Drucksache 17 / 15 870 Schriftliche Anfrage 17. Wahlperiode Schriftliche Anfrage der Abgeordneten Marianne Burkert-Eulitz (GRÜNE) vom 20. März 2015 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 26. März 2015) und Antwort Erzieher_innen-Ausbildung - Quereinstieg: knapp 1.000 Pflichtstunden mehr, ab sofort bei gleicher Ausbildungszeit von 3 Jahren - Stopft der Senat auf dem Rücken der Studie- renden und Träger das Qualitätsloch in der Ausbildung in einer Nacht- und Nebelaktion? Die Drucksachen des Abgeordnetenhauses sind bei der Kulturbuch-Verlag GmbH zu beziehen. Hausanschrift: Sprosserweg 3, 12351 Berlin-Buckow · Postanschrift: Postfach 47 04 49, 12313 Berlin, Telefon: 6 61 84 84; Telefax: 6 61 78 28. Im Namen des Senats von Berlin beantworte ich Ihre Schriftliche Anfrage wie folgt: 1. Vor dem Hintergrund, dass am 08. Februar 2015 Änderungen in der APVO-Sozialpädagogik mit sofortiger Wirkung für auch die bereits begonnenen Ausbildungen im Quereinstieg für Erzieher_innen in Kraft traten und diese die Teilzeitausbildung um 960 Stunden (davon 480 an der Fachschule und 480 in anderen Lernformen, mit einer Erhöhung der Pflichtstunden auf 2.400 im Teilzeit- studium - im Vergleich, die Vollzeitausbildung umfasst 2.600 Pflichtstunden.) erhöhen und vor dem Hintergrund, dass der Berliner Senat bisher die Meinung vertrat, dass es keiner Änderungen für die berufsbegleitende Erzie- her_innen-Ausbildung bedürfe, die Angebote ausreichend seien, frage ich, welche Gründe gab es für diese Ände- rungen? Zu 1.: Die zum 08.Februar 2015 in Kraft getretene Änderung der Ausbildungs- und Prüfungsverordnung Sozialpädagogik (APVO) kommt erstmals für die ab dem Schuljahr 2015/2016 beginnenden Klassen zur Anwen- dung. Da alle bisherigen Absolventinnen und Absolven- ten der berufsbegleitenden Ausbildung zur Erzieherin oder zum Erzieher zwar die Berliner staatliche Anerken- nung erhalten, aber nicht die bundesweite Anerkennung des Zeugnisses, hat das zur Folge, dass Berliner Erziehe- rinnen und Erzieher mit dem Zeugnis über die berufsbe- gleitende Ausbildung in anderen Ländern unter Umstän- den keine Zugangsberechtigung zum Studium oder sogar zum Arbeitsmarkt haben könnten. 2. Gab es vorher einen Qualitätsdialog mit allen Betei- ligten für die eingeführten Änderungen? Zu 2.: Mit der bundesweiten Zuordnung des Ab- schlusses einer Fachschule zum Europäischen Qualifika- tionsrahmen/Deutschen (EQR/DQR) der Niveaustufe 6 ist festgelegt worden, dass das dafür vorgesehene Kompe- tenzniveau in der Abschlussprüfung nachzuweisen ist. Der auf dieser Grundlage bundesweit zwischen allen Ländern vereinbarte Rahmenplan, der von einer paritä- tisch besetzten Arbeitsgruppe für die Fachschulen für Sozialpädagogik bearbeitet wird, ist auf das Erreichen der Niveaustufe 6 des DQR ausgerichtet. Ein darüberhin- ausgehender Qualitätsdialog hat nicht stattgefunden. 