß bestehender rechtlicher Verpflichtung aus dem Zuwendungsbescheid ergibt sich in Kürze folgender Stand: Anerkennungsfähige Projektkosten zum 31.12.2014: rd. 370.000 € davon Eigenleistungen der ZLB für Personal: rd. 150.000 € sowie EFRE-Mittel: rd. 220.000 € Als Prognose ist für den geplanten Projektabschluss davon auszugehen, dass nahezu das gesamte geplante Projekt- budget verausgabt und entsprechend anteilig der ZLB zu erstatten sein wird. Gesichert ist mit folgendem Kostenstand zu rechnen: Projektkosten zum 30.9.2015 (Mindestbeträge): rd. 500.000 € davon Eigenleistungen der ZLB für Personal: rd. 200.000 € sowie EFRE-Mittel für Personal (bestehende Verträge) rd. 240.000 € und EFRE-Mittel für Sachleistungen (bereits nachgewiesen mit Stand 31.12.2014) rd. 60.000 €1 1 Dieser Betrag wird nach Aussage des Managementdirektors der ZLB Herrn Heller vom 19.3.2015 letztlich bei mind. 72.000 € liegen (geplant 74.000 €), so dass faktisch nahezu die gesamte geplante Zuwendung verbraucht werden wird. Abgeordnetenhaus Berlin – 17. Wahlperiode Drucksache 17 / 15 805 4 Für die Förderung aus EFRE-Mitteln besteht eine Zweckbindungsfrist bis 2020. Demnach darf das Vorha- ben ab Vollendung innerhalb dieser Frist keine wesentli- chen Veränderungen erfahren, die dem Zweck der Förde- rung entgegenstehen. In diesem Zusammenhang wäre der Nachweis zu führen, dass die Realisierung des Angebotes „Welt der Sprachen“ auf der Grundlage der Ergebnisse des Vorhabens im Humboldt-Forum erfolgte. Bei Verstoß gegen diese Fristen wird das Vorhaben mit sofortiger Wirkung aus der EFRE-Förderung herausgenommen. Vertragliche Verpflichtungen wurden von der ZLB u.a. für Personalkosten, Dienstleister, Lizenzen, Betriebs- kosten Humboldtbox, Exponate-Bau und Einrichtung Humboldtbox eingegangen. 19. Was passiert mit den bisherigen Ergebnissen zum Konzept der „Welt der Sprachen“ und an welchem Ort soll dieses nun alternativ realisiert werden? Zu 19.: Die Förderung aus dem EFRE- Kulturinvestitionsprogramm sieht die Entwicklung und Realisierung eines touristisch wirksamen Konzepts im Humboldt-Forum vor. Die erwartete kulturtouristische Ausstrahlung und Anziehung, der mit der Umsetzung im Humboldt-Forum entsprochen werden sollte, müsste an einem vom Zuwendungsempfänger zu beantragenden alternativen Umsetzungsort genauso erreicht werden können. In diesem Fall könnten die bisherigen Ergebnisse umgesetzt werden. Bei einer sofortigen Rückabwicklung des Projekts könnten die frei gewordenen EFRE-Mittel anderweitig verwendet werden. Die ZLB sieht keinen solchen Umsetzungsort, der innerhalb des Bindungszeit- raums der Fördermittel zu realisieren wäre. 20. Welchen Zusammenhang gibt es zwischen dem gescheiterten Neubau der zlb am Tempelhofer Feld und dem Ausschluss der „Welt der Sprachen“ aus dem Humboldt -Forum? Zu 20.: Bei Projektstart Humboldt-Forum im Jahr 2002 führten die Platzprobleme in der ZLB dazu, dass die Idee aufkam, die populärsten Bereiche wie Musik-, Film- und Theaterbibliothek sowie die Kinder- und Jugendbib- liothek vollumfänglich aus der ZLB auszugliedern und im Humboldt-Forum unterzubringen. Im Jahr 2010 änderte sich die Situation mit der Entscheidung des Senats für den Neubau auf dem Tempelhofer Feld, der auch die Integra- tion der bisher fehlenden Fläche vorsah. Platzmangel war jetzt kein Thema mehr. Der Senat hält auch nach dem Entscheid zum Tempelhofer Feld weiter an den Plänen zur Zusammenführung der Standorte der ZLB unter ei- nem Dach fest. Dieses ist einer der Gründe, warum die Planungen für die Berliner Nutzung im Humboldt-Forum überdacht worden sind. Im Übrigen verweisen wir auf die Antwort zur Frage 2. genannten Gründe. 21. Welche Auswirkungen hat die Neukonzeption für die Berliner Flächen im Humboldt-Forum auf die Bedarf- splanung für die zukünftige zlb? Zu 21.: Die ZLB arbeitet an der Zusammenführung der Standorte unter einem Dach. Die Bedarfsplanung für diese Zusammenführung ist durch die Neukonzeption der Berliner Flächen im Humboldt-Forum nicht tangiert. Berlin, den 01. April 2015 In Vertretung Tim Renner Der Regierende Bürgermeister von Berlin (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 02. Apr. 2015)