Drucksache 17 / 16 004 Schriftliche Anfrage 17. Wahlperiode Schriftliche Anfrage der Abgeordneten Silke Gebel (GRÜNE) vom 15. April 2015 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 16. April 2015) und Antwort Wie wichtig ist Uferschutz - Grundlage für saubere Gewässer - in Berlin? Die Drucksachen des Abgeordnetenhauses sind bei der Kulturbuch-Verlag GmbH zu beziehen. Hausanschrift: Sprosserweg 3, 12351 Berlin-Buckow · Postanschrift: Postfach 47 04 49, 12313 Berlin, Telefon: 6 61 84 84; Telefax: 6 61 78 28. Im Namen des Senats von Berlin beantworte ich Ihre Schriftliche Anfrage wie folgt: Frage 1: Wie viel Prozent der Gewässerufer in Berlin sind in einem naturnahen Zustand? Antwort zu 1: Darüber führt der Senat keine Statistik. Im Umweltatlas der Senatsverwaltung für Stadtent- wicklung und Umwelt sind Angaben zur Gewässerstruk- turgüte – Gesamtbewertung nach Wasserrahmenrichtlinie (WRRL) - enthalten. Frage 2: Bei wie viel Prozent der Ufer ist ein naturna- her Zustand potentiell herstellbar? Antwort zu 2: Dazu gibt es keine Untersuchungen. Frage 3: Wie wichtig sind natürliche Ufer für ökolo- gisch intakte Gewässer und damit zur erfolgreichen Um- setzung der Wasserrahmenrichtlinie? Antwort zu 3: Vielfältige gewässermorphologischen Strukturen und naturnahe Abflüsse sind neben der Was- serqualität Grundlage für die Wiederbesiedlung durch wirbellose Fauna, Fische und diverse Wasserpflanzen (Biokomponenten nach WRRL) und letztlich für den guten ökologischen Zustand der Gewässer. Frage 4: Wie viel Kilometer Ufer gibt es in Berlin? (Bitte um Auflistung der Kilometer nach Bezirken) 1. Wie viele Kilometer sind Bundeswasserstraßen, Gewässer erster Ordnung? 2. Wie viele Kilometer sind Landesgewässer, Gewässer erster Ordnung? 3. Wie viele Kilometer sind Gewässer zweiter Ordnung ? Antwort zu 4: Aus dem Berliner Gewässerverzeichnis lassen sich folgende Uferlängen ableiten (gerundete Wer- te): 1. Gewässer erster Ordnung, Bundeswasserstraßen: 200 km 2. Gewässer erster Ordnung, Landeswasserstraßen: 15 km 3. Fließende Gewässer zweiter Ordnung: 400 km Für die theoretische Ermittlung der Uferlänge ist die Gewässerlänge etwa mit dem Faktor 2,5 zu multiplizie- ren. Es ergeben sich Uferlängen von 500 km, 37,5 km bzw. 1000 km. Eine bezirksscharfe Unterteilung ist nicht möglich. Frage 5: Wie sind diese Ufer beschaffen? Bitte jeweils Auflistung der Kilometer nach Bezirken und Gewässer nach 1. (Bundes-, und Landesgewässer) und 2. Ordnung? Frage 5.1: Wie viel Kilometer sind künstlich (beste- hend aus Beton, Mauer, Spundwand oder Steinschüt- tung?) Antwort zu 5.1: Der Senat führt keine derartige be- zirksscharfe Statistik. Frage 5.2: Wie viel m² Röhricht pro m Ufer befinden sich in den Berliner Gewässern? Frage 5.3: Wie viel m² Schwimmblatt pro m Ufer be- finden sich in den Berliner Gewässern? Antwort zu 5.2 und 5.3: Im Berliner Röhrichtschutz- programm werden die Ufer der Spree-, Dahme- und Ha- velseen sowie der Grunewaldseen auf Basis aktueller Color-Infrarot-Luftbilder kartiert und ausgewertet. Die letzte Kartierung erfolgte auf Basis der Luftbilder 2010. Insgesamt wurden 210 km Uferlänge ausgewertet. Im Ergebnis wurden folgende Röhricht- und Schwimmblatt- pflanzenbestände erfasst: Abgeordnetenhaus Berlin – 17. Wahlperiode Drucksache 17 / 16 004 2 Es wurden insgesamt 756.680 m² Röhricht an den ge- nannten Gewässern festgestellt, was statistisch 3,6 m² Röhricht pro m Ufer entspricht. Den höchsten Wert hat der Große Müggelsee mit 11,5 m 2 /m gefolgt von der Unterhavel mit 