Drucksache 17 / 16 030 Schriftliche Anfrage 17. Wahlperiode Schriftliche Anfrage der Abgeordneten Clara Herrmann (GRÜNE) vom 21. April 2015 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 22. April 2015) und Antwort Nationalistische russische Biker in Berlin? - Nachtwölfe Die Drucksachen des Abgeordnetenhauses sind bei der Kulturbuch-Verlag GmbH zu beziehen. Hausanschrift: Sprosserweg 3, 12351 Berlin-Buckow · Postanschrift: Postfach 47 04 49, 12313 Berlin, Telefon: 6 61 84 84; Telefax: 6 61 78 28. Im Namen des Senats von Berlin beantworte ich Ihre Schriftliche Anfrage wie folgt: 1. Welche Kenntnisse hat der Senat über die von rus- sischen Bikern geplante Tour von Moskau nach Berlin, die - im Zusammenhang mit dem Jahrestag des Kriegsen- des - am 9. Mai in Berlin enden soll? Zu 1.: Angehörige der russischen „Night Wolves Motorcycle Gang (NWMG)“ planen anlässlich des 70. Jahrestages der Kapitulation Deutschlands eine Tour durch mehrere europäische Staaten, die in Berlin enden soll. Die angekündigte Tour wurde am 25. April gestartet und soll bis zum 11. Mai 2015 stattfinden und von Mos- kau über Minsk, Brest, Wroclaw, Brno, Bratislava, Wien, München, Prag und Torgau nach Berlin und zurück über Brest nach Moskau führen. Der Aufenthalt in Berlin wird als Höhepunkt der Tour dargestellt und soll vom 7. bis 10. Mai 2015 dauern. In diesem Zusammenhang sollen meh- rere historisch relevante Örtlichkeiten beziehungsweise sowjetische Ehrenmäler angefahren werden. 2. Welche politische Motivation ist nach Einschätzung des Senats mit dieser Tour verbunden? Zu 2.: Anders als Rockergruppierungen in westlichen Staaten sind die Mitglieder der NWMG im nationalisti- schen Sinn politisch stark engagiert. Die geplante Tour der NWMG stellt schon auf Grund der thematischen Einbettung und der demonstrativen Ausrichtung angesichts der derzeitigen Sicherheitslage in Europa offensichtlich ein politisches Signal dar, welches deutlich über die üblicherweise unpolitischen Botschaften der traditionellen Rockerszene hinausgeht. Die mit der geplanten Veranstaltung einhergehende und umfangreiche mediale Berichterstattung sowie die daraus resultierenden Reaktionen in den von der Tour betroffenen Ländern scheinen seitens der Initiatoren bewusst einkalkuliert worden zu sein. Sämtliche bekannt werdenden Umstände fließen fort- laufend in die Beurteilung der Lage durch die Sicher- heitsbehörden des Bundes und der Länder ein. 3. Welche Kenntnisse hat der Senat über die Initia- tor*innen und Teilnehmer*innen der Biker-Tour? Zu 3.: Als Veranstalter der Tour trat in den Medien ein russischer Angehöriger der NWMG in Erscheinung. Dem Senat liegen zu dieser Person keine näheren Er- kenntnisse vor. Durch zwei deutsche Staatsangehörige, die nach bisherigem Erkenntnisstand bisher polizeilich nicht in Erscheinung getreten sind, wurde an die Ver- kehrslenkung Berlin (VLB) eine formlose Anfrage zu einer Kolonnenfahrt von 30 Fahrzeugen am 9. Mai 2015 gestellt. Ein förmlicher Antrag lag bis zum 4. Mai 2015 nicht vor. 4. Mit welchen nationalen und internationalen Behör- den steht der Senat bezüglich der Tour mit welcher Ziel- setzung in Kontakt? Zu 4.: Die Sicherheits- und Ordnungsbehörden des Landes Berlin stehen in ständigem Informationsaustausch mit den zuständigen Sicherheitsbehörden des Bundes und der Länder. 