Drucksache 17 / 15 834 Schriftliche Anfrage 17. Wahlperiode Schriftliche Anfrage des Abgeordneten Fabio Reinhardt (PIRATEN) vom 23. März 2015 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 25. März 2015) und Antwort Sporthallen zur Flüchtlingsunterbringung (IV): Missstände in der Gretel-Bergmann- Sporthalle (PeWoBe) Die Drucksachen des Abgeordnetenhauses sind bei der Kulturbuch-Verlag GmbH zu beziehen. Hausanschrift: Sprosserweg 3, 12351 Berlin-Buckow · Postanschrift: Postfach 47 04 49, 12313 Berlin, Telefon: 6 61 84 84; Telefax: 6 61 78 28. Im Namen des Senats von Berlin beantworte ich Ihre Schriftliche Anfrage wie folgt: 1. Welche konkreten Richtwerte/Vorgaben gibt es vonseiten des Landesamtes für Gesundheit und Soziales (LAGeSo) an die private Betreiberfirma PeWoBe der notbelegten Gretel-Bergmann-Sporthalle hinsichtlich Personal, Ausstattung und Betrieb? 2. Zu welchen Zeitpunkten und inwiefern hat das LAGeSo die Einhaltung der unter 1. genannten Richtwer- te/Vorgaben durch die private Betreiberfirma PeWoBe in der Gretel-Bergmann-Sporthalle kontrolliert? Welche Defizite hat es dabei festgestellt? Wann und inwiefern wurden diese behoben? Wurden Auflagen erteilt? 3. Wie groß müsste der Personaleinsatz nach den Vorgaben/Richtwerten des LAGeSo laut Personalschlüs- sel der privaten Betreiberfirma PeWoBe für die Notunter- bringung in der Gretel-Bergmann-Sporthalle sein? Zu 1. bis 3.: Für alle notbelegten Unterkünfte strebt das Landesamt für Gesundheit und Soziales (LAGeSo) an - in Kooperation mit den Betreiberinnen und Betreibern - die bestmögliche und den geltenden Qualitätsanforderun- gen entsprechende Ausstattung und Betreuung zu gewähr- leisten. Allerdings kann auf Grund der örtlichen und bau- lichen Gegebenheiten nicht bei jeder Unterkunft gewähr- leistet werden, dass alle Anforderungen vollumfänglich erfüllbar sind. Vorrangige Zielsetzung ist aber in jedem Fall, den Menschen in den notbelegten Unterkünften eine bestmögliche Versorgung und Betreuung anbieten zu können. Dort, wo die Anforderungen nicht sofort erfüllbar sind, werden Alternativen bzw. Kompensationen geprüft und realisiert. Die Anforderungen an das eingesetzte Personal entsprechen denen der grundständigen Unter- künfte für Asyl suchende Menschen. Im Einzelfall, ab- hängig von der jeweiligen Bedarfslage vor Ort, kann der Umfang des eingesetzten Personals nach oben abweichen. Für die Notunterkunft in der Rudolstädter Straße sind 9,5 Stellen kalkuliert, die der Empfehlung des LAGeSo entsprechen. Abweichungen vom Personalschlüssel bzw. von Regelungen im Bereich der Sachkosten werden bei der Berechnung des endgültigen Kostensatzes berücksich- tigt. 4. Wie viele Mitarbeiter*innen mit welchen Aufga- ben und welchem Stellenanteil waren durch die private Betreiberfirma PeWoBe bis Anfang März 2015 in der Gretel-Bergmann-Sporthalle tatsächlich eingesetzt? 