3. Warum wurden diejenigen, die ihre Ausbildung zum 01.02.2015 begonnen haben, die Fachschulen in freier Trägerschaft und die Ausbildungskitas, die die QuereinsteigerInnen auf ihren Personalschlüssel anrech- nen müssen, vorab über diese gravierenden Änderungen die ab sofort gelten nicht informiert, damit sie sich auf die neue Situation einstellen können und ihre Entscheidungen entsprechend den neuen Realitäten hätten treffen können? Zu 3.: Wie bereits zu 1. ausgeführt, wird die APVO- Änderung erst mit Beginn des Schuljahres 2015/16 wirk- sam. 4. Wie hängen diese Änderungen mit den geplanten Änderungen des Rahmenlehrplans für die Erzieher_innen- Ausbildung zusammen? Zu 4. Die Voraussetzung der Umsetzung des neuen bundesweit vereinbarten Rahmenplans ist unter anderem die Einhaltung der nach der Kultusministerkonferenz vorgesehenen Anzahl von 2.400 Unterrichtsstunden. 5. Wieso sind die o.g. Änderungen seit 08.02.2015 in Kraft, obwohl der neue Rahmenlehrplan erst zum Schul- jahr 2016/17 gelten soll? Zu 5.: Die bundesweite Anerkennung der Berliner be- rufsbegleitenden Ausbildung zur Erzieherin/zum Erzieher ist nicht abhängig vom Inkrafttreten des neuen Rahmen- Abgeordnetenhaus Berlin – 17. Wahlperiode Drucksache 17 / 15 870 2 lehrplans. Bereits nach den derzeit geltenden Anforderun- gen der Kultusministerkonferenz (KMK) ist für die bun- desweite Anerkennung Theorieunterricht im Umfang von 2.400 Stunden erforderlich. 6. Welche Konzepte gibt es für die inhaltliche Ausge- staltung der zu leistenden Mehrstunden? Zu 6.: Die Fachschule entscheidet im Rahmen ihrer Eigenständigkeit jeweils selbst über Unterrichtsformen und inhaltliche Schwerpunktsetzungen, die zur Errei- chung der Bildungsziele nach § 1 APVO besonders ge- eignet erscheinen. Die zeitliche Zuordnung der 480 Stun- den „Unterricht in anderen Lernformen“ zu den Themenfeldern werden dabei vor der Erstellung des Ausbildungs- plans zur Genehmigung bei der Schulaufsichtsbehörde eingereicht. Im Profilunterricht (Verstärkungsunterricht) für den fachrichtungsbezogenen Lernbereich sind mindestens 100 Unterrichtsstunden für die Vermittlung von Kenntnissen und Methoden zur Förderung von Spracherwerb und Sprachentwicklung bei Kindern und Jugendlichen vorzu- sehen. 7. Mit welchem Vorlauf haben die Fachschulen von den umzusetzenden Änderungen erfahren? Zu 7.: Die Fachschulen sind bereits seit Herbst 2013 darüber informiert, dass Studierende der berufsbegleiten- den Ausbildung die bundesweite Anerkennung beanspru- chen. 8. Mit welchem Vorlauf haben die Studierenden von diesen Änderungen erfahren? Zu 8.: Der Senat geht davon aus, dass die Fachschulen die Studierenden über diese Entwicklung informiert ha- ben. 9. Wie unterstützt der Senat die Fachschulen in der Neukonzeption der Teilzeitausbildung? Zu 9.: Da die derzeitige Erhöhung der Anzahl der Theoriestunden in der berufsbegleitenden Ausbildung lediglich die Anteile erhält, die in der Vollzeitausbildung verpflichtend anzubieten sind und auch in der berufsbe- gleitenden Ausbildung mit berücksichtigt werden müssen, geht der Senat geht davon aus, dass dies auf der Grundla- ge der vorhandenen Unterrichtskonzeption erfolgt. 10. Wie begründet der Senat die kurze Übergangsre- gelung? Zu 10.: Die Übergangsfrist entspricht dem üblichen Zeitrahmen. 11. Gibt es die Möglichkeit, ähnlich wie an Universi- täten/ Hochschulen, sich während der Übergangszeit zu entscheiden, ob man nach der alten oder neuen APVO studieren möchte? Wenn, ja, welche Fristen sind dafür vorgesehen? Wenn nein, warum nicht? Zu 11.: Dadurch, dass die neue APVO erst mit Beginn des Schuljahres 2015/16 wirksam wird, wurde explizit in keine bereits bestehende Ausbildung eingegriffen. Somit bedarf es keiner solchen Regelung. 