Drucksache 17 / 15 922 Schriftliche Anfrage 17. Wahlperiode Schriftliche Anfrage der Abgeordneten Andreas Otto und Stefanie Remlinger (GRÜNE) vom 27. März 2015 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 30. März 2015) und Antwort Wie ist die Luft in den Berliner Schulgebäuden? Die Drucksachen des Abgeordnetenhauses sind bei der Kulturbuch-Verlag GmbH zu beziehen. Hausanschrift: Sprosserweg 3, 12351 Berlin-Buckow · Postanschrift: Postfach 47 04 49, 12313 Berlin, Telefon: 6 61 84 84; Telefax: 6 61 78 28. Im Namen des Senats von Berlin beantworte ich Ihre Schriftliche Anfrage wie folgt: Frage 1: Trifft es zu, dass das Rundschreiben der Se- natsverwaltung für Stadtentwicklung mit dem "Leitfaden zur Raumluftkonditionierung in Schulen bei Neubau und Sanierung unter Beachtung ökonomischer, ökologischer und soziokultureller Aspekt" außer Kraft gesetzt wurde? Antwort zu 1: Ja, das Rundschreiben von der Senats- verwaltung für Stadtentwicklung und Umwelt (SenStad- tUm) ZF V-I Nr. 1/2014 vom 19.09.2014 „Leitfaden zur Raumluftkonditionierung in Schulen bei Neubau und Sanierung unter Beachtung ökonomischer, ökologischer und soziokultureller Aspekte“ wurde mit dem Rundschreiben SenStadtUm ZF V-I 01/2015 vom 10.02.2015 außer Kraft gesetzt. Frage 2: Falls 1. ja - warum wurde der Leitfaden außer Kraft gesetzt und wodurch wird der Leitfaden aktuell und zukünftig ersetzt? Antwort zu 2: Die Senatsverwaltungen für Bildung, Jugend und Wissenschaft, für Finanzen und für Stadtent- wicklung und Umwelt haben die Vorgehensweise bezüg- lich der Lüftung in Schulen abgestimmt, um u. a. im Rahmen einer Evaluation unter dem Gesichtspunkt von einfachen und preiswerten Lösungen mit geringem tech- nischen Aufwand (z. B. durch einfaches Lüften der Klas- senräume) die Raumluftkonditionierung im Schulneubau und bei der Sanierung von Schulbauten zu untersuchen und entsprechend zu bewerten. Deshalb und aufgrund fehlender finanzieller Absicherung wurde das Rund- schreiben zurückgezogen. Der o.g. Leitfaden ist jedoch weiterhin eine Arbeitshil- fe. Eine verbindliche Anwendung dessen ist jedoch nicht mehr vorgesehen. Frage 3: Welche der Ziele des Leitfadens sind mit der Außerkraftsetzung des Leitfadens durch den Senat auf- gegeben worden? Antwort zu 3: Der Arbeitsschutz obliegt dem Arbeit- geber. Über eine Gefährdungsbeurteilung muss nachge- wiesen werden, dass das Schutzziel erreicht wird. Nach § 3a Arbeitsstättenverordnung (ArbStättV) kann bei An- wendung der Technischen Regeln für Arbeitsstätten (ASR) die Vermutung der Einhaltung der Verordnungen in Anspruch genommen werden, d. h., dass z.B. bei Ein- haltung eines CO2-Gehaltes von ≤ 1000 ppm gesundheitlich zuträgliche Atemluft im Klassenzimmer gegeben ist. Das ursprüngliche Ziel, hierfür technische Lösungen mit Wärmerückgewinnung für die Raumluftkonditionie- rung in Schulen, explizit in hochbelegten Klassenräumen, verbindlich vorzusehen, ist jetzt nicht mehr gegeben. Frage 4: Hat die Senatsverwaltung für Gesundheit und Soziales sich mit der Außerkraftsetzung des Leitfadens ein-verstanden erklärt? Antwort zu 4: Die Senatsverwaltung für Gesundheit und Soziales hat zu Beginn dieses Jahres aus Sicht des umweltbezogenen Gesundheitsschutzes die Beibehaltung der Verbindlichkeit des Leitfadens befürwortet. Frage 5: Welche Ziele verfolgte der Senat mit dem o.g. Leitfaden betr. Belüftung und Luftaustausch