Drucksache 17 / 16 001 Schriftliche Anfrage 17. Wahlperiode Schriftliche Anfrage des Abgeordneten Tom Schreiber (SPD) vom 26. März 2015 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 16. April 2015) und Antwort Radikale Moscheen und Hassprediger in Berlin – Was kann das Land dagegen tun? Die Drucksachen des Abgeordnetenhauses sind bei der Kulturbuch-Verlag GmbH zu beziehen. Hausanschrift: Sprosserweg 3, 12351 Berlin-Buckow · Postanschrift: Postfach 47 04 49, 12313 Berlin, Telefon: 6 61 84 84; Telefax: 6 61 78 28. Im Namen des Senats von Berlin beantworte ich Ihre Schriftliche Anfrage wie folgt: 1. Wie viele Moscheen und Gebetsräume existieren im Land Berlin oder sind bekannt? Zu 1.: Dem Senat sind derzeit mehr als 100 Moscheen und Gebetsräume bekannt. 2. Wie viele Moscheen werden davon im Berliner Verfassungsschutzbericht aufgelistet oder werden als relevantes Sicherheitsrisiko (in Bezug auf Radikalisie- rung) eingestuft? Zu 2.: Im Berliner Verfassungsschutzbericht 2013 werden vier Moscheen aufgelistet. 3. Welche konkreten Aufgaben haben Moscheevereine und sind alle eingetragene Vereine? Zu 3.: Sofern es sich um Moscheevereine handelt, sind diese in Berlin zumeist auch eingetragene Vereine im Sinne des Vereinsrechts. Sie bieten ein religiöses, kultu- relles und soziales Angebot an. Im Selbstverständnis vieler Moscheevereine stehen die religiöse Betreuung ihrer Mitglieder sowie deren soziale Belange im Zentrum. Zudem nehmen sie auch weitere Aufgaben wahr, etwa bei der Betreuung und Bildung von Kindern und Jugendli- chen durch kulturelle Veranstaltungen und Vorträge. Daneben entfalten sie ökonomische Aktivitäten, z.B. durch den Verkauf von Lebensmitteln an Mitglieder und Besucherinnen und Besucher oder durch den Betrieb einer Cafeteria oder Teestube. 4. Gab es Fälle, in denen Moscheenvereinen die Gemeinnützigkeit aberkannt wurde, und wenn ja, aus wel- chen Gründen? Zu 4.: Informationen, die einen Steuerfall betreffen, sind durch das Steuergeheimnis im Sinne des § 30 Abga- benordnung (AO) geschützt und dürfen daher ohne Zu- stimmung des Betroffenen grundsätzlich nicht offenbart werden. Auch sind allgemeine Auskünfte unzulässig, wenn aus diesen auf Einzelfälle geschlossen werden kann. Wegen der sehr geringen Anzahl der betroffenen Mo- scheevereine ist eine Auskunftserteilung daher nicht mög- lich. Allgemein lässt sich jedoch sagen, dass Körperschaf- ten nur dann als gemeinnützig anerkannt werden können, wenn sie die Voraussetzungen der §§ 51 fortfolgende AO erfüllen. Nach diesen Vorschriften ist eine Körperschaft nur dann gemeinnützig, wenn sie nach ihrer Satzung und ihrer tatsächlichen Geschäftsführung selbstlos, aus- schließlich und unmittelbar die Allgemeinheit fördert (§ 52 Absatz 1 AO). Weitere Voraussetzung für die Anerkennung der Ge- meinnützigkeit ist, dass die Körperschaft nach ihrer Sat- zung und bei ihrer tatsächlichen Geschäftsführung keine Bestrebungen im Sinne des § 4 des Bundesverfassungs- schutzgesetzes fördert und dem Gedanken der Völkerver- ständigung nicht zuwiderhandelt (§ 51 Absatz 3 Satz 1 AO). 