12. Ist dem Senat bekannt, ob und wenn ja, wie viele Ausbildungsverträge aufgrund der neuen Regelungen aufgelöst wurden? Zu 12.: Dem Senat ist nicht bekannt, dass und wenn ja wie viele Ausbildungsverträge aufgelöst wurden. 13. Welche Unterstützung (zeitlich, personal, Bera- tung) erhalten a) die Fachschulen für die Erstellung eines Konzepts für die zu leistenden Mehrstunden, b) die Praxiseinrichtungen, die z.T. mit anderen Zeiten geplant haben, die neue max. Praxisstundenzahl nun aber auf 19,2 h sinkt, um eine 40-STunden-Woche für die Auszubildenden/ Studierenden nicht zu überschreiten, c) die Studierenden/ Auszubildenden, die ihre Ausbil- dungsverträge zum Wintersemester, das am 08.02.2015 in der Regel, z.T. erst am 09.02.2015 begann, mit anderen Bedingungen angenommen haben? Zu 13.: a) Die Fachschulen haben für die Umsetzung ein Se- mester Vorbereitungszeit, wobei die Inhalte der Vollzeit- ausbildung entsprechen. Die Unterrichtsvorbereitung gehört zur Aufgabe einer Lehrkraft und wird nicht geson- dert vergütet. b) Da die Gültigkeit der APVO-Änderung erst mit dem neuen Schuljahresbeginn 2015/16 in Kraft tritt, ha- ben die Praxiseinrichtungen einen ausreichenden Vorlauf, sich auf die neue Situation einzustellen. Aus arbeitsrecht- licher Sicht gibt es keine Begrenzung der max. Praxis- stundenzahl auf 19,2 Wochenstunden. c) Der Senat hat festgelegt, dass das Schulhalbjahr 2014/2015 zum 01. Februar 2015 begonnen hat, der erste Schultag war der 09. Februar 2015. Damit sind Verände- rungen nicht erforderlich. 14. Wie begründet der Senat diesen Schritt hinsicht- lich der Bekämpfung des Fachkräftemangels? Welche Verbesserungen erhofft sich der Senat durch eine Ver- schärfung der Bedingungen auf beiden Seiten? Zu 14.: Die Anpassung der Theoriestunden an die KMK-Vorgaben in der berufsbegleitenden Teilzeitausbil- dung steht nur insofern im Zusammenhang mit dem Fachkräftebedarf, als das dadurch die Zahlen derer in berufsbegleitender Ausbildung stark angestiegen sind und dieser Ausbildungsform heute eine viel größere Bedeu- Abgeordnetenhaus Berlin – 17. Wahlperiode Drucksache 17 / 15 870 3 tung zukommt als noch vor einigen Jahren. In den letzten zwei Jahren war eine zunehmende Beunruhigung unter den Studierenden hinsichtlich einer Nichtanerkennung ihres Berliner Ausbildungsabschlusses in anderen Bun- desländern wahrzunehmen. Auch wenn der Senat bestrebt ist, die ausgebildeten Erzieherinnen und Erzieher in Ber- lin zu halten, sollte ihnen dennoch nicht die Option eines Wechsels in andere Bundesländer verbaut sein. 15. Für die Fachschulen bedeute eine Erhöhung der Stunden entsprechende Mehrleistung, wie stellt der Senat die Zahl der zusätzlich benötigen Lehrkräfte sicher? Wenn es keine zusätzlichen Lehrkräfte gibt, welche Kompensationsleistungen sind vorgesehen? Welche Übergangszeit ist geplant? Zu 15.: In den staatlichen Fachschulen für Sozialpä- dagogik ist der Anteil der berufsbegleitenden Ausbildung sehr gering und wird im Rahmen der Einstellungen zum Schuljahr 2015/2016 mit berücksichtigt. 