Drucksache 17 / 15 931 Schriftliche Anfrage 17. Wahlperiode Schriftliche Anfrage der Abgeordneten Carola Bluhm und Katrin Lompscher (LINKE) vom 30. März 2015 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 01. April 2015) und Antwort Baurecht und Mieterrechte in der Wilhelmstraße Die Drucksachen des Abgeordnetenhauses sind bei der Kulturbuch-Verlag GmbH zu beziehen. Hausanschrift: Sprosserweg 3, 12351 Berlin-Buckow · Postanschrift: Postfach 47 04 49, 12313 Berlin, Telefon: 6 61 84 84; Telefax: 6 61 78 28. Im Namen des Senats von Berlin beantworte ich Ihre Schriftliche Anfrage wie folgt: Frage 1: Warum wurden in den geteilten Bebauungs- plänen I-202a-c seinerzeit die Baufluchtlinien der Be- standsgebäude zwar aufgegriffen, ohne jedoch die dem Bestand folgende Baukörperausweisung städtebaulich im Bebauungsplan zu begründen? Antwort zu 1: Eine enge Baukörperausweisung ist städtebaulich nur bei architektonisch herausragenden und besonders stadtbildprägenden Gebäuden (z.B. Baudenk- mäler) begründbar. Enge Baukörperausweisungen bedeu- ten einen strengen Eingriff in das grundgesetzlich ge- schütze Eigentumsrecht an Grund und Boden und es müs- sen besondere Gründe vorliegen, um dieses harte pla- nunsgrechtliche Instrument anzuwenden. Beides liegt hier nicht vor. Frage 2: Wie konnte es zu diesem Fehler, der zur Un- wirksamkeit des Bebauungsplans führte, kommen und wie wäre dieser zu korrigieren? Antwort zu 2: Das Oberverwaltungsgericht hat die Baukörperausweisung im Bebauungsplan für rechtswidrig erklärt. Damit kann dieser Fehler nicht korrigiert werden. Frage 3: Wie und wer wurde über die zumindest teil- weise Unwirksamkeit der Bebauungspläne durch das Urteil des Oberverwaltungsgerichts informiert? Antwort zu 3: Das Abgeordnetenhaus von Berlin wur- de nicht informiert. Es gab diesbezüglich keine Berichts- pflicht oder andere Regularien. Über Gerichtsentschei- dungen dieser Art erfolgt grundsätzlich keine Informati- on. Frage 4: Warum und mit welchen konkreten Pla- nungszielen (Baulinien, Gebäudehöhen, Art der Nutzung) wird der Bebauungsplan I-202a für das Areal Behrenstra- ße 1B, 1C, Hannah-Arendt-Str. 2-6, Wilhelmstraße 75-78, für den die erneute öffentliche Auslegung im Jahre 2003 stattfand, der jedoch vom OVG 2007 für unwirksam er- klärt wurde, derzeit wieder weiterverfolgt? Antwort zu 4: Das Urteil des Oberverwaltungsgerichts hatte formale Gründe. Diese Formalien werden mit dem aktuellen Planverfahren geheilt und entsprechende Betei- ligungsschritte durchgeführt. Gleichzeitig werden die Festsetzungen aktualisiert. Die vom Abgeordnetenhaus von Berlin damals beschlossenen Grundzüge der Planung werden weiter verfolgt: Allgemeines Wohngebiet (WA) mit dem Nutzungsmaß GRZ 0,4 / GFZ 2,5 im Baufeld 1 (Bestand) bzw. GRZ 1 0,68 / GFZ 2 3,5 im Baufeld 2 bei geschlossener Bauweise und Höhenfestsetzungen (im Bestand 57,0 m über NHN 3 bzw. für Baufeld 2 63,3 m ü NHN). Die überbaubare Fläche wird durch Baugrenzen definiert. Des Weiteren werden ein Baufeld für das Denkmal für die ermordeten Juden Europas, Straßenver- kehrsflächen sowie ein Streifen des Großen Tiergartens als Grünfläche festgesetzt. Abweichend von der Urfas- sung des Bebauungsplans sollen innerhalb des Allgemei- nen Wohngebietes nunmehr Beherbergungsbetriebe auch als Ausnahme nicht mehr zulässig sein. Frage 5: Gibt es konkrete Bauabsichten, die eine Wie- deraufnahme des Bebauungsplanes I-202a ausgelöst ha- ben und wenn ja, welche? Antwort zu 5: Nein, umsetzungsreife Planungen lie- gen derzeit nicht vor. Frage 6: Wie wird das Abgeordnetenhaus über die Wiederaufnahme des Verfahrens in Kenntnis gesetzt und wann soll der Beschluss erfolgen? 