6. Trifft es zu, dass bis vor kurzem in der Gretel- Bergmann-Sporthalle lediglich eine Mitarbeiterin als Sozialarbeiterin/Sozialbetreuerin durch die PeWoBe ein- gesetzt war, obwohl sie über keine entsprechende Qualifi- kation verfügt? Wenn ja, wie bewertet der Senat dies? Wurden für diese Mitarbeiterin seitens des LAGeSo Kos- ten erstattet, die der Personalstelle einer ausgebildeten Sozialarbeiter*in entsprechen? Zu 4. und 6.: Nach den dem LAGeSo vorliegenden In- formationen waren –zumindest zeitweise – lediglich eine Angestellte und drei Personen des Wachschutzes im Schichtdienst (3 Personen je 8 Stunden) tatsächlich vor Ort tätig. Dieser personellen Unterbesetzung lag offenbar ein Missverständnis zwischen der Betreiberin und dem LAGeSo zu Grunde, welches unverzüglich nach Be- kanntwerden korrigiert und durch Nachbestellung von Personal aufgelöst werden konnte. Hinsichtlich der in der Fragestellung thematisierten Beschäftigung einer für die Sozialbetreuung eingesetzten Mitarbeiterin ist die Aufklärung des in Rede stehenden Sachverhalts noch nicht abgeschlossen, weshalb hierzu erst zu einem späteren Zeitpunkt - nach abschließender Klärung - Stellung genommen werden kann. Abgeordnetenhaus Berlin – 17. Wahlperiode Drucksache 17 / 15 834 2 5. Trifft es zu, dass die in der Gretel-Bergmann- Sporthalle bis Anfang März 2015 durch die private Be- treiberfirma PeWoBe einzige für die Betreuung von 200 Flüchtlingen eingesetzte Mitarbeiterin eigentlich zum festen Mitarbeiterstamm einer anderen Unterkunft dersel- ben Betreiberfirma gehört und in den Tagessatz der ande- ren Unterkunft einkalkuliert ist? a. Wenn ja, wie bewertet der Senat dieses Vorgehen des Betreibers und was tut er, um diesen Missstand abzu- stellen? b. Wer vertrat die Mitarbeiter*in in ihrer eigentlichen Einsatzstelle? c. Wenn es keine Vertretung gab, kann der Senat ausschließen, dass die PeWoBe die Personalkosten für dieselbe Mitarbeiterin doppelt abgerechnet hat? Zu 5.: Es handelte sich bei dem erfragten Sachverhalt um eine Übergangslösung, um eine schnelle Inbetrieb- nahme zu ermöglichen und dem Betreiber den zeitlichen Spielraum zu gewähren, der für die Rekrutierung neuen Personals benötigt wird. Durch die zeitliche Begrenzung wurde das Personal nicht ersetzt. Eine Abrechnung des Personals über zwei Verträge kann durch detaillierte Prü- fung der Personalabrechnung und Dienstpläne ausge- schlossen werden. Darüber hinaus geht das LAGeSo davon aus, dass die PeWoBe ihren vertraglichen Pflichten nachkommt. 7. Wie viele Mitarbeiter*innen mit welchen Aufga- ben und welchem Stellenanteil sind aktuell durch die private Betreiberfirma PeWoBe in der Gretel-Bergmann- Sporthalle eingesetzt? 8. Ist es zutreffend, dass die in der Gretel-Bergmann- Sporthalle mittlerweile durch die private Betreiberfirma eingesetzten Mitarbeiter*innen eigentlich in anderen Unterkünften der Betreiberin arbeiten und in den Tages- satz der Unterkünfte jeweils einkalkuliert sind? Wenn ja, wie bewertet der Senat dieses Vorgehen des Betreibers? Zu 7. und 8.: Gegenwärtig werden sechs Mitarbeite- rinnen und Mitarbeiter für folgende Aufgaben eingesetzt (in Klammern die Anzahl der eingesetzten Mitarbeiterin- nen und Mitarbeiter): Heimleitung (1) Stellvertretende Heimleitung (1) Wachschutz (3) Sozialarbeit (1) Die Disposition des Personals vor Ort obliegt der Be- treiberin als Vertragspartnerin des LAGeSo. Die konkrete Vertragsverhandlung zur Notunterkunft befindet sich in der Endphase. Das LAGeSo wird die Abrechnungen ein- schließlich der Dienstpläne für den deckungsgleichen Zeitraum des Betriebs der Notunterkunft mit denen der übrigen von derselben Betreiberin unterhaltenen Einrich- tungen vertieft prüfen. Damit wird gewährleistet, dass es bei der Festlegung des endgültigen Tagessatzes nicht zu „Doppelabrechnungen“ kommt. 