16. Welchen Ausgleich erhalten die freien Träger, um den vom Senat beschlossenen Mehraufwand leisten zu können, ohne die Qualität der Ausbildung zu gefährden? 17. Plant der Senat, die Zuwendung für die staatlich anerkannten Ersatzschulen (Fachschulen für Pädagogik) von derzeit ca. 60% der Gesamtkosten zeitnah zu erhö- hen, um den Mehraufwand zu kompensieren? Zu 16. und 17.: Die Finanzierung der Schulen in freier Trägerschaft (Ersatzschulen) ist dem Grund und der Höhe nach in § 101 des Schulgesetzes geregelt. Die Zuschüsse für berufliche Schulen betragen 100 Prozent der Personalkosten der Ersatzschulen (tatsächli- che Personalkosten), höchstens 93 Prozent der Personal- kosten entsprechender öffentlicher Schulen (vergleichbare Personalkosten) Nach § 3 der Ersatzschulzuschussverordnung (ESZV) liegt der Berechnung der vergleichbaren Personalkosten der Lehrkräftebedarf entsprechender öffentlicher Schulen zugrunde. Maßgeblich für die Lehrerbedarfsfeststellung sind nach § 4 ESZV die Organisationsrichtlinien, die für die Ausstattung des zu Beginn des Bewilligungsjahres bereits laufenden Schuljahres gelten. Änderungen der Arbeitszeit oder der Zahl der Pflichtstunden im Bewilli- gungsjahr, die zum 30. November des Vorjahres festste- hen, sind bei der Bedarfsermittlung zu berücksichtigen. Insofern fließt die Änderung der zu leistenden Unter- richtsstunden in die Finanzierung des Bewilligungsjahres 2016 ein, als mit der Erhöhung der Zahl der vorgeschrie- benen Unterrichtsstunden der Bedarf an Lehrkräften und damit die vergleichbaren Personalkosten steigen. 18. Wenn der Unterschied in den zu leistenden Pflichtstunden zwischen Teilzeitausbildung und Vollzeit- ausbildung nach der neuen APVO nur noch 200 Stunden und die berufsbegleitende Ausbildung zeichnet sich je- doch eigentlich durch ihren höheren Praxisanteil aus- zeichnet, welche Gründe gibt es für diese Angleichung? Zu 18.: Durch KMK-Beschluss ist das Stundenvolu- men von 2400 Stunden für die Teilzeitausbildung festge- legt; nur durch die nun vorgenommene Erhöhung ist eine bundesweite Anerkennung der Berliner Ausbildung si- chergestellt. 19. Hält der Senat die Ausbildung in den Praxisein- richtungen für nicht qualitativ ausreichend? Wenn nein, welche Maßnahmen plant er für die Sicherung der Quali- tät in den Praxiseinrichtungen? Zu 19.: Die Erhöhung der Theoriestunden steht nicht im Zusammenhang mit einer möglicherweise qualitativ unzureichenden Praxisausbildung, sondern mit dem Er- fordernis, die Teilzeitausbildung KMK-konform zu ge- stalten. Die Praxisstunden sind nicht auf fehlende Theo- riestunden anrechenbar. 20. Wie bewertet der Senat die Tatsache, dass er selbst kurzfristig zwar keinerlei Varianten für eine Schulgeldbe- freiung sieht, aber gleichzeitig für alle anderen Beteiligten zusätzlichen finanziellen, personellen und zeitlichen Aufwand kurzfristig festlegt und damit die Rahmenbedin- gungen ohne Vorlauf einseitig abändert? Zu 20.: Der Senat hat die Notwendigkeit erkannt, so schnell wie möglich die bundesweite Anerkennung der Berliner Ausbildung herzustellen und sieht hier keine Verbindung zur Schulgeldbefreiung. Berlin, den 08. April 2015 In Vertretung Mark Rackles Senatsverwaltung für Bildung, Jugend und Wissenschaft (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 13. Apr. 2015)