5. Wie viele Vereinsverbote wurden in den letzten fünf Jahren gegenüber Moscheevereinen ausgesprochen, durchgesetzt und aus welchen Gründen? Zu 5.: In Berlin hat es in den letzten fünf Jahren gegen Moscheevereine keine vereinsrechtlichen Verbotsmaß- nahmen gegeben. 6. Wie bewertet der Berliner Senat die „Al-NurMoschee “ und die Zusammenarbeit mit sowie das Auftreten von Hasspredigern in den letzten fünf Jahren? Abgeordnetenhaus Berlin – 17. Wahlperiode Drucksache 17 / 16 001 2 Zu 6.: Dem Senat ist bekannt, dass in der „Al-NurMoschee “ ein Islam salafistischer Prägung propagiert wird. Im Berliner Verfassungsschutzbericht wird sie seit mehreren Jahren genannt, weil sie salafistisch beeinflusst ist und wiederholt Veranstaltungsort teils mehrtägiger salafistischer „Islamseminare“ war. Dem Senat ist bekannt, dass die „Al-Nur-Moschee“ seit Jahren auch Predigern aus dem Ausland eine Platt- form für Vorträge und Predigten bietet. Unter diesen Gästen der Moschee waren in der Vergangenheit auch Prediger, die in der Moschee oder an anderen Orten durch antisemitische, homophobe und frauenfeindliche Stand- punkte aufgefallen sind. Zu der Art und Weise, wie der Berliner Senat die Zu- sammenarbeit der „Al-Nur-Moschee“ mit Predigern bewertet und darauf reagiert, siehe die Antwort zu Frage 8. Der von einigen Medien benutzte Ausdruck „Hassprediger “ findet seitens des Senates keine Verwendung, da er nicht einheitlich definiert ist. 7. Ist bekannt, wie oft in den letzten fünf Jahren Hassprediger in Berlin aufgetreten sind? (Bitte um Ein- zelauflistung von Fällen und Orten.) Zu 7.: Dem Senat sind im Anfragezeitraum insgesamt zwei Vorgänge im Zusammenhang mit potentiell straf- rechtlich relevanten Freitagspredigten bekannt geworden, die Gastprediger in der „Al-Nur-Moschee“ betreffen. Weitere Ausführungen siehe unter Antwort zu Frage 10. 8. Wie bewertet der Berliner Senat das Auftreten von sogenannten „Hasspredigern“ in Berliner Moscheen? Zu 8.: Predigten, die zum Hass gegen Teile der Be- völkerung aufriefen und zu Gewalt- und Willkürmaßnah- men gegen sie aufforderten, sind in den vergangenen Jahren auch in Berliner Moscheen bekannt geworden. Der Berliner Senat nimmt derartige Vorgänge sehr ernst. Die zuständigen Sicherheitsbehörden prüfen diese Fälle. Die Umsetzung eines adäquaten und unter den Behörden abgestimmten Maßnahmenbündels reicht von dialogorien- tierten Kontaktaufnahmen über gefahrenabwehrrechtliche bzw. strafprozessuale Maßnahmen bis hin zur Prüfung und Durchsetzung vereinsrechtlicher Verbotsmaßnahmen. Als Beispiel kann die Predigt eines dänischen Gastimams vom 18. Juli 2014 in der „Al-Nur-Moschee“ gelten, die auf die militärischen Auseinandersetzungen zwischen Israel und der Hamas Bezug nahm. In seinem arabischen Bittgebet beschwor er die Tötung von Juden. In deutscher Übersetzung sagte er: „Oh Gott, vernichte die zionistischen Juden. Sie sind keine Herausforderung für dich. Zähle sie und töte sie bis auf den letzten.“ Derartige Predigten, die einen Gewaltaufruf enthalten, sind weder mit dem Recht auf Religionsfreiheit noch mit dem Recht auf freie Meinungsäußerung vereinbar. 