Drucksache 17 / 16 073 Schriftliche Anfrage 17. Wahlperiode Schriftliche Anfrage der Abgeordneten Elke Breitenbach und Katrin Lompscher (LINKE) vom 27. April 2015 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 28. April 2015) und Antwort Wohnungen für Flüchtlinge (III) Die Drucksachen des Abgeordnetenhauses sind bei der Kulturbuch-Verlag GmbH zu beziehen. Hausanschrift: Sprosserweg 3, 12351 Berlin-Buckow · Postanschrift: Postfach 47 04 49, 12313 Berlin, Telefon: 6 61 84 84; Telefax: 6 61 78 28. Im Namen des Senats von Berlin beantworte ich Ihre Schriftliche Anfrage wie folgt: Frage 1: Wie viele Wohnberechtigungsscheine wurden im Land Berlin in den Jahren 2013 und 2014 a) an Asylsuchende und b) an Geduldete erteilt (bitte nach Jahr und Bezirk aufschlüsseln)? Antwort zu 1: Die Personengruppen werden im WBS 1 -Verfahren nicht im Einzelnen erfasst. Frage 2: Auf welchen Rechts- und Verwaltungsvor- schriften beruht ggf. die ablehnende Haltung der Woh- nungsämter hinsichtlich der Ausgabe von Wohnberechti- gungsscheinen an Asylsuchende und Geduldete, und hält der Senat dies im Hinblick auf den Art. 28 Verfassung von Berlin („Jeder Mensch hat das Recht auf angemessenen Wohnraum.“) sowie den Sinn und Zweck des Wohnraumförderungsgesetzes (WoFG) für rechtmäßig? Wie beurteilt der Senat die insoweit flüchtlingsfreundlichere Verwaltungspraxis der Städte Bremen, Köln und Pots- dam? Frage 3: Sieht der Senat die Möglichkeit, alternativ zum Wohnberechtigungsschein den Vermieter*innen aufgrund des öffentlichen Interesses an der Unterbringung von Flüchtlingen in Berlin die Vergabe einer Sozialwoh- nung auch ohne Wohnberechtigungsschein mittels einer einzelfallbezogenen Befreiung gemäß § 30 Abs. 1 Nr. 2 WoFG zu gestatten? Wenn nein, warum nicht? 1 Wohnberechtigungsschein Frage 5: Auf welchen Rechts- und Verwaltungsvor- schriften beruht die Ablehnung des Wohnberechtigungs- scheins für Flüchtlinge bei einer Restlaufzeit der aktuellen Aufenthaltserlaubnis von weniger als zwölf Monaten, und hält der Senat dies im Hinblick auf Art. 28 Verfassung von Berlin („Jeder Mensch hat das Recht auf angemessenen Wohnraum.“), Art. 21 Genfer Flüchtlingskonvention (Wohnungswesen), Art. 32 Qualifikationsrichtlinie der EU (Zugang zu Wohnraum) sowie den Sinn und Zweck des WoFG für rechtmäßig? Wenn ja, worauf stützt er seine Rechtsauffassung? Antwort zu 2, 3 und 5: Die wesentlichen Vorausset- zungen für die Erteilung eines Wohnberechtigungsschei- nes sind in den bundesgesetzlichen Vorschriften des § 27 Absatz 2 bis 5 Wohnraumförderungsgesetz definiert. Danach wird der WBS nur auf Antrag erteilt. Wer an- tragsberechtigte/r Wohnungssuchende/r ist, bestimmt § 27 Absatz 2 WoFG. Nach dieser Regelung sind Wohnungs- suchende antragsberechtigt, „die sich nicht nur vorübergehend im Geltungsbereich dieses Gesetzes aufhalten und die rechtlich und tatsächlich in der Lage sind, für sich und ihre Haushaltsangehörigen nach § 18 WoFG auf längere Dauer einen Wohnsitz als Mittelpunkt der Lebensbezie- hungen zu begründen und dabei einen selbständigen Haushalt zu führen.