6,7 m 2 /m. Die kleinsten Werte haben Wannsee, Kleiner Müggelsee und Dämmeritzsee mit unter 1 m 2 /m. Die größeren Seen weisen meist ausge- dehnte Flachwasserzonen auf und haben deshalb anteilig größere Röhrichtbestände. Die kleineren Seen sind häufig als Rinnenseen mit einer nur gering ausgeprägten Uferzo- ne ausgebildet. Darüber hinaus sind an Unterhavel, Müg- gelsee, Tegeler See und Seddinsee längere Uferabschnitte ohne intensive Boots- und Erholungsnutzung zu finden. An den untersuchten Gewässern wurden 530.000 m 2 Schwimmblattpflanzenbestände festgestellt. Der Seddin- see hat mit 190.000 m 2 die ausgedehntesten Bestände, gefolgt von der Unterhavel mit 130.000 m 2 . Der Große Müggelsee (ohne die Bänke) weist mit 5.000 m 2 nur sehr geringe Bestände auf. Da die Schwimmblattzonen - an- ders als die Schilfröhrichte - nicht linienhaft entlang der Ufer wachsen, sondern unterschiedlich große Flächen bilden, ist die Zuordnung der Schwimmblattpflanzenflä- che je Meter Uferlänge statistisch nicht sinnvoll. Frage 5.4: Wie viel Kilometer bestehen aus Sand- strand? Antwort zu 5.4: Darüber liegen dem Senat keine In- formationen vor Frage 5.5: Wie viele Steganlagen befinden sich an den Ufern? Wie weit reichen diese in die Gewässer? Antwort zu 5.5: Steganlagen (ausgenommen Fahrgast- schifffahrt) befinden sich in der Zuständigkeit der Bezir- ke, der Senat führt darüber keine Statistik. Er hat daher alle Bezirksämter um Angaben gebeten und einige Rück- läufe erhalten. Charlottenburg-Wilmersdorf Insgesamt 74 private Steganlagen an Gewässern 2. Ordnung und 20 private Sportbootstege an Gewässern 1. Ordnung Wie weit diese ins Gewässer ragen, ist nicht zu ermit- teln. Mitte An stehenden Gewässern 2. Ordnung: 1 Steganlage Reinickendorf Im Bezirk gibt es über 400 Sportbootstege. Es ist da- von auszugehen, dass es weitere nicht aktenkundige Anlagen gibt. Ferner sind ein Kreuzfahrtterminal so- wie diverse Fahrgastanleger vorhanden. Wie weit die einzelnen Steganlagen in das Gewässer reichen, kann auf Grund des nicht zu vertretenden Verwaltungsaufwand für die Ermittlung der Daten nicht angegeben werden. Jedoch dürften die Längen von 3 m bis in einem Einzelfall 80 m betragen. Spandau Spandau hat ca. 1.000 Steganlagen, diese reichen bis zu 100 m in das Gewässer hinein. Steglitz-Zehlendorf An Gewässern 2. Ordnung (Waldsee) befinden sich ca. 30 privat genutzte Steganlagen bis zu 5 m Länge. In den Gewässern 1. Ordnung befinden sich 230 Steg- anlagen, sowohl privat, gewerblich als auch durch Vereine genutzt. Die Länge richtet sich nach der Nut- zungsart und liegt zwischen 10 und 110 m. Frage 6: Wie werden die Berliner Ufer bewertet? (Bit- te geben Sie jeweils die Kilometer nach Strukturklassen der Ufer nach Bezirken an) Antwort zu 6: Bezirksscharfe statistische Angaben liegen dem Senat nicht vor. Mit der Gewässerstrukturgüte wird das ökologisch- morphologische Erscheinungsbild eines Gewässers mit seinen Ufern, der Sohle und der Aue von 1-7 klassifiziert. Die Gewässerstrukturgüte der kleinen Fließgewässer in Berlin ist durch die vielfältige Nutzung im urbanen Raum sehr unterschiedlich, wobei das Tegeler Fließ die meisten naturnahen Abschnitte aufweist. Alle Seen und Flussseen fallen in die Kategorien 3 – 5. Bei Spree und innerstädtischen Kanälen ist die Gewässerstrukturgüte zu ca. 80% schlechter als Kategorie 5. Angaben zur Gewässerstrukturgüte – Gesamtbewertung nach WRRL - sind im Umweltatlas der Senatsver- waltung für Stadtentwicklung und Umwelt enthalten. Frage 7: Wie viel