1 Grundflächenzahl 2 Geschossflächenzahl 3 Normalhöhennull Abgeordnetenhaus Berlin – 17. Wahlperiode Drucksache 17 / 15 931 2 Antwort zu 6: Die Beschlussfassung soll voraussicht- lich in der zweiten Hälfte des Jahres 2015 erfolgen. Frage 7: Trifft es weiterhin zu, dass für den Bereich des Bebauungsplans I-202a ein ergänzendes Verfahren gemäß § 214 Baugesetzbuch (BauGB) mit derselben städtebaulichen Zielsetzung durchgeführt wird, wie in Drucksache 17/10 736 vom 23. August 2012 vom Senat dargelegt, und wenn ja, was heißt dies für die Genehmi- gungsfähigkeit von Bauvorhaben, die über das Maß des teilweise für unwirksam erklärten Bebauungsplans hin- ausgehen? Antwort zu 7: Dies trifft weiterhin zu. Die Genehmi- gungsfähigkeit von Bauvorhaben ist nach Vorliegen der Planreife gemäß § 33 Baugesetzbuch (BauGB) anhand der vorzulegenden konkreten Pläne zu beurteilen. Frage 8: Wie gedenkt der Senat mit den B-Plänen I 202b und I 202c zu verfahren? Antwort zu 8: Die Bebauungspläne I – 202 b und c bestehen weiterhin und bedürfen in dieser Form keiner weiteren Befassungen. Frage 9: Wie wird in der vom Bezirk beauftragten Voruntersuchung über den Erlass einer Erhaltungsverord- nung nach § 172 BauGB begründet, das o.g. Gebiet sei kein Verdachts- und Beobachtungsgebiet für den Erlass einer Erhaltungssatzung? Antwort zu 9: Dennoch ist bekannt, dass bei einer Er- haltungsverordnung vorrangig auf die Ausstattung mit sozialer Infrastruktur abgestellt wird. Ein Mangel kann in diesem Gebiet nicht nachgewiesen werden und daher liegen die Voraussetzungen nicht vor. Frage 10: Was besagen die Entwicklungsrechtlichen Genehmigungen Nr. 2014/4164 vom 26.02.2015, Nr. 2012/1838 vom 23.08.2012, Nr. 2013/1972 vom 26.06.2013, die Baugenehmigung Nr. 2012/1685 vom 13.02.2013 sowie der Bau-Vorbescheid Nr. 2013/1971 vom 26.06.2013 und Nr. 540/08 vom 15.4.2008 (bitte genaue Aufführung des Inhalts)? Antwort zu 10: Die o.g. entwicklungsrechtlichen Ge- nehmigungen richten sich an die Eigentümer der Grund- stücke Wilhelmstraße 56-59 (Teilfläche im B-Plan I- 202c) sowie Wilhelmstraße 75-78 (Teilfläche im B-Plan I-202a [in Aufstellung befindlich]) und umfassen vorran- gig die Zulässigkeit von Bauvorhaben im Rahmen von Bauvoranfragen bzw. Baugenehmigungsverfahren. Inner- halb der Anträge wurden eine Vielzahl von Varianten für Neubauten bzw. Ausnutzungen der Grundstücke zur Prü- fung und Genehmigung eingereicht. Die gegenständlichen Wohn-Geschäftshäuser (inkl. Tiefgarage) wurden hin- sichtlich der Art und dem Maß der baulichen Nutzung, der Bauweise, der Erschließung und der überbaubaren Grundstücksfläche bezüglich der Ziele des Entwicklungs- rechtes sowie den allgemeinen bauplanungsrechtlichen Belangen geprüft. Entsprechend den Prüfergebnissen wurden die entwicklungsrechtlichen Genehmigungen erteilt. Grundlage für die Beurteilung der Vorhaben war stets der städtebauliche Rahmen der Ziele der Bebauungspläne (welcher für den B-Plan I-202a bereits in der Drucksache 17/10 736 vom 23. August 2012 vom Senat dargelegt und vom Abgeordnetenhaus