“ Zu den Voraussetzungen zählt hiernach, dass der WBS-Antragsteller bzw. die WBS-Antragstellerin den Kriterien der Nachhaltigkeit genügen muss, zu denen auch die Merkmale der Dauerhaftigkeit sowie der wirt- schaftlichen und sozialen Erfordernisse gehören. Daran mangelt es grundsätzlich denjenigen, die zur Durchführung des Asylverfahrens lediglich im Besitz einer Aufenthaltsgestattung sind oder nach Ablehnung ihres Asylantrages geduldet werden. Denn die Bescheini- gungen begründen kein dauerhaftes bzw. für längere Zeit befristetes Aufenthaltsrecht. Abgeordnetenhaus Berlin – 17. Wahlperiode Drucksache 17 / 16 073 2 In Folge aktueller Rechtsprechung werden seit Anfang des vergangenen Jahres auch jene Flüchtlinge als antrags- berechtigt für einen WBS angesehen, die nach Ablehnung ihres Asylantrages geduldet werden, wenn ein dauerhaftes Abschiebehindernis aus Artikel 6 Grundgesetz (GG) und Artikel 8 Europäische Menschenrechtskonvention (EMRK) besteht. Darüber hinaus sind auch Flüchtlinge, die über eine längerfristige Aufenthaltserlaubnis oder Niederlassungs- erlaubnis verfügen, für eine Sozialwohnung wohnberech- tigt. Ferner besteht – wie in anderen Bundesländern - die Möglichkeit der Überlassung einer Sozialwohnung an Flüchtlinge ohne anerkannten WBS, wenn die Wohnung gemäß § 30 WoFG von den Belegungsbindungen freige- stellt worden ist. Der Besitz eines WBS ist somit nicht Voraussetzung für den Bezug einer Sozialwohnung, wenn diese von der Belegungsbindung nach § 30 WoFG freige- stellt worden ist. Frage 4: Ist es zutreffend, dass die Berliner Woh- nungsämter Wohnberechtigungsscheine auch für aner- kannte Flüchtlinge und andere Ausländer*innen verwei- gern, wenn die Restlaufzeit ihrer aktuellen Aufenthaltser- laubnis zufälligerweise weniger als zwölf Monate beträgt? Ist die Berliner Ausländerbehörde regelmäßig dazu bereit und in der Lage, befristete Aufenthaltserlaubnisse ggf. bereits vor Ablauf der Geltungsdauer entsprechend zu verlängern, und wenn nein, weshalb nicht? Antwort zu 4: Die Voraussetzungen für die Wohnbe- rechtigung sind im WoFG definiert. Hiernach hat ein Nicht-EU-Ausländer bzw. eine -Ausländerin grundsätz- lich Anspruch auf einen WBS, wenn er bzw. sie über eine Aufenthaltserlaubnis – befristet für mindestens ein Jahr – verfügt und zudem die maßgeblichen Einkommensgren- zen eingehalten werden. Sofern zum Zeitpunkt der WBS- Antragstellung unklar ist, ob sich die Antragstellerin bzw. der Antragsteller (auch weiterhin) rechtmäßig, d. h. mit- tels Aufenthaltserlaubnis, für längere Zeit in Deutschland bzw. Berlin aufhalten darf, ist eine Wohnberechtigung nicht gegeben. Aufenthaltserlaubnisse werden von der Ausländerbe- hörde den Vorgaben des Aufenthaltsgesetzes entspre- chend unter Berücksichtigung des jeweiligen Zwecks des Aufenthalts befristet. Das Aufenthaltsgesetz sieht dabei für die Geltungsdauer von Aufenthaltserlaubnissen bis auf wenige Ausnahmen keine festen Fristen vor. Bei der Entscheidung über die Geltungsdauer legt die Berliner Ausländerbehörde aus Gründen der Verwal- tungseffizienz einen großzügigen Maßstab an. So sind die Laufzeiten der erteilten Aufenthaltserlaubnisse überwie- gend - und zum Teil auch deutlich - länger als bei anderen Ausländerbehörden im Bundesgebiet. Aufenthaltserlaubnisse werden bei der Berliner Aus- länderbehörde regelmäßig