Kilometer Ufer sind öffentlich zu- gänglich? (Bitte um Angabe nach Bezirken und Unter- scheidung nach erster und zweiter Gewässerordnung) Antwort zu 7: Darüber führt der Senat keine Statistik. Frage 8: Welche Strukturverbesserungsmaßnahmen werden derzeit für den Uferschutz der Berliner Gewässer durchgeführt? Welche sind in Planung? Antwort zu 8: Nach umfangreichem Monitoring ge- mäß WRRL und Defizitanalysen werden nacheinander Gewässerentwicklungskonzepte (GEK) aufgestellt, Maß- nahmen geplant und umgesetzt. Solche GEK liegen für die Panke, das Tegeler Fließ, die Wuhle und die Erpe vor. Das GEK Müggelspree/Großer Müggelsee steht vor der Fertigstellung. Hier sollen Meidungszonen geschaffen und Totholz zur Strukturverbesserung eingebracht wer- den. In Vorbereitung ist das GEK Vorstadtspree. Die Umsetzung der Maßnahmen hat an der Panke begonnen (Herstellung der Durchgängigkeit). Im Rahmen des Um- weltentlastungsprogramms Berlin (UEP II) wurden was- serbauliche Maßnahmen in der Lietzengrabenniederung Abgeordnetenhaus Berlin – 17. Wahlperiode Drucksache 17 / 16 004 3 zur Verbesserung des Wasserhaushalts, zur Strukturver- besserung und zur Gewährleistung der Durchgängigkeit umgesetzt. Im Rahmen der Gewässerunterhaltung wurden Palisaden zum Schilfschutz erneuert bzw. erweitert (Flussseen der Spree, Dahme, Havel). Vor der Umsetzung steht die Revitalisierung des Ufers am Strandbad Rahns- dorf (Ersatzmaßnahme). Geplant ist die Revitalisierung der Vorstadtspree (Flachwasserzonen im Abschnitt Plän- terwald). In Zusammenarbeit mit dem Bund werden Flachwasserzonen an Bundeswasserstraßen entwickelt. Für die Revitalisierung der Tiergartengewässer liegt eine Studie vor. Frage 8.1: Welche Rolle spielt dabei die öffentliche Zugänglichkeit der Gewässer? Antwort zu 8.1: Neben der Revitalisierung der Ufer für die Flora und Fauna ist die Erlebbarkeit der Gewässer für die Menschen ein wichtiger Gesichtspunkt. Die öffent- liche Zugänglichkeit der Gewässer erleichtert den Pla- nungsprozess, ist aber keine Voraussetzung für die Um- setzung der WRRL. Frage 8.2: Welche Rolle spielt dabei eine Stärkung der Gewässergüte? Antwort zu 8.2: Es ist notwendig, die Nährstoffbelas- tungen der Spree, Dahme und Havel sowie der kleinen Fließgewässer weiter zu reduzieren. Dazu wurde ein ge- meinsames Handlungskonzept der Wasserwirtschaftsver- waltungen der Bundesländer Berlin und Brandenburg erstellt. Die Verbesserung der Gewässergüte und die Sanie- rung der Einzugsgebiete der Fließgewässer ist Vorausset- zung für den Wiederbesiedlungserfolg und die langfristige Stabilität der Strukturvielfalt (Ziel guter ökologischer Zustand bzw. Potential). Frage 8.3: Welche Mittel werden jährlich für den Uferschutz bereitgestellt? Antwort zu 8.3: Die Beantragung und Bereitstellung finanzieller Mittel zur Umsetzung von Maßnahmen im Rahmen der WRRL erfolgt projektbezogen. Frage 9: Welche Bezirke haben ein Konzept zum Uferschutz aufgestellt? 1. Welche konkrete Zielsetzung haben die einzelnen Uferkonzepte? 2. Welche Rolle spielt dabei die öffentliche Zugänglichkeit der Gewässer? 3. Welche Rolle spielt dabei eine Stärkung der Gewässergüte ? 