9. Ist es zutreffend, dass der Arbeitsbereich Migrati- on und Integration der Polizeidirektion 2 die notbelegte Gretel-Bergmann-Sporthalle in Charlottenburg begangen hat und in Folge ein „Begehungsprotokoll“ mit zahlreichen festgestellten Kritikpunkten und Defiziten an das LAGeSo gesandt hat? a. Wenn ja, welche Defizite und Kritikpunkte listet der Polizeibericht für die Gretel-Bergmann-Sporthalle konkret auf? b. Wenn ja, wann traf dieser Bericht beim LAGeSo ein und inwiefern und wann hat das LAGeSo auf die Defizite und Kritikpunkte reagiert und welche Maßnah- men wurden wann ergriffen? Zu 9.: Es trifft zu, dass das Arbeitsgebiet Integration und Migration (AGIM) der Polizeidirektion 2 am 19.02.2015 die notbelegte Gretel-Bergmann-Sporthalle in 10713 Berlin Charlottenburg, Rudolstädter Str. 77, be- gangen hat. Die Begehung erfolgte nach vorheriger tele- fonischer Absprache mit dem zuständigen Heimleiter. Ein entsprechender Bericht wurde am 19.02.2015 ge- fertigt und an das LAGeSo übersandt. Zu 9a: Der Bericht beinhaltet Hinweise auf fehlende Kühlschränke und Waschmaschinen, die Betreuung durch eine geringe Anzahl von Sozialarbeiterinnen und Sozial- arbeitern sowie das Fehlen eines Raumes zur Kinderbe- treuung. Zu 9b: Auf Grund des Berichtes, der mit elektroni- scher Post an das LAGeSo weitergeleitet wurde, fand - auf Einladung des LAGeSo - am 04.03.2015 eine gemein- same Besprechung statt. An dieser nahmen, neben einer Vertreterin der AGIM Direktion 2, unter anderem der Präsident des LAGeSo sowie der Referatsleiter/Leiter der Heimaufsicht (Verwaltung und Unterkünfte) teil. Erörtert wurden die Situation in der Unterkunft sowie mögliche Lösungen für festgestellte Defizite. Im Rahmen des 33. Integrationsausschusses von Char- lottenburg-Wilmersdorf wurde durch die Vorsitzende bekannt, dass es eine Vielzahl von Verbesserungen gab, angefangen von der persönlichen Betreuung bis hin zur Verbesserung der hygienischen Situation. Hinsichtlich der weiteren, im Bericht der Polizeidirek- tion 2 genannten Mängel ist zu berücksichtigen, dass es sich um eine notbelegte Sporthalle für einen begrenzten Zeitraum zur Vermeidung von Obdachlosigkeit und Ab- wehr von Gefahren für Körper und Gesundheit handelt. Dabei kann aufgrund der örtlichen Voraussetzungen ein separater Raum für Kinder nicht angeboten werden. Be- wohnerinnen- und Bewohnerkühlschranke werden in Hinblick auf die Vollverpflegung durch Caterer nicht vorgehalten. Waschgelegenheiten für Wäsche werden zur Verfügung gestellt. Abgeordnetenhaus Berlin – 17. Wahlperiode Drucksache 17 / 15 834 3 10. Wie hoch ist der Tagessatz, den die private Be- treiberfirma PeWoBe für die Unterbringung von Flücht- lingen in der Gretel-Bergmann-Sporthalle erhält und wie hat dieser sich seit Eröffnung entwickelt? 