frühestens drei Monate vor ihrem Ablauf verlängert. Nur wenn sich der Zweck des Aufenthalts zwischenzeitlich geändert hat (z.B. wegen Änderung des Familienstands) und dadurch ein Wechsel in eine Aufenthaltserlaubnis auf einer anderen Rechts- grundlage begründet ist, kann eine Aufenthaltserlaubnis auch zu einem früheren Zeitpunkt verlängert werden. Flüchtlinge, die vom Bundesamt für Migration und Flüchtlinge als asylberechtigt anerkannt wurden oder die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt bekommen haben, er- halten eine Aufenthaltserlaubnis für drei Jahre. Nach deren Ablauf wird in der Regel eine (unbefristete) Nieder- lassungserlaubnis erteilt. Bei anderen Aufenthaltserlaubnissen, die aus humani- tären Gründen erteilt werden (z.B. subsidiärer Schutz, Reiseunfähigkeit aufgrund einer schweren Erkrankung, Härtefälle), ist bei einer Verlängerung ein teilweise hoher Prüfungsaufwand zu leisten, da in der Regel auch andere Stellen beteiligt werden müssen (z. B. das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge). Dadurch ist die Verlängerung in der Regel auch nicht kurzfristig möglich, weil noch Stellungnahmen oder Expertisen Dritter abgewartet wer- den müssen. Die Ausländerbehörde sieht keine Möglichkeit, Auf- enthaltserlaubnisse vorfristig allein für die Beantragung eines Wohnberechtigungsscheins in den Wohnungsämtern zu verlängern. Frage 6: Welche Möglichkeiten sieht der Senat, die Wohnungssuche von in Gemeinschaftsunterkünften un- tergebrachten a) anerkannten Flüchtlingen und b) Gedul- deten besser zu unterstützen, für die leistungsrechtlich nicht das Landesamtes für Gesundheit und Soziales (LA- GeSo), sondern die Jobcenter oder die bezirklichen Sozi- alämter zuständig sind und für die die Beratungsstelle „Wohnungen für Flüchtlinge“ des Evangelischen Jugendund Fürsorgewerkes (EJF) bisher zuständigkeitshalber nicht tätig werden kann? Antwort zu 6: Der Kooperationsvertrag „Wohnungen für Flüchtlinge“ wurde zwischen dem Landesamt für Gesundheit und Soziales (LAGeSo) und den Städtischen Wohnungsunternehmen geschlossen. Die Städtischen Wohnungsunternehmen sollen hierfür 275 Wohnungen jährlich zur Verfügung stellen. Für dieses Kontingent sichert das Evangelische Jugend- und Fürsorgewerk (EJF) die Mietberatung und Betreuung. Mit Stand 23.04.2015 waren 1.816 Haushalte bzw. 3.394 Personen beim EJF für die Wohnungsvermittlung registriert. Abgeordnetenhaus Berlin – 17. Wahlperiode Drucksache 17 / 16 073 3 Die Senatsverwaltung für Gesundheit und Soziales hat das LAGeSo um Prüfung gebeten, ob mit dem EJF eine Ausweitung der Vermittlungstätigkeit auf Personenkreise vereinbart werden sollte, die leistungsrechtlich nicht vom LAGeSo betreut werden. Hierbei ist an Flüchtlinge aus den bundesweiten Aufnahmeprogrammen zu denken und an Leistungsberechtigte nach dem Asylbewerberleis- tungsgesetz (AsylbLG), die z.B. eine Duldung besitzen und Leistungen durch ein JobCenter oder ein Sozialamt erhalten. Berlin, den 08. Mai 2015 In Vertretung Prof. Dr.-Ing. Engelbert Lütke Daldrup ................................ Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Umwelt (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 13. Mai 2015)