gebilligt wurde sowie für den Bebauungsplan I-202c festgesetzt wurde). Frage 11: Haben Eigentümer von Grundstücken in- nerhalb des Geltungsbereichs der Bebauungspläne I 202a- c neben der Änderungsvereinbarung für die Grundstücke Wilhelmstraße 56-59 weitere Änderungsvereinbarungen zur Ablösung des Ausgleichsbeitrags in der städtebauli- chen Entwicklungsmaßnahme „Hauptstadt Berlin- Parlaments - und Regierungsviertel“ abgeschlossen? Antwort zu 11: Nein. Frage 12: Wenn ja, besteht mit der Vereinbarung die Möglichkeit, Neubauvorhaben entwicklungsrechtlich zu genehmigen und auf welche Grundstücke trifft dies zu? Frage 13: Wenn Frage 12 mit ja beantwortet wird, be- inhalten die Vereinbarungen auch unbefristete Genehmi- gungen für den Abbruch von Bestandsgebäuden? Frage 14: Wenn Frage 12 mit ja beantwortet wird, sind für diese Objekte die Regelungen des Zweckent- fremdungsverbotsgesetzes außer Kraft gesetzt und wie ist dies begründet? Frage 15: Wenn Frage 12 mit ja beantwortet wird, sind für diese Objekte Sozialplanverfahren analog zur Wilhelmstraße 56-59 vorgesehen? Antwort zu 12 - 15: Entfällt. Frage 16: Welche Ersatzwohnungen in welcher Lage werden ggf. Mieterinnen und Mietern aus der Wilhelm- straße 56-59 angeboten und sind darunter auch Angebote in Wohnungen auf Grundstücken im Geltungsbereich eines der drei Teilbebauungspläne, für die bereits Bauvor- anfragen gestellt worden sind, wodurch die Mieterinnen und Mieter abermals Ersatzwohnraum benötigen und zum Spielball von Investoren würden? Antwort zu 16: Es werden durch den Eigentümer auch Ersatzwohnungen in den genannten Bereichen benannt. Frage 17: Welches Recht greift, wenn Mieterinnen und Mieter, die nur freiwillig Angebote annehmen müs- sen, auf ihrem vertraglich zugesicherten Wohnrecht wei- terhin bestehen, wo doch die Abrissgenehmigung unbe- fristet erteilt ist? Abgeordnetenhaus Berlin – 17. Wahlperiode Drucksache 17 / 15 931 3 Antwort zu 17: Beide Rechte bestehen parallel neben- einander. Frage 18: In welcher Weise garantiert die Bau- und Wohnungsaufsicht des Bezirkes Mitte die weitere Be- wohnbarkeit des Objekts Wilhelmstraße 56-59? Antwort zu 18: Die Bau- und Wohnungsaufsicht des Bezirks Mitte hat aufgrund des derzeitigen (baulichen) Zustandes des Gebäudes keine Möglichkeiten des Ein- griffs. Frage 19: Wie gedenkt der Senat die Auswirkungen der Änderungsvereinbarung für die Grundstücke Wil- helmstraße 56-59 aus dem Jahr 2008 zu korrigieren, mit der die individuellen Mieterrechte der Unkündbarkeit wegen wirtschaftlicher Verwertung durch ein Sozialplan- verfahren torpediert werden, der Ferienwohnungs- bzw. hotelähnliche Betrieb wegen der Nichtanwendung des Zweckentfremdungsverbotsgesetzes geduldet und der Abriss preiswerter Standardwohnungen und Bau von Luxuswohnungen genehmigt wird? Antwort zu 19: Die Frage geht von einer falschen Vo- raussetzung aus. Das Sozialplanverfahren torpediert nicht die bestehenden Mieterrechte. Das Sozialplanverfahren soll Mieterinnen und Mietern eine Hilfe und Beistand bieten, wenn diese mit dem Eigentümer verhandeln möch- ten. Es besteht kein Zwang, das Sozialplanverfahren zu nutzen. Berlin, den 10. April 2015 In Vertretung Regula Lüscher ................................ Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Umwelt (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 15. Apr. 2015)