11. Wie hoch waren die Herstellungs-/Investitions- kosten, welche die private Betreiberfirma PeWoBe für die Unterbringung von Flüchtlingen in der Gretel-Bergmann- Sporthalle von Eröffnung bis heute erhalten hat? 12. Wie hoch ist der Betrag (in Euro), den die private Betreiberfirma PeWoBe bislang für die Unterbringung von Flüchtlingen in der Gretel-Bergmann-Sporthalle vom Land Berlin erhalten hat? Zu 10. bis 12.: Es wurde ein vorläufiger Tagessatz in Höhe von 20,13 Euro ohne Verpflegung bzw. 30,36 Euro einschließlich Verpflegung vereinbart. Herstellungs- /Investitionskosten sind für die Betreiberin nicht angefal- len und sind somit auch nicht erstattet worden. Eine be- treiberbezogene Einzelaufstellung der geleisteten Zahlun- gen wäre nur mit einer gesonderten Auswertung und einem damit einhergehenden unverhältnismäßigen Zeit- und Arbeitsaufwand möglich. 13. Nach welchem Verfahren ist der Betrieb der not- belegten Gretel-Bergmann-Sporthalle an die private Be- treiberfirma PeWoBe gegangen? Zu 13.: Da das Deutsche Rote Kreuz e. V. (DRK) als Hilfsdienst für die Errichtung und den Betrieb der Notun- terkunft nur wenige Tage zur Verfügung stand, musste zum Jahreswechsel 2014/2015 eine neue Betreiberin oder ein neuer Betreiber gefunden werden. Die PeWoBe Pro- fessionelle Wohn- und Betreuungsgesellschaft mbH (Pe- WoBe) konnte als einzige Anbieterin die nahtlose Weiter- führung des Betriebs gewährleisten und wurde daher ausgewählt. 14. Bei der Unterbringung von Flüchtlingen in Sport- hallen handelt es sich um eine Notfallmaßnahme, um Obdachlosigkeit zu vermeiden. Betreiber anderer Sport- hallen haben die Hilfsbereitschaft vor Ort unbürokratisch genutzt, um die Lage der Menschen in den Hallen zu verbessern. Dort organisieren und verwalten Ehrenamtli- che Spenden, führen Impfaktionen durch, beschäftigen Kinder, begleiten zu Ämtern und geben Deutschkurse. Die private Betreiberfirma PeWoBe hingegen verwehrt Ehrenamtlichen den Zugang zur Halle mit der Begrün- dung, nur diejenigen erhielten Zutritt, die ein erweitertes polizeiliches Führungszeugnis vorweisen könnten. Wie beurteilt der Senat die Tatsache, dass mit dem Verweis auf ein Führungszeugnis die Hilfe der Ehrenamtlichen für Menschen in einer Notsituation durch die private Betrei- berfirma PeWoBe faktisch unmöglich gemacht wird? Zu 14.: Das LAGeSo begrüßt und unterstützt ehren- amtliches Engagement in und um alle Unterkünfte vor Ort. Das freiwillige Engagement hilfswilliger Bürgerin- nen und Bürger ist Ausdruck der Willkommenskultur und trägt besonders zur Lebens-orientierung, der Teilhabe und Förderung der Asyl suchenden Menschen bei. Der Kon- takt und die Angebote zu ehrenamtlichen und unterstüt- zenden Angeboten liegen im Ermessen der Betreiberin. Dabei ist besondere Sensibilität im Umgang mit Kindern erforderlich. Zum direkten Engagement vor Ort führte das LAGeSo ein aufklärendes Gespräch. Die Vorlage des Führungszeugnisses ist als Qualitäts- standard des LAGeSo für hauptamtliche Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter obligatorisch. Berlin, den 13. April 2015 In Vertretung Dirk G e r s t l e _____________________________ Senatsverwaltung für Gesundheit und Soziales (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 15. Apr. 2015)