4. Welche Mittel werden von den Bezirken jeweils für den Uferschutz bereitgestellt? Antwort zu 9: Der Senat hat alle Bezirksämter um Stellungnahme gebeten. Aus fünf Bezirken liegt ein Rücklauf vor. Die folgenden Ausführungen basieren auf diesen Rückläufen. Charlottenburg-Wilmersdorf Bei der Verlagerung der Zuständigkeit für die Auf- sicht und Unterhaltung der Gewässer 2. Ordnung in die Bezirke wurden weder ausreichende Personalmit- tel noch annähernd angemessene Sachkosten mit ver- lagert. Aus diesem Grund konnte der Bezirk Charlot- tenburg-Wilmersdorf bisher noch kein Uferschutzkon- zept aufstellen. Ein nicht unerheblicher Teil der Gewässerufer im Be- zirk sind in privater Hand. Ein Ziel ist es, die öffent- lich zugänglichen Stellen den Bürgerinnen und Bür- gern bekannter zu machen. Durch Information und Aufklärung versucht das Bezirksamt die privaten Ei- gentümerinnen und Eigentümer davon zu überzeugen, sich ebenfalls für den Ufer- und Gewässerschutz aktiv einzusetzen. Trotz der schwierigen Rahmenbedingungen ist der Bezirk ständig bemüht, die Wasserqualität der bezirk- lichen Seen zu verbessern. Ein Schwerpunkt wurde auf die Reinigung des eingeleiteten Straßenregenwas- sers gelegt. Hier sind innovative Modelle gefragt, da eine Finanzierung nur durch Einbindung von Förder- mitteln möglich ist. Insgesamt stehen für die Unterhaltung aller 21 bezirk- lichen Gewässer 2. Ordnung im Bezirk 60.000 € zur Verfügung. Aus diesen Mitteln müssen auch Maß- nahmen für den Uferschutz finanziert werden. Mitte Für die im Bezirk Mitte liegenden stehenden Gewäs- ser 2. Ordnung wurden keine speziellen Konzepte für den Uferschutz aufgestellt, da diese sich entweder in Landschaftsschutzgebieten oder in öffentlichen Grün- anlagen befinden. Reinickendorf Der vom Bezirk verfolgte Uferschutz wird durch die Verringerung der Stegzugänge, die Anlage von Sam- melstegen und das Abrücken der ufernahen Liegeplät- ze zugunsten von Röhricht- und Schwimmblattpflan- zen angestrebt. Bei Neubauprojekten werden zum Teil befestigte Ufer renaturiert. Spandau Der Bezirk hat 2001 eine Uferkonzeption erarbeiten lassen, in der zwischen Gebieten unterschieden wird, in denen Steganlagen genehmigungsfähig sind und solchen, in denen der Naturschutz bzw. der Uferschutz Vorrang hat. In letzteren Bereichen werden grundsätz- lich keine neuen Stege mehr genehmigt. Das trifft auch für bereits vorhandene Anlagen zu, deren Ge- nehmigung nicht erneuert wird und die dann zu ent- fernen sind. Die Zugänglichkeit der Ufer wird im Landschaftspro- gramm bzw. im Flächennutzungsplan gefordert/darge- stellt. Abgeordnetenhaus Berlin – 17. Wahlperiode Drucksache 17 / 16 004 4 Die Gewässergüte steht bei den o.g. Maßnahmen nicht im Vordergrund. Das Konzept gibt die Rangfolge vor: Naturschutz, Uferschutz, Landschaftsbild, Gewässer- güte. Bei den Mitteln setzt der Bezirk nur Personalkosten an. Steglitz-Zehlendorf Der Bezirk hat 2014 einen Auftrag zur Potential- und Zustandsanalyse bei den 56 bezirklichen Gewässern zweiter Ordnung beauftragt. Ziel ist die Priorisierung von naturschutzfachlichen und wasserrechtlichen Maßnahmen an den Gewässern. Fast alle Gewässer sind bereits z.B. in Grünanlagen öffentlich zugänglich. Stellenweise sind Uferbereiche durch Übernutzung insbesondere durch Betretung und Hundespiel beein- trächtigt, so dass an Maßnahmen der Besucherlenkung gedacht ist. Eine ökologisch hochwertige Ufergestal- tung trägt wesentlich zur Gewässergüte bei, wenn nicht durch ungereinigte Regenwassereinleitungen der Nährstoffeintrag und die hydraulische Belastung zu groß sind. Mittel werden in 2015 voraussichtlich keine ausgege- ben, jedoch absehbar in den Folgejahren. Berlin, den 30. April 2015 In Vertretung C h r i s t i a n G a e b l e r ................................ Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Umwelt (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 07. Mai. 2015)