in Schulgebäuden? Antwort zu 5: Mit dem o.g. Leitfaden wurde eine Ar- beitshilfe für die Planenden und die Baudienststellen des Landes Berlin erarbeitet, die die gesetzlichen und techni- schen Vorgaben zusammenfassend darstellt, ohne darüber hinaus neue Standards festzulegen. Abgeordnetenhaus Berlin – 17. Wahlperiode Drucksache 17 / 15 922 2 Der Leitfaden zeigt eine technische Möglichkeit auf, wie eine gesundheitlich-hygienische Raumluftqualität in Schulen in hochbelegten Räumen unter Beachtung aller gesetzlichen Vorgaben (Arbeitsschutz, Energieeinspar- verordnung – EnEV ) und dem Stand der Technik erreicht werden kann. Frage 6: Welche Parameter, insbesondere für den Luftaustausch in Schulgebäuden, gelten in Berlin? Antwort zu 6: In Berlin gelten, wie im gesamten Bun- desgebiet, die gesetzlichen Vorgaben wie Arbeitsschutz- gesetz, Arbeitsstättenverordnung, EnEV u.a. Ergänzend dazu gibt es die Technischen Regeln für Arbeitsstätten, wie z.B. die ASR A3.6 Lüftung. Die ASR geben den Stand der Technik, der Arbeitsmedizin und der Arbeits- hygiene sowie sonstige gesicherte arbeitswissenschaftli- che Erkenntnisse für das Einrichten und Betreiben von Arbeitsstätten wieder. Hierzu gehören auch die Schulen. Bei Einhaltung der ASR A3.6 kann davon ausgegan- gen werden, dass die entsprechenden Anforderungen der Verordnung erfüllt sind, so dass z.B. bei Einhaltung des CO2-Gehaltes von ≤ 1000 ppm gesundheitlich zuträgliche Atemluft im Klassenzimmer gegeben ist und weitere Maßnahmen nicht erforderlich sind. Der CO2-Wert dient dabei als Indikator für die Innen- raumlufthygiene. Für die Einhaltung der gesetzlichen Vorgaben ist im- mer der Arbeitgeber verantwortlich. Frage 7: Welche zulässigen Werte für die einzelnen, in der Raumluft enthaltenen Gase und sonstigen Schadstoffe gelten aktuell in Berliner Schulgebäuden, wie wird die Einhaltung gewährleistet und kontrolliert? Antwort zu 7: Bezüglich des CO2-Gehaltes gilt der bereits zuvor genannte Leitwert von ≤ 1000 ppm aus der ASR A3.6. Die zulässigen Werte für Schulen sind in den Techni- schen Regeln für Arbeitsstätten zu entnehmen. Sie geben den Stand der Technik, Arbeitsmedizin und Arbeitshygie- ne sowie sonstiger gesicherter arbeitswissenschaftlicher Erkenntnisse für das Einrichten und Betreiben von Ar- beitsstätten wieder. Sie werden vom Ausschuss für Arbeitsstätten ermittelt bzw. angepasst und vom Bundesministerium für Arbeit und Soziales im Gemeinsamen Ministerialblatt bekannt gegeben. In der ASR A3.6 sind nachstehend aufgeführte Werte zur Beurteilung der CO2-Konzentration in der Raumluft und die Ableitung geeigneter, beispielhafter Maßnahmen genannt. <1000 [ml/m3] bzw. [ppm] CO2-Konzentration: - keine weiteren Maßnahmen (sofern durch die Raumnutzung kein Konzentrationsanstieg über 1000 ppm zu erwarten ist) 1000-2000 [ml/m3] bzw. [ppm] CO2-Konzentration: - Lüftungsverhalten überprüfen und verbessern - Lüftungsplan aufstellen (z. B. Verantwortlichkei- ten festlegen) - Lüftungsmaßnahme (z. B. Außenluftvolumenstrom oder Luftwechsel erhöhen) >2000 [ml/m3] bzw. [ppm] CO2-Konzentration: - weitergehende Maßnahmen erforderlich (z. B. ver- stärkte Lüftung, Reduzierung der Personenzahl im Raum) Konkrete Vorschriften zur Messung der Raumluftkon- zentration gibt es nicht und es obliegt der jeweiligen Lehrkraft, eigenverantwortlich unter Berücksichtigung der allgemeinen Empfehlung