9. Ist das Auftreten von Hasspredigen durch die freie Meinungsäußerung und Religionsfreiheit gedeckt? Zu 9.: Das Recht auf freie Meinungsäußerung und Re- ligionsfreiheit sind in Artikel 5 Absatz 1 Grundgesetz (GG) und Artikel 4 Absatz 1 und 2 GG verankerte Grund- rechte. Allerdings darf in Deutschland auch in religiösen Predigten nicht zum Hass gegen Teile der Bevölkerung aufgerufen oder zu Gewalt- und Willkürmaßnahmen gegen sie aufgefordert werden (§ 130 Absatz 1 Strafge- setzbuch). 10. In welchen Fällen gab es strafrechtliche Konsequenzen und Verurteilungen? Zu 10.: Strafrechtliche Konsequenzen hat es zu zwei Anlässen gegeben. In beiden waren Inhalte der Freitags- predigten von Gastimamen in der „Al-Nur-Moschee“ Gegenstand der Ermittlungen. Im ersten Fall einer Freitagspredigt vom 18. Juli 2014 sah das Amtsgericht Tiergarten eine Volksverhetzung als erwiesen an und setzte eine Geldstrafe von 120 Tagessät- zen fest. Der dänische Imam habe mit seiner Predigt zu- mindest billigend in Kauf genommen, bei den Zuhörerin- nen und Zuhörern eine feindselige Haltung allgemein gegen Juden – auch als Bevölkerungsgruppe in Deutschland – hervorzurufen. Der Angeschuldigte hat gegen den Strafbefehl Rechtsmittel eingelegt. In selber Sache wur- den weitere Ermittlungsverfahren gegen mehrere Be- schuldigte eingeleitet, weil sie an der Veröffentlichung eines Videomitschnitts dieser Predigt im Internet mitge- wirkt haben sollen. Zwei dieser Verfahren wurden nach § 170 Absatz 2 Strafprozessordnung eingestellt, ein weite- res dauert an. Im zweiten Fall ist die Freitagspredigt eines anderen Gastimams am 23. Januar 2015 betroffen, die insbesonde- re wegen ihrer frauenfeindlichen Inhalte der Öffentlich- keit bekannt wurde. Es folgte die Einleitung eines Ermitt- lungsverfahrens, das nach Prüfung der Gesamtumstände nach § 170 Absatz 2 Strafprozessordnung eingestellt wurde. Zu rechtskräftigen Verurteilungen im Sinne der Frage ist es bislang nicht gekommen. 11. Wie wollen die Sicherheitsbehörden eine Ein- oder Ausreise von Hasspredigern künftig verhindern? Zu 11.: Soweit den Sicherheitsbehörden der Länder und des Bundes einschlägige Erkenntnisse über einen die Einreise begehrenden Prediger vorliegen, werden diese bereits im Visumverfahren berücksichtigt und das Visum versagt. Konnte im Einzelfall eine Einreise aufgrund fehlender Erkenntnisse oder einer erst nach Einreise fest- zustellenden „Radikalisierung“ des Predigers nicht verhindert werden, wird mit straf- und aufenthaltsrechtlichen Mitteln reagiert. Dabei steht allerdings in der Regel nicht die Verhinderung der Ausreise, sondern Beendigung des Abgeordnetenhaus Berlin – 17. Wahlperiode Drucksache 17 / 16 001 3 Aufenthalts im Vordergrund. Fälle, die einen erhöhten Koordinierungs- und Kooperationsbedarf erwarten lassen, werden in der Arbeitsgruppe Extremistische Ausländer (AG-ExtrA), in enger Abstimmung von Ausländerbehör- de, Verfassungsschutz, Polizei und dem Bundesamt für Migration und Flüchtlinge bearbeitet. Berlin, den 24. April 2015 In Vertretung Bernd Krömer Senatsverwaltung für Inneres und Sport (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 30. Apr. 2015)