Drucksache 17 / 15 993 Schriftliche Anfrage 17. Wahlperiode Schriftliche Anfrage des Abgeordneten Tom Schreiber (SPD) vom 26. März 2015 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 16. April 2015) und Antwort Kampf gegen die Rockerkriminalität – Sicherheitsvorkehrungen beim „WettbüromordProzess “ Die Drucksachen des Abgeordnetenhauses sind bei der Kulturbuch-Verlag GmbH zu beziehen. Hausanschrift: Sprosserweg 3, 12351 Berlin-Buckow · Postanschrift: Postfach 47 04 49, 12313 Berlin, Telefon: 6 61 84 84; Telefax: 6 61 78 28. Im Namen des Senats von Berlin beantworte ich Ihre Schriftliche Anfrage wie folgt: 1. Wie laufen grundsätzlich Sicherheitskontrollen vor Gerichtsprozessen in Moabit ab? Zu 1.: Aufgrund der Sicherheitslage werden die Besu- cherinnen und Besucher beim Betreten der Gerichtsge- bäude des Kriminalgerichtes Moabit eingehend kontrol- liert. Die Justizwachtmeisterinnen und Justizwachtmeister sind angewiesen, bei der Eingangskontrolle eine Identi- tätsfeststellung vorzunehmen, die Bekleidung mit Sonden abzusuchen und beim Ertönen des Signaltons der Sonden auch abzutasten oder weitergehend zu untersuchen. Mit- geführte Taschen und sonstiges Gepäck sind, sofern mög- lich, zu durchleuchten und auf gefährliche und verbotene Gegenstände zu durchsuchen. Im Übrigen regelt die vom Präsidenten des Amtsge- richts Tiergarten erlassene Ordnung über die Durchfüh- rung von Kontrollmaßnahmen am Justizstandort Moabit (Kontrollordnung) den Zutritt zu den Dienstgebäuden und den am Justizstandort Moabit ansässigen Behörden. 2. Welche besonderen Vorkehrungen werden seitens der Berliner Polizei und der Berliner Justiz beim soge- nannten „Wettbüromord-Prozess“ getroffen? Zu 2.: Die besonderen Sicherheitsvorkehrungen für den „Wettbüro-Mordprozess“ ergeben sich ausschließlich aus der Sicherheitsverfügung des Vorsitzenden Richters dieses Verfahrens, die auf Grundlage von § 176 des Ge- richtsverfassungsgesetzes (GVG) erlassen wurde und aufgrund des noch andauernden Prozesses nicht veröffent- licht werden kann. Im Innenbereich des Gerichts unterstützt die Polizei Berlin die Justiz bei der Umsetzung der Sicherheitsverfü- gung im Wege der Amtshilfe. Im Außenbereich veranlasst die Polizei Berlin zur Gewährleistung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung und zur Verhinderung von Straf- taten Posten und Streifendienste. 3. Wie viele Polizeivollzugskräfte und Justizangestell- te waren und sind jeweils vor Ort? Zu 3.: Die Einlasskontrollen, die Gewährleistung der Sicherheit und Ordnung im Saal sowie die Vorführung und Bewachung der Gefangenen erfolgen ausschließlich durch Beamtinnen und Beamte des Justizwachtmeister- dienstes. Der zahlenmäßige Einsatz richtet sich je nach Besucher- und übrigem Prozessaufkommen sowie den jeweiligen Sicherheitsbelangen. Des Weiteren betreuen die eingesetzten Justizwachtmeisterinnen und Justiz- wachtmeister, wie bei der Einlasskontrolle, teilweise mehrere Prozesse gleichzeitig, sodass keine Angabe einer festen Größe für den jeweiligen Personaleinsatz im „Wettbüro-Mordprozess“ möglich ist. Allein aufgrund der Dimension dieses Prozesses werden jedoch regelmäßig zwischen 15 und 20 Bedienstete des Justizwachtmeister- dienstes zusätzlich gebunden. Von Seiten der Polizei Berlin wurde der Einsatz an den ersten drei Verhandlungstagen als Führungsgruppen- einsatz des Polizeiabschnitts 33 mit durchschnittlich 73 Polizeivollzugskräften durchgeführt. Ab dem vierten Verhandlungstag wurde der Einsatz unter Führung eines Dienstgruppenleiters des Polizeiabschnitts 33 mit durch- schnittlich 47 Polizeivollzugskräften bis zum achten Ver- handlungstag und seit dem 02. Dezember 2014 mit durch- schnittlich 22 Polizeivollzugskräften durchgeführt. 