5. Welches Gewaltpotential geht von den Teilneh- mer*innen der Biker-Tour nach Einschätzungen des Se- nats aus? Zu 5.: Gemäß aktueller Einschätzung wird davon aus- gegangen, dass von der Europatour der NWMG selbst keine gewalttätigen Aktionen in Berlin zu erwarten sind. Abgeordnetenhaus Berlin – 17. Wahlperiode Drucksache 17 / 16 030 2 6. Welche rechtlichen Voraussetzungen müssen die Biker erfüllen, um durch Berlin fahren zu dürfen? Welche rechtlichen Instrumente gibt es, dies zu verhindern? Zu 6.: Staatsangehörige der Russischen Föderation benötigen für die Einreise in die Bundesrepublik Deutsch- land ein Visum. Ausländische Kraftfahrzeuge dürfen vorübergehend am Verkehr in der Bundesrepublik Deutschland teilneh- men, müssen jedoch verkehrs- und betriebssicher sein. Sofern dies nicht gegeben ist, kann die Weiterfahrt unter- sagt werden. Für das Führen von Kraftfahrzeugen sind generell eine gültige Fahrerlaubnis und ein gültiger Versi- cherungsschutz (grüne Versicherungskarte) erforderlich. Unter diesen Voraussetzungen und der Einhaltung der Regeln der Straßenverkehrsordnung können Einzelfahre- rinnen oder Einzelfahrer mit Kraftfahrzeugen in Berlin am Straßenverkehr teilnehmen. Sobald sich mehrere Kraftfahrzeuge zu einem ge- schlossenen Verband (eine geordnete, einheitlich geführte und als Ganzes wahrnehmbare Fahrzeugmehrheit) zu- sammenschließen, bedarf ein solcher Korso einer straßen- verkehrsbehördlichen Ausnahmegenehmigung (Son- dernutzung). Soweit diese dafür notwendige Genehmigung nicht vorliegt, kann die Polizei dem Verband die geschlossene Weiterfahrt untersagen und diese Verkehrsordnungswid- rigkeit ahnden. 7. Hat der Senat bereits Maßnahmen ergriffen, um dies zu verhindern oder plant der Senat Maßnahmen zu ergreifen? Wenn ja, welche? Wenn nein, warum nicht? Zu 7.: Die Sicherheits- und Ordnungsbehörden des Landes Berlin verfolgen in enger Abstimmung unterei- nander als auch mit den Sicherheitsbehörden des Bundes und der Länder die Aktivitäten aufmerksam, beurteilen diese fortgesetzt und werden möglichen Gefahren für die öffentliche Sicherheit und Ordnung im Rahmen der recht- lichen Möglichkeiten frühzeitig begegnen, sofern die angekündigte Veranstaltung das Berliner Stadtgebiet erreicht. 8. Mit welchen Bundesländern und in welcher Form arbeitet der Senat bezüglich der Tour zusammen? Zu 8.: Insbesondere im Rahmen der Aufklärungsmaß- nahmen erfolgt ein regelmäßiger Informationsaustausch zwischen den Sicherheitsbehörden des Bundes und aller Länder. 9. Welche Kenntnisse hat der Senat über die Teilnah- me oder Unterstützung von Bikern und Gruppen aus Ber- lin bzw. Deutschland? Zu 9.: In Deutschland sind zwei Ableger der NWMG in anderen Bundesländern bekannt, die jedoch bisher nur in einem geringen Maß polizeilich auffällig waren. Die Berliner Rockerszene verhält sich insgesamt ab- wartend. Überwiegend wird, gerade auch wegen des of- fenkundigen politischen Hintergrundes der angekündigten Veranstaltung, derzeit kein Interesse an einer Teilnahme bekundet. Einzelne im Internet veröffentlichte Bekundun- gen scheinen nicht repräsentativ zu sein und unterliegen einer fortlaufenden Bewertung durch die Sicherheitsbe- hörden des Bundes und der Länder. 10. Welche Kenntnisse hat der Senat über Über- schneidungen/ Kontakte der russischen „Nachtwölfe“ mit der rechtsextremen Szene, mit Rockern und mit Hoolig- ans in Berlin und Deutschland? Zu 10.: Dem Senat sind keine Kontakte zur rechtsext- remen Szene oder zur Hooliganszene bekannt. Offenkun- dig bestehen Kontakte zu den beiden nicht in Berlin an- sässigen deutschen Ablegern der NWMG. Inwieweit Kontakte aus den Vorjahren in die Berliner Rockerszene hinein aktuell noch bestehen, ist Gegenstand weiterer Betrachtungen durch die Sicherheitsbehörden. 11. Sind dem Senat Veranstaltungen oder Versamm- lungen im Rahmen der Ankunft der Biker am 9. Mai in Berlin bekannt? Wenn ja, welche? Zu 11.: Dem Senat sind keine Veranstaltungen oder Versammlungen bekannt, die im Zusammenhang mit der Ankunft der NWMG in Berlin stehen. Die von einem Berliner Radiosender für den 9. Mai 2015 als Demonstration angemeldeten Motorradausfahrt unter dem Motto „Gewalt fährt nicht mit“ zwischen 10.00 Uhr und 14.00 Uhr hat keinen Bezug zur Fahrt der NWMG. Berlin, den 05. Mai 2015 In Vertretung Bernd Krömer Senatsverwaltung für Inneres und Sport (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 12. Mai 2015)