zur generellen Lüftung in den Pausen und bei Bedarf auch während des Unterrichts für regelmäßiges Lüften zu sorgen. Frage 8: Hält der Senat maschinelle Lüftungsanlagen in Schulgebäuden grundsätzlich für erforderlich, um die Berliner Schülerschaft vor dem Einschlafen zu bewahren und gesunde Lernbedingungen zu schaffen? Antwort zu 8: Nein. Der Einbau raumlufttechnischer Anlagen ist eine Möglichkeit und unterliegt immer der Prüfung des Einzelfalls. Frage 9: Inwiefern sind für die neuen Modulbauten angesichts des dort wesentlich geringeren Luftaustauschs mit der Außenluft andere Maßgaben gültig als für ältere Bestandsgebäude? Antwort zu 9: Aktuell gelten für Modulbauten die gleichen Maßgaben wie für ältere Bestandsgebäude. Frage 10: Welche Mehrkosten entstehen durch den Einsatz maschineller Lüftungsanlagen bei Neubauten (Modulbauten und andere Neubauten) und welche Kosten kalkuliert der Senat für die Nachrüstung von Bestandsge- bäuden pro Quadratmeter bzw. pro Schüler? Abgeordnetenhaus Berlin – 17. Wahlperiode Drucksache 17 / 15 922 3 Antwort zu 10: Die Investitionskosten für dezentrale raumlufttechnische Anlagen liegen bei ca. 5.400 € bis 8.200 € pro Klassenraum, bei zentralen Anlagen bei ca. 5.600 € bis 8.750 € pro Klassenraum. Die betriebs- und verbrauchsgebundenen Kosten liegen für dezentrale raumlufttechnische Anlagen bei ca. 66 € und für zentrale Anlagen bei ca. 58 € pro Schülerin oder Schüler und Jahr. Im Schuljahr 2014/2015 würden sich bei rd. 300.000 Schülerinnen und Schülern in den allgemein bildenden öffentlichen Schulen rd. 17, 4 Mio. € bzw. rd. 19,8 Mio. € und bei rd. 70.000 Schülerinnen und Schülern in den öffentlichen und beruflichen Schulen weitere rd. 4,06 Mio. € bzw. rd. 4,62 Mio. € ergeben (ohne Sanierung, Instandhaltung und Erneuerung der Anlagen). Die Mo- dellrechnung zur Entwicklung der Schülerzahlen geht von rd. 337.000 Schülerinnen und Schülern bis zum Schuljahr 2023/2024 aus, so dass der Wert dann 19,55 Mio. € bzw. 22,24 Mio. € für die allgemein bildenden Schulen betragen würde. In diesen Werten nicht enthalten sind die Kosten, die jeweils anfallen, wenn in den Bestandsgebäuden die durch den Einbau der raumlufttechnischen (RLT) Anlagen ent- stehenden Anpassungsarbeiten (Putz- und Malerarbeiten etc.) oder die Anpassung an geltende Brandschutz- und sonstige Vorgaben erfolgen müssen. Frage 11: Welcher Anteil der Berliner Schulgebäude ist bereits mit maschinellen Lüftungsanlagen ausgestattet? (Bitte nach Baualtersklassen differenziert angeben) Antwort zu 11: Dem Senat liegen nur Erkenntnisse aus einigen Bezirken und von der Berliner Immobilien Management GmbH (BIM) vor. Danach sind bei neun Bezirken insgesamt 16 Schulen bereits mit raumlufttech- nischen Anlagen für die allgemeinen Unterrichtsräume ausgestattet. Von der BIM werden 67 Oberstufenzentren betreut. 55 Oberstufenzentren davon haben raumlufttechnische Anlagen. Es ist jedoch darauf hinzuweisen, dass es sich dabei vorrangig um die Lüftung von Digestorien, Küchen und Caféterien sowie technische Anlagen für die Berufsaus- bildung handelt und nicht um Lüftungsanlagen in allge- meinen Unterrichtsräumen. Berlin, den 15. April 2015 In Vertretung Prof. Dr.-Ing. Engelbert Lütke Daldrup ................................ Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Umwelt (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 16. Apr. 2015)