4. Wie kann es sein, dass ein Mitglied einer großarabi- schen Familie und Mitglied der Hells Angels beim Pro- zessauftakt im November 2014, mindestens zwei Perso- nen an der Warteschlange vorbei schleusen kann und die Sicherheitsbehörden dies weder monieren noch einschrei- ten? 5. Ist es der Berliner Polizei oder der Berliner Justiz gleichgültig, ob Personen aus dem Rockermilieu bei ei- nem Gerichtsprozess bestimmen, was Öffentlichkeit ist und wer Zugang zum Prozess erhält? Abgeordnetenhaus Berlin – 17. Wahlperiode Drucksache 17 / 15 993 2 6. Warum wird die Verantwortung zwischen den bei- den Behörden in dieser Sache seit November hin- und hergeschoben? 7. Wann gibt es eine wiederholte Prüfung des Vor- ganges und wann wird dieser Missstand abgestellt? Zu 4. bis 7.: Die Frage der Öffentlichkeit wird inner- halb des Prozesses geklärt und gehört zu den Entschei- dungen und Aufgaben des Gerichts. Ein Einlass nach Prioritätsprinzip ist dabei grundsätzlich nicht zu bean- standen. Maßgebend ist für die Reihenfolge des Einlasses der interessierten Zuhörerinnen und Zuhörer allein die tatsächliche Reihenfolge, in der sie an der Einlasstür er- scheinen (Kissel/Mayer, Kommentar zum Gerichtsverfas- sungsgesetz, 7. Auflage, § 169 Rn. 29 m.w.N.). Eine weitere Auswahl unter den Erschienenen zu treffen, ist unzulässig (ebenda, Rn. 30). Die Organisation der Wartenden und ein etwaiges ordnendes Eingreifen fallen außerhalb der Einlasskon- trollstelle, etwa auf dem Bürgersteig bzw. der Straße, nicht in die Zuständigkeit des Justizwachtmeisterdienstes des Amtsgerichts Tiergarten. Dessen Bedienstete hätten mangels einer entsprechenden Hausrechtserstreckung keine Möglichkeiten, auf dem öffentlichen Straßenland Regelungen zu treffen und durchzusetzen. Den polizeilichen Einsatzkräften außerhalb des Ge- richtsgebäudes wurde am ersten Verhandlungstag im Zusammenhang mit den Einlasskontrollen am Zugang- sportal V kein Sachverhalt bekannt, der einen Straftatbe- stand erfüllte oder auf eine Gefahrensituation hinwies, die ein polizeiliches Eingreifen zur Aufrechterhaltung der Sicherheit und Ordnung notwendig gemacht hätte. Die Abgrenzung der jeweiligen Aufgaben und Befug- nisse von Berliner Polizei und Justiz folgt zwingend aus den jeweiligen Rechtsgrundlagen und bedeutet kein „Hinund Herschieben von Verantwortung“. Eine weitere Prüfung des Vorganges hält der Senat daher nicht für erfor- derlich, einen über den Einzelfall hinausgehenden Miss- stand sieht der Senat nicht. Alle Beteiligten sind aus Sicht des Senats durch den Vorfall jedoch für das Problem des „Drängelns“ bei Einlasskontrollen sensibilisiert worden und werden dieses bei zukünftigen Einsatzplanungen verstärkt berücksichtigen. Berlin, den 28. April 2015 In Vertretung Straßmeir Senatsverwaltung für Justiz und Verbraucherschutz (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 30. Apr. 2015)